dottore
31.07.2000, 08:59 |
Le Bon täglich (12) -"blitzartige Plötzlichkeit" Thread gesperrt |
"Zwei verschiedene Arten von Triebkräften befähigen die Meinungen und Glaubenslehren der Massen: mittelbare und unmittelbare:
Die mittelbaren Triebkräfte befähigen die Massen zur Annahme gewisser Überzeugungen und verhindern das Eindringen anderer. Sie bereiten den Boden, auf dem man plötzlich (!) neue Ideen hervorsprießen sieht, deren Kraft und Wirkung Staunen erregen, die aber nur scheinbar plötzlich sind. Der Ausbruch und die Verwirklichung gewisser Ideen bei den Massen zeigen oft eine blitzartige (!) Plötzlichkeit. Doch das ist nur die oberflächliche Wirkung, hinter der man meistens eine lange Vorarbeitung suchen muss."
(Ja, damit sind wir beim Thema"Crash", der sich vor allem durch seine"blitzartige Plötzlichkeit auszeichnet... Jeder Crash hat demnach eine lange Vorgeschichte, die sich allerdings nur wenigen erschliesst, die diese Vorgeschichte auch ganz genau studiert bzw. mit verfolgt haben).
"Die unmittelbaren Triebkräfte sind der Anlass für das Auftauchen der Entschlüsse, die eine Gesamtheit zu einer jähen Erhebung führen - durch sie bricht ein Aufruhr los oder wird ein Streik beschlossen, sie bringen durch riesige Stimmenmehrheit einen Menschen zur Macht oder stürzen eine Regierung. Bei allen großen Geschehnissen der Geschichte kann man die ununterbrochene Wirkung dieser beiden Arten von Triebkräften feststellen."
(Le Bon war kein Börsianer, aber das Schlüsselwort"jäh" gilt an der Börse mehr als irgendwo sonst; ich erinnere nicht nur an 1929 oder 1987, sondern z.B. auch an den Sommer 1982, wo plötzlich, also jäh, die Mega-Hausse startete. Es war just die Zeit, als kurz zuvor"Business Week" noch mit dem Titel gekommen war:"Death of Equities" - Tod der Finanzanlagen; das ganze wirkt also in beiden Richtungen).
(Le Bon geht dann auf die"Rassen" ein, ein von mir bereits als obsolet gerügtes Vorgehen, dann auf die"Überlieferungen", die er als"unsichtbare Herren" bezeichnet, die nur der"langsamen Abnutzung durch die Jahrhunderte nachgaben", was inzwischen - nach den vehementen Zeitenbrüchen des 20. Jh.s - ebenfalls nicht mehr so gesehen werden kann. Dann kommt er zur"Zeit").
"Die Zeit ist einer der wirksamsten Faktoren in den gesellschaftlichen wie in den sozialen Fragen. Sie ist der wahre Schöpfer und der große Zerstörer. Die Zeit bereitet die Meinungen und Glaubensbekenntnisse der Massen vor, d.h. den Boden, auf dem sie keimen. Daraus folgt, dass gewisse Ideen nur zu einer bestimmten Zeit, dann nicht mehr zu verwirklichen sind. Die Zeit ist unsere wahre Meisterin, und man braucht sie nur walten zu lassen, um zu sehen, wie alle Dinge sich wandeln."
(Es ist also sehr wichtig, genau zu erkennen,"wie spät" es ist (buchstäblich). Eine unvoreingenommene Analyse unseres der-ZEIT-igen Zustands kommt zu dem Ergebnis, dass wir bereits in oder kurz vor einer Zeitenwende stehen. Das Pendel, das in der Geschichte immer wieder zwischen totaler Ruhe und hektischem Exzess hin und her schwang, scheint nunmehr am äußersten Punkt des Zweiten angekommen zu sein: jeglicher Tabubruch ist vollzogen, der Exhibitionismus aufs äußerste gesteigert, die Stimmung on top der Euphorie. Den Übergang zum Rückschlag des Pendels bereitet sich an der Börse übrigens durch extreme Kursausschläge, maximale Umsätze und ein jähes Umschwenken von"himmelhoch jauchzend" und"zu Tode betrübt" vor - man schaue sich nur mal in den Zocker-Boards und -Chat-Rooms um).
Morgen: Die unmittelbaren Triebkräfte (wir würden hier sagen: die"Trigger") und die Täuschungen
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Diplomand
31.07.2000, 09:23
@ dottore
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Die Zeit ist noch nicht reif |
>"Zwei verschiedene Arten von Triebkräften befähigen die Meinungen und Glaubenslehren der Massen: mittelbare und unmittelbare:
>Die mittelbaren Triebkräfte befähigen die Massen zur Annahme gewisser Überzeugungen und verhindern das Eindringen anderer. Sie bereiten den Boden, auf dem man plötzlich (!) neue Ideen hervorsprießen sieht, deren Kraft und Wirkung Staunen erregen, die aber nur scheinbar plötzlich sind. Der Ausbruch und die Verwirklichung gewisser Ideen bei den Massen zeigen oft eine blitzartige (!) Plötzlichkeit. Doch das ist nur die oberflächliche Wirkung, hinter der man meistens eine lange Vorarbeitung suchen muss."
>(Ja, damit sind wir beim Thema"Crash", der sich vor allem durch seine"blitzartige Plötzlichkeit auszeichnet... Jeder Crash hat demnach eine lange Vorgeschichte, die sich allerdings nur wenigen erschliesst, die diese Vorgeschichte auch ganz genau studiert bzw. mit verfolgt haben).
>"Die unmittelbaren Triebkräfte sind der Anlass für das Auftauchen der Entschlüsse, die eine Gesamtheit zu einer jähen Erhebung führen - durch sie bricht ein Aufruhr los oder wird ein Streik beschlossen, sie bringen durch riesige Stimmenmehrheit einen Menschen zur Macht oder stürzen eine Regierung. Bei allen großen Geschehnissen der Geschichte kann man die ununterbrochene Wirkung dieser beiden Arten von Triebkräften feststellen."
>(Le Bon war kein Börsianer, aber das Schlüsselwort"jäh" gilt an der Börse mehr als irgendwo sonst; ich erinnere nicht nur an 1929 oder 1987, sondern z.B. auch an den Sommer 1982, wo plötzlich, also jäh, die Mega-Hausse startete. Es war just die Zeit, als kurz zuvor"Business Week" noch mit dem Titel gekommen war:"Death of Equities" - Tod der Finanzanlagen; das ganze wirkt also in beiden Richtungen).
>(Le Bon geht dann auf die"Rassen" ein, ein von mir bereits als obsolet gerügtes Vorgehen, dann auf die"Überlieferungen", die er als"unsichtbare Herren" bezeichnet, die nur der"langsamen Abnutzung durch die Jahrhunderte nachgaben", was inzwischen - nach den vehementen Zeitenbrüchen des 20. Jh.s - ebenfalls nicht mehr so gesehen werden kann. Dann kommt er zur"Zeit").
>"Die Zeit ist einer der wirksamsten Faktoren in den gesellschaftlichen wie in den sozialen Fragen. Sie ist der wahre Schöpfer und der große Zerstörer. Die Zeit bereitet die Meinungen und Glaubensbekenntnisse der Massen vor, d.h. den Boden, auf dem sie keimen. Daraus folgt, dass gewisse Ideen nur zu einer bestimmten Zeit, dann nicht mehr zu verwirklichen sind. Die Zeit ist unsere wahre Meisterin, und man braucht sie nur walten zu lassen, um zu sehen, wie alle Dinge sich wandeln."
>(Es ist also sehr wichtig, genau zu erkennen,"wie spät" es ist (buchstäblich). Eine unvoreingenommene Analyse unseres der-ZEIT-igen Zustands kommt zu dem Ergebnis, dass wir bereits in oder kurz vor einer Zeitenwende stehen. Das Pendel, das in der Geschichte immer wieder zwischen totaler Ruhe und hektischem Exzess hin und her schwang, scheint nunmehr am äußersten Punkt des Zweiten angekommen zu sein: jeglicher Tabubruch ist vollzogen, der Exhibitionismus aufs äußerste gesteigert, die Stimmung on top der Euphorie. Den Übergang zum Rückschlag des Pendels bereitet sich an der Börse übrigens durch extreme Kursausschläge, maximale Umsätze und ein jähes Umschwenken von"himmelhoch jauchzend" und"zu Tode betrübt" vor - man schaue sich nur mal in den Zocker-Boards und -Chat-Rooms um).
>Morgen: Die unmittelbaren Triebkräfte (wir würden hier sagen: die"Trigger") und die Täuschungen
Lieber dottore,
Ihre Analysen sind an Brillianz nicht zu übertreffen und mit keiner Logik zu widerlegen. Ich will es deswegen auch gar nicht versuchen (und bin ja auch nur der"Diplomand").
Andererseits denke ich dennoch, dass Ihr Szenario nicht eintreffen wird. Denn man wird den Leuten erneut einen Lutscher im Tausch gegen ihre Zukunft anbieten. Und sie werden erneut diesem Tausch einwilligen. Und die Verrücktheit beginnt von vorne.
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JüKü
31.07.2000, 09:39
@ dottore
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Und hier wieder alle 12 zusammengefasst... |
1. Einführung
2. Die Gemeinschaftsseele
3. Das Unbewusste in der Masse
4. Beeinflussbarkeit und Leichtgläubigkeit der Massen
5. Entstehung von Legenden und Kollektiv-Halluzinationen
6. Überschwang und Einseitigkeit der Massengefühle
7. Wie beeinflusse ich die Massen und die Herrschsucht der Massen
8. Die Unduldsamkeit der Massen
9. Wie kommen die Ideen zu den Massen und umgekehrt
10. Ideen und ihre Dauer
11. Die Urteile der Massen
12. Was treibt die Meinungen der Massen an (Täuschung, Erfahrung, Vernunft usw.)
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Taktiker
31.07.2000, 09:56
@ Diplomand
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Geniale Wendung: |
"Denn man wird den Leuten erneut einen Lutscher im Tausch gegen ihre Zukunft anbieten. Und sie werden erneut diesem Tausch einwilligen. Und die Verrücktheit beginnt von vorne."
Herrlich!! Zumindest sprachlich! Gefällt mir, dieser Vergleich, und so schön sarkastisch!
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dottore
31.07.2000, 10:03
@ Taktiker
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Re: Geniale Wendung: |
>"Denn man wird den Leuten erneut einen Lutscher im Tausch gegen ihre Zukunft anbieten. Und sie werden erneut diesem Tausch einwilligen. Und die Verrücktheit beginnt von vorne."
>Herrlich!! Zumindest sprachlich! Gefällt mir, dieser Vergleich, und so schön sarkastisch!
Oh, ja! Die Weltgeschichte ist voller solcher Lutscher-Freaks, von Esau mit dem Linsengericht bis Faust, der gar seine"Seele" offerierte. Die Frage ist nur: Hat der Lutscher die richtige Farbe (pink mag' ich nicht) und den richtigen Geschmack (Himbeer, bäää, und salzige gibt's auch noch)? Ich glaube, die Zeit des Wahllos-nach-irgendeinem-Lutscher-Greifens ist vorbei.
Aber deshalb heisst es ja schon, man müsse jetzt"selektiv" nach"Einstiegskursen" Ausschau halten. Immerhin ist nicht mehr jeder Kurs ein Kaufkurs. Das ist ja schon mal was.
d.
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Taktiker
31.07.2000, 10:08
@ dottore
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Re: Geniale Wendung: |
Die Zeit, wo jeder Kurs ein Kaufkurs ist, kommt auch noch mal:
Wenn der DAX in 3 Wochen von 8500 auf 8200 zurückfällt, werden in n-tv alle Kurse wieder Kaufkurse sein.
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Diplomand
31.07.2000, 10:13
@ Taktiker
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Re: Geniale Wendung: |
Also ich mag die grünen (Lutscher!) am liebsten. denn die schmecken nicht nur gut, sondern stehen auch für die Zukunft. Ansonsten ist es natürlich richtig: Auch das Lutscher-Spiel wird immer selektiver. Denn nicht mehr alle werden klaglos angenommen. Doch war eigentlich schon jemals alles völlig in Ordnung???
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JüKü
31.07.2000, 10:24
@ Diplomand
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Re: Die Zeit ist noch nicht reif |
Andererseits denke ich dennoch, dass Ihr Szenario nicht eintreffen wird. Denn man wird den Leuten erneut einen Lutscher im Tausch gegen ihre Zukunft anbieten. Und sie werden erneut diesem Tausch einwilligen. Und die Verrücktheit beginnt von vorne.
[b]... bis den Leuten schlecht wird vor lauter Lutschern und Ihnen bewusst wird, dass die auf Dauer sehr ungesund sind.
Im Ernst: Was muss Ihrer Ansicht nach geschehen, damit"die Zeit reif" ist? Warten Sie auf einen konkreten"Trigger"? Oder ist es einfach nur"die Zeit"? Aber gerade dann frage ich: WANN denn? In einem Oktober? In einem ungeraden Jahr? In einem Schaltjahr? WAS macht die Zeit REIF?
Bin gespannt....
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Albrecht
31.07.2000, 11:46
@ dottore
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Re: Geniale Wendung: |
>>"Denn man wird den Leuten erneut einen Lutscher im Tausch gegen ihre Zukunft anbieten. Und sie werden erneut diesem Tausch einwilligen. Und die Verrücktheit beginnt von vorne."
Das mit den Lutschern geht nur eine gewisse Zeit lang, dann muß der Zahnarzt bohren und das tut bekannlich weh, sehr weh, je länger man wartet, desto tiefer muß gebohrt werden.
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Hideyoshi
31.07.2000, 11:52
@ JüKü
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Re: Die Zeit ist noch nicht reif |
>Andererseits denke ich dennoch, dass Ihr Szenario nicht eintreffen wird. Denn man wird den Leuten erneut einen Lutscher im Tausch gegen ihre Zukunft anbieten. Und sie werden erneut diesem Tausch einwilligen. Und die Verrücktheit beginnt von vorne.
>[b]... bis den Leuten schlecht wird vor lauter Lutschern und Ihnen bewusst wird, dass die auf Dauer sehr ungesund sind.
>Im Ernst: Was muss Ihrer Ansicht nach geschehen, damit"die Zeit reif" ist? Warten Sie auf einen konkreten"Trigger"? Oder ist es einfach nur"die Zeit"? Aber gerade dann frage ich: WANN denn? In einem Oktober? In einem ungeraden Jahr? In einem Schaltjahr? WAS macht die Zeit REIF?
>Bin gespannt....
[b] Na ist doch sonnenklar der eine Stein der die Brücke zum Einsturz bringt, oder der eine Tropfen des das Fass zum überlaufen bringt.
Das ihr da noch fragt;-)
H.
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sumima
31.07.2000, 11:57
@ Albrecht
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Re: Geniale Wendung: |
... je länger man wartet, desto tiefer muß gebohrt werden..
oder man muß den Zahn ziehen und dann bleibt dort eine Lücke, die im Laufe der Zeit verheilt - ob allerdings ein neuer Zahn wächst, ist zumindest Zahnmedizinisch zu verneinen.
Gruß,
sumima
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