dottore
08.09.2001, 14:38 |
Der"Freiwirt" Lykurg und die Folgen - hier:Thread gesperrt |
Hi,
neuerdings wird uns hier Lykurg und seine Haltung zum Gold als ultimativer Weg aus allem Schlimmen aufgetischt.
Nun hat uns Polybios im 6. Buch ausführlich die Verfassung Spartas dar gestellt:
1. Niemand durfte mehr Land als ein anderer haben, das komplett in Staatshand lag. Es herrschte also Freiland pur.
2. Das Geld betrachteten die Spartaner als völlig ohne Wert,"so dass das Bestreben, den anderen an Gewinn zu übertreffen oder ihm an Besitz nicht nachzustehen, völlig fehlt." Dies ist Freigeld pur.
So weit so gut.
Nun behauptet XSurvivor, mit Hilfe eines solchen"freiwirtschaftlichen" Systems (vor allem eben eines an sich wertlosen Geldes) würden Kriege etc. verhindert, die sich bei anderen Geldformen, zumal beim Goldgeld, einzustellen pflegen.
Dagegen berichtet Polybios allerdings betreffend die Freiland-/Freigeld-Fans im alten Sparta weiter:
"Wer weiß nicht, dass sie als erste unter den Griechen aus Habsucht den Wunsch hatten, das Land ihrer Nachbarn zu bekommen, und mit den Messeniern Krieg anfingen, um sie zu versklaven?"
Anschließend überzogen die Spartaner die ganze Peloponnes mit Krieg und Eroberungen und als
"sie begannen, Flotten über das Meer zu schicken, da wollte ihnen natürlich weder ihr Eisengeld noch der Erlös aus der Jahresernte genügen, um ihren Bedarf zu decken, wie es Lykurgs Gesetzgebung bestimmte...
Deshalb waren sie gezwungen, am persischen Hof zu antichambrieren, den Inselbewohnern Tribute aufzuerlegen und von allen Griechen Geld einzutreiben.
Sie hatten nämlich erkannt, dass es unmöglich war, wenn sie an Lykurgs Gesetzgebung festhielten, die Hegemonie über Griechenland zu erwerben, geschweige denn überhaupt eine Machtstellung zu erringen."
Meine Frage nun: Warum sind diese klassischen Gesellianer der Antike nicht friedlich geblieben und haben sich mit dem begnügt, was ihnen der prae-existente Gesell namens Lykurg zugedacht hatte (Land, vom Staat gepachtet, und Geld ohne jeglichen Wert)?
Wenn hier schon der Goldwährung Kriege und Weltelend unterschoben wird, dann kann mit gleicher Münze heimgezahlt werden (egal ob aus Eisen oder Gold)!
Wer hier im Forum nur mit Schlagworten und nicht durchdachten Schnellschüssen daher kommt, macht es sich wirklich zu einfach.
Gruß
d.
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JeFra
08.09.2001, 23:58
@ dottore
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Re: Der"Freiwirt" Lykurg und die Folgen - hier: |
Ich glaube, die konventionelle Lehrmeinung besteht darin, daß Sparta durch das Helotenproblem zu einer defensiven Außenpolitik gezwungen war. Die athenische Demokratie hatte sicher auch ihre Finanzierungsprobleme, was oft für die Entfesselung des peloponnesischen Krieges verantwortlich gemacht wird. Und unabhaengig davon gab es natürlich noch andere griechische Stadtstaaten mit einer aggressiven Aussenpolitik. Für die Zerstörung von Sybaris durch Croton macht O. Spengler die durch die Sekte der Pythagoraer entfesselten religösen Hassgefühle verantwortlich. Gleichwohl könnte es denkbar sein, daß auch dafür ein finanzieller Hintergrund existiert hat.
MfG
JeFra
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dottore
09.09.2001, 16:59
@ JeFra
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Re: Machte ihr"Schwundgeld" die Spartaner kriegslüstern? |
>Ich glaube, die konventionelle Lehrmeinung besteht darin, daß Sparta durch das Helotenproblem zu einer defensiven Außenpolitik gezwungen war.
Jede Lehrmeinung muss sich auf Quellen stützen, und die beste Quelle für die Verfassung Spartas ist und bleibt Polybios. Dass sich bei ihm kein Wort von einer"defensiven" Außenpolitik findet, sondern ganz im Gegenteil, hat er selbst dargestellt.
Bei Herodot findet sich eine"Defensiv-Stelle" (I, 152), wo sich die Spartaner den Ionern und Aiolern verweigerten, aber immerhin doch einen Fünfzigruderer schickten. Auch das spartanische Zögern beim Einfall der Perser ist bekannt.
Ansonsten bitte ich Herodot I, 65 ff. zu Rate zu ziehen:
Das friedliche Leben gefiel ihnen (der Spartanern) nicht mehr, sie hielten sich für mächtiger als die verachteten Arkader und fragten beim Orakel in Delphi an, ob sie wohl ganz Arkadien gewinnen könnten." (usw.)
<font color="FF0000">Sparta hatte ein geradezu lupenreines"freiwirtschaftliches" System (wie beschrieben), mit Freiland und einem Eisengeld (im wesentlichen also stoffwertlos wie heute Papier, und außerdem mit einem ganz natürlichen SCHWUND - also ein"Schwundgeld" par excellence). </font>
Da von Freiwirten, wie hier immer wieder zu lesen, dauernd die Gleichung Gold = Elend = Aggression = Krieg aufgemacht wird, sollte es doch interessieren, einen Kommentar eines Freiwirts hier zu lesen, wie sie denn das von Lykurg eingeführte freiwirtschaftliche System Spartas beurteilen, das - wie bei Polybios deutlichst nachzulesen - nicht etwa zu Selbstgenügsamkeit, Wohlstand, ewigem Frieden usw., sondern dazu geführt hat, dass Sparta die aggressivste Macht in ganz Griechenland geworden ist.
Sie ließen sich selbst von Kroisos (Herodot I, 69 f.) mit Gold bestechen, um ein goldenes Apollon-Standbild zu errichten. Wozu, wenn Lykurg ihnen die"Verachtung" des Goldes aufgetragen hatte?
>Die athenische Demokratie hatte sicher auch ihre Finanzierungsprobleme, was oft für die Entfesselung des peloponnesischen Krieges verantwortlich gemacht wird. Und unabhaengig davon gab es natürlich noch andere griechische Stadtstaaten mit einer aggressiven Aussenpolitik. Für die Zerstörung von Sybaris durch Croton macht O. Spengler die durch die Sekte der Pythagoraer entfesselten religösen Hassgefühle verantwortlich. Gleichwohl könnte es denkbar sein, daß auch dafür ein finanzieller Hintergrund existiert hat.
In jedem Krieg gibt es finanzielle Hintergründe, ohne Frage. Aber dass ausgerechnet das freiwirtschaftliche Sparta als erster Staat Griechenlands zu Eroberungen ausgeholt hat, ist - unbeschadet sonstiger historischer Diskussionen über die Hintergründe - gerade der Beweis dafür, dass man mit jedem"Währungssystem" jeden Krieg letztlich erklären kann:
Mit dem Schwundgeld der Spartaner deren Kriegszüge und mit dem Goldgeld des frühen 20. Jahrhunderts die Weltkriege.
So geht's eben nicht. Entweder wir konstruieren stringente Ursache-Folge-Ketten (Schwundgeld ---> Krieg bzw. Goldgeld ---> Krieg) oder wir lassen es sein.
Gruß
d.
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