«Nasdaq setzt zu einer Rally an»
Technologiefonds-Manager Alberto Vilar über seine Strategien.
In sechs Wochen ist es so weit: Nasdaq setzt zur Rally an! Das prophezeit Alberto Vilar, begeisterter Opernfan und einer der erfolgreichsten Technologiefonds-Manager der Welt.
ALEXANDRA STÃœHFF
CASH: Herr Vilar, Sie sind einer der grössten Opernmäzene.
Alberto Vilar: Wenn nicht der Grösste. Ich unterstütze Oper, Ballett, aber auch Spitäler und Universitäten mit etwa 100 Millionen Dollar jährlich - seit mindestens zehn Jahren. Oper ist meine Leidenschaft.
Wenn Sie Musik so lieben, wieso sind Sie im Finanzbereich gelandet?
Als ich meinem Vater eröffnete, ich wolle Musik studieren, sagte er nur eins: «Nein!» Und dabei blieb es.
Sie waren einer von denen, die schon ganz früh an den Erfolg von Microsoft geglaubt haben.
Oracle, Microsoft, AOL, Cisco - all die grossen Namen gehörten in mein Portfolio, als sie noch nicht an der Börse waren. Und während sich die Technologie weiterentwickelte und die ersten Biotechfirmen entstanden, gehörte meine Liebe immer der klassischen Musik. Ich erinnere mich noch, wie ich, kaum 40 Jahre alt, meine ersten zwei Millionen Dollar verdient hatte. Du wirst niemals mehr Geld brauchen. Du bist reich. Das ist das Ende der Welt.
Das war es aber nicht.
Nein. Ich verdiente mehr Geld. Und ich liebte die Künste. Warum sollte ich mit diesem Geld also nicht meiner Leidenschaft frönen? Das ist das Schöne am Reichsein: Man ist grosszügig und erfreut sich an den Ergebnissen - sei es, dass ein neues Medikament gefunden oder ein junges Operntalent gefördert wird.
Oper, Forschungsprojekte - wann kümmern Sie sich um den Fonds?
Mein Tag beginnt morgens um fünf Uhr. Um 6.30 Uhr hält mein Fahrer beim Coffee-Shop, holt mir meinen Caffè latte, um 6.45 Uhr bin ich im Büro. Nach zwölf Stunden verlasse ich es wieder. Dann gehts in die Oper, ins Ballett oder ins Konzert - etwa dreimal pro Woche. Andere Leute haben Kinder, meine Abende gehören der Musik.
Nasdaq hat in zwölf Monaten rund 60 Prozent verloren. Trotz fünf Zinssenkungen ist keine Rally in Sicht. Ihr Fonds hat 60 Prozent Wertverlust. Lieben Sie Ihren Job?
Im Moment erleben wir schlechte Tage. Dafür war mein Fonds in den USA während zehn Jahren Nummer eins unter den Tech-Fonds, gar während 20 Jahren Nummer zwei. Das ist eine hervorragende Leistung. Es kommen wieder bessere Zeiten. Das ist wie ein Soldat im Kampf. Nur wer verwundet wurde, hat Chancen auf eine Medaille.
Also sind Sie derzeit verwundet?
Ja. Aber wer Erfolg haben will an der Börse, muss Geduld und Disziplin haben. Als Cisco noch jung war, gehörten uns zehn Prozent. Die ersten fünf Jahre verlor die Aktie 55 Prozent pro Jahr. Ich war vom Erfolg überzeugt und blieb drin. Dann kletterte die Aktie um 1200 Prozent.
Wie hoch ist der Anteil nicht börsenkotierter Firmen in Ihrem Fonds?
Etwa 20 Prozent. Wir haben zwischen 75 und 85 private Firmen im Portefeuille.
Derzeit sind Börsengänge schwierig. Sitzen Sie auf den Beteiligungen fest?
Nein. Die meisten gehen innerhalb von 12 bis 18 Monaten an die Börse.
Wie viele kotierte Firmen sind im Fonds?
An die 30 Firmen.
Yahoo gehörte einmal zu den grössten Positionen im Fonds.
Ja, sie ist auch immer noch im Portfolio, aber heute nicht mehr unter den Topten. Ich habe ohnehin nur 10 Prozent des Fondsvermögens in Konsumwerte investiert, darunter in Ebay, Homestores und eben in Yahoo. In alle drei hatte ich bereits vor ihrem Börsengang investiert. AOL habe ich seinerzeit für 10 Cents pro Aktie gekauft. Dann stiegen sie auf 155 Dollar. Besser kann es nicht laufen.
Welche Sektoren bevorzugen Sie?
Internet, in der Telekommunikationsbranche Firmen, die Daten optisch oder per Glasfaserkabel übermitteln, sowie Biotechnologie.
Was macht das Internet interessant?
Dank Internet werden wir in den kommenden fünf bis zehn Jahren einen Quantensprung in der technologischen Entwicklung erleben, weil mehr Menschen Zugang haben. Das Internet und die optische Datenübertragung sind zwei gigantische Zukunftsmärkte, die das globale Wirtschaftsleben revolutionieren. Der dritte aussichtsreiche Markt ist die Molekularbiologie.
Wie wählen Sie die Unternehmen aus, in die Sie investieren?
Die wichtigste Frage ist: Wie lukrativ ist der Markt? Es macht nur Sinn, in Industrien zu investieren, die mindestens ein Hundert-Milliarden-Dollar-Potenzial haben.
Wer hat dieses Potenzial?
Firmen, die im Business-to-Business-Bereich tätig sind. Unternehmen, die Kommunikation via Internet ermöglichen. Und schliesslich solche, die Werkzeuge herstellen, mit denen sich Arbeitsprozesse vereinfachen lassen. Siebel gehört dazu, Nummer eins für Software zur Kundenpflege, I2, Spezialist für B2B-Software, Verisign, stark im Bereich Sicherheitssoftware.
Sind das die grössten Positionen?
Ja. Und im Biotechsektor Human Genomic Sciences.
Das sind alles US-Firmen. Wagen Sie nie einen Blick über den Teich?
Doch, solange die Firmen nicht an der Börse sind. Später wird eine Investition für uns zu kompliziert wegen unterschiedlicher Börsenaufsichten und Abwicklungssysteme.
Viele europäische Firmen sind aber auch in New York kotiert.
Stimmt. Nur sind sie für uns dann schon viel zu gross. Wir suchen nach kleinen Firmen, die das Cisco von morgen werden könnten.
Haben Sie erwartet, dass es einen derartigen Crash geben würde?
Nein, dass es im November 2000 nochmal so kräftig nach unten gehen könnte, habe ich nicht erwartet. Das passiert alle 30 Jahre einmal.
Ein schwacher Trost.
In den kommenden drei bis fünf Jahren könnten die Fundamentaldaten nicht besser sein. Und die Aktien sind billig. Die besten Voraussetzungen, um wieder einzusteigen. Wir haben eine Verlangsamung während vier oder fünf Quartalen in Folge. Drei davon haben wir hinter uns. Der Markt steigt sechs bis zehn Monate, bevor sich die Realwirtschaft erholt hat. Sprich: jetzt.
Wo sehen Sie Nasdaq Ende 2001?
Nasdaq wird uns noch kräftig überraschen. Aus technischer und makroökonomischer Sicht dank der Zinssenkungen und Steuererleichterungen wird der Markt in den kommenden sechs Wochen zu einer Rally ansetzen bis auf 3400 Punkte. Und in den nächsten drei Jahren könnte der Markt seine Höchststände von 5400 Punkten erreichen.
Hat Greenspan es also gut gemacht?
Nein, lausig. Er hat den Fehler gemacht, die Inflation zu seinem Feind zu erklären, nicht die wirtschaftliche Flaute. Durch seine historischen Zinserhöhungen ging der Markt für Risikoanleihen kaputt, junge Firmen konnten kein günstiges Kapital mehr aufnehmen. Damit hat er die wirtschaftliche Aktivität abgewürgt und hinkt nun mit seinen Zinssenkungen hinterher.
«Dank Internet erleben wir einen Quantensprung in der Entwicklung.»
Alberto Vilar
Technologie-Pionier
Alberto Vilar, 60, wurde auf Kuba geboren. Als auf der Insel die Revolution ausbrach, wanderte er in die USA aus. Der Mathematiker und Ã-konom setzte früh auf Technologie-Aktien. 1979 gründete er seine Firma Amerindo Investment Advisors. Der Fonds Amerindo Technology - zwei Milliarden Dollar Volumen - belegte zehn Jahre lang Platz eins der US-Techfonds. Sein lukrativster Kauf: Cisco. Vilars grösster Fehler: «Ich habe Microsoft zu früh verkauft.»
Fotos: Sabine Wunderlin
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