Harald
19.05.2001, 09:26 |
Antwort an Tassie Devil: WARUM Menschen arbeiten & wirtschaften? Thread gesperrt |
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Lieber Tassie Devil,
du hast am 17. Mai 2001 17:48:18 gefragt:
>>Aber, und das ist das wichtigste, ich maße mir an, zu verstehen, WARUM >>>Menschen arbeiten & wirtschaften<<.
>Ok, Harald,
dann lass uns bitte an Deinem Verstaendnis teilhaben und erklaere uns hier im Board, WARUM Menschen arbeiten & wirtschaften.
Freundlichst
Tassie Devil<
WARUM Menschen arbeiten & wirtschaften?
Einer der Beweggründe, den dottore uns immer wieder gebetsmühlenhaft erklärt hat, mag ja durchaus sein, dass Menschen sich unter einem meist selbstgewählten Schuldendruck befinden. OK.
Jedoch die christliche Erbsünde, von dottore auch gern Urschuld genannt, in neuerer Zeit von deutschen Politikern gern der deutsche Generationenvertrag genannt, sie alle haben abgedankt.
Obwohl viel gerühmt, ist er, der Generationenvertrag nur eine Wunschvorstellung in politischen Hirnen, denn er bedingt, daß alle Deutschen mit einer Erbschuld an die staatliche Rentenversicherung bereits geboren sind. Das ist nach dem Zeitalter der Aufklärung nicht nur ein Unding, sondern blanker Unsinn. Die Begriffe Erbsünde, Erbschuld entstammen der christlichen Heilslehre, vorgeblich als Gottes Strafe für die Ursünde Adams und Evas (Ungehorsam gegen Gott), und somit sei die Erbsünde ein in der Folge von allen Menschen ererbter Zustand. Er hat bei christlichen Theologen schon seit längerer Zeit ausgedient, weil einerseits der durch Zeugung und Geburt vermittelte Vorgang des Schulden-Erbens als ein unangemessenes Bild empfunden wird, andererseits die Gefahr besteht, daß durch den Begriff Erbschuld die persönliche Verantwortung auch für das Böse relativiert werden kann. Wir wollen deshalb die Erbschuld nicht mehr durch die Hintertür der Rentenpolitik wieder hereinlassen. Wer erfüllt denn meinen Rentenanspruch, wenn nicht mehr ausreichend deutsche Kinder geboren werden? Oder wenn nichtintegrierte Einwandererkinder es einfach ablehnen, ethnische Deutsche im Alter zu unterhalten?
Diese Wunschvorstellung geht aber auch davon aus, dass alle Menschen nach Begriffen Kant’scher Ethik leben (kategorischer Imperativ), ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha...
Denn eine ethische Verhaltensweise im Kantschen Sinne zeigt derjenige, der aus eigenem Antrieb seine Pflicht erfüllt.
Die protestantische Ethik in ihrer stärksten materiellen Ausprägung, der calvinistischen Ethik nämlich, ist auch ohne Kant ausgekommen. Die drei vorgenannten ethischen Haltungsweisen kommen alle nach meinem Dafürhalten ohne einen „Schuldendruck“ aus, ganz im Gegenteil, viele unserer Altvorderen fanden es sehr schwer, Geld auszugeben, das noch gar nicht verdient war.
So wirtschaften denn die meisten Erfolgreichen um die Macht.
Meine ich jedenfalls.
WAS IST NUN MACHT?
Wenn man unter Macht oder Herrschaft die Unterordnung eines einzelnen (oder einer Gruppe) unter eines anderen Willen auch ohne Zustimmung versteht, stellt sich die Frage, ob es dann legitim sei, diese Macht innerhalb einer Gesellschaft auch gegen Widerstreben durchzusetzen? Der Anarchist würde die Frage verneinen und der Libertäre gewiß auch.
Die Grundlagen der Macht sind fast immer real und auch greifbar; etwa physische Überlegenheit, Wissensvorsprung, höhere Informiertheit, überlegene Organisationsfähigkeit, höhere Effizienz, psychische Überlegenheit (Durchsetzungsvermögen), Streitlust, aber auch Charismaglaube, Hunger, Angst und Mangel jeglicher Art bei den Unterworfenen. Minderwertigkeitsgefühle des Einzelnen sind selten die Grundlage zur Macht, sie werden in der Gruppe durch eine besondere Gruppendynamik kompensiert und unter Umständen ins Gegenteil verkehrt. Menschen mit Minderwertigkeitsgefühlen spüren das und werden deshalb leicht zu Gruppen hingezogen.
Die Einwirkungsmöglichkeiten eines mächtigen Menschen auf andere reichen von der Verlockung über den Betrug bis zum physischen Zwang. Heute im sogenannten aufgeklärten"Westen" manifestiert sich im wesentlichen die Macht als venezianische Macht. Darunter verstehen wir die Macht des Geldes, die aber in Deutschland und Europa abgesichert ist durch Wasserwerfer und Feuerwaffen in der Hand von weisungsgebundenen Beamten.
Altmodische Machtmittel, wie etwa Androhungen von Hölle und Fegefeuer oder der Psychoterror sozialistischer Regime in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts mit Einweisungen in Konzentrationslager und Nervenheilanstalten, sind heute nicht mehr üblich, da sie als nicht mehr legitim angesehen werden. Aber auch deshalb, weil sie in hochaufgeklärten Gesellschaften weitestgehend ineffizient geworden sind.
Jede Gruppe oder jede Person, die dauerhaft Macht ausüben will, braucht nämlich dazu eine Legitimation und Rechtfertigung, denn da sich oft Widerstandsverhalten regt, führt die Durchsetzung der Macht oft zu Gewalt der Unterworfenen und zu Gegengewalt.
EINIGE BEOBACHTUNGEN ZUR MACHT:
Der Wille zur Macht ist nicht gleich stark ausgeprägt bei allen Menschen.
Allein das Vorhandensein von Macht beweist, daß es zweierlei Menschen gibt, Herrschende und die von ihnen Beherrschten, die Masse.
Die ersteren, Politiker und Manager, suchen zielstrebig nach Macht wie Raubtiere nach ihrer Beute, das mag durchaus unbewußt geschehen.
WARUM SUCHT MAN MACHT?
Wahrscheinlich sucht man eine rauschhafte Lust der Einwirkung auf eine größere Anzahl von Menschen. Es scheint die Stärke des Lustgewinns abhängig zu sein von Anzahl und der Bereitwilligkeit der Beherrschten. Deshalb will man ein noch größerer Konzernherr sein, ein noch berühmterer Politiker. Machterwerb heißt Beute zu machen und zu verhindern selbst zur Beute zu werden, denn Konkurrenten sind immer vorhanden.
Die Konkurrenz der Machthungrigen bringt die Starken und Listigen, die Aggressiven und Gerissenen nach oben. Sie läßt die Sanfteren und Weiseren zur Beute werden. FÄLLE FREIWILLIGEN MACHTVERZICHTS SIND UNBEKANNT.
Vordergründig gesehen sind heute in Europa die Machtverhältnisse durch Recht, Gesetz, Verfassung und öffentliche Kontrolle in weitestgehend anerkannte Herrschaft überführt worden.
Die tatsächlichen Machtverhältnisse sind jedoch meistens unergründbar, fast immer unkenntlich, da sehr oft sorgfältig verschleiert. Man stellt die Macht nicht mehr mit Prunk und Pomp zur Schau. Nur eines steht fest: Das Volk ist entmachtet, und der Deutsche Bundestag ist zu einer reinen Deklamationsbühne für Demagogen verkommen.
Macht kann man nur in und über Gruppen ausüben.
Gruppen können nur reibungslos und effizient funktionieren, wenn Macht ausgeübt wird.
Wenn Machtbildung in Gruppen unterbleibt, degenerieren sie in Leerlauf und innerer Reibung, sie werden dann leicht zur Beute von anderen konkurrierenden Gruppen.
Die Machtausübung erfordert viele Mitglieder und wenige Machthaber.
Der Machthaber kann und will kein Glied der Gruppe sein, er will darüberstehen, will herrschen.
Menschen haben jedoch ein elementares Bedürfnis nach Freiheit, zumindest versuchen sie nötigenden Zwängen sich zu entziehen. Dieser Freiheitsdrang steht scheinbar in Widerspruch zum sich Hingezogen-Fühlen nach Gruppen. Unsere Vorfahren hatten sich in Horden zusammengefunden, weil in der Gemeinschaft die Kräfte der einzelnen gebündelt wurden und sich instinktive Ängste auflösten. Als Einzelgänger hatte das Individuum praktisch keinerlei Chance zu überleben; von der Gruppe verstoßen zu werden, war das Todesurteil. Der einzelne mußte also seine Freiheit den Bedürfnissen der Horde unterordnen, um zu überleben. Das erklärt genetisch das Hingezogensein zu Gruppen.
Was lernen wir daraus durch Nachdenken?
Es gibt keine Freiheit ohne Macht.
Waffen sind Macht.
Erwachsene schweizer Männer haben Schnellfeuergewehre mit Munition im Kleidersachrank stehen.
Deswegen herrscht in der Schweiz das Volk.
Wennste also bis hierher gelesen hast, Tassie, dann biste zwar um vieles schlauer geworden, weißte aber vermutlich immer noch nicht, warum denn nun Menschen wirklich wirtschaften.
Kommen wir also zum Höhepunkt:
Vor 50 Jahren hat der Soziologe und Philosoph Arnold Gehlen bemerkt, daß der Mensch unter einem pausenlosen Druck von Antriebskräften stünde:"(...) ihr Energiequantum geht weit über das hinaus, was zur Befriedigung unmittelbarer physischer Bedürfnisse überhaupt aufgewendet werden muß." Daß der Mensch zu ungeheurer Anstrengung und Mühsal fähig und auch bereit ist, weiß man nicht erst seit gestern und seit Gehlen. Es ist überraschend zu erkennen, daß die hervorragenden Leistungen menschlicher Kultur und Zivilisation nicht in direktem Zusammenhang stehen mit dem menschlichen Fortpflanzungstrieb. Aber Arnold Gehlen geht noch einen Schritt weiter, wenn er meint:"Im Gegenteil, gerade unter diesem Gesichtspunkt (des Fortpflanzungstriebs) ist der Antriebsüberschuß stark irrational und konsumiert bisweilen sich selbst, denn die biological hardiness (biologische Kühnheit), mit der die schöpferischen Minoritäten die Kultur vorwärts treiben, (...) das Ikarusschicksal zahlloser, namenloser Pioniere und Erfinder beweisen genug, daß der Elan vital in einer dynamischen Weise unstabil ist, und die Erhaltung der Art vielleicht nur eine Nebenprodukt."
Denkt man konsequent das Problem des Antriebsüberschusses zu Ende, dann gelangt man auch sehr schnell zur der Einsicht, daß im 21. Jahrhundert mit fünfzehn Milliarden Menschen auf der Erde, die wie wir alle auch von ewiger Jugend und immerwährendem Glück träumen werden, der Antriebsüberschuß gebremst werden muß, wenn er nicht zum Absturz des Ikarus oder in die Selbstvernichtung führen soll.
In der sogenannten „freien Marktwirstchaft“ findet nun Gehlen’s menschlicher Antriebsüberschuss seine Vollendung. Was alle anderen Gesellschaftsformen vorher nicht geschafft haben, nämlich die
Selbstausbeutung
des Menschen, in der freien Marktwirtschaft ist es gelungen. Der Mensch hat sich hat sich einer
Bedürfnis-Unlust-Spirale der permanenten Unzufriedenheit
unterworfen. Jetzt haben
Werbefuzzis und professionelle Verführer,
Glücksingenieure und Sozialklempner,
Bänker und Anlageberater
leichtes Spiel. Der permanent unzufriedene Mensch wurde nämlich gezeugt. Jetzt schuften alle wie die Idioten.
Ha, ha, ha, ha, ha, ha....
Und zwar ohne dottores Urschuld, wie ich meine.
Dabei würde uns die moderne Technik spielend erlauben, unser Leben mit drei Stunden Arbeit am Tag zu fristen, oder mit drei Tagen in der Woche oder drei Monaten im Jahr, je nach den Erfordernissen eines modernen Arbeitsplatzes.
Was lernen wir nun daraus?
Ei, man sollte die ganze Bande der Werbefuzzis und Konsumverführer wie die Lemminge im Nordmeer ersäufen.
Mit einem fröhlichen Salü aus Lothringen
vom Harald
Aber das hat ja doch wieder keine Sau gelesen...
<ul> ~ Hier kann man sogar noch mehr darüber finden..</ul>
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Baldur der Ketzer
19.05.2001, 10:55
@ Harald
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WARUM Menschen arbeiten... Eindrückliche Gedanken, vielen Dank und mfG oT vom |
oT
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dottore
19.05.2001, 14:42
@ Harald
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Re: Antwort an Tassie Devil: WARUM Menschen arbeiten & wirtschaften? |
>WARUM Menschen arbeiten & wirtschaften?
>Einer der Beweggründe, den dottore uns immer wieder gebetsmühlenhaft erklärt hat, mag ja durchaus sein, dass Menschen sich unter einem meist selbstgewählten Schuldendruck befinden. OK.
Erstens gehts nicht um einen"Beweggrund", zweitens nicht um Gebetsmühlen und drittens nicht um"selbst gewählt".
Beweggrund ist ein Wischiwaschi-Wort. Ich habe die sog. URSCHULD klipp und klar als einen rein ökonomischen Fakt erklärt: Sie kommt durch die Geburt eines Menschen in die Welt und entspricht zu diesem Zeitpunkt dem - über die zu erwartende Lebensspanne hin - abgezinsten Betrag (welche Währung egal), die der neu erschienene Mensch in Form von Lebensaufenthalts- und -unterhaltskosten aufzubringen hat (wer bezahlt ist eine andere Frage: in den ersten Lebensjahren die Eltern, der Staat - Kindergeld! - oder sonst wer).
Nehmen wir an, ein Mensch braucht jedes Jahr 50.000 Mark für Wohnen, Essen, Trinken, etwas Vergnügungen usw., dann müsste in einem einfachen Beispiel bei 10 % Zinsen und einer nach oben offenen Lebenserwartung ein Kapital (= Schuld) in Höhe von 500.000 Mark als URSCHULD angenommen werden. (Wäre die Lebenserwartung nur 1 Jahr, dann läge die URSCHULD eben bei 50.000 DM).
Diese URSCHULD hat vor dem Erscheinen des Menschen nicht existiert, jetzt da er anfängt zu leben, ist sie eben da. Es gibt also keine"unschuldigen Kinder". Das halte ich für einleuchtend und klar. Es ist auch keine Eventualverpflichtung wie z.B. die Schuld, die sich bei einer Berufsunfallversicherung konkret aufbaut, nachdem die Berufsunfähigkeit eingetreten ist. Es ist eine mit Beginn jeder physischen Existenz eines Menschen automatisch in die Welt kommende Verpflichtung, die anschließend erfüllt werden muss (wie gesagt, von wem auch immer). Wird sie nicht erfüllt, kommt es zum physischen Bankrott: Der Mensch geht durch Tod ab.
Da ist überhaupt nicht"selbst gewählt" - was denn? Die URSCHULD kann minimiert oder maximiert werden. Man kann leben wie ein Mönch und das in einem Gelände, in dem keinerlei Lebensaufenthaltskosten anfallen (Mieten z.B.), man kann auch nur mit Kaviar, 100-Zimmer-Villen und Ferrari-Flotten operieren, ganz wie das EGO es wünscht. Es muss eben nur bezahlt werden, was wiederum nur durch auf den Märkten (= Summe aller anderen Menschen) realisierten (nicht nur angebotenen) Leistungen geht.
Ich vermag in diesem höchst simplen Gedanken auch keinerlei"Gebetsmühle" entdecken. Es ist ganz einfach so.
>Jedoch die christliche Erbsünde, von dottore auch gern Urschuld genannt, in neuerer Zeit von deutschen Politikern gern der deutsche Generationenvertrag genannt, sie alle haben abgedankt.
Zur URSCHULD siehe eben. Der"Generationenvertrag" bzw. die sich daraus ergebenden Verpflichtungen gehören nicht zur URSCHULD, da man ihnen unschwer entkommen kann, z.B. indem man in kein Lohn- oder Angestelltenverhältnis tritt (ist in der Schweiz anders, da bezieht sich die AHV auf alle Einkommen, insofern gehören die Schweizer AHV-Abgaben zur URSCHULD jedes Schweizers, wenn er denn nicht sein Land verlässt).
>Obwohl viel gerühmt, ist er, der Generationenvertrag nur eine Wunschvorstellung in politischen Hirnen, denn er bedingt, daß alle Deutschen mit einer Erbschuld an die staatliche Rentenversicherung bereits geboren sind.
Das Wort"Erbschuld" ist ganz schief, weil bekanntlich SCHULDEN zwar vererbt werden, der Erbe aber die Möglichkeit hat, sie dadurch zum Erlöschen zu bringen, dass er das Erbe ausschlägt.
"Alle Deutschen" ist komplett falsch! Denn selbst wenn die sieche Rentenversicherung mit noch höheren staatlichen Subventionen bedacht würde, die ihrerseits (Staatsschulden mal außen vor) durch Steuern finanziert werden, so hat der Deutsche doch die Möglichkeit, das Bezahlen von Steuern weitgehend zu vermeiden (von einer Auswanderug durch die grundgesetzlich garantierte Freizügigkeit ganz abgesehen): Er muss dazu nur eine Bauernstelle erwerben (einmalige Steuerzahlung) und danach Eigenwirtschaft betreiben. Was dann bleibt, ist eine minimale Grundsteuer, die aber bei Kleinbauernstellen außerhalb von Gemeinden, die allein die Grunsteuerhoheit haben, in Wegfall kommen kann.
>Das ist nach dem Zeitalter der Aufklärung nicht nur ein Unding, sondern blanker Unsinn.
So aufgeklärt wie die Aufklärer bin ich auch. Vielen Dank für den Hinweis.
>Die Begriffe Erbsünde, Erbschuld entstammen der christlichen Heilslehre, vorgeblich als Gottes Strafe für die Ursünde Adams und Evas (Ungehorsam gegen Gott), und somit sei die Erbsünde ein in der Folge von allen Menschen ererbter Zustand.
Theologisch ganz schwach. Denn die Bestrafung ist bereits durch die Vertreibung aus dem Paradies plus Sterblichkeit erfolgt. Von Adam und Eva haben die Nachkommen nichts anderes geerbt als eben die Tatsache, dass sie hinfort ihren Lebensunterhalt"im Schweiße ihres Angesichts" nunmehr selbst bestreiten müssen. Eine Sünde kann niemals vererbt werden, weil sie personengebunden ist. Was vererbt werden kann, ist nur ein Zustand, der sich aus der Bestrafung von Individuen einer vorangegangenen Generation ergeben hat. So wie alle Deutschen nach WKI den Zustand geerbt hatten, dass sie die Kolonien bzw. die staatlichen Hoheitsrechte darüber verloren haben.
Man sollte einfache ökonomische Grundtatsachen nicht mit religiösem Quatsch befrachten.
Die Verwechslung von Zeugung und Geburt ist bereits dem kinderlosen Kant unterlaufen wie schon ein Mal dargestellt. Durch die Zeugung bzw. die nachfolgenden Schwangerschaft erhöht sich (personal) die URSCHULD der Eltern, wenn auch nur minimal (Schwangerschaftsprobleme oder -untersuchungen usw.), die in der Regel durch Versicherungen abgedeckt werden. Eine neue URSCHULD tritt erst mit der Geburt in Existenz. Ist es eine bedauerliche Totgeburt, entsteht sie nicht.
>Denn eine ethische Verhaltensweise im Kantschen Sinne zeigt derjenige, der aus eigenem Antrieb seine Pflicht erfüllt.
Ethik ist etwas ganz anderes als Ã-konomie. In der Ã-konomie existiert leider der Zwang, auch ohne"eigenen Antrieb" seine"Verpflichtungen" erfüllen zu müssen.
>Die protestantische Ethik in ihrer stärksten materiellen Ausprägung, der calvinistischen Ethik nämlich, ist auch ohne Kant ausgekommen. Die drei vorgenannten ethischen Haltungsweisen kommen alle nach meinem Dafürhalten ohne einen „Schuldendruck“ aus, ganz im Gegenteil, viele unserer Altvorderen fanden es sehr schwer, Geld auszugeben, das noch gar nicht verdient war.
Da wird auf KONTRAKTSCHULDEN abgehoben, die etwas ganz anderes sind. Typisch für sog."arbeitsteiliges Wirtschaften" sind sie noch und noch beschrieben. Dass wir uns weltweit in einen Schuldenrausch (mit möglicherweise höchst unerfreulichem Ausgang) hineingesteigert haben, ist in diesem Board nach allen Regeln der Kunst berichtet und analysiert worden.
>So wirtschaften denn die meisten Erfolgreichen um die Macht.
Die Erfolgreichen um die Macht? Warum nicht? Aber die anderen sind wohl eher froh, einfach nur so über die Runden zu kommen.
Eine Erklärung des Phänomens WIRTSCHAFTEN ist der Hinweis auf Macht allein in keiner Weise. Macht und Machstreben gab es - wie die Geschichte lehrt - auch in Feudalsystemen, die bekanntlich einen Abgaben- aber keinen Kontraktschuldendruck kannten. (Die Abgaben waren Teil der URSCHULD, was denn sonst?). Die Perser, schreibt Herodot"machen keine Schulden. Denn sie sagen: Wer Schulden macht, der lügt."
>Meine ich jedenfalls.
Es ist eine Ausschnittsbetrachtung, die nicht die ökonomische Wirklichkeit in toto umfasst. Aber um die geht es schließlich. Die sollten wir versuchen zu enträtseln. Und ich hatte mich bemüht, dazu einen Beitrag zu leisten.
Gruß
d.
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Fontvieille
19.05.2001, 19:19
@ dottore
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Re: Antwort an Tassie Devil: WARUM Menschen arbeiten & wirtschaften? |
Hallo dottore,
das sehe ich alles genauso, Sie schildern m.E. die Realität zutreffend. Warum Sie aber in Übereinstimmung mit Ihrem Religionslehrer diesen mit solchen Zwängen verbundenen Aufenthaltsort, das sog."Diesseits", als Paradies ansehen, das verstehe ich nicht.
Gruß, F.
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dottore
19.05.2001, 21:03
@ Fontvieille
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Re: Antwort an Tassie Devil: WARUM Menschen arbeiten & wirtschaften? |
Hi Fontvieille,
das ist eine sehr gute Frage:
>Warum Sie aber in Übereinstimmung mit Ihrem Religionslehrer diesen mit solchen Zwängen verbundenen Aufenthaltsort, das sog."Diesseits", als Paradies ansehen, das verstehe ich nicht.
Ich möchte sie versuchsweise so beantworten:
1. Mehr als das Diesseits haben wir nicht. Als"erlebbar". Dass es Zwänge gibt, ist unbestreitbar.
2. Wann es zum"Jüngsten Gericht" (dann erst die"Auferstehung von den Toten" und danach die einen Rauf, die anderen Runter) kommen wird, weiß ich nicht.
3. Zeit wird verstreichen. Aber den Quatsch mit dem Fegefeuer akzeptiere ich mitnichten. Diente der Kirche nur zum Abkassieren der"Reichen" ("Wucherverbot" plötzlich im 12. Jh.).
4. Das"Zeitgefühl" von t/heute bis t/dies irae wird uns, wenn wir denn an Punkt 2) denken, nicht abhanden kommen, da sub 3) ebenfalls nur eine"Zeitstrafe" verordnet wird. Auch das Fegefeuer endet.
5. Ergo bleibt uns nur ein Warten mit unbestimmter Zeit. Warten beinhaltet immer Erinnerungsmöglichkeit.
6. Also lieber an ein schönes, erfülltes und ein Leben denken dürfen, das dem Nächsten Freude, Friede und Genugtuung bereitet hat - als an eine endlose Kette von Schweinereien, die man dem/den Nächsten angetan hat.
7. Also: Sich heute das Paradies nicht nur vorstellen, sondern es auch zu einem solchen machen.
8. Punkt 7) geht nur durch ein anständig (= im Sinne des altruistisch-utilitaristischen Prinzips) geführtes Leben.
Womit wir just auch bei Haralds kategorischem Imperativ wären (ex Kant): Lebe so, dass...
Also das Paradies liegt völlig eindeutig hier & heute! Wir müssen nur daran arbeiten.
Klartext: Jedem in seiner Lebensnot (= Zwang zur Urschuldbewältigung) zu helfen, so gut es geht. Dann könnten wir es schauen. Denn diese Schau ist eine Rück-Schau:
Die Summe des Lebens muss positiv sein!
d.
als unverbesserlicher Menschenfreund
>Gruß, F.
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Harald
19.05.2001, 23:07
@ dottore
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Antwort an dottore: WARUM Menschen arbeiten & wirtschaften? |
Lieber dottore,
Ich schrieb:
>>Einer der Beweggründe, den dottore uns immer wieder gebetsmühlenhaft erklärt hat, mag ja durchaus sein, dass Menschen sich unter einem meist selbstgewählten Schuldendruck befinden. OK.<<
Du hast geantwortet:
>Erstens gehts nicht um einen"Beweggrund", zweitens nicht um Gebetsmühlen und drittens nicht um"selbst gewählt". Beweggrund ist ein Wischiwaschi-Wort. Ich habe die sog. URSCHULD klipp und klar als einen rein ökonomischen Fakt erklärt...<
Also die Gebetsmühlen nehme ich zurück und ersetze sie durch „ausdauernd“. Du irrst dich jedoch, das Wort „Beweggrund“ ist kein Wischiwaschiwort sondern die deutsche Form des Fremdwortes „Motivation“. Und im Allgemeinen bemühe ich mich hier klares Deutsch zu schreiben und Fremdworte zu vermeiden. Da könnte sich übrigens so mancher Einfaltspinsel hier auf dem Server, der durch englische Kraftmeiereinen seiner intellektuellen Potenz nachzuhelfen versucht, auch dran halten.
Du hast ja durchaus recht mir deiner Urschuld-Hypothese, ich habe ja nie bestritten, dass sie durchaus für viele Menschen die Antriebskraft zum Wirtschaften ist. Aber eben nicht für alle. Nicht für mich, nicht für meine Söhne und nicht für viele meiner Freunde und Bekannten. Punkt.
Es macht keinen Sinn dass wir beide uns immer wieder die gleichen Argumente um die Ohren schlagen und hier im Kreise drehen, ich schlage deshalb vor, wir reden einfach nicht mehr von der Urschuld, und dann ist Friede, Freude Eierkuchen...
>>So wirtschaften denn die meisten Erfolgreichen um die Macht.<<
>Die Erfolgreichen um die Macht? Warum nicht?<
Danke für die versteckten Blumen, dottore.
>Aber die anderen sind wohl eher froh, einfach nur so über die Runden zu kommen.<
Ach wo, „die anderen“ schuften wie die Idioten, weil...
>>In der sogenannten „freien Marktwirstchaft“ findet nun Gehlen’s menschlicher Antriebsüberschuss seine Vollendung. Was alle anderen Gesellschaftsformen vorher nicht geschafft haben, nämlich die
Selbstausbeutung
des Menschen, in der freien Marktwirtschaft ist es gelungen. Der Mensch hat sich hat sich einer
Bedürfnis-Unlust-Spirale der permanenten Unzufriedenheit
unterworfen. Jetzt haben
Werbefuzzis und professionelle Verführer,
Glücksingenieure und Sozialklempner,
Bänker und Anlageberater
leichtes Spiel. Der permanent unzufriedene Mensch wurde nämlich gezeugt. Jetzt schuften alle wie die Idioten.
Ha, ha, ha, ha, ha, ha....
Und zwar ohne dottores Urschuld, wie ich meine.<<
Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass du meine Argumentation nicht verstanden hast, lieber dottore. Deshalb wundert es mich doch sehr, dass du in diesem Zusammenhang überhaupt nicht auf mein zentrales Argument des permanent von der Werbewirtschaft in Unzufriedenheit gehaltenen Menschen eingehst. Hmmmm....????
Darf ich daraus schließen, dass du mir zustimmst? Das wär ja ein Ding.
Mit einem fröhlichen Salü aus Lothringen
vom Harald
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dottore
19.05.2001, 23:28
@ Harald
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Re: Antwort an dottore: WARUM Menschen arbeiten & wirtschaften? |
>>>In der sogenannten „freien Marktwirstchaft“ findet nun Gehlen’s menschlicher Antriebsüberschuss seine Vollendung. Was alle anderen Gesellschaftsformen vorher nicht geschafft haben, nämlich die
>Selbstausbeutung
>des Menschen, in der freien Marktwirtschaft ist es gelungen. Der Mensch hat sich hat sich einer
>Bedürfnis-Unlust-Spirale der permanenten Unzufriedenheit
>unterworfen. Jetzt haben
>Werbefuzzis und professionelle Verführer,
>Glücksingenieure und Sozialklempner,
>Bänker und Anlageberater
>leichtes Spiel. Der permanent unzufriedene Mensch wurde nämlich gezeugt. Jetzt schuften alle wie die Idioten.
Der Sinn jeglicher Werbung und jeglichen Marketings ist just, was Du schreibst - es ist - ökonomisch betrachtet - nichts anderes als das Hervorkitzeln des zur Erhaltung des debitistischen, also unseres heute real existierenden Systems absolut erforderlichen zusätzlichen Nachfrage aufgrund zusätzlicher Nettoneuverschuldung.
Da sich sonst weder Zinsen noch Gewinne realisieren lassen! Der KAPITALISMUS, mon cher, den wir beide gewiss uneingeschränkt bejahen, ist eben nichts als ein KETTENBRIEF, der unaufhörliche zusätzliche Nettoneuverschuldung braucht - oder eben komplett verreckt.
Das hatte ich noch und noch und noch geschrieben.
>Ha, ha, ha, ha, ha, ha....
>Und zwar ohne dottores Urschuld, wie ich meine.<<
<font color="FF0000">Die URSCHULD ist nur der Starter. Danach kommen die KONTRAKTSCHULDEN und dann geht's richtig los: Die auf diesen Schulden lastenden ZINSEN können sub summa nur realisiert werden, wenn immer zusätzliche Nettoneuverschuldung stattfindet.</font>
Das ist doch nicht so schwer zu verstehen. Und dem, der's nicht kapiert, sage ich mal jetzt: ho, ho, ho...
>Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass du meine Argumentation nicht verstanden hast, lieber dottore. Deshalb wundert es mich doch sehr, dass du in diesem Zusammenhang überhaupt nicht auf mein zentrales Argument des permanent von der Werbewirtschaft in Unzufriedenheit gehaltenen Menschen eingehst. Hmmmm....????
"Unzufriedenheit" ist absolut richtig, aber zu kurz gedacht. Unzufriedenheit erledige ich - als Unzufriedener - mit Hilfe zusätzlicher Käufe (Du kennst sicher das schöne Wort vom"Frustkauf"), zu deren Realisierung ich - sub summa aller, denen es so geht wie mir - mich netto zusätzlich (zu den bereits vorhandenen Schulden) [b]neu und weiter verschulden muss.
>Darf ich daraus schließen, dass du mir zustimmst? Das wär ja ein Ding.
Selbstverständlich stimme ich Dir zu. Ich darf mir nur erlauben, Dich noch viel weiter, nämlich auf die alles entscheidende Allee zu geleiten. DORT siehst Du den ganzen Sch... dann absolut und völlig klar:"Unzufriedenheit" allein reicht nicht. Sie muss sich abreagieren - und das tut sie mit Hilfe zusätzlicher Käufe. Und dazu muss es eine Nettozusatzverschuldung geben. THAT'S IT!
>Mit einem fröhlichen Salü aus Lothringen
>vom Harald
Noch fröhlicher, weil erneut - wenn auch (noch nicht) mit der erforderlichen ökonomischen Klarheit begründet - bestätigt,
grüßt
d.
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Rudow
19.05.2001, 23:37
@ dottore
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Re: Antwort an Tassie Devil: WARUM Menschen arbeiten & wirtschaften? |
>(...)
>Diese URSCHULD hat vor dem Erscheinen des Menschen nicht existiert, jetzt da er anfängt zu leben, ist sie eben da. Es gibt also keine"unschuldigen Kinder". Das halte ich für einleuchtend und klar. (...)<
Hallo dottore et al.,
jedes nesthockende Lebewesen ist auf die Pflege seiner Erzeuger angewiesen, kommt also mit einem Anspruch (den man als zutreffend Urschuld bezeichnen kann) in die Welt.
Während man beim zivilisierten Menschen sich noch ausrechnen mag, dass die Pflege auf Pump geleistet wird, so fällt dies Vorstellung bei nichtmenschlichen Naturwesen (Vögel, Mäuse, Affen) weg.
Wenn also diese Lebewesen mit einer Urschuld zur Welt kommen, dann müsste die Natur die Youngsters mit einem Zahlungsmittel ausgestattet haben.
Eben das ist tatsächlich der Fall. Das Kindchenschema, das Lächeln, bestimmte Pipslaute lösen bei den Pflegern Glücksgefühle aus, die als Bezahlung für die Pflege funktionieren. Werden solche Zahlungsmittel nicht angeboten, versagt die Pflege sofort. Verwachsene Jungtiere werden verlassen, Kinder die nicht lächeln können (z.B. wegen einer abgeborenen Lähmung der Gesichtsnerven) wurden verlassen und stellen heute an die zivilisierten pflegenden Eltern eine enorme psychische Anforderung.
Für menschliche Beziehungen spielt der Ausgleich von Schuld und Ausgleich (Erlangung von Unschuld) eine zentrale Rolle.
Menschlichen Beziehungen beginnen mit Geben und Nehmen und mit Geben und Nehmen beginnen auch unsere Erfahrungen mit Schuld und Unschuld. Denn wer gibt, der hat auch Anspruch und wer nimmt, der fühlt sich verpflichtet. Verpflichtung und Anspruch sind das grundlegende Schuld-Unschuldsmuster. Es dient dem Austausch von Geben und Nehmen und es hält ihn in Gang. Geber und Nehmer haben nämlich beide keine Ruhe, bis es zu einem Ausgleich kommt. Bis auch der Nehmer etwas gibt und der Geber etwas nimmt.
Wenn wir von anderen etwas bekommen, und sei es noch so schön, verlieren wir etwas von unserer Unabhängigkeit und Unschuld und wir fühlen einen Druck und eine Unlust, die wir Verpflichtung nennen oder Schuld. Und die uns nach Entlastung drängt. Es gibt kein Nehmen ohne diesen Preis.
Unschuld dagegen ist ein Gefühl der Leichtigkeit und Freiheit; es stellt sich ein, wenn wir zu nichts verpflichtet sind. Und es gibt verschiedene Verhaltensweisen, um diesen Zustand zu erreichen oder festzuhalten.
Die Beziehung wird in Gang gesetzt durch Geben und Nehmen und es wird reguliert durch das allen Mitgliedern des System gemeinsame Bedürfnis nach ausgleichender Gerechtigkeit. Sobald ein Ausgleich erreicht ist kann eine Beziehung entweder zu Ende gehen oder sie kann durch erneutes Geben und Nehmen wieder aufgenommen und fortgesetzt werden. Es gibt aber keinen beständigen Austausch, wenn es dazwischen nicht immer wieder zu einem Ausgleich kommt. Das ist wie beim Gehen. Wir bleiben stehen, wenn wir das Gleichgewicht festhalten und wir schreiten voran, wenn wir es dauernd verlieren und wiedergewinnen.
Schuld als Verpflichtung und Unschuld als Anspruch und als Entlastung stehen im Dienste des Austasches und halten unsere Beziehungen in Gang.
Im Hinblick auf die Diskussion hier im Forum habe ich beobachtet, dass viele der Disputanten sich bemühen, durch qualitätsvolle Beiträge (oft in zeitaufwendiger Arbeit recherchiert) einen Ausgleich für die vielen informativen Beiträge zu schaffen.
Dahinter: Eigenes, unverdientes Glück wird manchmal wie etwas negatives erlebt, das Angst macht und bedroht. Vielleicht hat das damit etwas zu tun, daß wir verborgen meinen, wir würden mit dem Glück den Neid des Schicksals oder anderer Menschen wecken. Das Ergreifen des Glücks ist dann wie das Übertreten eines Tabus, wie das Aufsichnehmen einer Schuld, wie die Zustimmung zu einer Gefahr.
Letzlich bleibt natürlich die Frage, welchen Ausgleich ein Börsenspekulant für die realisierten Kursgewinne zahlt. In welcher Form gibt er die erhaltenen Gaben zurück? Oder hat er schon vorher bezahlt?
Grüße von Rudow
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dottore
19.05.2001, 23:41
@ Rudow
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Re: Spitzenbeitrag, von Rudow! Über den Spekulanten Morgen (wenn's geht) mehr (owT) |
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Toni
20.05.2001, 00:05
@ Rudow
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Re: Antwort an Tassie Devil: WARUM Menschen arbeiten & wirtschaften? |
>... Dahinter: Eigenes, unverdientes Glück wird manchmal wie etwas negatives erlebt, das Angst macht und bedroht. Vielleicht hat das damit etwas zu tun, daß wir verborgen meinen, wir würden mit dem Glück den Neid des Schicksals oder anderer Menschen wecken. Das Ergreifen des Glücks ist dann wie das Übertreten eines Tabus, wie das Aufsichnehmen einer Schuld, wie die Zustimmung zu einer Gefahr.
_ _ _ _ _ _ _ _
"Mir grauet vor der Götter Neide:
des Lebens ungemischte Freude
ward keinem Irdischen zuteil."
Aus: Schiller, Der Ring des Polykrates
Toller Beitrag, Rudow.
Bist selten hier, aber immer gehaltvoll.
Vielen Dank.
Und schönen Sonntag
Toni
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Baldur der Ketzer
20.05.2001, 00:12
@ Toni
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Re: Josef wußte, wovon er sprach ;-))))) herzliche Grüße owT vom |
>>... Dahinter: Eigenes, unverdientes Glück wird manchmal wie etwas negatives erlebt, das Angst macht und bedroht. Vielleicht hat das damit etwas zu tun, daß wir verborgen meinen, wir würden mit dem Glück den Neid des Schicksals oder anderer Menschen wecken. Das Ergreifen des Glücks ist dann wie das Übertreten eines Tabus, wie das Aufsichnehmen einer Schuld, wie die Zustimmung zu einer Gefahr.
>_ _ _ _ _ _ _ _
>"Mir grauet vor der Götter Neide:
>des Lebens ungemischte Freude
>ward keinem Irdischen zuteil."
>Aus: Schiller, Der Ring des Polykrates
>Toller Beitrag, Rudow.
>Bist selten hier, aber immer gehaltvoll.
>Vielen Dank.
>Und schönen Sonntag
>Toni
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<HR>
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R.Deutsch
20.05.2001, 11:41
@ Rudow
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Re: Danke von Rudow - für diesen Beitrag |
>>(...)
>>Diese URSCHULD hat vor dem Erscheinen des Menschen nicht existiert, jetzt da er anfängt zu leben, ist sie eben da. Es gibt also keine"unschuldigen Kinder". Das halte ich für einleuchtend und klar. (...)<
>Hallo dottore et al.,
>jedes nesthockende Lebewesen ist auf die Pflege seiner Erzeuger angewiesen, kommt also mit einem Anspruch (den man als zutreffend Urschuld bezeichnen kann) in die Welt.
>Während man beim zivilisierten Menschen sich noch ausrechnen mag, dass die Pflege auf Pump geleistet wird, so fällt dies Vorstellung bei nichtmenschlichen Naturwesen (Vögel, Mäuse, Affen) weg.
>Wenn also diese Lebewesen mit einer Urschuld zur Welt kommen, dann müsste die Natur die Youngsters mit einem Zahlungsmittel ausgestattet haben.
>Eben das ist tatsächlich der Fall. Das Kindchenschema, das Lächeln, bestimmte Pipslaute lösen bei den Pflegern Glücksgefühle aus, die als Bezahlung für die Pflege funktionieren. Werden solche Zahlungsmittel nicht angeboten, versagt die Pflege sofort. Verwachsene Jungtiere werden verlassen, Kinder die nicht lächeln können (z.B. wegen einer abgeborenen Lähmung der Gesichtsnerven) wurden verlassen und stellen heute an die zivilisierten pflegenden Eltern eine enorme psychische Anforderung.
>Für menschliche Beziehungen spielt der Ausgleich von Schuld und Ausgleich (Erlangung von Unschuld) eine zentrale Rolle.
>Menschlichen Beziehungen beginnen mit Geben und Nehmen und mit Geben und Nehmen beginnen auch unsere Erfahrungen mit Schuld und Unschuld. Denn wer gibt, der hat auch Anspruch und wer nimmt, der fühlt sich verpflichtet. Verpflichtung und Anspruch sind das grundlegende Schuld-Unschuldsmuster. Es dient dem Austausch von Geben und Nehmen und es hält ihn in Gang. Geber und Nehmer haben nämlich beide keine Ruhe, bis es zu einem Ausgleich kommt. Bis auch der Nehmer etwas gibt und der Geber etwas nimmt.
>Wenn wir von anderen etwas bekommen, und sei es noch so schön, verlieren wir etwas von unserer Unabhängigkeit und Unschuld und wir fühlen einen Druck und eine Unlust, die wir Verpflichtung nennen oder Schuld. Und die uns nach Entlastung drängt. Es gibt kein Nehmen ohne diesen Preis.
>Unschuld dagegen ist ein Gefühl der Leichtigkeit und Freiheit; es stellt sich ein, wenn wir zu nichts verpflichtet sind. Und es gibt verschiedene Verhaltensweisen, um diesen Zustand zu erreichen oder festzuhalten.
>Die Beziehung wird in Gang gesetzt durch Geben und Nehmen und es wird reguliert durch das allen Mitgliedern des System gemeinsame Bedürfnis nach ausgleichender Gerechtigkeit. Sobald ein Ausgleich erreicht ist kann eine Beziehung entweder zu Ende gehen oder sie kann durch erneutes Geben und Nehmen wieder aufgenommen und fortgesetzt werden. Es gibt aber keinen beständigen Austausch, wenn es dazwischen nicht immer wieder zu einem Ausgleich kommt. Das ist wie beim Gehen. Wir bleiben stehen, wenn wir das Gleichgewicht festhalten und wir schreiten voran, wenn wir es dauernd verlieren und wiedergewinnen.
>Schuld als Verpflichtung und Unschuld als Anspruch und als Entlastung stehen im Dienste des Austasches und halten unsere Beziehungen in Gang.
>Im Hinblick auf die Diskussion hier im Forum habe ich beobachtet, dass viele der Disputanten sich bemühen, durch qualitätsvolle Beiträge (oft in zeitaufwendiger Arbeit recherchiert) einen Ausgleich für die vielen informativen Beiträge zu schaffen.
>Dahinter: Eigenes, unverdientes Glück wird manchmal wie etwas negatives erlebt, das Angst macht und bedroht. Vielleicht hat das damit etwas zu tun, daß wir verborgen meinen, wir würden mit dem Glück den Neid des Schicksals oder anderer Menschen wecken. Das Ergreifen des Glücks ist dann wie das Übertreten eines Tabus, wie das Aufsichnehmen einer Schuld, wie die Zustimmung zu einer Gefahr.
>Letzlich bleibt natürlich die Frage, welchen Ausgleich ein Börsenspekulant für die realisierten Kursgewinne zahlt. In welcher Form gibt er die erhaltenen Gaben zurück? Oder hat er schon vorher bezahlt?
>Grüße von Rudow
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