Ghandi
15.07.2001, 12:59 |
Religiosität vs. Staatsverschuldung Thread gesperrt |
Hallo,
Argentinien steht offensichtlich kurz vorm Staatsbankrott.
Erste Verhandlungen mit der Opposition wegen absolut notwendiger
Einsparungen sind gestern gescheitert. (Quelle: Bloomberg)
Schon Montag könnte es also soweit sein.
Mit Erstaunen konnten wir lesen, dass eine der wichtigsten
Maßnahmen, um den Default doch noch zu vermeiden die Ein-
dämmung der Steuerhinterziehung ist.
Auch weil heut Sonntag ist, dazu eine grundsätzliche Anmerkung:
Wären alle Argentinier zu 100% gläubig, gingen die Staatsausgaben
für Polizei, Justiz, Finanzbehörden und Steuerfahndung tendenziell
gegen Null, weil sich jeder selbstverständlich an die Gesetze hielte,
sofern diese mit dem Glauben in Einklang stünden.
Umgekehrt verhält es sich logischerweise genauso.
Je weniger Gläubige, desto mehr Kontrolle und Repression durch
den Staat - mit entsprechend höheren Kosten.
Ist es bei uns anders?
Schon mal solche Sätze gehört:"Wir brauchen mehr Steuerfahnder. -
Wir brauchen mehr Polizei. - Unsere Gerichte sind überlastet."?
Dazu kommt:
Nachdem die traditionelle Großfamilie fast völlig verschwunden
ist, weil sich jeder selbst verwirklichen möchte, boomen staatlich
mitfinazierte Altenheime, Krankenhauskosten steigen, weil sie zu
Verwahranstalten für alte Menschen verkommen sind und der Arzt ist
vielerorts Kummerkasten auf Krankenschein für Alte ohne jegliche
soziale Bindung usw, usw...
Ich schreibe das jetzt ganz ohne die moralische Keule, schon weil
selbst, zwar nicht Atheist, aber auch nicht religiös, nur um darauf
hin zu weisen, dass mit neuem Geld allein nicht alle Probleme zu
lösen sind.
Schönen Sonntag
G
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Josef
15.07.2001, 13:12
@ Ghandi
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Re: Religiosität: Wir brauchen keine Glaeubigen, sondern Religion mit |
mit Rueckbezug auf das Goettliche. Da braucht man nichts zu glauben, sondern
kann es jeden Tag wieder neu erfahren.
Die etablierten Amtskirchen wehren sich naruerlich dagegen, weil es ihre
Macht beschneidet.
MfG
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PuppetMaster
15.07.2001, 13:13
@ Ghandi
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Re: Religiosität vs. Staatsverschuldung |
>Hallo,
>Argentinien steht offensichtlich kurz vorm Staatsbankrott.
>Erste Verhandlungen mit der Opposition wegen absolut notwendiger
>Einsparungen sind gestern gescheitert. (Quelle: Bloomberg)
>Schon Montag könnte es also soweit sein.
>Mit Erstaunen konnten wir lesen, dass eine der wichtigsten
>Maßnahmen, um den Default doch noch zu vermeiden die Ein-
>dämmung der Steuerhinterziehung ist.
>Auch weil heut Sonntag ist, dazu eine grundsätzliche Anmerkung:
>Wären alle Argentinier zu 100% gläubig, gingen die Staatsausgaben
>für Polizei, Justiz, Finanzbehörden und Steuerfahndung tendenziell
>gegen Null, weil sich jeder selbstverständlich an die Gesetze hielte,
>sofern diese mit dem Glauben in Einklang stünden.
italien als sehr katholisches land hat eine alte tradition in schattenwirtschaft, korruption, org. kriminalität. deine schlussfolgerung kann ich also nur mit??? quittieren. denk auch an die polen - auch sie sind experten für schattenwirtschaft.
>Umgekehrt verhält es sich logischerweise genauso.
>Je weniger Gläubige, desto mehr Kontrolle und Repression durch
>den Staat - mit entsprechend höheren Kosten.
>Ist es bei uns anders?
>Schon mal solche Sätze gehört:"Wir brauchen mehr Steuerfahnder. -
>Wir brauchen mehr Polizei. - Unsere Gerichte sind überlastet."?
>Dazu kommt:
>Nachdem die traditionelle Großfamilie fast völlig verschwunden
>ist, weil sich jeder selbst verwirklichen möchte, boomen staatlich
>mitfinazierte Altenheime, Krankenhauskosten steigen, weil sie zu
>Verwahranstalten für alte Menschen verkommen sind und der Arzt ist
>vielerorts Kummerkasten auf Krankenschein für Alte ohne jegliche
>soziale Bindung usw, usw...
deine analyse greift etwas kurz
die erhöhte lebenserwartung hast du nämlich vergessen
ob die leute länger leben weil sie weniger gläubig sind? quatsch.
die"traditionelle grossfamilie" gab es meines wisens nur in einen kurzen zeitabschnitt (18.5/19 jh.).
>Ich schreibe das jetzt ganz ohne die moralische Keule, schon weil
>selbst, zwar nicht Atheist, aber auch nicht religiös, nur um darauf
>hin zu weisen, dass mit neuem Geld allein nicht alle Probleme zu
>lösen sind.
>
>Schönen Sonntag
danke, dir auch.
gruss
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Josef
15.07.2001, 13:14
@ Josef
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Re: Religiosität: Wir brauchen keine Glaeubigen, sondern Religion mit |
>mit Rueckbezug auf das Goettliche. Da braucht man nichts zu glauben, sondern
>kann es jeden Tag wieder neu erfahren.
>Die etablierten Amtskirchen wehren sich natuerlich dagegen, weil es ihre
>Macht beschneidet.
>MfG
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Ghandi
15.07.2001, 13:50
@ PuppetMaster
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kann es sein, dass Du Kirche bzw. Religion und Glauben verwechselst? |
Schön für die italienische Kirche, wenn die Mafiosi
sonntags im Gottesdienst einen Teil ihrer Beute abgeben,
Leider ist ein Mafiosi, der sich an die Regeln
seines Glaubens hält nicht denkbar.
Wahrscheinlich gehören auch bei uns die
meisten Steuerhinterzieher einer Religion an,
zum Leidwesen des guten Eichel Hans fehlt ihnen
eigentlich nur eines - der Glaube.
Oder ist Steuerhinterziehung vielleicht gar keine Sünde?
Na, dann laßt uns mal... ;-)
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Ghandi
15.07.2001, 14:05
@ PuppetMaster
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zum Zusammenhang zwischen Glaube, Gesundheit und langem Leben: |
Dieses Thema meinte ich im obigen Text eigentlich gar nicht,
Da ging´s nur um die Folgekosten, die auf eine zunehmend
ich-bezogene Gesellschaft zu kommen.
Dass aber eine äußerst günstige Relation zwischen Glaube
und (guter) Gesundheit existiert, steht außer Zweifel.
Dazu gibt´s gute Untersuchungen.
Nur ein Beispiel: Du findest unter gläubigen Menschen
praktisch keine Alkoholiker.
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dottore
15.07.2001, 14:13
@ Ghandi
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Re: Religiosität vs. Staatsverschuldung |
>Ich schreibe das jetzt ganz ohne die moralische Keule, schon weil
>selbst, zwar nicht Atheist, aber auch nicht religiös, nur um darauf
>hin zu weisen, dass mit neuem Geld allein nicht alle Probleme zu
>lösen sind.
Völlig richtig. Die Probleme sind nämlich überhaupt nicht mehr zu lösen. Das Spiel geht seinem Ende zu. Was danach kommt, werden wir sehen.
Ziemlich sicher sind mir diese Punkte heute schon:
1. Die Staaten und die sie bedienenden Politikercliquen haben fertig.
2. Es zieht eine Weltwirtschaftskrise herauf, die ihresgleichen noch nicht hatte. Wann sie offen ausbricht, ist nur eine Frage der Zeit.
3. Es wird Verelendung und Volksaufstände geben, die sich flächenbrandartig ausbreiten.
4. Alles geht viel schneller als wir ahnen.
5. Die Notenpressen werden wieder Tag und Nacht laufen, vorher allerdings kommt der ekelhafte deflationäre Taucher, der unzählige verschuldete Existenzen vernichten wird.
6. Es kommt zu einer Renaissance der"alten Werte" (Familie insbesondere, allerdings auch Religion). Die Frage"Was brauchen wir wirklich?" wird sich jeder stellen.
7."Neuanfänge" sind, wenn überhaupt, nur lokal vorstellbar. Dies auf einem im Vergleich zu heute verschwindend geringen Niveau.
Tut mir aufrichtig leid, das heute Sonntag ist.
Gruß
d.
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Fontvieille
15.07.2001, 16:38
@ dottore
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Re: Religiosität vs. Staatsverschuldung |
>
>>Ich schreibe das jetzt ganz ohne die moralische Keule, schon weil
>>selbst, zwar nicht Atheist, aber auch nicht religiös, nur um darauf
>>hin zu weisen, dass mit neuem Geld allein nicht alle Probleme zu
>>lösen sind.
>Völlig richtig. Die Probleme sind nämlich überhaupt nicht mehr zu lösen.
schön, daß mal einer den Mut hat, das so brut zu sagen. Wenn ich im Freundeskreis über irgendein kleines Problemchen mal sage, daß es wohl nicht tlösbar ist und man mit dieser Tatsache eben leben müsse, gibt es regelmäßig Ärger. Niemand will sich eingestehen, daß es unlösbare Probleme heute überhaupt noch gibt."Think positive" ist überall die Devise und neue Religion.
Das Spiel geht seinem Ende zu. Was danach kommt, werden wir sehen.
>Ziemlich sicher sind mir diese Punkte heute schon:
>1. Die Staaten und die sie bedienenden Politikercliquen haben fertig.
>2. Es zieht eine Weltwirtschaftskrise herauf, die ihresgleichen noch nicht hatte. Wann sie offen ausbricht, ist nur eine Frage der Zeit.
>3. Es wird Verelendung und Volksaufstände geben, die sich flächenbrandartig ausbreiten.
>4. Alles geht viel schneller als wir ahnen.
>5. Die Notenpressen werden wieder Tag und Nacht laufen, vorher allerdings kommt der ekelhafte deflationäre Taucher, der unzählige verschuldete Existenzen vernichten wird.
warum können Sie sich nicht vorstellen, daß wir ohne den Umweg über den deflationären Taucher direktissimo in die Inflation kommen, die Pressen laufen doch schon seit einiger Zeit?
>6. Es kommt zu einer Renaissance der"alten Werte" (Familie insbesondere, allerdings auch Religion). Die Frage"Was brauchen wir wirklich?" wird sich jeder stellen.
diese Frage hat doch Oscar Wilde schon abschließend beantwortet:"ich kann auf alles verzichten, nur auf Luxus nicht" ;-)
>7."Neuanfänge" sind, wenn überhaupt, nur lokal vorstellbar.
Partikularisation wie im MA? wie etwa bei den Taifas in Andalusien und den vielen deutschen Raubritterburgen?
Dies auf einem im Vergleich zu heute verschwindend geringen Niveau.
>Tut mir aufrichtig leid, das heute Sonntag ist.
Wieso, das ist doch traditionell der Tag für solche Gedanken, früher von der Kanzel, jetzt übern Bildschirm vom Pater Monetarius P.M.
Gruß, F.
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dottore
15.07.2001, 16:46
@ Fontvieille
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Re: Religiosität vs. Staatsverschuldung |
Hi Font!
Kurz dazu (muss jetzt weg):
> Das Spiel geht seinem Ende zu. Was danach kommt, werden wir sehen.
>>Ziemlich sicher sind mir diese Punkte heute schon:
>>1. Die Staaten und die sie bedienenden Politikercliquen haben fertig.
>>2. Es zieht eine Weltwirtschaftskrise herauf, die ihresgleichen noch nicht hatte. Wann sie offen ausbricht, ist nur eine Frage der Zeit.
>>3. Es wird Verelendung und Volksaufstände geben, die sich flächenbrandartig ausbreiten.
>>4. Alles geht viel schneller als wir ahnen.
>>5. Die Notenpressen werden wieder Tag und Nacht laufen, vorher allerdings kommt der ekelhafte deflationäre Taucher, der unzählige verschuldete Existenzen vernichten wird.
> warum können Sie sich nicht vorstellen, daß wir ohne den Umweg über den deflationären Taucher direktissimo in die Inflation kommen, die Pressen laufen doch schon seit einiger Zeit?
Kann ich mir zwar vorstellen, aber da, siehe Folge 3, das"frisch gedruckte" Geld erst zur Bezahlung alter Schulden verwendet wird, bevor es zu neuer und damit preistreibender Nachfrage werden kann, kann kaum eine stante-pede-Inflation gestartet werden. Und je länger sich die Sache hinzieht, um so mehr alte Schulden werden faul - siehe bitte das Beispiel Japan. Ich glaube, wir ahnen gar nicht, wie viel"fresh money" erscheinen müsste, um von jetzt aus direkt in die Hyperinflation zu marschieren. So viel Hubschrauber gibt's gar nicht.
>>7."Neuanfänge" sind, wenn überhaupt, nur lokal vorstellbar.
> Partikularisation wie im MA? wie etwa bei den Taifas in Andalusien und den vielen deutschen Raubritterburgen?
Ja, es kann sehr gut zu neuen Feudalstrukturen kommen. Wie durchgehend in Albanien oder Tschetschenien bis heute.
Besten Gruß
d.
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