vwd Kommentar/Ruhige Zinshand der EZB zittert nicht 
 
von vwd Korrespondent Christian Streckert 
 
 Die ruhige Zinshand der Europäischen Zentralbank (EZB) ist bei der 
routinemäßigen Überprüfung der Geldpolitik am Donnerstag nicht ins Zittern 
geraten. Die in Frankfurt versammelten Währungshüter des EZB-Rats 
widersetzten sich erneut den lauten Rufen nach einer Lockerung der Zinsen 
zur Ankurbelung der Konjunktur - und tat 
Wim Duisenberg und die anderen Vertreter im EZB-Rat nicht müde werden zu 
betonen, fühlt sich die EZB primär den beiden Säulen ihrer definierten 
geldpolitischen Strategie verpflichtet und sieht sich eben nicht als 
Institut zur aktiven Konjunktursteuerung. 
 
 Um keine Unklarheiten aufkommen zu lassen: Natürlich kann die EZB die 
Zinsen zur Ankurbelung der Konjunktur senken - wenn dies ihrem EZB-Mandat 
der Wahrung der Preisniveaustabilität nicht widerspricht. Doch genau die 
zweite Säule der Strategie, die Inflation, führt bei der EZB zumindest noch 
zu Stirnrunzeln. Erst am Mittwoch hatte EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing 
darauf hingewiesen, dass sich die Inflationsrate (HVPI) in der Eurozone auf 
Grund von Sondereinflüssen zunächst noch über dem Referenzwert von zwei 
Prozent bewegen wird, bevor sie dann zurückfallen wird. Issings Aussage 
wurde nicht zuletzt durch die italienischen Verbraucherpreise und die 
vorläufigen Verbraucherpreise aus den deutschen Bundesländern belegt. 
 
 Zwar ließe sich hier einwenden, dass die EZB auf die Sondereinflüsse - 
namentlich die Nachwirkungen des Ã-lpreisanstiegs und höhere 
Nahrungsmittelpreise nach BSE - ohnehin nicht einwirken kann und damit der 
Weg für eine Zinssenkung dennoch frei ist. Doch die EZB betonte stets 
ausdrücklich, dass sie sich nicht an der Kerninflationsrate, sondern am HVPI 
orientiert. Und letzterer enthält nun einmal die Sondereffekte und damit 
keinen"zinspolitischen Ausweg" für die EZB. 
 
 So zollten auch Bankvolkswirte der EZB für ihre Zinssentscheidung 
durchweg Lob:"Die Zinskontinuität der EZB ist folgerichtig", hieß es. Wer 
einmal eine Strategie definiert habe, müsse sich auch daran halten. Genau 
dies tat die EZB. In den Geldhäusern jedenfalls wird nunmehr erst eine 
Zinssenkung für den Verlauf des zweiten Halbjahrs erwartet. Problematisch 
sei dabei jedoch, dass diese Zinslockerung bei unterstellter Erholung in den 
USA dann zu spät komme und"voll in den Zyklus hinein" wirke. 
 
 Für eine Zinssenkung sind politischer Druck und vehement geäußerte 
Forderungen aber generell nicht förderlich. Zu dieser verspäteten Einsicht 
scheinen auch Politiker und Gewerkschaften gelangt zu sein, war doch im 
Vorfeld der Zinsentscheidung ein merklich geringerer Druck auf die EZB zu 
verzeichnen als noch zuvor. Daran änderte auch die Aufforderung des IWF an 
die EZB nichts, die Zinsen zu senken. Zudem sprang der spanische 
Regierungschef Jose Maria Aznar der EZB zur Seite und plädierte 
ungewöhnlich deutlich dafür, bei der abwartenden zinspolitischen Linie in 
der Eurozone zu bleiben. 
 
 Die EZB mag durch ihr erneute"Wait-and-see"-Haltung zwar keine neuen 
Freunde unter Wirtschaftspolitikern und Gewerkschaftern gewonnen haben. Für 
ihre Reputation als Zentralbank wird die strenge Ausrichtung der 
Entscheidungen an der Preisniveaustabilität förderlich gewesen sein. Dem 
Euro kann dies kurz vor der Bargeldeinführung nur gut tun. Apropos Euro: 
Dieser profitierte von der EZB-Entscheidung und legte bis auf 0,9021 USD zu. 
 
 
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