Talleyrand
28.04.2001, 19:19 |
@Dottore wg. Staatsbankerott Thread gesperrt |
Lieber Dottore,
Du schreibst weiter unten:
DER STAATSBANKROTT TRITT BEREITS DURCH DIE TÜR.
Es ist viel später als so mancher ahnt.
Das klingt gut, gebe ich zu, denn irgendwann muss es ein Ende haben mit der Wechselreiterei gewisser Herrschaften. (Moralisch ist es nix anderes als das.)
Für deutsche Verhältnisse glaube ich jedoch, daß wir noch rund 10 Jahre haben.
Einen Weg zurück kann ich mir rechnerisch nicht aufmachen. Es sei denn, Politik
wäre in der Lage, totalen Staats-Verzicht zu erklären, was sicher zu anderen Köpfen und damit Rückkehr zur bisherigen"soliden" Haushaltsführung führte.
Bin ich einer von denen, die nicht ahnen....?!?
Gruss, T.
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dottore
28.04.2001, 21:15
@ Talleyrand
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Re: @Dottore wg. Staatsbankerott - bittschön: Das Szenario: |
>Lieber Dottore,
>Du schreibst weiter unten:
>
>DER STAATSBANKROTT TRITT BEREITS DURCH DIE TÜR.
>Es ist viel später als so mancher ahnt.
>
>Das klingt gut, gebe ich zu, denn irgendwann muss es ein Ende haben mit der Wechselreiterei gewisser Herrschaften. (Moralisch ist es nix anderes als das.)
>Für deutsche Verhältnisse glaube ich jedoch, daß wir noch rund 10 Jahre haben.
>Einen Weg zurück kann ich mir rechnerisch nicht aufmachen. Es sei denn, Politik
>wäre in der Lage, totalen Staats-Verzicht zu erklären, was sicher zu anderen Köpfen und damit Rückkehr zur bisherigen"soliden" Haushaltsführung führte.
>Bin ich einer von denen, die nicht ahnen....?!?
>Gruss, T.
Hi Talley,
der Charme jedes Konkurses, jeder Pleite, Insolvenz, Illiquidität usw. besteht darin, dass sie "völlig überraschend" kommt. Das liegt in der Natur der Sache.
Wüssten alle, die anschließend überrascht sind, dass sie überrascht werden, würden sie sich nicht überraschen lassen wollen, sondern das, was sie überrascht, früher merken und entsprechend handeln.
Dadurch würde der magische Moment ("alle wollen auf ein Mal gleichzeitig ins Freie") entsprechend vorgezogen.
Es gibt für jeden Ablauf einer Pleite eine Anzahl von Durchgangsstationen:
1. Es geht überhaupt los mit der Verschuldung.
2. Es werden, weil's so schön ist immer mehr Schulden gemacht.
3. Erste warnende Hinweise werden überhört.
4. Dann doch gehört, und es kommt zu"Sanierungsbemühungen". Anschließend erneutes Sich-Entspannt-Zurücklehnen.
5. Man setzt die Nummer fort und es kommt zum fatalen "Point of no Return". Der besagt: Egal wie jetzt weiter gewirtschaftet wird, die Schote ist nicht mehr vorm Absturz zu bewahren.
6. Dennoch geht es wunderbarerweise weiter. Unterbrochen von Sachen, wie sie schon beschrieben wurden (Sanierungsversuche usw.).
7. Es kommt zwanglos zum Alarm-Tag. Der ist dann erreicht, wenn die zusätzlichen Einzahlungen etwa so hoch sind wie die Auszahlungen, die dafür geleistet werden müssen, dass man bereits verschuldet ist.
Diese Alarmtage waren in der Geschichte, als die Steuereinnahmen noch nach Belieben und Gutdünken des Serinissimus verteilt werden konnten, erst erreicht, wenn galt: Steuern < Zinszahlungsverpflichtungen. Aber selbst danach ließen sich noch neue Hoffnungen schöpfen, neue Kredite nehmen. Nur musste man sich dann schon nach neuen Einkunftsquellen umschauen, was vornehmlich auf dem Wege über die Gewinnung von Land und zusätzlichen Untertanen geschah.
Heute schrillt Alarm allerding bereits, wenn - wie beschrieben - gilt: Die frei verfügbare (und nicht durch gesetzliche Verpflichtungen bereits sozusagen vorab ausgegebene) Finanzmasse = Zinsen auf die aufgelaufene Staatsverschuldung.
<font color="FF0000">Denn mehr Geld als das frei (!) disponierbare hat kein Staat der Welt zur Verfügung. Alles andere ist durch Recht und Gesetz in seinen Auszahlungsvorgängen festgeschrieben bzw. -gelegt.</font>
8. Das Alarmglöckchen, das heutzutage gaaanz leise bimmelt, vernehmen nur wenige Cogoscenti. Die Masse nie. Aber es hat gebimmelt!
Denn was könnten die Staaten im Fall einer sie alle umfassenden Rezession (= Steuermindereinnahmen) machen?"Einsparungen" nur in ganz wenigen Bereichen, die obendrein kaufkraftwirksame Folgen hätten (weniger Strassenbau, Schließung von Armee-Standorten usw.).
9. In einer weltweiten Rezession schrumpft also der"verfügbare" finanzielle Spielraum ruckartig zusammen. (Siehe das aktuelle Geplapper von"Haushaltssperren" durch BM Eichel, der schon zu ahnen scheint, was irgendwann abgeht; ähnlich ist es mit den 60-%-Defizitbeschränkungen ex Maastricht, usw.).
10. Es läuft also alles auf die Frage hinaus: Ob und wann wird eine weltumfassende Rezession eintreten (ausgehend von den USA, als wichtigstem Wirtschaftsfaktor)?
Tritt diese Rezession mit entsprechender Durchschlagskraft auf die Staatseinnahmen ein, woran kein Zweifel bestehen kann, da alle Steuern letztlich BIP-abhängig sind (früher gab's Pro-Kopf-Steuern usw., egal wie gut die Wirtschaft lief),
<font color="FF0000">geht's S O F O R T dem Ende zu.</font>
Also tief durchatmen und hoffen, dass die Sache sich noch eine Zeitlang schaukeln lässt, u.a. auch durch zusätzliche Neuverschuldung der Staaten, denn diese neuen Schulden sind auch BIP (wenn auch Fake) und die Zinszahlungen darauf nicht minder.
Den Zeitrahmen im Falle des Ausbruchs einer US-Krise sehe ich bei maximal zwei Jahren. Sehr, sehr optimistisch gedacht. Danach hätten wir es komplett und weltweit hinter uns.
Das macht die derzeitige Lage eben auch so spannend, nicht wahr?
Besten Gruß
d.
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Talleyrand
28.04.2001, 21:27
@ dottore
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Vielen Dank für die Erläuterung, Dottore! Auch stilistisch wieder erste Sahne! (owT) |
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Josef
28.04.2001, 21:43
@ dottore
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Staatsbankerott: Gesetzliche Verpflichtungen ueberall, aber die lassen |
sich doch durch Aendern der Gesetze veraendern.
Japan muss das doch jetzt auch machen und bei uns wuerde das auch gehen.
Das konnte man bei der BSE-Krise gut sehen. In einer Woche wurde das
durchgezogen.
MfG
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teldaman
29.04.2001, 10:30
@ dottore
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@ dottore: Fragen |
Hallo Dottore,
mich würde mal interessieren, wie der private Schuldner im Zuge der Währungsreform 1948 bzw. in den 30er Jahren behandelt wurde. Ging dies nach dem Prinzip:
Erst machen wir den Privaten so viel Druck, dass diese Ihre Schulden nicht mehr bedienen können und wenn genügend private"platt" sind - fangen wir an die Währung zu entwerten und drucken neues Geld!
Wie passt es da, dass eine Vielzahl von privaten so horrende Summen auf der hohen Kante haben - wie z.B. in Japan.
Profitieren soll von den Währungsreformen doch in der Regel der Schuldner, oder??
Danke
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Diogenes
29.04.2001, 11:25
@ Josef
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Re: Staatsbankerott: Gesetzliche Verpflichtungen ueberall, aber die lassen |
>sich doch durch Aendern der Gesetze veraendern.
>Japan muss das doch jetzt auch machen und bei uns wuerde das auch gehen.
>Das konnte man bei der BSE-Krise gut sehen. In einer Woche wurde das
>durchgezogen.
>MfG
Hallo Joseph
... was man bei BSE aber auch sieht:
- Warnungen werden ignoriert. Bequemlichkeit ist wichtiger."Nur kane Wellen", wie der Ã-sterreicher sagt. ;-)
- gehandelt wird erst wenn Feuer am Dach ist. Das mag bei BSE gerade noch so einiger Maßen gehen (???9, aber bei der Staatsverschuldung geht das nicht, wenn es ernsthaft kracht ist es zu spät.
Die Japaner sind in der letzten Phase des Herumwurstelns mit tatkräftier Unterstützung durch den Rest der Welt - wehe Japan würde sinken.
Was die wirklich machen müßten, wäre dem Markt freie Hand zu lassen, um die Ungleichgewichte zu beseitigen, Überkapazitäten abzubauen, faule Schulden auszubuchen und derart die Produktionsmittel neu zu verteilen. Das heißt aber: Krise, Krise, Krise und das nicht zu knapp.
Gruß
Diogenes
P.S. siehe auch meine Antwort auf dein Posting hier.
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dottore
29.04.2001, 12:57
@ teldaman
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Re: @ dottore: Fragen |
>Hallo Dottore,
>mich würde mal interessieren, wie der private Schuldner im Zuge der Währungsreform 1948 bzw. in den 30er Jahren behandelt wurde. Ging dies nach dem Prinzip:
>Erst machen wir den Privaten so viel Druck, dass diese Ihre Schulden nicht mehr bedienen können und wenn genügend private"platt" sind - fangen wir an die Währung zu entwerten und drucken neues Geld!
>Wie passt es da, dass eine Vielzahl von privaten so horrende Summen auf der hohen Kante haben - wie z.B. in Japan.
>Profitieren soll von den Währungsreformen doch in der Regel der Schuldner, oder??
>Danke
Die Schuldner wurden sowohl 1923 als auch 1948 anschließend in kleinerem Umfang als es ihre Schulden"real" waren, zur Kasse gebeten. 1923 gab es ein Gesetz, einen Teil der Schulden (Quote weiß ich jetzt gerade nicht, Zeitmangel, um nach zu schauen) auch ins neue Geld überführen zu müssen.
1948 hat sich nur der Staat komplett entschuldet (Ausnahme: die Schulden, die er zum In-Umlaufbringen des neuen Pro-Kopf-Geldes machen musste; auch wurden anschließend weitere Aktive der Bürger wieder hergestellt in dem langwierigen"Lastenausgleichsverfahren". Dies bitte noch Mal nach lesen, stand hier glaube ich schon Mal, jetzt leider keine Zeit).
Schuldner profitieren immer nur im Verlauf einer Hperinflation (siehe Hugo Stinnes, von Jan ausführlichst dar gestellt), aber nicht nach deren Ende. Dann gibt's noch eine Nachberechnung.
Gruß
d.
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dottore
29.04.2001, 13:05
@ Josef
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Re: Staatsbankerott: Gesetzliche Verpflichtungen ueberall, aber die lassen |
>sich doch durch Aendern der Gesetze veraendern.
>Japan muss das doch jetzt auch machen und bei uns wuerde das auch gehen.
>Das konnte man bei der BSE-Krise gut sehen. In einer Woche wurde das
>durchgezogen.
>MfG
BSE ist ganz was anderes als wenn's ums Geld direkt geht. Das Problem BSE lautet übrigens: Wo soll das Geld herkommen, das für den Aufkauf der Rinder vom Staat bezahlt werden muss. Die Bauern werden ja entschädigt. Und die EU hat nix mehr.
Müssten alle Nutztiere innerhalb der EU gekeult und verbrannt werden, würde dies sämtliche Haushalte bereits komplett sprengen - unbezahlbar. Und dann? Sondersteuer? Neue Schulden? Geld drucken?
Bei den Gesetzen, die ich meine, geht es auch nicht um BGB oder StGB usw., sondern um gesetzlich festgeschrieben Zahlungsverpflichtungen der öffentlichen Hände. Nur auf die kommt's an.
Jeder hat einen konkret feststellbaren Anspruch auf Rente, Pension, Gehalt, Subvention (Stromeinspeisungsgesetz z.B., Agrarprodukte, Steinkohle usw., usw.).
Wenn diese Gesetze geändert werden müssen, heisst dies a) sie müssen geändert werden, weil kein Geld mehr da ist, sie zu erfüllen und b) gibt's Riesenzoff mit den Betroffenen.
Streich doch einfach Mal in Gedanken querbeet alle staatlichen Leistungen (= alles konkret festliegende Einzahlungserwartungen der Bürger!) um 10 % zusammen.
Dann weißt Du, was dann abgeht.
Gruß
d.
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Josef
29.04.2001, 13:41
@ dottore
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@dottore: Staatsbankrott: Ist ein Notstand. Da gelten andere Masstaebe. |
Sagt die Regierung den Leuten die Wahrheit: Wir haben jetzt kein Geld mehr.
Wir muessen dies und das kuerzen, andernfalls geht wir alle zusammen den
Bach hinunter. Wollt ihr das?
Natuerlich gibt es da Zoff (wahrscheinlich jeder gegen jeden wie im
Kindergarten), aber diesen Zoff muss in diesem Fall die Regierung eben
durchstehen. (Kohl: Die Hunde bellen und die Karavane zieht weiter)
Man kann den Menschen auch klar machen, dass eine andere Regierung beim
Staatsbankrott auch keine andere Wahl hat.
Harte Fakten auf den Tisch, das akzeptieren die Leute.
MfG
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Talleyrand
29.04.2001, 15:55
@ Josef
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Re: @dottore: Staatsbankrott: Ist ein Notstand. Da gelten andere Masstaebe. |
Da vermute ich eher, daß die Feigheit die Oberhand gewinnen wird:
Inflationieren auf Teufel komm raus; der wiederum wird sich dann
nicht lange bitten lassen. Natürlich hast Du Recht, die klare Lösung
wäre die vernünftige Lösung. Aber wann war je eine Regierung so
integer? Wenn sie es auch wäre, würde das Volk d o c h immer nur den
nächsten Versprechungen folgen.
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teldaman
29.04.2001, 22:57
@ dottore
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Vielen Dank und alles Gute (owT) |
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