Die Gefahr eines Zahlungsausfalls in Lateinamerika ist nur vorübergehend gebannt
<font size=5>Argentiniens Sparpaket ersetzt kein wirtschaftspolitisches Konzept</font>
Von ANNE GRÜTTNER
Das argentinische Sparpaket ist unter Dach und Fach. Das Abgeordnetenhaus hat das so genannte"Defizit-Zero"-Gesetz verabschiedet. Doch von einem wirtschaftspolitischen Konzept kann keinesfalls die Rede sein. <font color="#FF0000">Vielmehr handelt es sich um eine kurzfristige Überlebensstrategie ohne jede Stringenz</font>.
Der ursprünglich von Wirtschaftsminister Domingo Cavallo verkündete Plan des sofortigen Defizitabbaus barg noch einige Logik: Cavallo wollte mit Hilfe einer erneuten Offensive gegen Steuerhinterziehung und durch radikale Gehaltskürzungen und Reformen im aufgeblähten Staatssektor Ausgaben senken und dadurch für den Privatsektor Luft schaffen. Gleichzeitig wollte er weiterhin seine Konjunkturmaßnahmen durchziehen. Dieses Konzept wurde durch die Ungeduld der Finanzmärkte zunichte gemacht.
Das nun aus zahlreichen politischen Kompromissen gezimmerte Gesetz zum sofortigen Abbau des Defizits verschont die unteren Gehaltsebenen der Staatsangestellten und Rentner. Das ist aus sozialer Sicht durchaus verständlich, <font color="#FF0000">denn nach drei Jahren Rezession </font>und mit schnell steigender Arbeitslosigkeit ist die Bevölkerung kaum mehr zu neuen Opfern in der Lage.
Doch die Abgeordneten machten außerdem Cavallos erst vor zwei Wochen verkündete Steuersenkung rückgängig und brummten den Dienstleistungsunternehmen eine deutliche Erhöhung der Arbeitgeberbeiträge auf. Der Dienstleistungssektor ist so ziemlich der einzige, der noch Gewinne verzeichnet und theoretisch großes Potenzial für Investoren bietet. <font color="#FF0000">So schwindet die Aussicht auf eine Konjunkturerholung </font>und damit auch der erhoffte Nebeneffekt des Defizitabbaus, dass nämlich die Finanzmärkte wieder Vertrauen fassen und die Zinsen sinken.
Die große Frage ist, ob Argentinien noch andere Optionen hat. Das Defizit-Zero-Programm ist ein verspätetes, aber notwendiges Requisit der argentinischen Dollarbindung. <font color="#FF0000">Es untersagt der Zentralbank, den Staatssäckel durch Geldemission zu füttern. Jedes Defizit muss durch interne oder externe Verschuldung gedeckt werden</font>.
<font color="#FF0000">Der internationale Finanzmarkt ist angesichts der derzeitigen Zinsaufschläge für argentinische Schuldtitel nicht mehr zugänglich, und auch das lokale System geht bereits an seine letzten Reserven. Der Internationale Währungsfonds und andere Geldgeber haben deutlich gemacht, dass sie zu weiteren Finanzspritzen nicht mehr bereit sind</font>.
Bleibt also nur der radikale Abbau des Defizits, auch wenn selbst liberal geprägte US-Ã-konomen wie Paul Krugmann anmerken, dass dies inmitten einer schweren Rezession das Letzte ist, was ein Staat tun sollte. <font color="#FF0000">Argentinien kann dieses Jahr ohne einen Zahlungsausfall überleben. Schleierhaft bleibt hingegen, wie sich das Land in den nächsten Jahren durchschlagen will. Wurde doch schon im Zuge der freiwilligen Umschuldung ein Großteil der Finanzlasten auf die kommenden Jahre verteilt und ein guter Teil der Steuereinnahmen der nächsten Jahre schon jetzt verbraucht</font>.
<font color="#FF0000">Ein Zahlungsausfall erscheint mittelfristig somit fast unvermeidlich</font>.
Eigener Kommentar: Der Zahlungsausfall vieler weiterer Staaten, auch der Industriestaaten, bleibt mittelfristig unvermeidlich. Die Schuldenberge werden insgesamt überall immer höher!
Bleibt zu hoffen, dass die internationale Finanzarchitektur bis dahin so weit reformiert ist, so dass der Ausfall kontrolliert stattfindet und dem an menschlichen und natürlichen Ressourcen reichen Land eine wirtschaftliche Zukunft mit einem realistischen Schuldenniveau ermöglicht wird.
HANDELSBLATT, Dienstag, 24. Juli 2001
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