dottore
07.11.2001, 15:14 |
Japan - wirklich nicht mehr zum Lachen Thread gesperrt |
Hi,
über das neue japanische"Konjunkturpaket" (es soll auch bei der"Terrorbekämpfung" helfen) in Höhe von 3 Bio Yen hatte JüKü schon in den MoMs berichtet.
Es ist - so richtig gezählt - das wohl insgesamt Siebzehnte der aktuellen Reihe.
Der Betrag entspricht (sofern richtig umgerechnet) knapp 25 Mrd Dollar (= ca. 66 Mrd DM), liegt damit also erheblich über dem von Eichel für 2001 projektierten Berliner Gesamtdefizit von ca. 46 Mrd. DM.
Der für das Fiskaljahr Japans insgesamt gesteckte"Verschuldungsrahmen" ist damit noch bei weitem nicht ausgeschöpft. Denn der liegt bei 30 Billionen Yen, was also mit ca. 660 Milliarden DM die gesamten deutschen Bundesausgaben erheblich übersteigt (488 Mrd. DM (Einnahmen: 433 Mrd.).
Dies ist für eine Volkswirtschaft, die ca. um die Hälfte mehr Einwohner hat als die bundesdeutsche nun wirklich nicht mehr zum Lachen.
Noch weniger erheitert die Tatsache, dass es niemandem in Europa einfällt, zu kommentieren, wie stracks und wie schnell Japan sich selbst an die Wand fährt.
Aber man darf sich bekanntlich nicht in die"inneren Angelegenheiten" anderer Länder einmischen...
Zur"Finanzierung" des neuen Pakets hatte Xerxes schon gepostet. Der"Spread" Banken/BoJ liegt bei knapp 1 Prozent p.a. Das"neue Programm" könnte die japanischen Banken, sofern keine weiteren notleidenden Kredite dazu kommen und alles korrekt verbucht und bewertet wurde, in etwa 200 Jahren"saniert" haben. Vorausgesetzt natürlich, die neuen"Anleihen" werden nicht mit Hilfe weiterer"Anleihen" bezahlt, was aber ganz leicht geht: Japan muss nur die Steuern entsprechend erhöhen. Grob gerechnet: Etwa verachtfachen.
Oder endlich die seit langem geforderten"Reformen" mit ruhiger Hand und Augenmaß durchziehen.
Erstaunlich einfach, nicht wahr?
Gruß
d.
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Emerald
07.11.2001, 16:01
@ dottore
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Re: Japan - wirklich nicht mehr zum Lachen |
wunder über wunder macht japan zum vorzeige-staat schlechthin, was mich deshalb
so wundert, wielange dieses land noch in der lage ist seine probleme intern
zu meistern. prof. becker, ein sehr angesehener professor aus deutschland, mit
30-jahren aufenthalt in tokyo meinte kürzlich, dass früher oder später die usa
hier massiv einsteigen könnten und vermutlich via yen-abwertung einiges ins
lot bringen könnten.
seit koizumis' antritt hat sich allerdings kaum nennenswertes getan. die über-
alterung schreitet gemeinsam mit der arbeitslosen-zahl weiter nach oben. die
massen-pleiten sind solchermassen an der tages-ordnung, dass vermutlich die
hüter der faulen debitoren sich noch mit einem reis-schnaps sich über das nahende ende zu
vertrösten suchen. ich denke es gibt eine hyper-inflation in bonds und
später in aktien, wenn die noten-druckerei endgültig am ende angekommen ist.
wo die yen-paritäten sich einpreisen ist allerdings ein echtes japanisches
geheimnis, merrill lynch, newyork, schätzt yen 140.00 zum dollar.
faites vos jeux.
emerald.
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Ecardo
07.11.2001, 16:35
@ Emerald
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Re: Wo bleiben die riesigen Exportgewinne? |
Nehmen wir nur mal die USA. Dort leben ca. 250 Millionen Menschen, jedes zweite Auto ist ein Japaner, da waere ich als Amerikaner auch fuer eine Yen-Abwaertung, das reduziert die Auslandsschuld. Ich persoenlich halte das Japan-Problem fuer ein Kind der globalen US-Abzockerei!
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SchlauFuchs
07.11.2001, 16:46
@ Ecardo
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Re: Wo bleiben die riesigen Exportgewinne? |
>Nehmen wir nur mal die USA. Dort leben ca. 250 Millionen Menschen, jedes zweite Auto ist ein Japaner, da waere ich als Amerikaner auch fuer eine Yen-Abwaertung, das reduziert die Auslandsschuld. Ich persoenlich halte das Japan-Problem fuer ein Kind der globalen US-Abzockerei!
Wo du auch ziemlich recht hast. Andererseits halten die japanischen Firmen noch gewaltige Bestände an Dollar-Anleihen, mit denen sie es den USA ganz schön ungemütlich machen könnten.
Die japanische Industrie (und auch die vieler anderer Asien-Industrieländer) ist sehr auf Exportwirtschaft orientiert, und zwar, weil das Exportieren die ganze Zeit über so reibungslos funktioniert hat. Diese Export-Überkapazitäten sind aber nun praktisch Investitonsruinen, da der Exportmarkt wegbricht und wohl auch nicht wiederkommt. Man kann dran rumdoktern, aber man kann sie auf lange Sicht nicht retten.
Im Privateer war es anfang des JAhres ganz nett beschrieben.
ciao!
SchlauFuchs
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Tobias
07.11.2001, 20:08
@ dottore
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Re: Japan - nein, es ist der pure Wahnsinn |
Hi,
>Hi,
>über das neue japanische"Konjunkturpaket" (es soll auch bei der"Terrorbekämpfung" helfen) in Höhe von 3 Bio Yen hatte JüKü schon in den MoMs berichtet.
>Es ist - so richtig gezählt - das wohl insgesamt Siebzehnte der aktuellen Reihe.
>Der Betrag entspricht (sofern richtig umgerechnet) knapp 25 Mrd Dollar (= ca. 66 Mrd DM), liegt damit also erheblich über dem von Eichel für 2001 projektierten Berliner Gesamtdefizit von ca. 46 Mrd. DM.
>Der für das Fiskaljahr Japans insgesamt gesteckte"Verschuldungsrahmen" ist damit noch bei weitem nicht ausgeschöpft. Denn der liegt bei 30 Billionen Yen, was also mit ca. 660 Milliarden DM die gesamten deutschen Bundesausgaben erheblich übersteigt (488 Mrd. DM (Einnahmen: 433 Mrd.).
***JAAAA!! Und das ist nur die neue, zusätzliche Verschuldung. In den Agenturmeldungen heißt es dann"Japan to sell more debt" (Bloomberg). Pervers - da steht ganz glasklar drin, dass Schulden VERKAUFT werden. Ich versteh's auch nicht - wie soll denn jemals irgendeine Staatsschuld dort zurück-geleistet werden. Die Summen sind ein Irrsinn.
>Dies ist für eine Volkswirtschaft, die ca. um die Hälfte mehr Einwohner hat als die bundesdeutsche nun wirklich nicht mehr zum Lachen.
***Nein, es ist einfach nur ein Wahnsinn. So wie wenn ich mir ein Schloß und drei Ferraris 100% auf Pump kaufe und gleichzeitig neue Schulden mache, mit denen ich die Raten bezahle.
>Noch weniger erheitert die Tatsache, dass es niemandem in Europa einfällt, zu kommentieren, wie stracks und wie schnell Japan sich selbst an die Wand fährt.
***Ich glaube mittlerweile, dass das daran liegt, dass niemand um die realen Sachverhalte weiß. Aus zahlreichen"Fach"-Gesprächen kann ich sagen, dass Staatsschulden - ja, überhaupt die Schuldenthematik - komplett ausgeblendet ist. Es versteht schlicht keiner. Zudem will es keiner sehen. Vielleicht ist der Mensch"as such" in seiner Natur eben doch zu einem großen Teil in konstruktiv-schaffenden Mustern verhaftet als in destruktiven, den Staats-Bankrott wahrhaben wollenden. Diese zerstörerischen Muster entstehen ja auch erst in überdimensionierten Staatsgebilden/-kraken, die als Individuum ja keiner wirklich will.
>Aber man darf sich bekanntlich nicht in die"inneren Angelegenheiten" anderer Länder einmischen...
>Zur"Finanzierung" des neuen Pakets hatte Xerxes schon gepostet. Der"Spread" Banken/BoJ liegt bei knapp 1 Prozent p.a. Das"neue Programm" könnte die japanischen Banken, sofern keine weiteren notleidenden Kredite dazu kommen und alles korrekt verbucht und bewertet wurde, in etwa 200 Jahren"saniert" haben.
***Das ist wohl ein Scherz - es gibt in Japan wohl keine große Bank (mittlerweile sind's nur noch vier große Holdings), die ihre Problemkredite 1. vollständig ausweist und 2. wertberichtigt. Am 31.10. wurde eine Sonderprüfung der 4 Großen durch die Finanzaufsicht angekündigt: Bislang werden dort 54 Billionen Yen (über 1 Bio. Euro) als problematisch eingeschätzt (die Aufsicht schätzt das Dreifache), und lediglich 11 Bio. Yen als notleidend einstuft. Da die Aufsicht aber im Ergebnis vermutlich darauf drängen wird, einen weiteren erheblichen Teil innerhalb des Problemkreditvolumens als notleidend einzustufen und damit zu 100% abzuschreiben, ist damit m.E. nach der angekündigten Sonderprüfung zu rechnen, dass entweder:
1. Bei Einhaltung der Rechtsvorschriften Groß-Konkurse ablaufen (mglw. auch gezielt).
2. Bei Nicht-Einhaltung der Vorschriften die Chose zunächst im bekannten Muster weiter abläuft.
Info dazu:
Ausgewiesene Problemkredite: 54 Bio. Yen, davon notleidend: 11 Bio. Yen (20%)
Problemkredite im Bankensektor tatsächlich, geschätzt: 75 Bio. Yen, davon notleidend >> 20%: >>15 Bio. Yen
Dies entspricht über 300 Mrd. EURO Abschreibungsbedarf bei den vier großen Instituten (nur der kleine Teil der notleidenden Kredite), pro Institut also MINDESTENS 75 Mrd. Euro (UNTERGRENZE). Tendenz: Täglich steigend. Müssten die Problemkredite IN SUMME abgeschrieben werden, so wären das 1,5 Bio. Euro oder pro Institut einige hundert Milliarden an Abschreibungsbedarf.
Irre, aber wahr.
Vorausgesetzt natürlich, die neuen"Anleihen" werden nicht mit Hilfe weiterer"Anleihen" bezahlt, was aber ganz leicht geht: Japan muss nur die Steuern entsprechend erhöhen. Grob gerechnet: Etwa verachtfachen.
***Ja genau das sind die Dimensionen! IRRE! Dös iss a Woaaahhnsinn!
>Oder endlich die seit langem geforderten"Reformen" mit ruhiger Hand und Augenmaß durchziehen.
***Ich denke, dass da nix mehr geht via Reform, auch wenn es permanent angekündigt wird. Du kannst bei einem Schloss und einem Ferrari an 'debt' noch soviel reformieren... es ist schlicht nicht mehr abarbeitbar. Ich wundere mich wirklich wie lange die Chose bereits gut geht. Schließlich hat der jap. Staat ein Vielfaches an"Problemkrediten" als die Banken - nämlich etwa fünf Mal so viel: ~7,5 Bio. Euro (offizielle (!) Schätzung der Staatsschulden Dez. 2000, entspricht 'unserem' konservativen Board-Szenario von 130% Staatsverschudung auf das BIP gerechnet).
>Erstaunlich einfach, nicht wahr?
***Also, ich versteh's nicht: Der Staat VERKAUFT seine Schulden - so steht's bei Bloomberg und so muss man's wohl auch tatsächlich verstehen. Wer allerdings als Gläubiger glaubt, dass er beim Kauf von 20jährigen Staatstiteln jemals seinen hergegebenen cash wiedersieht, dem sei gesagt:"Wer nichts weiß, muss alles glauben." Und eben auch die Mär von der exzellenten Bonität des Staats.
Aber vielleicht verschätzen wir uns ja hier im Board auch und im Jahr 2021 sind's dann eben 10 Billiarden Euro Staatsschuld. Alles in Butter. Ich jedenfalls kann die Größenordnungen, um die es geht, kaum fassen. Wenn das Pendel in dem Ausmaß, indem es hier gedehnt wurde, zurückschwingt, dann müssten wir in J eigentlich irgendwo in der Zeit des frei verfügbaren Goldstaubs landen.
>Gruß
***Gruß + Dank für die herausragenden Beiträge von Dir, dottore. Lese mit großer Wissbegier alles, auch wenn ich jobbedingt kaum zum Posten komme.
Thanx so much!
Tobias
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XERXES
07.11.2001, 22:06
@ Tobias
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Re: Japan - nein, es ist der pure Wahnsinn |
Ich moechte hierbei eines zu bedenken geben. Ich glaube, dass die Japanische Staatsschuld das geringse Problem Japans ist, da es bei sich selbst verschuldet ist. Ein weitaus groesseres Problem ist wohl, dass Japan groesster Glaeubiger der USA ist (Devisenreserven: 500 Mrd. USD und weitere Assets der Japanischen Privatwirtschaft) und was passiert, wenn diese Assets nichts mehr wert sind?
Wie gesagt, der Japanische Staat hat Schulden beim Japanischen Sparer und seiner Zentralbank. Dies mag im Innenverhaeltnis zu Hyperinflation und Waehrungsreform fuehren, aber wenn die Werte im Aussenverhaeltnis verloren gehen (hier die Frage nach den Exportgewinnen im Forum), dann gute nacht Marie!
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dottore
07.11.2001, 22:25
@ XERXES
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Re: Japan - nein, es ist der pure Wahnsinn |
>Ich moechte hierbei eines zu bedenken geben. Ich glaube, dass die Japanische Staatsschuld das geringse Problem Japans ist, da es bei sich selbst verschuldet ist.
Ja, das kann man sehr, sehr lange strecken (siehe Rom 2. - 5. Jh. AD).
>Ein weitaus groesseres Problem ist wohl, dass Japan groesster Glaeubiger der USA ist (Devisenreserven: 500 Mrd. USD und weitere Assets der Japanischen Privatwirtschaft) und was passiert, wenn diese Assets nichts mehr wert sind?
Wurde schon ausführlich hier diskutiert. Die assets der Privatwirtschaft = minimal. Die der BoJ = immens. Aber wozu sollte sie abladen, da sie dafür zum Schluss nur jene Yen kriegt, die sie selbst fabrizieren kann (billiger zumal).
>Wie gesagt, der Japanische Staat hat Schulden beim Japanischen Sparer und seiner Zentralbank. Dies mag im Innenverhaeltnis zu Hyperinflation und Waehrungsreform fuehren, aber wenn die Werte im Aussenverhaeltnis verloren gehen (hier die Frage nach den Exportgewinnen im Forum), dann gute nacht Marie!
Wenn die BoJ ablädt und"retransferiert" (möglicherweise über Sub-Institute) - was sollte dem Yen da groß passieren?
Japan kann seinen Kurs ohne Schwierigkeiten rauf oder runterziehen - Wunschkonzert.
Gruß
d.
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dottore
08.11.2001, 09:45
@ Tobias
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Re: Danke, Tobias - und: Dös iss a Woaaahhnsinn! Nach Reinheitsgebot gebraut (owT) |
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