dottore
11.10.2001, 19:27 |
Theo Stuss, Cäsar, gefälschte Urkunden & der Elefant aus Bagdad - zum Totlachen! Thread gesperrt |
Hi Theo,
Du machst es Dir etwas zu einfach, leider. Und werner, der so laut jubelt, von wegen Weltbild wieder okayo, vielleicht auch.
Zu Theos Aussagen im einzelnen:
"Die älteste erhaltene Handschrift von Cäsars"de bello gallico" ist aus dem 9. Jhr. und kein Elaborat des 15. Jhr."
Lt. Prof. Hunger, Geschichte der Textüberlieferung (Standardwerk), wurde der Bellum Gallicum noch von Lucan, der es nun wirklich hätte wissen sollen, keinem anderen als Sueton zugeschrieben. Hoppala.
Außerdem meint meint Hunger, dass sich"das ganze Korpus der Schriften Cäsars... in karolingischer Zeit, in der man Cäsar viel las, fruchtbar fortgepflanzt (hat)."
Von einer fruchtbaren (!) Fortpflanzung ist nur leider bis ins 15. Jh. nirgends etwas zu entdecken. Weder Niccoli noch die Medici hatten auch nur ein einziges (!) Exemplar davon in ihren Bibliotheken (Proff. Ullman/Stadter: The Public Library of Renaissance Florence, 1972).
Sie kauften damals wirklich jedes irgendwo vorhandene Ms. auf oder ließen sich Abschriften davon machen. Geld spielte keine Rolle. Niccolis Bibliothek war mit 6000 fl. bewertet (umgerechnet 21 Kilo Gold!).
Warum ist ihnen ausgerechnet die"fruchtbare Fortpflanzung" des Bellum Gallicum entgangen? Eieiei...
Ich habe ca. 80 Handschriften des 9. Jh. selbst eingesehen (Originale, Faksimile, Fotos). Resultat: Alles spätere Elaborate, zum Teil erheblich spätere!
Beispiel: Der Codex Bern 207 (mit lateinischen Grammatikern), datiert 8./9. Jh., enthält ein"Runenalphabet" mit mehr als 50 Buchstaben (!) und diese sind auch leider keine Buchstaben, sondern Zahlenzeichen eines Rechensystems der Zisterzienser aus dem 13. Jh. - nanu!
Beispiel: Das Capitulare de villis (CV) und die Brevium Exempla (Codex Helmstadiensis 254 in Wolfenbüttel), zentrale Mss. zur deutschen Wirtschaft des 8./9. Jh. (vgl. Alfons Dopsch) sprechen vom Maulbeeranbau (Seidenraupenzucht!) in Deutschland um 800 (!), von Lorbeer, Feigen usw., die in Deutschland ebenso damals hätten wachsen sollen wie die Frauenminze (Costum). Alles lächerlich.
Oder willst Du im 9. Jh. von deutschen Treibhäusern sprechen?
Beispiel: Am CV hängt die Beschreibung einer Bibliothek auf der Insel Wörth im Staffelsee (Murnau, Oberbayern), gleiche Handschrift. Dort gab es um 800 eine tolle Pfarrbibliothek (AT, NT, die Regeln Benedikts usw.) - leider ganz im Gegensatz zu Fulda um 800!
Fulda, das absolute Zentrum der damaligen europäischen Gelehrsamkeit (vgl. Karls "epistola de litteris colendis" von 789 an Abt und Konvent) weder eine komplette Bibel besaß (!), noch die Regeln Benedikts (!), noch nicht mal die Schriften seines Gründers Bonifatius (Handschrift Basel F III, vgl. ausführlich: Mittelalterliche Bücherverzeichnisse des Kloster Fuldas, in der Schriftenreihe der Theologischen Fakultät ebenda, 1992).
Soll ich lachen? Darf ich weinen?
Beispiel: Du kommst mir mit Handschriften des 9. Jh., dann erklär mir bitte den weltberühmten Kodex Bodmer (Sammlung Bodmeriana, Genf, absolute Weltspitzenklasse), der einen Hippokrates-Text in Lateinisch enthält, in allerfeinster Erhaltung, Fulda 1. Hälfte 9. Jh., geschrieben auf englischem (!) Pergament und das immerhin von Mönchen in Fulda, denen Wörter wie"epistola","apostolus","dialogi" etc."nicht vertraut" (so Fulda selbst) waren.
Dass Hippokrates im 14./15. Jh. komischerweise komplett verschwunden war (dieser"in der Medizingeschichte so wichtige Text" - so Katalog Bodmer - natürlich inklusive!) muss ich nicht eigens erwähnen.
Beispiel: Handschrift Berlin Diez B. 66, um 800, Bücherverzeichnis der"Palastbibliothek" (!) Karl des Großen. Darin Texte, die vom größten deutschen Palaeographen Prof. Bischoff selbst inzwischen als"Ulk" bezeichnet wurden, die Schreibweise ist grotesk unlateinisch (setzen, Sechs!) und es taucht sogar ein wunderhübsches Buch auf mit dem herzigen Titel "Liber alchimi" (inzwischen sang- und klanglos ebenfalls verschwunden) - na hoffentlich wurde da niemand als Goldmacher gehenkt...
Und jetzt Dein guter Cäsar in action.
Zunächst die Datierung. Hier aus der Weltchronik des Eusebius-Hieronymus (4. Jh., Handschrift in Florenz):
Zu Alesia ergibt sich nach neuester Forschung dieses:
"Die 1861-1867 unter Napoleon III. wiederentdeckten Belagerungswerke wurden seither erstmals mit modernen Grabungsmethoden untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass die verschiedenen von Caesar erwähnten Annäherungshindernisse im Detail seiner Beschreibung nicht entsprechen und - je nach Geländesituation - sehr unterschiedlich kombiniert und konzipiert waren. Zusätzlich wurden weitere, von Caesar nicht erwähnte Verschanzungen entdeckt."
Klartext: Der Feldherr selbst konnte sich an seine eigenen militärischen Operationen nicht mehr"genau" erinnern. Na, das erkläre bitte mal einem General!
Oder war Cäsar vielleicht gar nicht dabei? Oder wurde eine Story, passend zu den Anlagen, im Nachhinein fabriziert?
Näheres erklärt gern Prof. Dr. Michel Reddé, 16, rue Gabriel Péri, F-94220 Charenton; Tel/Fax: +331/45185602, von dem dieser Hinweis initiiert wurde.
Dann, lieber Theo, schreibst Du:
"Wenn Du und Dottore so weitermachen, dann hat es am Ende auch keinen Homer gegeben, keinen Plato und keinen Aristoteles. Das was hier gesagt wird, paßt doch in die Bestseller-Literatur."
Dazu: Homer passt dummerweise in keine Textüberlieferung (Hunger:"ein blutleerer Schatten"). Plato? Dazu Hunger (258):
"Sie (die Platon-Überlieferung) gehört zu den seltenen und interessanten Fällen, in denen ein dem Verfasser des Archetypus nicht bekanntes antikes Exemplar auf die späteren Zeugen einwirkte."
Ist das nicht süß?
"Zeugen" treten auf, leider weder Originale noch Ernst zu nehmende Abschriften (Nachempfindungen?). Übrigens - wie immer - zunächst 9. Jh. (Paris, Codex A, gr. 1807). Nächste"Abschrift" 11./12. Jh. (Venedig Codex B).
Aristoteles? Dazu Prof. Luciano Canfora (Brand der Bibliothek von Alexandria, 1998): Nur die Schriften des Aristoteles wurden (von den Muslimen)"verschont". Rätselhaft.
Du schreibst weiter:
"Aber, und da wird dottore wohl begeistert zustimmen, Dokumente und Biographien der letzten 2 Jahrtausende sind entweder gefälscht oder erfunden oder beides."
Die meisten. Wie viele, muss die Forschung erst noch herausfinden. Immerhin ist schon ein gutes Drittel der Urkunden selbst Karls des Großen inzwischen als"gefälscht" verschwunden, werden aber immer noch ausgestellt, obwohl als"gefälscht" bezeichnet (!!!), z.B. in der Ausstellung"Das Jahrtausend der Mönche", Essen 1998, Nr. 165, mit Karls Unterschrift (Monogramm plus"Vollziehungsstrich") und mit dem Text:
<font color="FF0000">"angebl. 802 April 26, angefertigt Anf. 11. Jh."</font>
Eine wissenschaftliche Sensation! Jetzt werden schon Fälschungen ausgestellt!
Dies nur als Vorgeschmack auf Kommendes. Demnächst erscheint ein mehrbändiges Werk eines führenden Palaeographen und Juristen (H.C. Faussner), der nachweist, dass alle"Schenkungsurkunden" vor dem Wormser Konkordat 1122 gefälscht sind.
Das wird ein Schlachtfest ohnegleichen! Und selbstverständlich werden diese Urkunden weiterhin ausgestellt und/oder als wissenschaftliche Quellen benutzt...
Dann schreibst Du:
"Da sollte man wohl einige Papyrologen, wie zum Beispiel Carsten Peter Thiede konsultieren. Die Papyrologie geht vor allem mit kriminologischen Kriterien vor. Thiedes Arbeiten z.B. an dem Qumran-Fundstück 7Q5 sind wegweisend."
Von den Qumran-Texten war hier nie die Rede. Außerdem gibt es selbstverständlich einwandfrei arbeitende Wissenschaftler. Aber ersetze mal das schöne Wort"Papyros" durch"Pergament" - wie schaut's denn da aus?
Wie ist es denn mit der <font color="FF0000">"Gründungsurkunde"</font> des Hamburger Hafens und damit Hamburgs? Pergament.
Dummerweise mit dem Siegel eines falschen (späteren!) Kaisers. Zu bestaunen im dortigen Staatsarchiv.
Mann, was haben die Staatsarchivare blöd geschaut, als der Schwindel aufflog!
Tscha, poinlich, poinlich...
Und dann schreibst Du noch das:
"Mann-oh-Mann, zum Glück ist das hier ein Wirtschaftsforum. Aber unter Historikern könnt Ihr Euch damit nicht blicken lassen. Eher schon unter Exegeten, die verstehen nämlich weder etwas von Geschichtswissenschaften, noch Quellenforschung, noch Archeologie."
Ich bin als Historiker durchaus sattelfest und kann mich überall blicken lassen, da macht Dir keine Sorgen. Wie wär's mit umgekehrt?
Deshalb habe ich auch so gelacht, als Prof. Hägermann, Ordinarius in Aachen, in seiner ultimativen Karls-Biographie (2000) beschreibt, wie der Elefant, den der Kalif Harun ar-Raschid Karl dem Großen geschenkt hat, von Bagdad bis nach Aachen (!) getrottet ist und dies als eine "logistische Meisterleistung" bezeichnet.
Das arme Tier, die arme Zunft.
Ach, Theo... Etwas fester begründete oder begründbare Sachlichkeit wäre von Nutzen.
Dieses Forum ist kein Kindergarten! Hier wimmelt es nur so von Profis.
Noch weniger als nichts für ungut und herzlichen Gruß
d.
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BossCube
11.10.2001, 19:48
@ dottore
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Re: Theo Stuss, Cäsar, gefälschte Urkunden & der Elefant aus Bagdad - zum Totlachen! |
>
>Hi Theo,
>Du machst es Dir etwas zu einfach, leider. Und werner, der so laut jubelt, von wegen Weltbild wieder okayo, vielleicht auch.
>Zu Theos Aussagen im einzelnen:
>"Die älteste erhaltene Handschrift von Cäsars"de bello gallico" ist aus dem 9. Jhr. und kein Elaborat des 15. Jhr."
>Lt. Prof. Hunger, Geschichte der Textüberlieferung (Standardwerk), wurde der Bellum Gallicum noch von Lucan, der es nun wirklich hätte wissen sollen, keinem anderen als Sueton zugeschrieben. Hoppala.
>Außerdem meint meint Hunger, dass sich"das ganze Korpus der Schriften Cäsars... in karolingischer Zeit, in der man Cäsar viel las, fruchtbar fortgepflanzt (hat)."
>Von einer fruchtbaren (!) Fortpflanzung ist nur leider bis ins 15. Jh. nirgends etwas zu entdecken. Weder Niccoli noch die Medici hatten auch nur ein einziges (!) Exemplar davon in ihren Bibliotheken (Proff. Ullman/Stadter: The Public Library of Renaissance Florence, 1972).
>Sie kauften damals wirklich jedes irgendwo vorhandene Ms. auf oder ließen sich Abschriften davon machen. Geld spielte keine Rolle. Niccolis Bibliothek war mit 6000 fl. bewertet (umgerechnet 21 Kilo Gold!).
>Warum ist ihnen ausgerechnet die"fruchtbare Fortpflanzung" des Bellum Gallicum entgangen? Eieiei...
>Ich habe ca. 80 Handschriften des 9. Jh. selbst eingesehen (Originale, Faksimile, Fotos). Resultat: Alles spätere Elaborate, zum Teil erheblich spätere!
>Beispiel: Der Codex Bern 207 (mit lateinischen Grammatikern), datiert 8./9. Jh., enthält ein"Runenalphabet" mit mehr als 50 Buchstaben (!) und diese sind auch leider keine Buchstaben, sondern Zahlenzeichen eines Rechensystems der Zisterzienser aus dem 13. Jh. - nanu!
>Beispiel: Das Capitulare de villis (CV) und die Brevium Exempla (Codex Helmstadiensis 254 in Wolfenbüttel), zentrale Mss. zur deutschen Wirtschaft des 8./9. Jh. (vgl. Alfons Dopsch) sprechen vom Maulbeeranbau (Seidenraupenzucht!) in Deutschland um 800 (!), von Lorbeer, Feigen usw., die in Deutschland ebenso damals hätten wachsen sollen wie die Frauenminze (Costum). Alles lächerlich.
>Oder willst Du im 9. Jh. von deutschen Treibhäusern sprechen?
>Beispiel: Am CV hängt die Beschreibung einer Bibliothek auf der Insel Wörth im Staffelsee (Murnau, Oberbayern), gleiche Handschrift. Dort gab es um 800 eine tolle Pfarrbibliothek (AT, NT, die Regeln Benedikts usw.) - leider ganz im Gegensatz zu Fulda um 800!
>Fulda, das absolute Zentrum der damaligen europäischen Gelehrsamkeit (vgl. Karls "epistola de litteris colendis" von 789 an Abt und Konvent) weder eine komplette Bibel besaß (!), noch die Regeln Benedikts (!), noch nicht mal die Schriften seines Gründers Bonifatius (Handschrift Basel F III, vgl. ausführlich: Mittelalterliche Bücherverzeichnisse des Kloster Fuldas, in der Schriftenreihe der Theologischen Fakultät ebenda, 1992).
>Soll ich lachen? Darf ich weinen?
>Beispiel: Du kommst mir mit Handschriften des 9. Jh., dann erklär mir bitte den weltberühmten Kodex Bodmer (Sammlung Bodmeriana, Genf, absolute Weltspitzenklasse), der einen Hippokrates-Text in Lateinisch enthält, in allerfeinster Erhaltung, Fulda 1. Hälfte 9. Jh., geschrieben auf englischem (!) Pergament und das immerhin von Mönchen in Fulda, denen Wörter wie"epistola","apostolus","dialogi" etc."nicht vertraut" (so Fulda selbst) waren.
>Dass Hippokrates im 14./15. Jh. komischerweise komplett verschwunden war (dieser"in der Medizingeschichte so wichtige Text" - so Katalog Bodmer - natürlich inklusive!) muss ich nicht eigens erwähnen.
>Beispiel: Handschrift Berlin Diez B. 66, um 800, Bücherverzeichnis der"Palastbibliothek" (!) Karl des Großen. Darin Texte, die vom größten deutschen Palaeographen Prof. Bischoff selbst inzwischen als"Ulk" bezeichnet wurden, die Schreibweise ist grotesk unlateinisch (setzen, Sechs!) und es taucht sogar ein wunderhübsches Buch auf mit dem herzigen Titel "Liber alchimi" (inzwischen sang- und klanglos ebenfalls verschwunden) - na hoffentlich wurde da niemand als Goldmacher gehenkt...
>Und jetzt Dein guter Cäsar in action.
>Zunächst die Datierung. Hier aus der Weltchronik des Eusebius-Hieronymus (4. Jh., Handschrift in Florenz):
>
>Zu Alesia ergibt sich nach neuester Forschung dieses:
>"Die 1861-1867 unter Napoleon III. wiederentdeckten Belagerungswerke wurden seither erstmals mit modernen Grabungsmethoden untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass die verschiedenen von Caesar erwähnten Annäherungshindernisse im Detail seiner Beschreibung nicht entsprechen und - je nach Geländesituation - sehr unterschiedlich kombiniert und konzipiert waren. Zusätzlich wurden weitere, von Caesar nicht erwähnte Verschanzungen entdeckt."
>Klartext: Der Feldherr selbst konnte sich an seine eigenen militärischen Operationen nicht mehr"genau" erinnern. Na, das erkläre bitte mal einem General!
>Oder war Cäsar vielleicht gar nicht dabei? Oder wurde eine Story, passend zu den Anlagen, im Nachhinein fabriziert?
>Näheres erklärt gern Prof. Dr. Michel Reddé, 16, rue Gabriel Péri, F-94220 Charenton; Tel/Fax: +331/45185602, von dem dieser Hinweis initiiert wurde.
>Dann, lieber Theo, schreibst Du:
>"Wenn Du und Dottore so weitermachen, dann hat es am Ende auch keinen Homer gegeben, keinen Plato und keinen Aristoteles. Das was hier gesagt wird, paßt doch in die Bestseller-Literatur."
>Dazu: Homer passt dummerweise in keine Textüberlieferung (Hunger:"ein blutleerer Schatten"). Plato? Dazu Hunger (258):
>"Sie (die Platon-Überlieferung) gehört zu den seltenen und interessanten Fällen, in denen ein dem Verfasser des Archetypus nicht bekanntes antikes Exemplar auf die späteren Zeugen einwirkte."
>Ist das nicht süß?
>"Zeugen" treten auf, leider weder Originale noch Ernst zu nehmende Abschriften (Nachempfindungen?). Übrigens - wie immer - zunächst 9. Jh. (Paris, Codex A, gr. 1807). Nächste"Abschrift" 11./12. Jh. (Venedig Codex B).
>Aristoteles? Dazu Prof. Luciano Canfora (Brand der Bibliothek von Alexandria, 1998): Nur die Schriften des Aristoteles wurden (von den Muslimen)"verschont". Rätselhaft.
>Du schreibst weiter:
>"Aber, und da wird dottore wohl begeistert zustimmen, Dokumente und Biographien der letzten 2 Jahrtausende sind entweder gefälscht oder erfunden oder beides."
>Die meisten. Wie viele, muss die Forschung erst noch herausfinden. Immerhin ist schon ein gutes Drittel der Urkunden selbst Karls des Großen inzwischen als"gefälscht" verschwunden, werden aber immer noch ausgestellt, obwohl als"gefälscht" bezeichnet (!!!), z.B. in der Ausstellung"Das Jahrtausend der Mönche", Essen 1998, Nr. 165, mit Karls Unterschrift (Monogramm plus"Vollziehungsstrich") und mit dem Text:
><font color="FF0000">"angebl. 802 April 26, angefertigt Anf. 11. Jh."</font>
>Eine wissenschaftliche Sensation! Jetzt werden schon Fälschungen ausgestellt!
>Dies nur als Vorgeschmack auf Kommendes. Demnächst erscheint ein mehrbändiges Werk eines führenden Palaeographen und Juristen (H.C. Faussner), der nachweist, dass alle"Schenkungsurkunden" vor dem Wormser Konkordat 1122 gefälscht sind.
>Das wird ein Schlachtfest ohnegleichen! Und selbstverständlich werden diese Urkunden weiterhin ausgestellt und/oder als wissenschaftliche Quellen benutzt...
>Dann schreibst Du:
>"Da sollte man wohl einige Papyrologen, wie zum Beispiel Carsten Peter Thiede konsultieren. Die Papyrologie geht vor allem mit kriminologischen Kriterien vor. Thiedes Arbeiten z.B. an dem Qumran-Fundstück 7Q5 sind wegweisend."
>Von den Qumran-Texten war hier nie die Rede. Außerdem gibt es selbstverständlich einwandfrei arbeitende Wissenschaftler. Aber ersetze mal das schöne Wort"Papyros" durch"Pergament" - wie schaut's denn da aus?
>Wie ist es denn mit der <font color="FF0000">"Gründungsurkunde"</font> des Hamburger Hafens und damit Hamburgs? Pergament.
>Dummerweise mit dem Siegel eines falschen (späteren!) Kaisers. Zu bestaunen im dortigen Staatsarchiv.
>Mann, was haben die Staatsarchivare blöd geschaut, als der Schwindel aufflog!
>Tscha, poinlich, poinlich...
>Und dann schreibst Du noch das:
>"Mann-oh-Mann, zum Glück ist das hier ein Wirtschaftsforum. Aber unter Historikern könnt Ihr Euch damit nicht blicken lassen. Eher schon unter Exegeten, die verstehen nämlich weder etwas von Geschichtswissenschaften, noch Quellenforschung, noch Archeologie."
>Ich bin als Historiker durchaus sattelfest und kann mich überall blicken lassen, da macht Dir keine Sorgen. Wie wär's mit umgekehrt?
>Deshalb habe ich auch so gelacht, als Prof. Hägermann, Ordinarius in Aachen, in seiner ultimativen Karls-Biographie (2000) beschreibt, wie der Elefant, den der Kalif Harun ar-Raschid Karl dem Großen geschenkt hat, von Bagdad bis nach Aachen (!) getrottet ist und dies als eine "logistische Meisterleistung" bezeichnet.
>Das arme Tier, die arme Zunft.
>Ach, Theo... Etwas fester begründete oder begründbare Sachlichkeit wäre von Nutzen.
>Dieses Forum ist kein Kindergarten! Hier wimmelt es nur so von Profis.
>Noch weniger als nichts für ungut und herzlichen Gruß
>d.
Hallo Dottore,
die Sache mit den gefälschten Jahrhunderten klingt für mich mehr als logisch. Habe Illig gelesen. Ob aber heutzutag die Zeitrechnung um 300 Jahre zurückgesetzt wird? Kaum. Daß die"dunklen Jahre", die im Reiche Karls merkwürdigerweise eine erstauniliche, jetzt durch nicht mehr belegbare, Blüte gebracht haben sollen, eine Erfindung ist, leuchtet ein (Die Architektur des Aachener Doms paßt niemals ins 9 Jh., z.B.). Was mir schwerfällt, ist, daß es auch Alexander d.Gr. nicht gegeben haben soll.
Besten Gruß
J.
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JÜKÜ
11.10.2001, 20:00
@ BossCube
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Re: Theo Stuss, Cäsar, gefälschte Urkunden / @Jan, ein Tipp |
>Hallo Dottore,
>die Sache mit den gefälschten Jahrhunderten klingt für mich mehr als logisch. Habe Illig gelesen. Ob aber heutzutag die Zeitrechnung um 300 Jahre zurückgesetzt wird? Kaum. Daß die"dunklen Jahre", die im Reiche Karls merkwürdigerweise eine erstauniliche, jetzt durch nicht mehr belegbare, Blüte gebracht haben sollen, eine Erfindung ist, leuchtet ein (Die Architektur des Aachener Doms paßt niemals ins 9 Jh., z.B.). Was mir schwerfällt, ist, daß es auch Alexander d.Gr. nicht gegeben haben soll.
>Besten Gruß
>J.
Es wäre schön, wenn du bei solchen langen Texten (also meistens die von dottore ;-)) das Vorhergehende löschst, es sei denn, du beziehst dich mit deiner Antwort auf eine bestimmt Passage. Das macht das Archivieren einfacher.
Euklid darf das auch lesen ;-)
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BossCube
11.10.2001, 20:03
@ JÜKÜ
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Ok, gemacht. oT. |
>>Hallo Dottore,
>>die Sache mit den gefälschten Jahrhunderten klingt für mich mehr als logisch. Habe Illig gelesen. Ob aber heutzutag die Zeitrechnung um 300 Jahre zurückgesetzt wird? Kaum. Daß die"dunklen Jahre", die im Reiche Karls merkwürdigerweise eine erstauniliche, jetzt durch nicht mehr belegbare, Blüte gebracht haben sollen, eine Erfindung ist, leuchtet ein (Die Architektur des Aachener Doms paßt niemals ins 9 Jh., z.B.). Was mir schwerfällt, ist, daß es auch Alexander d.Gr. nicht gegeben haben soll.
>>Besten Gruß
>>J.
>Es wäre schön, wenn du bei solchen langen Texten (also meistens die von dottore ;-)) das Vorhergehende löschst, es sei denn, du beziehst dich mit deiner Antwort auf eine bestimmt Passage. Das macht das Archivieren einfacher.
>Euklid darf das auch lesen ;-)
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dottore
11.10.2001, 21:16
@ BossCube
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Re: Theo Stuss, Cäsar, gefälschte Urkunden & der Elefant aus Bagdad - zum Totlachen! |
>Hallo Dottore,
>die Sache mit den gefälschten Jahrhunderten klingt für mich mehr als logisch. Habe Illig gelesen. Ob aber heutzutag die Zeitrechnung um 300 Jahre zurückgesetzt wird? Kaum. Daß die"dunklen Jahre", die im Reiche Karls merkwürdigerweise eine erstaunliche, jetzt durch nicht mehr belegbare, Blüte gebracht haben sollen, eine Erfindung ist, leuchtet ein (Die Architektur des Aachener Doms paßt niemals ins 9 Jh., z.B.).
Ich verstehe nichts von astronomisch deduzierter Chronologie, kann deshalb nichts zu Illigs Zeitstreichungsthese mitteilen. Das mit Aachen (einem Meisterwerk der Architektur) ist allerdings ganz klar. Niemals 8./9. Jh. - vorher 250 Jahre lang nix, nachher 250 Jahre lang wieder nix.
Steinmetze, die 500 Jahre am Stück gelebt haben?
Allerdings kann ich mit Sicherheit aufgrund eigener Recherchen (sehr intensiv und detailliert) mitteilen, dass die Geschichte von erfundenen Figuren nur so wimmelt, Texten, Urkunden usw. sowieso.
>Was mir schwerfällt, ist, daß es auch Alexander d.Gr. nicht gegeben haben soll.
Das ist ein schwerer Brocken, in der Tat. Es gibt Unmengen von Münzen (auch in F. gezeigt), die eindeutig ein ALEXANDROU zeigen. Aber wer das war und was er machte - ich weiß es nicht.
Einiges an Lösungsmöglichkeiten bietet ich an, wenn man sich vergegenwärtigt, dass bis heute nicht klar ist, wie z.B. FLAMININUS (Eroberer Makedoniens) auf griechisch geheißen hat, usw.
Möglicherweise kommen die unzähligen Doppelzählungen und historischen"Parallelen" nur daher, dass verschiedene Namen nicht als Namen in verschiedenen Sprachen gedeutet werden, sondern immer als eigene Namen (einzelnen Personen zugehörig) in einer Sprache.
Für Ägypten shr nahe liegend. Der gleiche (ein- und derselbe) Pharao hieß in Unterägypten eben anders als in Oberägypten, zum Beispiel.
Gruß
d.
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dottore
11.10.2001, 21:24
@ JÜKÜ
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Re: Theo Stuss, Cäsar, gefälschte Urkunden / @Jan, ein Tipp |
>[b]Es wäre schön, wenn du bei solchen langen Texten (also meistens die von dottore ;-))
Tut mir leid, aber die Nummer von Theo konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. Wer mir mangelnde Kompetenz in Sachen Historiographie vorwirft, wird halt etwas ausführlicher bedient. Ich lasse mich gern als Amateur abwatschen, aber nicht in Bereichen, wo ich nun leider Profi bin.
Freue mich deshalb schon auf Theos professionelle Antwort. Und da ich zu dem Thema"gefälschte Geschichte" (aufgrund gefälschter Quellen) und"fälschende Historiographie" (aufgrund fälschender Interpretation der Geschichte) mehr Munition habe als jede US Army, wird es eine Battle Royal!
Gruß und Sorry für die langen Texte.
Gruß
d.,
dem brainwash gegen jeden Strich geht.
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Baldur der Ketzer
11.10.2001, 21:37
@ dottore
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Re: Theo Stuss, Cäsar, gefälschte Urkunden / grundsätzlich |
Hallo dottore,
ein sehr wichtiger Punkt: mal nachzuhaken, was bloß zum vierundfünfzigsten Mal nachgeplapopert wird, oder, was irgendwie - ich möchte nicht sagen, verifizierbar - unterlegbar ist.
Was wissen wir denn heute echt? Fast nix.
Wir finden ein paar alte Gemäuer unterm Dickicht, haben alte Grabsteine, Münzen, auch ein paar Pergamente.
Ein paar Gemälde.
Und..... ja, was eigentlich?
Woaus besteht die GeCHichtsschreibung?
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, es ist enorm interessant, einmal den eigenen Ahnen nachzuspüren.
Spätestens ab 1800, längstens 1770, wird es extrem dünn.
Klar, denn erst ab Bismarck kamen die Personenstandsregister in die Gemeinden, zuvor waren es nur die Pfaffen, die Bücher führten.
Dennoch kommt man schon bis ca. 1800 zurück.
Und dann.......Essig.
Ab dann scheint es nur noch die paar Kriegführer, Priester, Henker und Gaukler zu geben, Normalbevölkerung Fehlanzeige. So gut wie.
Woraus nehmen wir unsere Kenntnis?
Wer jemals versucht hat, das alte gekrakel zu entziffern, spürt bald, daß es eine freimütige Interpretation wie eine freie lateinische Übersetzung ist, was die alten Schreiberlinge da kitzelten, äh, kritzelten.
Mittelalterliche Werke sprühen nur so von phantastischem Blödsinn.
Oder? Bramley sagt (die Götter von Eden, ein Muß!), glaubt ihnen doch mal, damals gabs auch schon unerklärliches.
Jedenfalls dürfte die Menschheit nach unseren heutigen Kenntnissen von Hygiene und Inquistion, von Not und Unterdrückung gar nicht überlebt haben.
Wo kommen wir eigentlich her? Darf es uns geben? Ich meine, nein. Trotzdem stehen wir hier.
Irgendwas stimmt nicht, das glaube ich auch.
Eine VorgeChichte ist unbestritten, aber was wie wann wo durch wen, das sind für mich nur bloße Spekulationen von Wissenschaftspäpsten (Schaft, ein Mengenbegriff, kein Qualitätsbegriff!), die meinen, es sei so.
Dottore gebührt größte Hochachtung, daß er sich diese Tortur auflädt und in den alten Staubschinken blättert *hüstel*.
Aber wer jemals in alten Büchern las, weiß, wie komisch die Gefühle anmuten, das alte Zeug für bare Münze zu nehmen..........
und wie die Quader der Pyramiden bewegt wurden, warum es die hinkelsteinnutzlosen Dinger überhaupt weltweit gibt, das erklärt Däniken wohl besser als der Ortspriester,
meint der Baldur, und grüßt bestens
Beste Grüße vom Baldur
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Hirscherl
11.10.2001, 21:42
@ dottore
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zur Phantomzeit 600-900 |
Hallo dottore,
zwei gute Links, die Illigs Thesen doch sehr suspekt erscheinen lassen:
http://www.dbs.informatik.uni-muenchen.de/~krojer/obrief.html
http://www.creatores.de/illigdeb.htm
Grüße,
Tom
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Theo Stuss
11.10.2001, 22:04
@ dottore
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Re: Theo Stuss, Cäsar, gefälschte Urkunden / @Jan, ein Tipp |
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>>[b]Es wäre schön, wenn du bei solchen langen Texten (also meistens die von dottore ;-))
>Tut mir leid, aber die Nummer von Theo konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. Wer mir mangelnde Kompetenz in Sachen Historiographie vorwirft, wird halt etwas ausführlicher bedient. Ich lasse mich gern als Amateur abwatschen, aber nicht in Bereichen, wo ich nun leider Profi bin.
>Freue mich deshalb schon auf Theos professionelle Antwort. Und da ich zu dem Thema"gefälschte Geschichte" (aufgrund gefälschter Quellen) und"fälschende Historiographie" (aufgrund fälschender Interpretation der Geschichte) mehr Munition habe als jede US Army, wird es eine Battle Royal!
>Gruß und Sorry für die langen Texte.
>Gruß
>d.,
>dem brainwash gegen jeden Strich geht.
Lieber Herr Dr. Martin,
ich habe keine Probleme damit zuzugeben, daß ich Geschichte nur als Hobby betreibe, meine Beiträge waren Meinungsäußerungen, keine Dissertationen. Aber Ihre Art zu reagieren, scheint doch auf eine Profilneurose schließen zu lassen. Ein wirklicher Profi hätte einem Laien doch in väterlicher Güte an seinem Wissen teilhaben lassen. Da konnten Sie also nicht an sich halten und haben mir alles das zusammengeschrieben? Nur wegen mir. Ich hoffe, Sie verbringen jetzt eine ruhige Nacht.
Der Spruch,"was kümmert es den Mond, wenn ihn der Hund anbellt", scheint Ihnen nicht geläufig zu sein. Ich bin Prof.Hunger mehrfach begegnet und kann mich nicht erinnern, daß der jemals so aus der Haut gefahren wäre. Leider ist er jetzt verstorben und kann nicht mehr zu seinem Buch Stellung nehmen. Manche Autoren differenzieren ja viele Aussagen im Nachhinein.
Welche historischen Quellen können denn überhaupt vor Ihrem gestrengen Auge bestehen? Können Sie da einige namhafte Mitstreiter benennen, die es so genau nehmen wie sie?
Daß es eine Reihe von Fälschungen gibt ist bekannt. Gerade mir als Hamburger ist die Geschichte mit dem Hafen geläufig.
Ich werde einmal Herrn Dr.Barth von der Universität Bonn speziell zum alten Julius befragen.
Ich habe Sie also abgewatscht. War gar nicht meine Absicht. Entscheidend ist, daß Sie sich abgewatscht fühlten. Habe ich etwa einen geschiedenen, oder nie verheirateten Einzelgänger vor mir?
Unter Ingenieuren gibt es solche Streitereien nicht, da unsrere Wissenschaft objektiver ist. Also gibt es auch weniger Streit. Höchstens darum, ob eine technische Lösung, die funktioniert, sich als weiterführend erweist, oder in die Sackgasse führt. Unsere Erfindungen sind freilich nicht immer segensreich. Aber wenigstens wissen wir, wovon wir reden und wir wissen auch, was wir nicht wissen.
Hier im Forum streiten sich aber Wirtschaftswissenschaftler in den unterschiedlichsten Beiträgen um den Kern ihrer Wissenschaft selbst, der doch eigentlich klar sein sollte.
Sie mögen viel gelesen haben, aber die Art Ihrer Präsentation scheint im Ganzen nicht zitierfähig, da zu aufgeplustert.
Auch akademisches Luft abzulassen will gelernt sein.
Ich wünsche Ihnen eine geruhsame Nacht.
Mit vorzüglicher Hochachtung,
Th. Stopka
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JÜKÜ
11.10.2001, 22:13
@ dottore
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Re: Theo Stuss, Cäsar, gefälschte Urkunden / @Jan, ein Tipp / @dottore |
>>Es wäre schön, wenn du bei solchen langen Texten (also meistens die von dottore ;-))
>Tut mir leid, aber die Nummer von Theo konnte ich nicht auf mir sitzen lassen.
[b]Selbstverständlich. Ich brauche ja nicht zu wiederholen, dass ich vor Ihrem Wissen erblasse, Und das meine ich wirklich so. Wer viel weiß, kann auch viel schreiben.
Schönen Gruß!
P.S.: Darf ich Ihre Folien auch zeigen? Als (unveränderbare) GIF-Dateien, so wie die anderen Vorträge auch?
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Baldur der Ketzer
11.10.2001, 22:32
@ Hirscherl
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Re: zur Phantomzeit 1933-1945 |
Oh nein,
die"Ausschwitzlüge" als Aufhänger, das Mittelalter nicht hinterfragen zu dürfen......ganz, ganz toll und zielführend.
toller Link ;-(. Und solche Leute maßen sich an, zeitgeschichtliches für uns festzuschreiben.
Trotzdem Danke für die Verweise, zum Thema gehört nun mal das ganze Spektrum.
Beste Grüße vom Baldur
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nereus
11.10.2001, 22:42
@ Baldur der Ketzer
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Re: zur Phantomzeit 1933-1945 - ;-) |
Die Welt ist halt ziemlich kompliziert und zuweilen fast mysteriös, gell!
mfG
nereus
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Theo Stuss
11.10.2001, 23:05
@ Hirscherl
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Danke für den Link. Ich hätte mir wirklich nicht die Mühe gemacht auf... |
...Illigs Thesen zu antworten.
Gruß,
T.S.
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Hirscherl
11.10.2001, 23:57
@ Baldur der Ketzer
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Re: zur Phantomzeit 1933-1945 |
Hallo Baldur,
ich war auch nicht glücklich über diese Verknüpfung. Seine inhaltliche Kritik fand ich auf jeden Fall weit anspruchsvoller, um es mal so auszudrücken. Aber lies doch was er selbst dazu sagt, im Nachtrag zum offenen Brief (ganz unten, die letzten beiden Absätze)
http://www.dbs.informatik.uni-muenchen.de/~krojer/nachtrag.html
Grüße,
Tom
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BlackBox
12.10.2001, 08:43
@ dottore
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Re:...gefälschte Urkunden &... - Alle machen es sich etwas zu einfach! |
solange nämlich, als an der XK-Zeitrechnung & ihrem katastrophenlosen Weltbild festgehalten wird.
Das"1." XK-Jt ist indessen eine absurde astronomische Retrokalkulation etwa aus dem Trecento (mit Anfängen im Duocento). In dieses Jt wurden Quellen zeitlich verortet, welche die Wahnzeit-Katastrophen überlebt hatten, die sich aber eben allenfalls noch in Relation zu anderen, absolut aber nicht mehr datieren lassen. Gleichwohl besitzen wir damit aber Quellen, welche - wie etwa Homer, das AT &&& - zwar im Verständnis aber trotzdem im Klartext ihrer Zeitgenossen über naturgeschichtliche Vorgänge berichten (die Odyssee zB erzählt dieselben Vorgänge wie ua das Gilgamesh-Epos, dh die Berichte liegen unabhängig voneinander geschrieben vor, bestätigen sich also gegenseitig).
Warum das so ist steht in Letzter Grosser Ruck
>[...]
>Dieses Forum ist kein Kindergarten! Hier wimmelt es nur so von Profis.
>Noch weniger als nichts für ungut und herzlichen Gruß
>d.
Mit etwas mehr für Gut darf evt ein etwas gelocktereres Verhältnis zu"300 Phantomjahren"- &"Fälschungs"-Theorien nebst Verzicht auf prä-Trecento-XK-Daten empfohlen werden?
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XK = Christlicher Kalender
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dottore
12.10.2001, 10:56
@ Hirscherl
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Re: Wir sind hier nicht bei Rosamunde Pilcher! Historiker sind Romanciers: |
Hi Tom,
ich hatte ausdrücklich gesagt, dass ich zu irgendwelchen Phantomzeit-Theorien nicht Stellung nehmen kann, weil mir die entsprechenden Voraussetzungen (Astronomie, Kalibrierungsfragen usw.) und Kenntnisse dazu fehlen.
Ich gehe nur auf die mir vorliegenden Quellen, entweder im Original oder in historisch-kritischer Edition.
Nehmen wir die Zeit 600/900, dann haben wir u.a. diese Quellenprobleme.
1. Das Karls-Epos (Zentralbibliothek Zürich MS. C 78, ursprüngl. St. Gallen), das die Zusammenkunft Karls mit Papst Leo in Paderborn 799 hymnisiert, ist eine"Abschreibevorlage" (Schaller), seinerseits selbst von verschiedenen Händen und strotzt nur so von Unfug:
"Zu keiner Zeit gabe es einen so vortrefflichen Leser" (= Karl). Aber schreiben konnte er nichts - außer dem Vollziehungshäkchen im KAROLUS-Monogramm, was der ehem. Chef des Dt. Historikerverbandes, Prof. Fried, im ZDF damit erklärt, dass Karls vom vielen Krieg führen ermattete Schwerthand zu nichts mehr als einem (ca. 0,1-1,0 cm!) kleinen Strichlein imstande war.
So sieht das Strichlein aus:
Mit diesen Bleisiegeln kam der Westen bestenfalls durch Theophanu, wahrscheinlich aber erst nach der Eroberung Konstantinopels 1204 in Berührung. Das K ist unlateinisch, daher auch das Geeiere mit CAROLUS / KAROLUS (auch auf Münzen) und es handelt sich um eine Invokation (K = Kyrie = Herr!). Und wenn die Byzantiner mit Blei gesiegelt haben, warum die Franken mit Wachs, was die Byzantiner ihrerseits erst Jahrhunderte später schafften (erste Erwähnung 1087)?
Also Löcher, Fälschungen und Lächerlichkeiten soweit das Auge reicht.
Das zum Thema"Professionalität" der historischen Zunft.
Der bedeutende MA-Forscher Prof. LeGoff hat in seiner Biographie Ludwig des Heiligen (dt. bei Klett-Cotta 2000; eine der wichtigsten Figuren des 13. Jh.) mitgeteilt:
"Die biographische Methode zielt stärker als alle anderen historischen Verfahren auf das Produzieren (sic!) von 'Wirklichkeitseffekten' ab, so dass es auch in diesem Punkt dem Vorgehen des <font color="FF0000">Romanciers</font> recht nahekommt."
Und betreffend historische Quellen zu Ludwig schreibt er:
Mehr als andere stehen sie in dem Verdacht, wenn nicht schon <font color="FF0000">zu lügen</font> (sic!), so doch ein erfundenes (!), ein imaginärs (!) Bild... zu vermitteln."
Das sollte reichen. Im übrigen verweise ich bzgl. des kompletten Unvermögens der meisten Historiker nochmals auf D. H. Fischer (Prof. at Brandeis University):"Historian's Fallacies", Harper 1970) - ein Maximal-Verriss!
Gruß
d.
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dottore
12.10.2001, 11:00
@ Theo Stuss
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Re: Dürfte i c h wenigstens auf eine geneigte Antwort bitten, lieber Theo? |
>Danke für den Link. Ich hätte mir wirklich nicht die Mühe gemacht auf Illigs Thesen zu antworten.
Dann antworte doch bitte auf meine Beiträge. Ich freue mich schon auf Deine ganz konkreten Erwiderungen auf meine ganz konketen Einlassungen.
Vielen Dank!
d.
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dottore
12.10.2001, 11:05
@ JÜKÜ
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Re: Theo Stuss, Cäsar, gefälschte Urkunden / @Jan, ein Tipp / @dottore |
>>>Es wäre schön, wenn du bei solchen langen Texten (also meistens die von dottore ;-))
>>Tut mir leid, aber die Nummer von Theo konnte ich nicht auf mir sitzen lassen.
>[b]Selbstverständlich. Ich brauche ja nicht zu wiederholen, dass ich vor Ihrem Wissen erblasse, Und das meine ich wirklich so. Wer viel weiß, kann auch viel schreiben.
>Schönen Gruß!
>P.S.: Darf ich Ihre Folien auch zeigen? Als (unveränderbare) GIF-Dateien, so wie die anderen Vorträge auch?
>
Selbstverständlich gerne. Nur der Text dazu ist viel zu lang (wie immer). Erscheint mit anderem zum Thema Geld, usw. demnächst als Buch.
Ich könnte bestenfalls eine Kurzfassung machen, die aber viel Zeit erordert.
Gruß
d.
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JüKü
12.10.2001, 11:14
@ dottore
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Re: Vortrag / @dottore |
>>P.S.: Darf ich Ihre Folien auch zeigen? Als (unveränderbare) GIF-Dateien, so wie die anderen Vorträge auch?
>>
>Selbstverständlich gerne. Nur der Text dazu ist viel zu lang (wie immer). Erscheint mit anderem zum Thema Geld, usw. demnächst als Buch.
>Ich könnte bestenfalls eine Kurzfassung machen, die aber viel Zeit erfordert.
>Gruß
>d.
Nein, bloß nicht. Verwenden Sie die Zeit lieber für das Buch.
Die Folien werde ich einstellen, aber das dauert ein Weilchen wegen der Menge ;-)
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Theo Stuss
12.10.2001, 12:03
@ dottore
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Habe bereits weiter unten geantwortet |
Hallo Dottore,
natürlich basiert unser gesamtes historisches Wissen auf einigen wenigen Quellen. Ich stelle diese auch gar nicht als absolut sicher hin. Was Cäsar angeht, könnte ich ja auch mit Recht von Virgil behaupten.
Aber auch nur deshalb, weil einer kein zuverlässiger Zeuge ist - siehe Widersprüche in De Bello gallico, hört nicht auf ein Zeuge zu sein. Er muß eben kritisch bewertet werden. Auch bei Josefus Flavius hatte man ja lange den Fehler gemacht, alles wörtlich zu nehmen.
Die Frage stellt sich nun, ob ich besser bedient werde, wenn ich Tabula rasa mache und so tue, als seie ich der Wissende, weil ich alles einreiße. Siehe Illig.
Was wir historisch über Julius Caesar sagen können, oder Alexander den Großen, gilt eben unter Vorbehalt. Auch Sie gehen ja ständig mit Metallgelddeflationen und irgendwelchen Investmentgesetzen von Caesar bis Tiberius um. Man könnte doch genauso die Frage stellen,"Gab es das jemals?".
Oder kann man wirklich von einem römischen Banksystem und antiken Aktienmärkten sprechen? Wohlgemerkt, ich meine, daß man das bei allem kritischen Vorbehalt tun kann.
Was die plötzlich aufkommende Vorliebe für klassisches Latein in der Renaissance angeht, so steht - Sie werden zu stimmen,- diese im Zusammenhang mit dem Fall Konstantinopels und der Übertragung ganzer Bibliotheken im Vorfeld der Einnahme der alten Metropole. Ich denke hier z.B. an die Bibliothek von Kardinal Bessarion. Das klassische Latein hätte nicht neu aufkommen können, wenn es diese Werke im Altertum nicht gegeben hätte. Oder haben sich die Menschen des 15Jhr, nachdem sie jahrhundertelang ein simples Kirchenlatein gepflegt haben, die klassische Grammatik aus den Fingern gesogen, aus der Retorte sozusagen.
Klar, daß man sich auf Quellen nicht verlassen darf, als hätten sie die Engel überbracht. Man geht eben wie ein Detektiv ans Werk, was denn sonst.
Das ist ja auch tatsächlich notwendig. Als man endlich in der Lage war, die alten Hieroglyphen zu entziffern, nahm man auch alles wörtlich und vergaß, daß vieles in diesen Inschriften Propaganda war. Sadam verkündet ja noch heute die"Mutter aller Schlachten" als seinen Sieg. Konkret: haben die Ägypter die Schlacht von Kadesch gegen die Hethiter gewonnen? War es eine Propagadalüge?
Ich persönlich gehe davon aus, daß Caesar das ihm zugeschriebene Opus auch verfaßt, nur war eben ein ziemlicher Angeber.
Was viele mittelalterliche Urkunden angeht, so waren viele Fälschungen dabei, die sich jedoch oft auf bereits existierende Rechtsbräuche bezogen. Sonst hätten die Zeitgenossen viele aus der Retorte gehobenen Urkunden auch nicht akzeptiert.
Wir befinden uns also in der Rolle von Detektiven, die auf Spurensuche gehen.
"In medio stat virtus", es ist also nicht damit gedient, alles über den Haufen zu werfen, oder gleich leuchtende Augen zu bekommen, wenn ich eine Quelle vor mir habe. Wenn ich eine neue Quelle durch Ausgrabungen entdecke, wartet erst einmal ein Haufen Arbeit auf die auswertenden.
Daß auch Legenden nicht einfach vernachlässigt werden dürfen, sieht man an der, wenn auch wissenschaftlich erfolgten Ausgrabung Trojas, auch wenn sich Schliemann seinen Schatz des Priamos zusammengekauft hat.
Ein schönes Kapitel ist auch der Fall des Pseudo-Dionysius Areopagita. Wohl eine Schrift eines Neoplatonikers aus dem 5.Jhr.
Thomas von Aquin hielt sie für echt, wenn sich sein Gefühl auch manchmal dagegen sträubte und er manches als ein bißchen verstiegen bezeichnete. Wie der Zufall so will, ist gerade diese Schrift dafür verantwortlich, daß der Aristotelismus von Thomas einen stark platonischen Einschlag bekam.
Ich schreibe später weiter, jetzt ist Mittagspause,
Gruß,
T.S.
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