Nur nicht provozieren! 
 
 Der Kampf der Kulturen findet doch statt. Trotzdem verharmlosen viele europäische 
 Intellektuelle den islamischen Terrorismus - und die Lust am Morden. Von Henryk M. 
 Broder 
  
 Es ist ein Alptraum. Ich weiß es. Morgen werde ich 
 aufwachen und alles nur geträumt haben. Wie ich 
 träume, dass ich im Abitur versage.  
 
 Nein, es war kein Alptraum, es ist wirklich passiert. 
 Das Fernsehen zeigt uns rauchende Trümmer, 
 schreiende Menschen und jubelnde Palästinenser in 
 Nablus und Jerusalem, die zur Feier des Tages Knafi 
 und Baklava umsonst abgeben.  
 
 Jetzt warte ich nur noch darauf, dass irgendeine edle 
 Seele aufsteht und sagt, die Anschläge von New York 
 und Washington müssten im Zusammenhang mit dem 
 Kampf der Dritten Welt gegen die Erste gesehen 
 werden. Wetten, dass es im Laufe der nächsten Tage passieren wird, sobald sich der 
 Trümmerrauch über Manhattan gelegt hat?  
 
 Es gibt ein Milieu in Europa, das den Einsatz von Feuerwerkskörpern zu Silvester unschön 
 findet und den"Staatsterrorismus" verurteilt, aber für individuelle Akte des Terrors 
 durchaus Sympathien empfindet, vorausgesetzt, sie spielen sich nicht vor der eigenen 
 Wohntür ab, also im Baskenland, Irland oder Palästina.  
 
 Weiß noch jemand, wer Leila Chalid war? Eine attraktive junge Frau, die Ende August 1969 
 eine TWA-Maschine auf dem Weg von New York nach Athen entführt hat und zur Landung in 
 Tel Aviv zwingen wollte. Weil die israelischen Behörden nicht kooperierten, musste die 
 Maschine in Damaskus landen, da durfte Frau Chalid zwei Wochen einsitzen und dann nach 
 Jordanien ausreisen, wo sie als Heldin empfangen wurde. Ein Jahr später versuchte sie es 
 noch einmal, diesmal wollte sie einen El-Al-Jet auf dem Flug von Amsterdam nach New York 
 kidnappen. Es kam zu einem Kampf mit israelischen Sicherheitsleuten an Bord der Maschine, 
 ihr Begleiter wurde getötet, sie selbst niedergeschlagen, nachdem sie eine Handgranate 
 geworfen hatte, die allerdings nicht zündete.  
 
 Terroristin oder Freiheitskämpferin?  
 
 Die Maschine konnte in London landen, wo Frau Chalid festgenommen und nach genau 28 
 Tagen von ihren Freunden freigepresst wurde. Seitdem erzählt sie, wie schlecht der Service 
 an Bord des El-Al-Fliegers war, wie brutal sie von den Israelis behandelt wurde, welche 
 Verletzungen an Leib und Seele sie erlitten und welche Traumata behalten hatte.  
 
 Anfang dieses Jahres war Leila Chalid wieder in London, auf Einladung eines 
 Labour-Abgeordneten, um über Irak und Palästina zu sprechen."Ich bin und war nie eine 
 Terroristin", erklärte sie unter zustimmendem Nicken ihrer Gastgeber,"ich war eine 
 Freiheitskämpferin."  
 
 Am Tag der Arbeit trat sie dann in Zürich auf, eingeladen vom 1.-Mai-Komitee zur offiziellen 
 Kundgebung der Schweizer Arbeiterklasse, deren allergrößte Sorge nicht der Status der 
 Ausländer in der Schweiz, sondern die Staatenlosigkeit der Palästinenser ist.  
 
 So human, liberal und ausländerfreundlich können die Eidgenossen sein, solange nicht ihre 
 eigenen Belange tangiert werden.  
 
 Die Weltsicht der Feingeister  
 
 Zurück nach Deutschland. Als in Afghanistan die Buddha-Statuen von Bamian mit Kanonen 
 pulverisiert wurden, da gab es auch in Deutschland Proteste, die freilich so zahnlos blieben 
 wie die saisonalen Aufrufe der Schriftsteller zu mehr Toleranz. Doch nicht alle empörten 
 sich, einige versuchten auch, den Bildersturm des Taliban-Regimes immanent, also aus der 
 Sicht der Kanoniere, zu erklären.  
 
"Das Lamento über die Zerstörung ist zuallererst die Frucht einer entpolitisierten 
 bürgerlichen Ästhetik", belehrte uns ein Feingeist in der"SZ", der ebenso wie die Taliban mit 
 der bürgerlichen Ästhetik gebrochen hatte."Der Bildersturm der Taliban gilt einer ganzen 
 Kultur der Sichtbarkeit, von der sich das Regime in einem politischen Akt absetzt."  
 
 Noch anmutiger war eine Apologetik im Feuilleton der"Frankfurter Rundschau". Der 
 Verfasser nannte die Proteste das"übliche Spektakel", bei dem"alle 'zivilisierten' Nationen 
 um die schärfste Verurteilung dieses 'barbarischen' Aktes" wetteiferten, und setzte 
 tatsächlich"zivilisiert" und"barbarisch" in ironisierende Anführungszeichen.  
 
 Zugleich erklärte er, worin"das eigentliche Problem" liege, nämlich darin,"dass die 
 ökonomisch-kulturelle Kolonisation durch den Westen sehr viel mehr dazu beiträgt, die 
 buddhistische Lebensweise auszuhöhlen und zu entwerten" als die dekonstruktiven 
 Maßnahmen der Taliban.  
 
 Die Abrissbirnen des Kapitalismus  
 
 Ich bin sicher, ein kulturkritischer Beitrag ist schon im Entstehen begriffen, in dem uns 
 erklärt wird, auch die letzten Attentäter hätten aus einem tiefen Glauben heraus, den wir 
 nicht nachvollziehen können, gehandelt und nicht mehr Schaden angerichtet, als die 
 Abrissbirnen des Kapitalismus und die Agenten der Kolonisation weltweit anrichten würden. 
 Denn für den Umgang mit durchgeknallten Fundamentalisten aus der islamischen Welt gilt für 
 coole Kommentatoren eine Parole:"Nur nicht provozieren! Die Irren könnten böse werden!"  
 
 Deswegen zeigt uns Peter Dudzik in der ARD jubelnde Palästinenser und sagt, sie würden es 
 nicht so meinen, wie es aussieht. Deswegen sagt uns Heiko Flottau in der"SZ","die winzige 
 Minorität der islamistischen Terrorgruppen" habe bei der großen Mehrheit der Bevölkerung 
"keinen Rückhalt", nur um ein paar Absätze weiter zu erklären,"kein Politiker in Ägypten" 
 habe den Mut gehabt, öffentlich für einen liberalen Professor einzutreten, der, von den 
 Islamisten terrorisiert, ins holländische Exil gehen musste.  
 
 Der reine Terror  
 
 Solche kleinen Widersprüche nehmen wir gelassen hin, wenn es darum geht, einen Terror 
 schönzureden, dessen irrationaler Furor uns fasziniert, weil er so rein und so selbstlos ist.  
 
 Wir Abendländer haben keine Probleme, den Fanatismus von Christen und Juden zu 
 verdammen, nur bei fanatischen Moslems neigen wir zu einer Haltung, wie man sie 
 normalerweise gegenüber kleinen Kindern und erwachsenen Autisten annimmt: Sie wissen 
 nicht, was sie tun, aber sie meinen es irgendwie gut.  
 
 Würde in einem christlichen Land, in Italien oder Schweden, ein paar Moslems oder Juden 
 der Prozess gemacht, weil sie, als Sozialarbeiter getarnt, missioniert haben sollen, und 
 würde ihnen dafür lange Haft oder gar die Todesstrafe drohen, könnte man den Aufschrei 
 der Empörung bis zum Nordpol hören.  
 
 Wenn so etwas aber in Afghanistan passiert, fährt eine Delegation hin, wartet geduldig, bis 
 sie von ein paar nachgeordneten Chargen empfangen und zum Verlassen des Landes 
 aufgefordert wird. Ende der Intervention. Ja, man will die Irren nicht weiter provozieren, 
 und ein wenig bewundert man auch die Selbstverständlichkeit, mit der sie sich über alle 
 Spielregeln hinwegsetzen.  
 
 Kniefall vor dem Multikulti-Prinzip  
 
 Das beste Beispiel für diese post-liberale und pre-suizidale Haltung ist immer noch die Affäre 
 um Salman Rushdie. Als die"Fatwa", das religiöse Todesurteil, gegen ihn verhängt wurde, 
 konnte man in vielen Feuilletons Wortmeldungen lesen, deren Grundlage der Respekt für 
 Exoten war, egal wie sie sich benehmen.  
 
 Am Ende dieser Kniefälle vor dem Multikulti-Prinzip stand dann die Conclusio, man fände die 
 Fatwa nicht gut, aber irgendwie wäre Rushdie doch selbst schuld, er hätte sich mit den 
 Mullahs nicht anlegen sollen.  
 
 Die Orientalistin Annemarie Schimmel nannte die Morddrohung"etwas Grässliches", 
 andererseits habe Rushdie auf"eine sehr üble Art" die Gefühle gläubiger Moslems verletzt, 
 sie selbst habe"erwachsene Männer" weinen sehen.  
 
 Das war für den Börsenverein des Deutschen Buchhandels kein Grund, sich von seiner 
 Friedenspreisträgerin zu distanzieren. Ganz im Gegenteil. Der Preis wurde ihr umso 
 liebevoller vor die Füße gelegt. Rushdie hat die Fatwa überlebt, die Menschen im World 
 Trade Center hatten keine Chance.  
 
 Und nun tritt Kanzler Schröder vor die Mikrofone und redet Klartext. Es war, sagt er,"ein 
 Angriff auf die zivilisierte Welt". Richtig, Gerhard, und wir alle haben ihn begünstigt. Wie 
 lange zog sich der Prozess um das Attentat auf die Berliner Disco"La Belle" hin? Haben 
 deutsche Politiker nicht auf einen Abbruch des Verfahrens gedrängt, um die Beziehungen zu 
 den arabischen Staaten nicht zu gefährden? Ein bisschen Frieden ist gut für die Hitparade, 
 ein bisschen Terror nehmen alle in Kauf, um die Exporte stabil zu halten.  
 
 Kampf der Kulturen  
 
 Samuel Huntington hatte Recht, es findet ein Kampf der Kulturen statt. Es geht nicht um 
 globale Gerechtigkeit, nicht um die legitimen Rechte der Palästinenser oder eines anderen 
 unterdrückten Volkes, es geht um die reine Lust am Morden, die inzwischen nicht einmal 
 einen Vorwand braucht.  
 
 Aber auch diese Akte werden ihre Apologeten finden, denn die Terroristen fliegen die 
 gleichen Flugzeuge wie wir und telefonieren mit den gleichen Handys. So gesehen sind sie 
 Menschen wie wir. Mit dem kleinen Unterschied, dass sie an den sofortigen Einzug ins 
 Paradies glauben, wenn sie sich opfern.  
 
 Wogegen nichts einzuwenden wäre, wenn sie nicht so viele mitnehmen würden, die diesen 
 Glauben nicht teilen, Menschen, die andere Vorstellungen vom Paradies haben und die sich 
 weder opfern noch geopfert werden wollen.  
 
 Egal, wer die Täter und Hintermänner waren, ob sie gefunden werden oder nicht. Es wird 
 nicht der letzte Anschlag bleiben. Am Anfang waren es Auto- und Kofferbomben, dann 
 menschliche Bomben, und nun sind es Flugzeuge, die punktgenau ins Ziel gelenkt werden. Die 
 eskalative Logik schreit nach Fortsetzung.  
 
 Wer im Stande ist, das World Trade Center zum Einsturz zu bringen und das Pentagon in 
 Brand zu setzen, der kann auch mehr. Der wird als nächstes eine Atombombe klauen oder 
 kaufen und nicht zögern, sie auch zu zünden.  
 
 Nichts für ungut, ist ja nur ein Alptraum.  
 
 
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     Vor allem das 
 
> Die Abrissbirnen des Kapitalismus  
 
> Ich bin sicher, ein kulturkritischer Beitrag ist schon im Entstehen begriffen, in dem uns > erklärt wird, auch die letzten Attentäter hätten aus einem tiefen Glauben heraus, den wir > nicht nachvollziehen können, gehandelt und nicht mehr Schaden angerichtet, als die > Abrissbirnen des Kapitalismus und die Agenten der Kolonisation weltweit anrichten würden. > Denn für den Umgang mit durchgeknallten Fundamentalisten aus der islamischen Welt gilt für > coole Kommentatoren eine Parole:"Nur nicht provozieren! Die Irren könnten böse werden!"  > Deswegen zeigt uns Peter Dudzik in der ARD jubelnde Palästinenser und sagt, sie würden es > nicht so meinen, wie es aussieht. Deswegen sagt uns Heiko Flottau in der"SZ","die winzige > Minorität der islamistischen Terrorgruppen" habe bei der großen Mehrheit der Bevölkerung 
>"keinen Rückhalt", nur um ein paar Absätze weiter zu erklären,"kein Politiker in Ägypten" > habe den Mut gehabt, öffentlich für einen liberalen Professor einzutreten, der, von den > Islamisten terrorisiert, ins holländische Exil gehen musste.  > Der reine Terror  > Solche kleinen Widersprüche nehmen wir gelassen hin, wenn es darum geht, einen Terror > schönzureden, dessen irrationaler Furor uns fasziniert, weil er so rein und so selbstlos ist.  > Wir Abendländer haben keine Probleme, den Fanatismus von Christen und Juden zu > verdammen, nur bei fanatischen Moslems neigen wir zu einer Haltung, wie man sie > normalerweise gegenüber kleinen Kindern und erwachsenen Autisten annimmt: Sie wissen > nicht, was sie tun, aber sie meinen es irgendwie gut.  > Würde in einem christlichen Land, in Italien oder Schweden, ein paar Moslems oder Juden > der Prozess gemacht, weil sie, als Sozialarbeiter getarnt, missioniert haben sollen, und > würde ihnen dafür lange Haft oder gar die Todesstrafe drohen, könnte man den Aufschrei > der Empörung bis zum Nordpol hören.  > Wenn so etwas aber in Afghanistan passiert, fährt eine Delegation hin, wartet geduldig, bis > sie von ein paar nachgeordneten Chargen empfangen und zum Verlassen des Landes > aufgefordert wird. Ende der Intervention. Ja, man will die Irren nicht weiter provozieren, > und ein wenig bewundert man auch die Selbstverständlichkeit, mit der sie sich über alle > Spielregeln hinwegsetzen.  > Kniefall vor dem Multikulti-Prinzip  > Das beste Beispiel für diese post-liberale und pre-suizidale Haltung ist immer noch die Affäre > um Salman Rushdie. Als die"Fatwa", das religiöse Todesurteil, gegen ihn verhängt wurde, > konnte man in vielen Feuilletons Wortmeldungen lesen, deren Grundlage der Respekt für > Exoten war, egal wie sie sich benehmen.  > Am Ende dieser Kniefälle vor dem Multikulti-Prinzip stand dann die Conclusio, man fände die > Fatwa nicht gut, aber irgendwie wäre Rushdie doch selbst schuld, er hätte sich mit den > Mullahs nicht anlegen sollen.  > Die Orientalistin Annemarie Schimmel nannte die Morddrohung"etwas Grässliches", > andererseits habe Rushdie auf"eine sehr üble Art" die Gefühle gläubiger Moslems verletzt, > sie selbst habe"erwachsene Männer" weinen sehen.  > Das war für den Börsenverein des Deutschen Buchhandels kein Grund, sich von seiner > Friedenspreisträgerin zu distanzieren. Ganz im Gegenteil. Der Preis wurde ihr umso > liebevoller vor die Füße gelegt. Rushdie hat die Fatwa überlebt, die Menschen im World > Trade Center hatten keine Chance.  > Und nun tritt Kanzler Schröder vor die Mikrofone und redet Klartext. Es war, sagt er,"ein > Angriff auf die zivilisierte Welt". Richtig, Gerhard, und wir alle haben ihn begünstigt. Wie > lange zog sich der Prozess um das Attentat auf die Berliner Disco"La Belle" hin? Haben > deutsche Politiker nicht auf einen Abbruch des Verfahrens gedrängt, um die Beziehungen zu > den arabischen Staaten nicht zu gefährden? Ein bisschen Frieden ist gut für die Hitparade, > ein bisschen Terror nehmen alle in Kauf, um die Exporte stabil zu halten.  > Kampf der Kulturen  > Samuel Huntington hatte Recht, es findet ein Kampf der Kulturen statt. Es geht nicht um > globale Gerechtigkeit, nicht um die legitimen Rechte der Palästinenser oder eines anderen > unterdrückten Volkes, es geht um die reine Lust am Morden, die inzwischen nicht einmal > einen Vorwand braucht.  > Aber auch diese Akte werden ihre Apologeten finden, denn die Terroristen fliegen die > gleichen Flugzeuge wie wir und telefonieren mit den gleichen Handys. So gesehen sind sie > Menschen wie wir. Mit dem kleinen Unterschied, dass sie an den sofortigen Einzug ins > Paradies glauben, wenn sie sich opfern.  > Wogegen nichts einzuwenden wäre, wenn sie nicht so viele mitnehmen würden, die diesen > Glauben nicht teilen, Menschen, die andere Vorstellungen vom Paradies haben und die sich > weder opfern noch geopfert werden wollen.  > Egal, wer die Täter und Hintermänner waren, ob sie gefunden werden oder nicht. Es wird > nicht der letzte Anschlag bleiben. Am Anfang waren es Auto- und Kofferbomben, dann > menschliche Bomben, und nun sind es Flugzeuge, die punktgenau ins Ziel gelenkt werden. Die > eskalative Logik schreit nach Fortsetzung.  > Wer im Stande ist, das World Trade Center zum Einsturz zu bringen und das Pentagon in > Brand zu setzen, der kann auch mehr. Der wird als nächstes eine Atombombe klauen oder > kaufen und nicht zögern, sie auch zu zünden.  > Nichts für ungut, ist ja nur ein Alptraum.  
 
 
Es kommen ja jetzt schon wieder die Kommentare,"wir" sind schuld daran, daß"die" so üble Attentate verüben. Die Selbstbezichtigungsmentalität der Linken (Erst wieder Fischer in Durban) ist schon nervtötend. 
 
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