Hirscherl
02.10.2001, 17:16 |
Humor: Lektionen in Demut Thread gesperrt |
Aus dem Standard online: Lektionen in Demut (gefloppte Automodelle)
Teil I-IV
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Hirscherl
02.10.2001, 17:17
@ Hirscherl
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Der VW 411/412 Nasenbär |
Lektionen in Demut, Teil 1: Der VW 411/412?Nasenbär?
?Bewährtes soll man nicht verändern? - mit dem Festhalten an dieser Maxime hätte sich Ende der Sechziger Jahre der Volkswagen-Konzern fast das eigene Grab geschaufelt. Bewährtes, das war 1968, sechs Jahre vor Erscheinen des VW Golf, nun einmal der Käfer. Millionenfach verkauft. Der Maßstab.
Sein Konzept - luftgekühlter Heckmotor mit Heckantrieb? musste, so die konsequente Denke der Wolfsburger, nun für alle folgenden Modelle maßstäblich sein. Darüber hinaus sollte mit diesem Modell ein neuer Trend in der Mittelklasse gesetzt werden. Dieser konzeptionelle Spagat führte zum VW 411, einem der hässlichsten Blechaufbauten, der jemals auf ein Chassis gepflanzt wurde.
Aus Nasenbär wird Nasenbär
Das Drama bestand im wahnwitzigen Versuch, im Bug, weil Heckmotor, einen möglichst großen Kofferraum unterzubringen. Das Ergebnis: Nasenbär. Der Hohn blieb den Teutonen natürlich nicht verborgen. Man versuchte mit lächerlichen Facelifts und abgeflachter Front samt Doppelscheinwerfern zu retten, was zu retten war. Das Ergebnis: Der VW 412, wieder Nasenbär.
Ein Desaster. Nicht einmal Jeanine Schillers Schönheitschirurg hätte hier Abhilfe schaffen können. In sechs Produktionsjahren fand der VW 411 gerade mal 350.000 unerschrockene Käufer, dann hatte man auch in Wolfsburg die Nase voll vom Nasenbär.
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Hirscherl
02.10.2001, 17:19
@ Hirscherl
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Ford Scorpio |
Teil II: Ford Scorpio
Ford wollte 1995 mit dem Scorpio einen Design- Trend setzen. Das Ergebnis war fatal und nicht nur für die Kölner bewusstseinserweiternd: Aus jeder gehaltvollen Rindsuppe blinzeln einem die Augen eines ausgewachsenen Autos entgegen.
Arglos, der da meint, in Zeiten der Markt- und Meinungsforschung wäre ein Vorbeidesignen am breiten Publikumsgeschmack unmöglich. Blauäugig, der die Zeit der Konstruktionsflops irgendwo in den Sechzigern (Glas V 8!!, Volvos?Schneewittchensarg?!!!) ansiedelt. Der Massenkonfektionär Ford war im Jahr 1995 arglos und blauäugig... und präsentierte eine unpackbar misslungene Neuauflage des Oberklassen-Modells Scorpio. Ein Fiasko, das Ford noch immer und alle, die in Zeiten wie diesen an die Vorhersagbarkeit von Trends glauben, Lektionen in Demut lehrt.*
Anfang
Ford wollte neue Trends setzen und eine Designrevolution im Automobilsektor einleiten. Heraus kam ein Irgendwas auf vier Rädern mit absolut inhomogenem Aussehen, das unvereinbare Gestaltungselemente zu vereinen suchte. Die Frontpartie wurde zur Niederlage für die vermeintliche Gestaltkraft des menschlichen Geschlechts: Die Scheinwerfer gemahnen an die Fettaugen einer extra-gehaltvollen Rindsuppe. Andere sprachen gar vom Blick einer BSE-erkrankten Kuh. Beim Kühlergrill hingegen drängt sich der Vergleich mit einem aufgerissenen Karpfenmaul förmlich auf.
Ende
Und erst das Heck... Aber lassen wir der Ausgewogenheit wegen einen ehemaligen Ford-Fan zu Wort kommen:?Prall gerundet wie der Arsch einer Granadabeifahrerin**, oben zusammengekniffen in Andeutung eines Schpoilerchens (als wenn's da noch was zu verderben gäbe), mit einer protzigen Chromleiste und betont unauffälligen Rückleuchten, die dem Nachfolgenden zurufen:"Übersieh mich bitte!?
Konsequenz
Der nicht gerade als progressiv bekannte Ford-Kunde präsentierte die Quittung. Die Stammkundschaft sprang ab, der Scorpio dümpelte am Ende der Zulassungsstatistiken dahin. Nach vier Jahren riss der Design-Flop die gesamte Serie mit ins Grab. Ford stellte die Produktion ein und zog sich aus der automobilen Oberklasse zurück. Dramatisches Detail am Rande: Der Scorpio war, von seiner prekären Anmutung einmal abgesehen, ein unglaublich gutes Auto.
*Der aufmerksame?Bewegt?-Leser weiß hingegen bereits ("Stichwort VWs?Nasenbär?): Trend ist nur eine subjektive Deutung der Gegenwart ist, die auf MÃ-GLICHE zukünftige Entwicklungen hinweist.
**Zugegeben. Ein chauvinistischer Vergleich. Die Metaphorik der Karossieregestaltung war jedoch nie nichts anderes als chauvinistisch. Oder wurde jemals ein Autoheck mit einem Markus-Schenkenberg-Knackarsch verglichen? Eben.
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Hirscherl
02.10.2001, 17:23
@ Hirscherl
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Mercedes S-Klasse |
Teil IV: Mercedes S-Klasse
Die Stuttgarter präsentierten 1991 eine im wahrsten Sinne des Wortes bahnbrechende Neuauflage der S-Klasse und war damit reif für Lektionen in Demut.
Deutschland, Mitte der Achtziger: Männer mit längsgestreiften Hemden und paisley-gemusterten Hosenträgern sitzen in der Daimler-Zentrale und beraten über die Erringung der Weltherrschaft. Das war damals gewissermaßen State of the Art. Die Reaganomics, angeführt von einen knittergesichtigen B-Movie-Revolverhelden, signalisierten: Die Welt gehört uns. Die Aktienkurse an der New Yorker Wall-Street schrammten am Plafond, der Klassenfeind hing angeschlagen in den Seilen und Zukunftsdeuter John Naisbitt machte Adjektive wie?protzig?,?cool?,?rücksichtslos? und?gierig? zur Lebensphilosophie und schuf den?Yuppie?.
Gegen das...
?Wir bauen das beste Auto der Welt?, kam einem also relativ locker über die Lippen. So muss das gewesen sein, damals, in der Mercedes-Vorstandsetage in Stuttgart-Untertürkheim. Die S-Klasse, die Luxus-Modellreihe des Konzerns, stand vor der Renovierung - eine willkommene Möglichkeit, schwäbischer Ingenieurskunst ein einzigartiges Denkmal im Olymp der Automobilgeschichte zu setzen. Es kam anders. Völlig anders. Auch für Mercedes ist die Zeit irgendwann einmal reif für Lektionen in Demut.
...betörende Odeur...
Bereits im Zuge der Entwicklung zeichnete sich das Ausmaß der kommenden Katastrophe ab. So attestierten Versuchsfahrer dem Mercedes-Flaggschiff noch bei einem der letzten Tests auf der Nordschleife des Nürburgrings das Fahrverhalten einer?Nußschale bei schwerem Seegang?. Bremsen und Reifen des Zwei-Tonnen-Monstrums waren viel zu klein dimensioniert. Notwendige Nachbesserungen warfen die Ingenieure um ein Jahr zurück. Beim Reifenproduzenten musste ein eigens für die S-Klasse entwickelter Pneu in Auftrag gegeben werden. Das inhomogene Fahrverhalten blieb.
...des Zeitgeists ist schwer anstinken
Mit deutscher Gründlichkeit wurden in den Prestige-Koloss horrend teure Neuentwicklungen hineinverbaut. Einige waren revolutionär, andere erinnern in ihrem Nutzwert an Features aus der Barockzeit der US-Autoproduktion.
* Die Seitenscheiben wurden zwecks Klimaverbesserung im Innenraum doppelt verglast. Die Entwicklung war aufwendig, das daraus resultierende Mehrgewicht enorm.
* Beim Drehen des Schlüssels im Kofferraumschloss fuhr automatisch ein vor Verschmutzung geschützter Griff aus.
* Signifikant für die offensichtlich grassierende Verunsicherung der Entwicklungsverantwortlichen: Bei eingelegtem Rückwartsgang surrten, dein Name sei?Einparkhilfe?, zwei Peilstäbe aus dem Heck des Nobelschlittens.
S-U-P-E-R-P-E-I-N-L-I-C-H.
Die Entwicklung dieser und weiterer Bonmots kostete Zeit. Mehr Zeit als angenommen. Der vorgesehene Präsentationstermin des W 140 verzögerte sich um Monate.
Endlich, 1991, wurde die neue Mercedes-S-Klasse, konzerninterne Bezeichnung W 140, nach insgesamt neunjähriger Entwicklungszeit der Weltöffentlichkeit präsentiert... und die Weltöffentlichkeit staunte nicht schlecht: Sie wähnte sich bei einer Leistungsschau der deutschen Bundeswehr, Bergepanzer-Bataillon.
"Protzkiste"
?Eine unzeitgemäße Verschwendung von Straßenraum und Superkraftstoff, eine Protzkiste.??Mehr als zwei Tonnen geräderter Sozialneid.??Wuchtbrumme auf vier Rädern??...mit dem Hintern einer Seekuh?,?Zu groß, zu breit, zu schwer?, notierten sich die Vertreter der Presse in die gezückten Blöcke als das Staunen verflogen war. Die Mercedes S-Klasse war ein eingesprungener Rittberger ins Desaster. Ach ja: Trend-Guru Naisbitt hatte in der Zwischenzeit einen neuen Zeitgeist kreiert:?Die neue Bescheidenheit?.
?Den neuen Größenwahn? verkörperte hingegen nun über Jahre hinweg der fahrende Riesenhintern von Mercedes.
Ego-Bomber
Stichwort Insaßensicherheit: Hier hatte die Techniker alles und noch mehr gegeben? und übers Ziel hinausgeschossen. Zwar saß man im dicken Benz sicher wie in Abrahams Schoß, für andere VerkehrsteilnehmerInnen wurde der Koloss jedoch zur evidenten Gefahr: Bei einem Crashtest des Verkehrssicherheitsclubs ADAC mit einem Mercedes und einem VW Golf hatte ersterer den letzteren in seine Einzelteile zerbröselt.
Das nüchterne Fazit der Tester: Die direkte Konfrontation mit der S-Klasse bedeutet unmittelbare Gefahr für Leib und Leben. Alle Passagiere des Golf befänden sich laut Crash-Auswertung unter realen Bedingungen in Lebensgefahr. Im Innenraum des Daimlers hatte sich nicht einmal die Fußmatte verschoben. Der Ego-Bomber hatte fortan mit massiven Image-Einbußen zu kämpfen.
Breitpopsch
Stichwort Fahrzeugbreite: Der die Norm sprengende Wagen passte nicht durch den alten Elbtunnel, eine der wichtigsten Hauptverkehrsrouten Hamburgs. Aus dem selben Grund blieb dem betuchten S-Klasse-Besitzer übrigens auch die Fahrt mit dem Autoreisezug verwehrt. Ein Herrenfahrer auf dem Weg auf die offizielle bundesdeutsche Ferieninsel Sylt durfte als erster auf das nicht unerhebliche Problem hinweisen. Nur gut für Mercedes, die richtigen Leute in den richtigen Positionen zu wissen: Die Deutsche Bahn AG adaptierte prompt ihre Garnituren.
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Hirscherl
02.10.2001, 17:34
@ Hirscherl
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Diverses ;-)) |
* Ford präsentierte 1971 am nord- und südamerikanischen Markt den"Pinto". Unmittelbar danach dürfte die brasilianische Ford-Dependance Alarm geschlagen haben:"Pinto" heißt auf portugiesisch"Kleiner Pimmel". Die Amerikaner handelten prompt und verschlimmbesserten"Pinto" in"Corcel", was übersetzt nichts anderes als"Pferd" heißt.
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* Nissan zeigte sich mit dem Pickup-Modell"Fiera" nicht gerade von der innovativen Seite. Diesmal war Rest-Südamerika betroffen."Fiera" heißt übersetzt"hässliche, alte Frau". Hartnäckige Japaner: Das Modell kämpft noch immer unter diesem Namen um Kunden. Ford hatte übrigens ab 1967 ebenfalls einen"Fiera" im Programm. Der Wagen wurde jedoch nur im Asien-Pazifik-Raum vertrieben.
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* AMC verstörte im Jahr 1971 mit dem Modell"Matador" die spanisch-sprachige Hemisphäre: Wer möchte schon gern einen"Mörder" in der Garage stehen haben? Im amerikanischen Mutterland war der"Matador" hingegen ein Renner. Vor allem die Exekutive griff gern auf den"Mörder" zurück (siehe"Die Straßen von San Francisco","Kojak",...).
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* Chevrolet litt ebenfalls unter der"Spanischen Krankheit". Die Auswirkungen hielten sich im Gegensatz zu Ford und AMC beim 1961 vorgestellten Modell"Nova" in Grenzen. Chevrolet"läuft nicht" wurde bereits von Export-Beginn weg unter anderem Namen verkauft. In Argentinien etwa schlicht als Chevy Special 70.
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* Lada hatte auch einen"Nova" im Programm. Der sowjetische Dauerbrenner kam im spanischen Sprachraum jedoch nur auf Kuba zu nennenswerten Verkaufszahlen. Es wäre jedoch vermessen, von einem Run auf den"Läuft nicht" zu sprechen."You don't have a car, you have a Lada," sagen die Kubaner... und bauen trotzdem Lada-Motoren in ihre 50er-Chevys ein. Von allem das Beste eben.
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* Toyota hatte sich auf dem französischen Markt mit Problemen der spezielleren Art herumzuschlagen. Dabei liest sich"MR 2" völlig unverdächtig. Schnell ausgesprochen wird jedoch aus dem Sportcoupé der Toyota"Scheiße". Machen Sie mit: Einmal kurz"MR 2" auf französisch hingenudelt und..."Merde".
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* Mitsubishi löste mit der Präsentation des"Pajero" in Spanien und darüber hinaus gewaltige mediale Eruptionen aus. Nur galten die Schlagzeilen nicht dem Geländewagen, sondern seinem Namen: Die Japaner hatten einen"Wichser" in der Auslage. Spott war den wertkonservativen Söhnen Nippons sicher und die Umbennung in"Montero" logische Konsequenz.
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* Fiat ging und geht bei der Namensfindung seiner Modelle definitiv unbedarft vor. 1996 fuhr erstmals der"Marea" aus den Turiner Fertigungsstraßen. Auch hier wurde das Spanische nicht auf Kompatibilität abgeklopft:"Seekrankheit" ist nicht gerade ein schmucker Name für ein schmuckes Auto.
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* Fiat leistete 1983 mit dem"Regata" nicht gerade einen Beitrag zur Eroberung neuer Absatzmärkte. Schweden hatte ein Problem. Eine"Nörglerin" bzw."Querulantin" hatte man im schlimmsten Fall bereits im Haus. Die Garage wurde mit Bewährtem bestückt.
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* Und noch mal Fiat, diesmal mit dem Uno. Höhepunkt der Modellgeschichte. Außer in Finnland. Merk auf, Auto-Multi: Kein Finne macht sich wegen eines Autos mit Namen"Trottel" zum Idioten. Zumindest fast keiner. Der Verkauf verlief schleppend.
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Galiani
02.10.2001, 21:38
@ Hirscherl
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Mercedes S-Klasse - Danke! Kommt in meine kleine Negativ-Geschichten-Sammlung (owT) |
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