Frank1
04.06.2001, 19:16 |
Nicht ganz Offtopic: etwas Nachdenkliches Thread gesperrt |
Nach einem Kurzurlaub ins Elsass (war spitzenmässig!) um einige Tage Ruhe zu finden, hier was Nachdenkliches:
Ein Fischer sitzt am Strand und blickt auf das Meer, nachdem er die Ernte seiner mühseligen Ausfahrt auf den Markt gebracht hat.
Warum er nicht einen Kredit aufnehme, fragt ihn ein Tourist. Dann könne er einen Motor kaufen und das Doppelte fangen. Das brächte ihm Geld für einen Kutter und einen zweiten Mann ein. Zweimal täglich Fang hieße das Vierfache verdienen. Warum er eigentlich herumtrödele. Auch ein dritter Kutter wäre zu beschaffen; das Meer könnte viel besser ausgenutzt werden, ein Stand auf dem Markt, Angestellte, ein Fischrestaurant, eine Konservenfabrik - dem Touristen leuchteten die Augen.
"Und dann?" unterbricht ihn der Fischer.
"Dann brauchen Sie gar nichts mehr zu tun. Dann können Sie den ganzen Tag sitzen und glücklich auf ihr Meer hinausblicken!"
"Aber das tue ich doch jetzt schon", sagte der Fischer.
Heinrich Böll (1917 - 1985), deutscher Schriftsteller
Gruss
Frank
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dottore
04.06.2001, 21:23
@ Frank1
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Re: Perfekt, Frank! Perfekt! |
Dieses Dein Beispiel ist wunderbar.
Es zeigt ganz deutlich, dass jemand (Tourist) unbedingt das schnell erreichen will (einfach nur leben und das für immer), was der andere (Fischer) sich jeden Tag leistet (für diesen Tag).
Erinnert mich an meine erste Stunde in Ã-konomie in Bonn bei Erwin von Beckerath (Vorgänger von Wilhelm Krelle, den unser lieber"franco" in sein Konsortium bitten wollte), der erzählte, er habe mit einem Italiener gesprochen, der am Hafen saß und aufs Meer glotzte. Dialog:
"Könnten Sie mir meine Koffer ins Hotel tragen?"
"Nein."
"Warum nicht? Ich bezahle doch gut."
"Habe heute schon gegessen."
Kein Mensch ist gezwungen - auch durch Konventionen nicht -"über seine Verhältnisse zu leben". Weder aktiv noch passiv.
Regt alles sehr zum Nachdenken an, nicht wahr? Oder anders: Mit weniger hätten wir mehr erreicht und wären vermutlich glücklicher gewesen/-worden.
So sind wir Sklaven der <font color=FF0000">Pleonexie"</font>, womit die alten Griechen, lebensklug wie sie waren, die ewige Sucht nach dem"Mehr" bezeichnet hatten.
Wie die alten Griechen endeten, wissen wir. Uns steht also noch einiges bevor...
Gruß + Dank
d.
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Talleyrand
04.06.2001, 21:42
@ dottore
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Seneca sagt es bekanntlich so: |
"Belaste Dich nicht mit viel Gepäck. Nichts von dem, was wir haben, ist notwendig. Kehren wir zurück zum Gesetz der Natur, und unser Reichtum liegt bereit. Was wir notwendig haben, ist umsonst oder wohlfeil. Brot und Wasser verlangt die Natur. Daran ist niemand arm. Wer darauf seinen Bedarf beschränkt, mag mit Jupiter selbst wetteifern an Glückseligkeit."
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Frank1
04.06.2001, 21:51
@ dottore
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Wuau! Der Ausdruck habe ich auch schon mal gehört!! |
Pleonexia ist im wesentlichen das Verlangen, mehr zu haben. Die Griechen selbst definierten es als ein unersättliches Verlangen und sagten, du könntest es ebensogut stillen, wie du eine Schüssel mit Wasser füllen könntest, die ein Loch hat.
Sie definierten es als das sündige Verlangen nach dem Besitz anderer. Sie definierten es als die Leidenschaft der Gewinnsucht. Es wurde als erbarmungslose Selbstsucht beschrieben.
Oder hier eine andere Definition: „Genußsucht, die sich befriedigt, ganz gleich, was es andere kostet.“
Ich glaube, wir leben in einer solchen Zeit!
Ein interessantes Gebiet das Koine-griechisch
Gruss an
Dottore!!
Frank
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André
04.06.2001, 22:51
@ Talleyrand
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Re: Aus Indien klang es so: |
Als die englischen Kolonialherren eine Eisenbahnstrecke bauten, kam jeden Tag ein Einheimischer und setzte sich oberhalb auf einen kleinen Hügel unter einen Baum und beobachtete die Bautupps. Zur Mittagszeit aß und trank er Mitgebrachtes. Nachdem dies über eine Woche so gegangen war, sprach ihn der britische Bauingenieur an und fragte, ob er nicht mitarbeiten wolle.
"Wozu?"
"Wenn Du für uns arbeitest, kannst Du viel Geld verdienen!"
"Und was mache ich mit dem Geld?"
"Ja, dann kannst Du damit machen, was Du willst, Urlaub, Faulenzen und es Dir gut gehen lassen."
"Aber das mache ich doch schon die ganze Zeit, warum sollte ich dann erst noch arbeiten?"
Freunde, die richtige Lebenseinstellung und Freiheit liegt offensichtlich (sic. Seneca) nicht im Befriedigen neuer Wünsche, die je schneller nachwachsen, je mehr sie bedient werden, sondern im begierdelos zu sein.
Na, wenn sich diese Einsicht durchsetzen sollte, geht der wirtschaftliche Abschwung (DeDe) ja noch schneller!
Und daß dies nicht geschieht, dafür gibt es die Werbe- und Unterhaltungsindustrie und die"heilige Kuh" namens Wissenschaft (z.B. Genforschung u.a.).
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Ecki1
04.06.2001, 23:28
@ Frank1
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Re:"Wiederentdeckung der Langsamkeit" - ein neuer Trend? |
Jedenfalls wurden mir eine beachtliche Zahl Fundstellen im deutschsprachigen Internet angezeigt.
Möglicherweise kehrt sogar ein über 100-jähriger Trend hin zu kürzeren Schlafzeiten um --- macht euch schlau...
Gruss: Ecki
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Talleyrand
04.06.2001, 23:40
@ André
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Und im Prediger heisst es:"Es ist alles eitel und Haschen nach Wind." oT |
>Als die englischen Kolonialherren eine Eisenbahnstrecke bauten, kam jeden Tag ein Einheimischer und setzte sich oberhalb auf einen kleinen Hügel unter einen Baum und beobachtete die Bautupps. Zur Mittagszeit aß und trank er Mitgebrachtes. Nachdem dies über eine Woche so gegangen war, sprach ihn der britische Bauingenieur an und fragte, ob er nicht mitarbeiten wolle.
>"Wozu?"
>"Wenn Du für uns arbeitest, kannst Du viel Geld verdienen!"
>"Und was mache ich mit dem Geld?"
>"Ja, dann kannst Du damit machen, was Du willst, Urlaub, Faulenzen und es Dir gut gehen lassen."
>"Aber das mache ich doch schon die ganze Zeit, warum sollte ich dann erst noch arbeiten?"
>Freunde, die richtige Lebenseinstellung und Freiheit liegt offensichtlich (sic. Seneca) nicht im Befriedigen neuer Wünsche, die je schneller nachwachsen, je mehr sie bedient werden, sondern im begierdelos zu sein.
>Na, wenn sich diese Einsicht durchsetzen sollte, geht der wirtschaftliche Abschwung (DeDe) ja noch schneller!
>Und daß dies nicht geschieht, dafür gibt es die Werbe- und Unterhaltungsindustrie und die"heilige Kuh" namens Wissenschaft (z.B. Genforschung u.a.).
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