Galiani
26.11.2001, 21:15 |
Moral, Geld, Religion: - Über den sozialen Wert von Institutionen Thread gesperrt |
Hallo
Ihr kennt vielleicht die Geschichte: Ein Blinder tastet an einem Elefanten herum: Zuerst erwischt er ein Bein und sagt: „Das ist ein Baum.“. Dann greift er an den Rüssel: „Das ist ein Seil.“ Und schließlich befühlt er den Schwanz und meint: „Das ist ein Gartenschlauch.“ So ähnlich geht es uns Menschen, wenn wir uns in dem riesigen Universum der „Wirtschaft“ oder gar der Welt als Ganzes zurechtfinden sollen.
Noch problematischer wird es, wenn wir statt „die Wirklichkeit zu erkennen“ die in der Zukunft zu erwartenden Konsequenzen unseres Handelns abschätzen möchten. Im Bereich der Naturgesetze mag das noch einigermaßen funktionieren: Wir ahnen, was passiert, wenn wir einen Kübel Wasser über ein Lagerfeuer leeren. Was indes geschieht, wenn wir einen Kübel Wasser über den Bürgermeister kippen, wissen wir nicht genau.
In einem anderen Zusammenhang habe ich vor kurzem gezeigt [Mein Kant-Posting], daß Menschen prinzipiell überhaupt unfähig sind, objektives Wissen über ihre Umwelt zu erwerben. In jedem Falle aber ist die Welt, so wie der Elefant für den Blinden oder die Zukunft für den, der den Bürgermeister anschüttet, vergleichbar einem komplexen Gitter aus Begriffen, zwischen denen Relationen bestehen - und unser Bewußtsein ist vergleichbar einem Käferchen, das in diesem ungeheuren Gitter herumkrabbelt: Es kann günstigstenfalls zwei oder drei Begriffe und ihre Relationen gleichzeitig erfassen, es gelingt ihm aber nicht, das Gitter in seiner Gänze zu überblicken, seine Ordnung zu verstehen und hierüber allerseits annehmbare Aussagen zu machen.
Demgegenüber zwingt uns indes die Realität ständig zu Entscheidungen: Wenn alle Informationen aber so brüchig, so undurchschaubar und so wenig festgefügt sind, woher nehmen wir dann die notwendigen Orientierungen für das, was wir tun müssen und tun sollen?
Die Antwort darauf ist offensichtlich: Andere Menschen - teils früher lebende, teils jetzt noch lebende - befanden sich schon in ähnlichen Situationen und waren ebenso gezwungen, sich »irgendwie« zu verhalten. An ihnen und ihrem Schicksal zeigt sich, welche Verhaltensformen wünschenswerte und welche schlechte Folgen hatten. Aus diesem Grunde sind wir zwingend auf andere Menschen angewiesen: auf Eltern, Lehrer, Meister, Ärzte oder Richter, auf die Überlieferung, die als ein ungeheurer Erfahrungsschatz von menschlichem Verhalten und seinen Folgen verstanden werden kann, und auf Institutionen, die sich auf der Grundlage dieser Erfahrung mit der Zeit herausgebildet haben. Wir sind auf Verantwortung und Vertrauen angewiesen. Dies ergibt sich aus dem informationellen Mißverhältnis zwischen der Komplexität unserer Welt und dem unzureichenden Vermögen unseres Bewußtseins. Wir wären überhaupt nicht lebensfähig, wenn wir uns nicht ständig auf erfolgserprobte Verhaltensmuster stützen könnten.
Denn unser Wissen über die Welt ist immer nur Stückwerk. Es bedarf schon sehr großen Unverständnisses über die Situation des Menschen in dieser Welt und sehr großer Überheblichkeit, Gesellschaftsentwürfe neu zu schaffen, die diesen Erfahrungsschatz der Menschheit ignorieren oder ihm gar widersprechen. Dennoch wird genau das seit Anfang der Neuzeit immer wieder versucht; zunächst - ohne größeren Schaden anzurichten - bloß literarisch, als Utopie, schließlich aber auch in der Realität. Wenige bemerken, daß derartige Versuche, wenn auch subtiler als in den vergangenen Jahrhunderten, durchaus auch heute noch im Gange sind! Wie die Erfahrung zeigt, fügen derartige Experimente der jeweils betroffenen Gesellschaft stets schwere Wunden zu.
Weshalb nehmen derartige Versuche dennoch niemals ein Ende?
Als René Descartes 1637 seine vier Regeln der „Problemanalyse“ veröffentlicht hatte [Mein Descartes-Posting], läutete das nicht nur in den Naturwissenschaften, sondern insbesondere das erste seiner vier Postulate („Zweifle an allem!“) auch auf dem Gebiete des so genannten „social engeneering“ ein neues Zeitalter ein; - als ob es möglich wäre, ein „wissenschaftlich begründetes“ allseits gerechtes und allen genehmes soziales System zu schaffen. Die Jakobiner probierten das in Frankreich, die Bolschwiken in Rußland und die Faschisten in Mitteleuropa; - jeweils mit einer ähnlichen Mischung aus Sozialutopie und glühendem Glauben an das „natürliche Volksempfinden“ (oder das, was sie jeweils dafür hielten).
Es erstaunt nicht, daß sich alle diese Versuche letztlich als nicht lebensfähig erwiesen haben! Denn das - geistige - Werkzeug, das Descartes „erfunden“ hatte, ist zwar hervorragend geeignet im Bereich der Naturwissenschaften, taugt aber - was die sozialen Eiferer stets übersahen - überhaupt nicht für das „social engeneering“; - so wenig, wie eine Klistierspritze etwa als Werkzeug für einen Zahnarzt taugt.
Es ist eine simple Frage der Logik: Der Erfahrungsschatz beispielsweise, den Eltern, Lehrer, Meister, Ärzte oder Richter, die Überlieferung und Institutionen für uns bereithalten, sagt uns, was wir tun sollen. Hingegen werden uns noch so viel Informationen, Computerausdrucke, Statistiken, Wörterbücher oder Enzyklopädien das niemals sagen können. Es gibt kein noch so umfangreiches Lexikon aus dessen Inhalt wir jemals die Forderung ableiten könnten: „Butter statt Kanonen!“ Das ist logisch unmöglich! Deshalb gibt es kein „wissenschaftlich begründetes“ soziales System; so etwas kann es nie geben. Die Wissenschaft arbeitet mit „Tatsachen“, mit „Informationen“; der Logiker sagt: mit „ Aussage-Sätzen“! Sätze hingegen, die auf ein sollen, wollen oder dürfen hinauslaufen, uns also sagen, was wir tun sollen, sind „Imperative“. Es ist ein von Linken, von so genannten Humanisten und sonstigen Weltverbesserern immer übersehenes unumstößliches Prinzip der Logik, daß sich mit „Aussagesätzen“ „Imperative“ prinzipiell weder beweisen noch widerlegen und daß sich „Imperative“ grundsätzlich niemals aus „Aussagesätzen“ableiten lassen!
Aus der Wahrheit der Aussage: Die Produktion von Kanonen ist nur auf Kosten der Butterproduktion möglich, folgt lediglich die Wahrheit der Aussage:
<ul>Wenn wir die Butterproduktion erhöhen wollen,
dann müssen wir die Produktion von Kanonen einschränken.</ul>
Was wir nun aber tatsächlich TUN SOLLEN, bleibt dabei völlig in der Schwebe.
Die Waffen der Wissenschaft können den Soll-Sätzen der Moral, der Religion und der Institutionen somit ganz grundsätzlich und einfacher Logik folgend niemals etwas anhaben.
Jede sogenannte „wissenschaftliche Begründung“ für eine Maßnahme, die den allgemeinen Vorstellungen der Moral oder den durch Institutionen festgelegten Regeln, jenem „allgemeinen Kapital aller Zeiten und Völker“ (Burke) widerspricht, ist somit - wie gut sie auch ursprünglich gemeint gewesen sein mag - prinzipiell unrichtig, eine Selbsttäuschung und mindert dieses „allgemeine Kapital aller Zeiten und Völker“, stellt einen willkürlichen Eingriff in die Textur einer funktionierenden sozialen Kooperation dar. Vor solchen"Wissenschaftlern" ist also zu warnen, die uns glauben machen wollen, sie hätten fertige Lösungen für unsere schwierigen Probleme in der Tasche. Nein: Niemand hat solche Lösungen in der Tasche; solche Lösungen bestehen ausnahmslos darin, daß alte Übel durch andere, neue ersetzt werden. Wir müssen die Lösungen vielmehr gemeinsam mit Sachverstand und Verantwortungsbewußtsein suchen. Menschliches Verhalten setzt Werte voraus, die verschiedene Verhaltensmöglichkeiten verschieden bewerten. Das Leben eines Einzelnen reicht aber einfach nicht aus, die notwendigen Tugenden selbst zu erfinden, jeder muß aus den Erfahrungen anderer lernen.
Wenn wir menschlich zusammenleben wollen, dann müssen wir fremden Erfahrungen folgen und auf ihre Richtigkeit vertrauen, auch wenn wir sie nicht in ein Schema von Ursache und Wirkung bringen können. Denn die Regeln der Logik - wie im übrigen auch die Erfahrung - lehren, daß Wertsysteme nicht theoretisch konstruiert werden können, sondern immer das Ergebnis einer langen - und oft schweren - Erfahrung sind.
Gruß
(Versprechen erfüllt)
G.
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Josef
26.11.2001, 21:34
@ Galiani
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Bravo Galiani! Diesen Beitrag halte ich fuer einen Meilenstein. Danke! |
>Hallo
>Ihr kennt vielleicht die Geschichte: Ein Blinder tastet an einem Elefanten herum: Zuerst erwischt er ein Bein und sagt: „Das ist ein Baum.“. Dann greift er an den Rüssel: „Das ist ein Seil.“ Und schließlich befühlt er den Schwanz und meint: „Das ist ein Gartenschlauch.“ So ähnlich geht es uns Menschen, wenn wir uns in dem riesigen Universum der „Wirtschaft“ oder gar der Welt als Ganzes zurechtfinden sollen.
>Noch problematischer wird es, wenn wir statt „die Wirklichkeit zu erkennen“ die in der Zukunft zu erwartenden Konsequenzen unseres Handelns abschätzen möchten. Im Bereich der Naturgesetze mag das noch einigermaßen funktionieren: Wir ahnen, was passiert, wenn wir einen Kübel Wasser über ein Lagerfeuer leeren. Was indes geschieht, wenn wir einen Kübel Wasser über den Bürgermeister kippen, wissen wir nicht genau.
>In einem anderen Zusammenhang habe ich vor kurzem gezeigt [Mein Kant-Posting], daß Menschen prinzipiell überhaupt unfähig sind, objektives Wissen über ihre Umwelt zu erwerben. In jedem Falle aber ist die Welt, so wie der Elefant für den Blinden oder die Zukunft für den, der den Bürgermeister anschüttet, vergleichbar einem komplexen Gitter aus Begriffen, zwischen denen Relationen bestehen - und unser Bewußtsein ist vergleichbar einem Käferchen, das in diesem ungeheuren Gitter herumkrabbelt: Es kann günstigstenfalls zwei oder drei Begriffe und ihre Relationen gleichzeitig erfassen, es gelingt ihm aber nicht, das Gitter in seiner Gänze zu überblicken, seine Ordnung zu verstehen und hierüber allerseits annehmbare Aussagen zu machen.
>Demgegenüber zwingt uns indes die Realität ständig zu Entscheidungen: Wenn alle Informationen aber so brüchig, so undurchschaubar und so wenig festgefügt sind, woher nehmen wir dann die notwendigen Orientierungen für das, was wir tun müssen und tun sollen?
>Die Antwort darauf ist offensichtlich: Andere Menschen - teils früher lebende, teils jetzt noch lebende - befanden sich schon in ähnlichen Situationen und waren ebenso gezwungen, sich »irgendwie« zu verhalten. An ihnen und ihrem Schicksal zeigt sich, welche Verhaltensformen wünschenswerte und welche schlechte Folgen hatten. Aus diesem Grunde sind wir zwingend auf andere Menschen angewiesen: auf Eltern, Lehrer, Meister, Ärzte oder Richter, auf die Überlieferung, die als ein ungeheurer Erfahrungsschatz von menschlichem Verhalten und seinen Folgen verstanden werden kann, und auf Institutionen, die sich auf der Grundlage dieser Erfahrung mit der Zeit herausgebildet haben. Wir sind auf Verantwortung und Vertrauen angewiesen. Dies ergibt sich aus dem informationellen Mißverhältnis zwischen der Komplexität unserer Welt und dem unzureichenden Vermögen unseres Bewußtseins. Wir wären überhaupt nicht lebensfähig, wenn wir uns nicht ständig auf erfolgserprobte Verhaltensmuster stützen könnten.
>Denn unser Wissen über die Welt ist immer nur Stückwerk. Es bedarf schon sehr großen Unverständnisses über die Situation des Menschen in dieser Welt und sehr großer Überheblichkeit, Gesellschaftsentwürfe neu zu schaffen, die diesen Erfahrungsschatz der Menschheit ignorieren oder ihm gar widersprechen. Dennoch wird genau das seit Anfang der Neuzeit immer wieder versucht; zunächst - ohne größeren Schaden anzurichten - bloß literarisch, als Utopie, schließlich aber auch in der Realität. Wenige bemerken, daß derartige Versuche, wenn auch subtiler als in den vergangenen Jahrhunderten, durchaus auch heute noch im Gange sind! Wie die Erfahrung zeigt, fügen derartige Experimente der jeweils betroffenen Gesellschaft stets schwere Wunden zu.
>Weshalb nehmen derartige Versuche dennoch niemals ein Ende?
>Als René Descartes 1637 seine vier Regeln der „Problemanalyse“ veröffentlicht hatte [Mein Descartes-Posting], läutete das nicht nur in den Naturwissenschaften, sondern insbesondere das erste seiner vier Postulate („Zweifle an allem!“) auch auf dem Gebiete des so genannten „social engeneering“ ein neues Zeitalter ein; - als ob es möglich wäre, ein „wissenschaftlich begründetes“ allseits gerechtes und allen genehmes soziales System zu schaffen. Die Jakobiner probierten das in Frankreich, die Bolschwiken in Rußland und die Faschisten in Mitteleuropa; - jeweils mit einer ähnlichen Mischung aus Sozialutopie und glühendem Glauben an das „natürliche Volksempfinden“ (oder das, was sie jeweils dafür hielten).
>Es erstaunt nicht, daß sich alle diese Versuche letztlich als nicht lebensfähig erwiesen haben! Denn das - geistige - Werkzeug, das Descartes „erfunden“ hatte, ist zwar hervorragend geeignet im Bereich der Naturwissenschaften, taugt aber - was die sozialen Eiferer stets übersahen - überhaupt nicht für das „social engeneering“; - so wenig, wie eine Klistierspritze etwa als Werkzeug für einen Zahnarzt taugt.
>Es ist eine simple Frage der Logik: Der Erfahrungsschatz beispielsweise, den Eltern, Lehrer, Meister, Ärzte oder Richter, die Überlieferung und Institutionen für uns bereithalten, sagt uns, was wir tun sollen. Hingegen werden uns noch so viel Informationen, Computerausdrucke, Statistiken, Wörterbücher oder Enzyklopädien das niemals sagen können. Es gibt kein noch so umfangreiches Lexikon aus dessen Inhalt wir jemals die Forderung ableiten könnten: „Butter statt Kanonen!“ Das ist logisch unmöglich! Deshalb gibt es kein „wissenschaftlich begründetes“ soziales System; so etwas kann es nie geben. Die Wissenschaft arbeitet mit „Tatsachen“, mit „Informationen“; der Logiker sagt: mit „ Aussage-Sätzen“! Sätze hingegen, die auf ein sollen, wollen oder dürfen hinauslaufen, uns also sagen, was wir tun sollen, sind „Imperative“. Es ist ein von Linken, von so genannten Humanisten und sonstigen Weltverbesserern immer übersehenes unumstößliches Prinzip der Logik, daß sich mit „Aussagesätzen“ „Imperative“ prinzipiell weder beweisen noch widerlegen und daß sich „Imperative“ grundsätzlich niemals aus „Aussagesätzen“ableiten lassen!
>Aus der Wahrheit der Aussage: Die Produktion von Kanonen ist nur auf Kosten der Butterproduktion möglich, folgt lediglich die Wahrheit der Aussage: > > <ul>Wenn wir die Butterproduktion erhöhen wollen, > dann müssen wir die Produktion von Kanonen einschränken.</ul>
>Was wir nun aber tatsächlich TUN SOLLEN, bleibt dabei völlig in der Schwebe.
>Die Waffen der Wissenschaft können den Soll-Sätzen der Moral, der Religion und der Institutionen somit ganz grundsätzlich und einfacher Logik folgend niemals etwas anhaben.
>Jede sogenannte „wissenschaftliche Begründung“ für eine Maßnahme, die den allgemeinen Vorstellungen der Moral oder den durch Institutionen festgelegten Regeln, jenem „allgemeinen Kapital aller Zeiten und Völker“ (Burke) widerspricht, ist somit - wie gut sie auch ursprünglich gemeint gewesen sein mag - prinzipiell unrichtig, eine Selbsttäuschung und mindert dieses „allgemeine Kapital aller Zeiten und Völker“, stellt einen willkürlichen Eingriff in die Textur einer funktionierenden sozialen Kooperation dar. Vor solchen"Wissenschaftlern" ist also zu warnen, die uns glauben machen wollen, sie hätten fertige Lösungen für unsere schwierigen Probleme in der Tasche. Nein: Niemand hat solche Lösungen in der Tasche; solche Lösungen bestehen ausnahmslos darin, daß alte Übel durch andere, neue ersetzt werden. Wir müssen die Lösungen vielmehr gemeinsam mit Sachverstand und Verantwortungsbewußtsein suchen. Menschliches Verhalten setzt Werte voraus, die verschiedene Verhaltensmöglichkeiten verschieden bewerten. Das Leben eines Einzelnen reicht aber einfach nicht aus, die notwendigen Tugenden selbst zu erfinden, jeder muß aus den Erfahrungen anderer lernen.
>Wenn wir menschlich zusammenleben wollen, dann müssen wir fremden Erfahrungen folgen und auf ihre Richtigkeit vertrauen, auch wenn wir sie nicht in ein Schema von Ursache und Wirkung bringen können. Denn die Regeln der Logik - wie im übrigen auch die Erfahrung - lehren, daß Wertsysteme nicht theoretisch konstruiert werden können, sondern immer das Ergebnis einer langen - und oft schweren - Erfahrung sind.
>Gruß
>(Versprechen erfüllt)
>G.
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Crowley
27.11.2001, 01:14
@ Galiani
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Ein philosophisches Kleinod. Erstklassig. oT |
>Hallo
>Ihr kennt vielleicht die Geschichte: Ein Blinder tastet an einem Elefanten herum: Zuerst erwischt er ein Bein und sagt: „Das ist ein Baum.“. Dann greift er an den Rüssel: „Das ist ein Seil.“ Und schließlich befühlt er den Schwanz und meint: „Das ist ein Gartenschlauch.“ So ähnlich geht es uns Menschen, wenn wir uns in dem riesigen Universum der „Wirtschaft“ oder gar der Welt als Ganzes zurechtfinden sollen.
>Noch problematischer wird es, wenn wir statt „die Wirklichkeit zu erkennen“ die in der Zukunft zu erwartenden Konsequenzen unseres Handelns abschätzen möchten. Im Bereich der Naturgesetze mag das noch einigermaßen funktionieren: Wir ahnen, was passiert, wenn wir einen Kübel Wasser über ein Lagerfeuer leeren. Was indes geschieht, wenn wir einen Kübel Wasser über den Bürgermeister kippen, wissen wir nicht genau.
>In einem anderen Zusammenhang habe ich vor kurzem gezeigt [Mein Kant-Posting], daß Menschen prinzipiell überhaupt unfähig sind, objektives Wissen über ihre Umwelt zu erwerben. In jedem Falle aber ist die Welt, so wie der Elefant für den Blinden oder die Zukunft für den, der den Bürgermeister anschüttet, vergleichbar einem komplexen Gitter aus Begriffen, zwischen denen Relationen bestehen - und unser Bewußtsein ist vergleichbar einem Käferchen, das in diesem ungeheuren Gitter herumkrabbelt: Es kann günstigstenfalls zwei oder drei Begriffe und ihre Relationen gleichzeitig erfassen, es gelingt ihm aber nicht, das Gitter in seiner Gänze zu überblicken, seine Ordnung zu verstehen und hierüber allerseits annehmbare Aussagen zu machen.
>Demgegenüber zwingt uns indes die Realität ständig zu Entscheidungen: Wenn alle Informationen aber so brüchig, so undurchschaubar und so wenig festgefügt sind, woher nehmen wir dann die notwendigen Orientierungen für das, was wir tun müssen und tun sollen?
>Die Antwort darauf ist offensichtlich: Andere Menschen - teils früher lebende, teils jetzt noch lebende - befanden sich schon in ähnlichen Situationen und waren ebenso gezwungen, sich »irgendwie« zu verhalten. An ihnen und ihrem Schicksal zeigt sich, welche Verhaltensformen wünschenswerte und welche schlechte Folgen hatten. Aus diesem Grunde sind wir zwingend auf andere Menschen angewiesen: auf Eltern, Lehrer, Meister, Ärzte oder Richter, auf die Überlieferung, die als ein ungeheurer Erfahrungsschatz von menschlichem Verhalten und seinen Folgen verstanden werden kann, und auf Institutionen, die sich auf der Grundlage dieser Erfahrung mit der Zeit herausgebildet haben. Wir sind auf Verantwortung und Vertrauen angewiesen. Dies ergibt sich aus dem informationellen Mißverhältnis zwischen der Komplexität unserer Welt und dem unzureichenden Vermögen unseres Bewußtseins. Wir wären überhaupt nicht lebensfähig, wenn wir uns nicht ständig auf erfolgserprobte Verhaltensmuster stützen könnten.
>Denn unser Wissen über die Welt ist immer nur Stückwerk. Es bedarf schon sehr großen Unverständnisses über die Situation des Menschen in dieser Welt und sehr großer Überheblichkeit, Gesellschaftsentwürfe neu zu schaffen, die diesen Erfahrungsschatz der Menschheit ignorieren oder ihm gar widersprechen. Dennoch wird genau das seit Anfang der Neuzeit immer wieder versucht; zunächst - ohne größeren Schaden anzurichten - bloß literarisch, als Utopie, schließlich aber auch in der Realität. Wenige bemerken, daß derartige Versuche, wenn auch subtiler als in den vergangenen Jahrhunderten, durchaus auch heute noch im Gange sind! Wie die Erfahrung zeigt, fügen derartige Experimente der jeweils betroffenen Gesellschaft stets schwere Wunden zu.
>Weshalb nehmen derartige Versuche dennoch niemals ein Ende?
>Als René Descartes 1637 seine vier Regeln der „Problemanalyse“ veröffentlicht hatte [Mein Descartes-Posting], läutete das nicht nur in den Naturwissenschaften, sondern insbesondere das erste seiner vier Postulate („Zweifle an allem!“) auch auf dem Gebiete des so genannten „social engeneering“ ein neues Zeitalter ein; - als ob es möglich wäre, ein „wissenschaftlich begründetes“ allseits gerechtes und allen genehmes soziales System zu schaffen. Die Jakobiner probierten das in Frankreich, die Bolschwiken in Rußland und die Faschisten in Mitteleuropa; - jeweils mit einer ähnlichen Mischung aus Sozialutopie und glühendem Glauben an das „natürliche Volksempfinden“ (oder das, was sie jeweils dafür hielten).
>Es erstaunt nicht, daß sich alle diese Versuche letztlich als nicht lebensfähig erwiesen haben! Denn das - geistige - Werkzeug, das Descartes „erfunden“ hatte, ist zwar hervorragend geeignet im Bereich der Naturwissenschaften, taugt aber - was die sozialen Eiferer stets übersahen - überhaupt nicht für das „social engeneering“; - so wenig, wie eine Klistierspritze etwa als Werkzeug für einen Zahnarzt taugt.
>Es ist eine simple Frage der Logik: Der Erfahrungsschatz beispielsweise, den Eltern, Lehrer, Meister, Ärzte oder Richter, die Überlieferung und Institutionen für uns bereithalten, sagt uns, was wir tun sollen. Hingegen werden uns noch so viel Informationen, Computerausdrucke, Statistiken, Wörterbücher oder Enzyklopädien das niemals sagen können. Es gibt kein noch so umfangreiches Lexikon aus dessen Inhalt wir jemals die Forderung ableiten könnten: „Butter statt Kanonen!“ Das ist logisch unmöglich! Deshalb gibt es kein „wissenschaftlich begründetes“ soziales System; so etwas kann es nie geben. Die Wissenschaft arbeitet mit „Tatsachen“, mit „Informationen“; der Logiker sagt: mit „ Aussage-Sätzen“! Sätze hingegen, die auf ein sollen, wollen oder dürfen hinauslaufen, uns also sagen, was wir tun sollen, sind „Imperative“. Es ist ein von Linken, von so genannten Humanisten und sonstigen Weltverbesserern immer übersehenes unumstößliches Prinzip der Logik, daß sich mit „Aussagesätzen“ „Imperative“ prinzipiell weder beweisen noch widerlegen und daß sich „Imperative“ grundsätzlich niemals aus „Aussagesätzen“ableiten lassen!
>Aus der Wahrheit der Aussage: Die Produktion von Kanonen ist nur auf Kosten der Butterproduktion möglich, folgt lediglich die Wahrheit der Aussage: > > <ul>Wenn wir die Butterproduktion erhöhen wollen, > dann müssen wir die Produktion von Kanonen einschränken.</ul>
>Was wir nun aber tatsächlich TUN SOLLEN, bleibt dabei völlig in der Schwebe.
>Die Waffen der Wissenschaft können den Soll-Sätzen der Moral, der Religion und der Institutionen somit ganz grundsätzlich und einfacher Logik folgend niemals etwas anhaben.
>Jede sogenannte „wissenschaftliche Begründung“ für eine Maßnahme, die den allgemeinen Vorstellungen der Moral oder den durch Institutionen festgelegten Regeln, jenem „allgemeinen Kapital aller Zeiten und Völker“ (Burke) widerspricht, ist somit - wie gut sie auch ursprünglich gemeint gewesen sein mag - prinzipiell unrichtig, eine Selbsttäuschung und mindert dieses „allgemeine Kapital aller Zeiten und Völker“, stellt einen willkürlichen Eingriff in die Textur einer funktionierenden sozialen Kooperation dar. Vor solchen"Wissenschaftlern" ist also zu warnen, die uns glauben machen wollen, sie hätten fertige Lösungen für unsere schwierigen Probleme in der Tasche. Nein: Niemand hat solche Lösungen in der Tasche; solche Lösungen bestehen ausnahmslos darin, daß alte Übel durch andere, neue ersetzt werden. Wir müssen die Lösungen vielmehr gemeinsam mit Sachverstand und Verantwortungsbewußtsein suchen. Menschliches Verhalten setzt Werte voraus, die verschiedene Verhaltensmöglichkeiten verschieden bewerten. Das Leben eines Einzelnen reicht aber einfach nicht aus, die notwendigen Tugenden selbst zu erfinden, jeder muß aus den Erfahrungen anderer lernen.
>Wenn wir menschlich zusammenleben wollen, dann müssen wir fremden Erfahrungen folgen und auf ihre Richtigkeit vertrauen, auch wenn wir sie nicht in ein Schema von Ursache und Wirkung bringen können. Denn die Regeln der Logik - wie im übrigen auch die Erfahrung - lehren, daß Wertsysteme nicht theoretisch konstruiert werden können, sondern immer das Ergebnis einer langen - und oft schweren - Erfahrung sind.
>Gruß
>(Versprechen erfüllt)
>G.
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JÜKÜ
27.11.2001, 01:22
@ Josef
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Re: Bravo Galiani! Wirklich ein MEILENSTEIN! (owT) |
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mguder
27.11.2001, 01:44
@ Galiani
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Re: Moral, Geld, Religion: - Über den sozialen Wert von Institutionen |
>Hallo
>Ihr kennt vielleicht die Geschichte: Ein Blinder tastet an einem Elefanten herum: Zuerst erwischt er ein Bein und sagt: „Das ist ein Baum.“. Dann greift er an den Rüssel: „Das ist ein Seil.“ Und schließlich befühlt er den Schwanz und meint: „Das ist ein Gartenschlauch.“ So ähnlich geht es uns Menschen, wenn wir uns in dem riesigen Universum der „Wirtschaft“ oder gar der Welt als Ganzes zurechtfinden sollen.
Du solltest nicht von Dir selbst auf andere schliessen.
>Noch problematischer wird es, wenn wir statt „die Wirklichkeit zu erkennen“ die in der Zukunft zu erwartenden Konsequenzen unseres Handelns abschätzen möchten. Im Bereich der Naturgesetze mag das noch einigermaßen funktionieren: Wir ahnen, was passiert, wenn wir einen Kübel Wasser über ein Lagerfeuer leeren. Was indes geschieht, wenn wir einen Kübel Wasser über den Bürgermeister kippen, wissen wir nicht genau.
Die Zukunft ist nicht vorhersehbar- so what?
>In einem anderen Zusammenhang habe ich vor kurzem gezeigt [Mein Kant-Posting], daß Menschen prinzipiell überhaupt unfähig sind, objektives Wissen über ihre Umwelt zu erwerben.
Eine viel zu allgemeine Aussage, um irgendeinen praktischen Nutzen zu haben. Du jagst Gespenster, genauso wie der in die Metaphysik vernarrte Kant.
>In jedem Falle aber ist die Welt, so wie der Elefant für den Blinden oder die Zukunft für den, der den Bürgermeister anschüttet, vergleichbar einem komplexen Gitter aus Begriffen, zwischen denen Relationen bestehen - und unser Bewußtsein ist vergleichbar einem Käferchen, das in diesem ungeheuren Gitter herumkrabbelt: Es kann günstigstenfalls zwei oder drei Begriffe und ihre Relationen gleichzeitig erfassen, es gelingt ihm aber nicht, das Gitter in seiner Gänze zu überblicken, seine Ordnung zu verstehen und hierüber allerseits annehmbare Aussagen zu machen.
Wo ist die Notwendigkeit, solche Aussagen zu machen?
>Demgegenüber zwingt uns indes die Realität ständig zu Entscheidungen: Wenn alle Informationen aber so brüchig, so undurchschaubar und so wenig festgefügt sind, woher nehmen wir dann die notwendigen Orientierungen für das, was wir tun müssen und tun sollen?
Das sagt uns unser Instinkt, der angeboren ist.
>Die Antwort darauf ist offensichtlich: Andere Menschen - teils früher lebende, teils jetzt noch lebende - befanden sich schon in ähnlichen Situationen und waren ebenso gezwungen, sich »irgendwie« zu verhalten. An ihnen und ihrem Schicksal zeigt sich, welche Verhaltensformen wünschenswerte und welche schlechte Folgen hatten. Aus diesem Grunde sind wir zwingend auf andere Menschen angewiesen: auf Eltern, Lehrer, Meister, Ärzte oder Richter, auf die Überlieferung, die als ein ungeheurer Erfahrungsschatz von menschlichem Verhalten und seinen Folgen verstanden werden kann, und auf Institutionen, die sich auf der Grundlage dieser Erfahrung mit der Zeit herausgebildet haben. Wir sind auf Verantwortung und Vertrauen angewiesen. Dies ergibt sich aus dem informationellen Mißverhältnis zwischen der Komplexität unserer Welt und dem unzureichenden Vermögen unseres Bewußtseins. Wir wären überhaupt nicht lebensfähig, wenn wir uns nicht ständig auf erfolgserprobte Verhaltensmuster stützen könnten.
Alles Quatsch. Institutionen sind Instrumente der Machtausübung, hat nichts mit Erfolgserprobung zu tun.Dem Menschen werden die Instinkte ausgetrieben, um ihn anschliessend leichter manipulieren zu können.
>Denn unser Wissen über die Welt ist immer nur Stückwerk. Es bedarf schon sehr großen Unverständnisses über die Situation des Menschen in dieser Welt und sehr großer Überheblichkeit, Gesellschaftsentwürfe neu zu schaffen, die diesen Erfahrungsschatz der Menschheit ignorieren oder ihm gar widersprechen.
Wohl noch nie Nietzsche gelesen?
>Dennoch wird genau das seit Anfang der Neuzeit immer wieder versucht; zunächst - ohne größeren Schaden anzurichten - bloß literarisch, als Utopie, schließlich aber auch in der Realität. Wenige bemerken, daß derartige Versuche, wenn auch subtiler als in den vergangenen Jahrhunderten, durchaus auch heute noch im Gange sind! Wie die Erfahrung zeigt, fügen derartige Experimente der jeweils betroffenen Gesellschaft stets schwere Wunden zu.
>Weshalb nehmen derartige Versuche dennoch niemals ein Ende?
Weil die Menschheit sich weiterentwickeln muss.
>Als René Descartes 1637 seine vier Regeln der „Problemanalyse“ veröffentlicht hatte [Mein Descartes-Posting], läutete das nicht nur in den Naturwissenschaften, sondern insbesondere das erste seiner vier Postulate („Zweifle an allem!“) auch auf dem Gebiete des so genannten „social engeneering“ ein neues Zeitalter ein; - als ob es möglich wäre, ein „wissenschaftlich begründetes“ allseits gerechtes und allen genehmes soziales System zu schaffen. Die Jakobiner probierten das in Frankreich, die Bolschwiken in Rußland und die Faschisten in Mitteleuropa; - jeweils mit einer ähnlichen Mischung aus Sozialutopie und glühendem Glauben an das „natürliche Volksempfinden“ (oder das, was sie jeweils dafür hielten).
>Es erstaunt nicht, daß sich alle diese Versuche letztlich als nicht lebensfähig erwiesen haben! Denn das - geistige - Werkzeug, das Descartes „erfunden“ hatte, ist zwar hervorragend geeignet im Bereich der Naturwissenschaften, taugt aber - was die sozialen Eiferer stets übersahen - überhaupt nicht für das „social engeneering“; - so wenig, wie eine Klistierspritze etwa als Werkzeug für einen Zahnarzt taugt.
Der Gipfel der Überheblichkeit! Die Wissenschaft steht erst am Anfang und wissenschaftlich denkende Menschen sind bis heute immer noch die Ausnahme, wie man ja auch bei Deinem Posting sieht.
>Es ist eine simple Frage der Logik: Der Erfahrungsschatz beispielsweise, den Eltern, Lehrer, Meister, Ärzte oder Richter, die Überlieferung und Institutionen für uns bereithalten, sagt uns, was wir tun sollen.
Offensichtlich sind diese Überlieferungen nicht eindeutig, so daß am Ende jeder meint, etwas Anderes tun zu"sollen".
>Hingegen werden uns noch so viel Informationen, Computerausdrucke, Statistiken, Wörterbücher oder Enzyklopädien das niemals sagen können. Es gibt kein noch so umfangreiches Lexikon aus dessen Inhalt wir jemals die Forderung ableiten könnten: „Butter statt Kanonen!“ Das ist logisch unmöglich! Deshalb gibt es kein „wissenschaftlich begründetes“ soziales System; so etwas kann es nie geben.
Nicht jeder möchte von Fremden gesagt bekommen, was er tun soll. Nicht immer von Dir auf andere schliessen.
Die Wissenschaft arbeitet mit „Tatsachen“, mit „Informationen“; der Logiker sagt: mit „ Aussage-Sätzen“! Sätze hingegen, die auf ein sollen, wollen oder dürfen hinauslaufen, uns also sagen, was wir tun sollen, sind „Imperative“. Es ist ein von Linken, von so genannten Humanisten und sonstigen Weltverbesserern immer übersehenes unumstößliches Prinzip der Logik, daß sich mit „Aussagesätzen“ „Imperative“ prinzipiell weder beweisen noch widerlegen und daß sich „Imperative“ grundsätzlich niemals aus „Aussagesätzen“ableiten lassen!
So what? Wer braucht denn Deine Imperative? Naive Logik ist sowieso nur sehr begrenzt einsetzbar.
>Aus der Wahrheit der Aussage: Die Produktion von Kanonen ist nur auf Kosten der Butterproduktion möglich, folgt lediglich die Wahrheit der Aussage: > > <ul>Wenn wir die Butterproduktion erhöhen wollen, > dann müssen wir die Produktion von Kanonen einschränken.</ul>
>Was wir nun aber tatsächlich TUN SOLLEN, bleibt dabei völlig in der Schwebe.
Ist doch wurscht. What's the point?
>Die Waffen der Wissenschaft können den Soll-Sätzen der Moral, der Religion und der Institutionen somit ganz grundsätzlich und einfacher Logik folgend niemals etwas anhaben.
Du hast anscheined nicht kapiert, daß Moral und Religion nicht das geringste mit Wissenschaft zu tun haben können. Jede Art von positiver Metaphysik ist ein Irrtum.
>Jede sogenannte „wissenschaftliche Begründung“ für eine Maßnahme, die den allgemeinen Vorstellungen der Moral oder den durch Institutionen festgelegten Regeln, jenem „allgemeinen Kapital aller Zeiten und Völker“ (Burke) widerspricht, ist somit - wie gut sie auch ursprünglich gemeint gewesen sein mag - prinzipiell unrichtig, eine Selbsttäuschung und mindert dieses „allgemeine Kapital aller Zeiten und Völker“, stellt einen willkürlichen Eingriff in die Textur einer funktionierenden sozialen Kooperation dar.
Moral, Regeln, Institutionen und Völker sind entstanden und verändern sich und verschwinden auch irgendwann wieder. Da gibt es nicht Allgemeingültiges oder Ewiges.
>Vor solchen"Wissenschaftlern" ist also zu warnen, die uns glauben machen wollen, sie hätten fertige Lösungen für unsere schwierigen Probleme in der Tasche. Nein: Niemand hat solche Lösungen in der Tasche;
Die Lösungen sind eben noch im Entstehen.
>solche Lösungen bestehen ausnahmslos darin, daß alte Übel durch andere, neue ersetzt werden.
Ein bisschen Abwechslung schadet nichts.Und alle"Lösungen", auch die zukünftigen, kannst Du nicht kennen.
>Wir müssen die Lösungen vielmehr gemeinsam mit Sachverstand und Verantwortungsbewußtsein suchen. Menschliches Verhalten setzt Werte voraus, die verschiedene Verhaltensmöglichkeiten verschieden bewerten
Das Leben eines Einzelnen reicht aber einfach nicht aus, die notwendigen Tugenden selbst zu erfinden, jeder muß aus den Erfahrungen anderer lernen.
Der Instinkt ist immer da, wenn man ihn braucht. Nur aus eigenen Erfahrungen lernt man. Mein Instinkt und meine Erfahrung raten mir zum Beispiel, Leuten wie Dir nicht zu trauen ;-)
>Wenn wir menschlich zusammenleben wollen, dann müssen wir fremden Erfahrungen folgen und auf ihre Richtigkeit vertrauen, auch wenn wir sie nicht in ein Schema von Ursache und Wirkung bringen können.
Was soll das sein"menschlich zusammenleben"? Scheint mir ein reiner Zirkelschluss zu sein, Dein Satz.
>Denn die Regeln der Logik - wie im übrigen auch die Erfahrung - lehren, daß Wertsysteme nicht theoretisch konstruiert werden können, sondern immer das Ergebnis einer langen - und oft schweren - Erfahrung sind.
Endlich sind wir am Ende der Sonntagspredigt. Sie riecht modrig nach Mittelalter. Aber vermutlich liegst Du damit voll im Trend, leider.
>Gruß
>(Versprechen erfüllt)
>G.
Gruß zurück
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JÜKÜ
27.11.2001, 01:57
@ mguder
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Re: Moral, Geld, Religion: - Über den sozialen Wert von Institutionen |
>Endlich sind wir am Ende der Sonntagspredigt. Sie riecht modrig nach Mittelalter. Aber vermutlich liegst Du damit voll im Trend, leider.
Schlechten Tag heute gehabt?
Lies mal den letzten Absatz des Artikels, den DU kürzlich hier rein gesellt hast: hier das Posting
Und hier der Absatz:
Während die Bedeutung solcherlei Experimente in der Hirnforschung noch heftig debattiert wird, bilden sie für Philosophen und Kognitionswissenschafter wie Daniel Dennett die Basis, um vom klassischen Bild eines zentralen Selbstes, in welchem sich sämtliche bewusste Wahrnehmung bündelt, abzukommen. Diesem Bild hält er seine - ebenfalls heftig debattierte - Theorie der"multiplen Entwürfe" entgegen. Diese Theorie besagt, dass unsere bewussten Hirnzustände letztlich nur kulturell entstandene und untereinander konkurrierende Interpretationsprozesse der dem Gehirn verfügbaren Informationen sind. Was letztlich bedeutet, dass es überhaupt kein erlebendes Ich gibt, das einer Illusion erliegen und durch diese getäuscht werden könnte.
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Caspar
27.11.2001, 02:25
@ Galiani
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Sehr schönes und wichtiges Posting |
Und zwar auch schön geschrieben. Das ist eine Tugend, die Du hier im Board besonders voran bringst. Mir ist das sehr angenehm, weil ich denke, dass es eine Rolle spielt. Ich weiss nicht, ob das Wort"Am Start erkennt man den Sieger" genau passt, aber ich meine in meiner (mittellangen) Labenserfahrung festgestellt zu haben: so wie man etwas täglich betreibt, so wird das Ergebnis. (Heisst zugleich: Zweck heiligt nicht die Mittel.) Danke.
Besten Gruss,
-caspar
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Uwe
27.11.2001, 08:00
@ Galiani
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Re: Moral, Geld, Religion: - Über den sozialen Wert von Institutionen |
Hallo Galiani!
Ein sprachlicher Meilenstein ist Dir da wahrlich gelungen. Es wird mir nicht gelingen, an Deinem Meilenstein ein Warnschild aufzustellen, das vor dem Stolperstein, den er ebenso nach meinem Empfinden darstellt, warnt.
Wenn Du die Erfahrung und Vorgehensweise von Eltern, Lehrern, Meistern, Ärzte und Richtern als Sammelsurium der „vorgefertigten“ Entscheidungen (Zitat: „...sagt uns, was wir tun sollen“) anpreist, so möchte ich denn doch ernsthafte Bedenken anmelden, nicht nur wegen der aufgezählten Berufsgruppen (Pfarrer werde ich in die Gruppe der Lehrer einordnen ;-)), sondern vor allen Dingen, weil dies m.E., aus jeder Zeit betrachtet, sehr schnell auf Irrwege führen muss, wo zu erkennen ist, dass derartiger Konservatismus der Weg in den Niedergang war und vermutlich auch weiterhin sein wird. Das jüngste Beispiel dafür war nach meiner Sicht der Niedergang des Ostblockes, dessen vielleicht konservativster Vertreter, E.Honnecker, trotz der Zeichen um ihn herum, noch das Motto vertrat:"Den sozialistischen Gang in seinem Lauf, halten weder Ochs’ noch Wagen auf" (oder so ähnlich).
Von Lehrer, Meistern, Ärzten und Richtern lernen, heißt eben vor allen Dingen, aus ihren Fehlern zu lernen und zu versuchen, den Ursprung dieser Fehler auszuschalten. Auf der Suche nach diesen Quellen darf es keiner Generation verwert werden, eben diese bisherigen Lösungen (Krieg, Raubbau,... leider fallen mir historisch momentan nur negative Lösungen ein) der"Alten" zu hinterfragen und als Richtig anzuzweifeln.
Ich stimme natürlich mir Dir überein, dass es keine verordneten Weg für die Menschheit und die Gesellschaft geben wird, doch vor allen Dingen wünsche ich keiner Jugend das Verbot, eigene Ideen umzusetzen.
Leider kann ich wegen der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit jetzt nicht tiefer auf Deine Gedanken eingehen. sofern noch aktuell, werde ich mich bemühen dieses nachzuholen,
Einen guten Tag
Uwe
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riwe
27.11.2001, 08:01
@ mguder
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Re: Moral, Geld, Religion: - Über den sozialen Wert von Institutionen |
Hallo mguder,
Deine Ausdrucksweise entspricht den Inhalten Deiner geradezu hingerotzen Aussagen. Wie wäre es mal mit wenigstens einem Versuch, eine gegenteilige Meinung gepflegt darzulegen?
Gruss
riwe
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riwe
27.11.2001, 08:15
@ JÜKÜ
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Re: Bravo Galiani! Wirklich ein MEILENSTEIN! (owT) |
Auch von mir, bravo, bravissimo Galiani,
für Deine immer wieder bemerkenswerten Beiträge, deren Inhalte mir den Weg zu weiteren Erkenntnissen öffnen.
Gruss
riwe
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riwe
27.11.2001, 08:28
@ Uwe
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Re: Moral, Geld, Religion: - Über den sozialen Wert von Institutionen |
>Hallo Galiani!
>Ein sprachlicher Meilenstein ist Dir da wahrlich gelungen. Es wird mir nicht gelingen, an Deinem Meilenstein ein Warnschild aufzustellen, das vor dem Stolperstein, den er ebenso nach meinem Empfinden darstellt, warnt.
>Wenn Du die Erfahrung und Vorgehensweise von Eltern, Lehrern, Meistern, Ärzte und Richtern als Sammelsurium der „vorgefertigten“ Entscheidungen (Zitat: „...sagt uns, was wir tun sollen“) anpreist, so möchte ich denn doch ernsthafte Bedenken anmelden, nicht nur wegen der aufgezählten Berufsgruppen (Pfarrer werde ich in die Gruppe der Lehrer einordnen ;-)), sondern vor allen Dingen, weil dies m.E., aus jeder Zeit betrachtet, sehr schnell auf Irrwege führen muss, wo zu erkennen ist, dass derartiger Konservatismus der Weg in den Niedergang war und vermutlich auch weiterhin sein wird. Das jüngste Beispiel dafür war nach meiner Sicht der Niedergang des Ostblockes, dessen vielleicht konservativster Vertreter, E.Honnecker, trotz der Zeichen um ihn herum, noch das Motto vertrat:"Den sozialistischen Gang in seinem Lauf, halten weder Ochs’ noch Wagen auf" (oder so ähnlich).
>Von Lehrer, Meistern, Ärzten und Richtern lernen, heißt eben vor allen Dingen, aus ihren Fehlern zu lernen und zu versuchen, den Ursprung dieser Fehler auszuschalten. <
Hallo Uwe,
um den Ursprung auszuschalten, müssten wir diesen erst einmal erkennen. Wir können meines Erachtens nur versuchen, etwas, was wir als falsch erkannt haben, nicht zu wiederholen. Wobei wir möglicherweise wieder neue Fehler machen, die wir unseren Kinder als den richtigen Weg beschreiben, worauf das Spiel weiter läuft, bis zukünftige Generationen aus der Summe aller Erfahrungen eine Norm ableiten können, wie sie z.B. aus meiner Sicht die 10 Ge-(Ver-)bote darstellen.
Gruss
Riwe
>Auf der Suche nach diesen Quellen darf es keiner Generation verwert werden, eben diese bisherigen Lösungen (Krieg, Raubbau,... leider fallen mir historisch momentan nur negative Lösungen ein) der"Alten" zu hinterfragen und als Richtig anzuzweifeln.
>Ich stimme natürlich mir Dir überein, dass es keine verordneten Weg für die Menschheit und die Gesellschaft geben wird, doch vor allen Dingen wünsche ich keiner Jugend das Verbot, eigene Ideen umzusetzen.
>Leider kann ich wegen der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit jetzt nicht tiefer auf Deine Gedanken eingehen. sofern noch aktuell, werde ich mich bemühen dieses nachzuholen,
>Einen guten Tag
>Uwe
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nereus
27.11.2001, 09:16
@ riwe
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Re: Moral, Geld, Religion: - Über den sozialen Wert.. - Riwe! |
Hallo riwe!
Du schreibst in Bezug auf mguder: Deine Ausdrucksweise entspricht den Inhalten Deiner geradezu hingerotzen Aussagen. Wie wäre es mal mit wenigstens einem Versuch, eine gegenteilige Meinung gepflegt darzulegen?
Ich weiß zwar nicht ob ich"hinrotzen" geschrieben hätte, aber gedacht habe ich das auch.
Galiani hat ein sehr vernünftigen Beitrag geschrieben und meiner Meinung nach keinesfalls das kritische Hinterfragen zur Disposition gestellt, wie vielleicht manche Kritiker vermuten.
Aber wenn ich etwas hinterfrage und ändern will, muß ich erst mal wissen ob ich es wirklich besser machen kann und ob die Kritik fundamental berechtigt ist.
Leider wird zu oft schnell geschossen und gerade die Justiz ist ein schönes Beispiel dafür wie man erst durch intensive Beschäftigung mit einem Problem zu einem fairen Urteil gelangen kann.
So einfach wie die Dinge erscheinen sind sie eben meist doch nicht und ein reicher Erfahrungsschatz ist zumindest eine Hilfe oder ein Wegweiser für eigene Entscheidungen.
Darauf wollte Galliani wohl hinaus und so haben Du und ich ihn offensichtlich auch verstanden.
Damit wollte er sicher kein Dogma für altgestaubte Ansichten errichten.
mfG
nereus
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Uwe
27.11.2001, 10:21
@ riwe
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Re: Moral, Geld, Religion: - Über den sozialen Wert von Institutionen |
riwi:[i]...um den Ursprung auszuschalten, müssten wir diesen erst einmal erkennen. Wir können meines Erachtens nur versuchen, etwas, was wir als falsch erkannt haben, nicht zu wiederholen.[/i]
Natürlich volle Zustimmung, denn genau darauf wollte ich auch hinaus, da ich unsicher bin, ob eine"statistische Auswertung" der beiden Leitaussagen:
<ol> ~"Überlieferung und Intitutionen sagen uns, was wir tun sollen" bzw. ~"Überlieferung und Intitutionen sagen uns, was wir nicht tun sollen"</ol>
irgendeinen markanten Vorsprung für die eine oder andere Aussage liefern würde; je nach eigener Stimmungslage ich würde sogar einen"Vorsprung" für den zweiten Leitsatz vermuten. Und damit wären wir wieder bei der Frage angelang, wer trifft die Auswahl was an Werten zu übernehmen ist?
Gruß
Uwe
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Cujo
27.11.2001, 12:24
@ JÜKÜ
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Re: Bravo Galiani! Wirklich ein MEILENSTEIN! (owT) |
wie mguder schon feststellte ("modriges mittelalter"), steht dieser"meilenstein" für bornierten erzreaktionismus im spenglerschen, marquardschen oder gehlenschen sinne....nicht umsonst ist die entsprechende institutionenlehre (gehlen) längst philosophisch ad adsurdum geführt worden.......auf den zusammenhang mit dem nationalsozialismus möchte ich lieber nicht eingehen....
gruß
cujo
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Galiani
27.11.2001, 13:38
@ nereus
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@nereus: Re: Moral, Geld, Religion: - Über den sozialen Wert.. - Riwe! |
Hallo nereus
Danke für Deinen Beitrag.
In Deinem Posting findet sich im übrigen ein ganz toller Satz, der mich (ich bin vor allem Jurist!) besonders angesprochen hat:
<ul>Leider wird zu oft schnell geschossen und gerade die Justiz ist ein schönes Beispiel dafür wie man erst durch intensive Beschäftigung mit einem Problem zu einem fairen Urteil gelangen kann.</ul>
Ja, Du hast recht! In der Rechtsprechung hat man eine Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende lange Erfahrung, wie man vorgehen muß, um die"Wirklichkeit" zu erkennen; - nur Dummköpfe meinen, daß das eine einfache Aufgabe ist!
Und alle entwickelten Rechtsverfahren gehen diesbezüglich ähnlich vor: Nach schriftlicher Vorbereitung eine oder mehrere mündliche Verhandlungen, in der alle Beteiligten ausreichend Gehör finden, sowie - sozusagen als doppelte und dreifache Sicherheit - der Instanzenzug!
Das schließt Fehlurteile zwar noch immer nicht gänzlich aus, aber es wird doch sehr, sehr selten, daß dabei nicht die volle Wahrheit ans Licht kommt.
Also nochmals: Danke, für Deine Überlegungen!
Gruß
G.
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Galiani
27.11.2001, 13:43
@ Caspar
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Danke für das Kompliment. Es hat mich gefreut! Beste Grüße (owT) |
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Caspar
27.11.2001, 14:02
@ Cujo
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Re: Bravo Galiani! Wirklich ein MEILENSTEIN! / Argumente? |
>auf den zusammenhang mit dem nationalsozialismus möchte ich lieber nicht eingehen...
Sowas kann man aber nicht einfach nebulös in den Raum stellen. Die Nazi-Keule zu schwingen, und dann keine Argumente?!
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Galiani
27.11.2001, 14:19
@ Uwe
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@Uwe Re: Moral, Geld, Religion: - Über den sozialen Wert von Institutionen |
Hallo Uwe
An dem, was Du sagst, ist natürlich manches Wahre. Meine Aufzählung"Eltern, Lehrer... u.s.w. war natürlich ein bißchen journalistisch verkürzt und vereinfacht die Sache (vielleicht allzu sehr). Nicht jede Meinung eines Lehrers oder eines Vaters ist eine"richtige" Meinung und beherzigenswert...
Das ist so ähnlich wie mit der"Demokratie", die ja auch (viel zu) häufig und völlig naiv als eine Art Automat aufgefaßt wird, wo man oben nur den in Wahlen festgestellten Wählerwillen hineinzuwerfen brauche, um unten"Freiheit", das"Recht" und die"politisch richtige", jedenfalls aber unantastbare"Entscheidung" herausziehen zu können. Kann man natürlich genauso wenig wie man"das richtige Verhalten" automatisch durch Vorgesetzte vorgezeichnet erhält. Menschen sind fehlbar; Wähler ebenso wie Lehrer, Eltern u.s.w.
Das ändert aber nichts daran, daß Institutionen, etwa das Recht, das Geld, die Familie, das Eigentum u.a. sozusagen die"geronnene Menschheitserfahrung bezüglich solcher Verhaltensweisen darstellen, die erlauben, soziale Kooperation erfolgversprechend zu gestalten." Und darum ging's mir in meinem Beitrag primär. Alles andere war (mehr oder weniger)"Didaktik".
Schon die alte Kultur in Kreta, die Jahrtausende überdauert hat, hatte die Institution des Eigentums sowie den Begriff der Familie in ihrer Verfassung verankert. Hume hat in seinem"Treatise of Human Nature" (Part ii, sect. vi) richtig festgestellt, daß"... this wou'd produce an infinite confusion in human society, and... wou'd quickly bring disorder into the world, if [avidity and partiality and the human nature to conduct themselves... by particular judgments, wou'd not be] restrain'd by some general and inflexible principles". (David Hume - The Philosophical Works, ed. by Green and Grose, vol 2, p. 298f; London 1896)
Dies als Ergänzung zu meinem Beitrag.
Herzliche Grüße
G.
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Cujo
27.11.2001, 14:21
@ Caspar
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Re: Bravo Galiani! Wirklich ein MEILENSTEIN! / Argumente? |
>>auf den zusammenhang mit dem nationalsozialismus möchte ich lieber nicht eingehen...
>Sowas kann man aber nicht einfach nebulös in den Raum stellen. Die Nazi-Keule zu schwingen, und dann keine Argumente?!
hi caspar,
also mit der"nazikeule" zu schwingen überlasse ich jemand anderem hier...
ich habe nur kurz angerissen, daß galianis'"institutionen-posting" in anlehnung zur philosophischen anthropologie arnold gehlens zu begreifen ist (zumindest aus meiner sicht).
der zusammenhang seiner lehre mit dem nationalsozialismus ist in der zeitgenössischen philosophie hinlänglich diskutiert wurden (thies, christian, gehlen, junius 2000 etc.)
ich denke nicht, daß ich hier etwas"nebulös" stehen lasse, wenn ich auf den viel thematisierten diskurs zwischen gehlen u.a. und seiner institutionlehre und dem nationalsozialismus hinweise....
gruß
cujo
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Galiani
27.11.2001, 14:22
@ riwe
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Danke jedenfalls riwe für die hochinteressante, weiterführende Diskussion. Gruß (owT) |
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Galiani
27.11.2001, 14:59
@ Cujo
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@Cuio: Wenn ein Dackel irgendwo hustet, hat er damit noch nicht Gehlen widerlegt |
Hallo Cuio
Also, ich verstehe nicht recht:"... die Nazi-Keule zu schwingen"???! Bist Du Nazi? Oder werde da ich von Dir beschuldigt, einer zu sein...
Leider sagen mir die von Dir als"Autoritäten" ins Feld geführten"... thies, christian,... junius 2000 etc." überhaupt nichts! (Ebensowenig wie das"... etc.", übrigens!)"Junius2000" klingt irgendwie nach"Kommunistischem Manifest" oder so ähnlich; vielleicht noch mit etwas mehr Gewürz! Baader-Meinhof...?? Mao...??
Aber ich kenn' diese Autoren, wie gesagt, nicht! Was natürlich nur heißt, daß wir ganz offenbar nicht dieselbsen Bücher lesen. Nicht mehr und nicht weniger!
"Nebulös" bleibt Deine Wortmeldung für mich damit aber allemal. Ich sehe mich deshalb außerstande, darauf sachlich zu antworten.
Gruß
G.
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PuppetMaster
27.11.2001, 15:02
@ Galiani
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Re: Moral, Geld, Religion: - Über den sozialen Wert von Institutionen |
>Wenn wir menschlich zusammenleben wollen, dann müssen wir fremden Erfahrungen folgen und auf ihre Richtigkeit vertrauen, auch wenn wir sie nicht in ein Schema von Ursache und Wirkung bringen können. Denn die Regeln der Logik - wie im übrigen auch die Erfahrung - lehren, daß Wertsysteme nicht theoretisch konstruiert werden können, sondern immer das Ergebnis einer langen - und oft schweren - Erfahrung sind.
hallo galiani
ich bin wirklich nicht sicher, ob ich dich verstehe oder worauf du hinauswillst.
darum eine vielleicht provokante frage: wäre es nicht folgerichtig, da wir die institutionen nicht hinterfragen und verbessern sollen, dass wir noch in einem katholischen gottesstaat leben würden?
(oder anders: ist es unumstösslich 'legitim' für islamische völker die scharia anzuwenden?)
strukturell kann ich zwischen einem liberalen revolutionär 1848 und einem kommunistischen revolutionär 1917 keinen unterschied erkennen. beide stellten die herrschenden srukturen (institutionen) fundamental in frage.
(bin aber nicht besonders geschichtsfest, kann mich irren).
des weitern schreibst du andernorts von"gerechten institutionen", die alleine die möglichkeit besitzen sollen, macht auszuüben. mich würde interesieren, wie du"gerecht" definierst, sowie eine aufzählung heutiger institutionen, die du als"gerecht" empfindest.
und was machen wir mit (möglicherweise existierenden) institutionen, die nicht (oder nicht mehr) gerecht sind?
andernorts schreibst du, dass"macht an sich böse ist" und"das böse lauert überall" (oder ähnlich). hier würde mich neugierdehalber interessieren, an welchen parametern du"böse" festmachst.
gruss
p.s.
die formulierung"Es ist ein von Linken, von so genannten Humanisten und sonstigen Weltverbesserern" ist nicht gerade günstig, für einen sachliche auseinadersetzung, da zu tendenziös:)
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Cujo
27.11.2001, 15:13
@ Galiani
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Re: @Cuio: Wenn ein Dackel irgendwo hustet, hat er damit noch nicht Gehlen widerlegt |
>Hallo Cuio
>Also, ich verstehe nicht recht:"... die Nazi-Keule zu schwingen"???! Bist Du Nazi? Oder werde da ich von Dir beschuldigt, einer zu sein...
du mußt schon richtig lesen.....ich wurde beschuldigt die nk zu schwingen....
>Leider sagen mir die von Dir als"Autoritäten" ins Feld geführten"... thies, christian,... junius 2000 etc." überhaupt nichts! (Ebensowenig wie das"... etc.", übrigens!)"Junius2000" klingt irgendwie nach"Kommunistischem Manifest" oder so ähnlich; vielleicht noch mit etwas mehr Gewürz! Baader-Meinhof...?? Mao...??
wenn du den junius-verlag nicht kennst dürfte dir suhrkamp wohl auch unbekannt sein....
>Aber ich kenn' diese Autoren, wie gesagt, nicht! Was natürlich nur heißt, daß wir ganz offenbar nicht dieselbsen Bücher lesen.
soll ich dir jetzt allenernstens hier im forum die gehlen-debatte mit literaturhinweisen aufbereiten (wenns sein muß gerne)...versuchs mal bei vittorio hösle, adorno....von mir aus bei den französischen postmodernen....bei habermas ("die neue unübersichtlichkeit") findest ebenfalls interessantes material....selbst luhmann ("gesellschaft der gesellschaft") geht drauf ein....
Nicht mehr und nicht weniger!
>"Nebulös" bleibt Deine Wortmeldung für mich damit aber allemal. Ich sehe mich deshalb außerstande, darauf sachlich zu antworten.
>Gruß
>G.
das glaube ich dir ungesehen....
gruß
cujo
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PuppetMaster
27.11.2001, 15:39
@ Uwe
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Re: Moral, Geld, Religion: - Über den sozialen Wert von Institutionen |
>riwi:[i]...um den Ursprung auszuschalten, müssten wir diesen erst einmal erkennen. Wir können meines Erachtens nur versuchen, etwas, was wir als falsch erkannt haben, nicht zu wiederholen.[/i]
>Natürlich volle Zustimmung, denn genau darauf wollte ich auch hinaus, da ich unsicher bin, ob eine"statistische Auswertung" der beiden Leitaussagen:
><ol> ~"Überlieferung und Intitutionen sagen uns, was wir tun sollen" bzw. ~"Überlieferung und Intitutionen sagen uns, was wir nicht tun sollen"</ol>
>irgendeinen markanten Vorsprung für die eine oder andere Aussage liefern würde; je nach eigener Stimmungslage ich würde sogar einen"Vorsprung" für den zweiten Leitsatz vermuten. Und damit wären wir wieder bei der Frage angelangt, wer trifft die Auswahl was an Werten zu übernehmen ist?
allerdings, du bringst die sache auf den punkt.
vielleicht kennst die aussagen des sog."radikalen konstruktivimus"? ich bin ziemlich ein freund davon. die kernaussage lautet, dass unsere wahrgenommene wirklichkeit (ich spreche jetzt nicht von fakten) alleine das ergebnis von kommunikation ist. das heisst, wir erschaffen unsere (subjektive) welt selbst in einem prozess des kommunikativen austausches. kommunikation dient als gegenseitige handlungsanweisung, wie soll ich etwas sehen, was ist richtig und was ist falsch, was soll ich tun oder lassen. in diesem prozess der wirklichkeitskonstruktion haben m.e. vor allem die medien ("monodirektionale massen'kommunikation'") einen wichtigen einfluss darauf, wie unsere welt wahrgenommen wird, also ist.
goebbels hat das, glaub ich, früh ganz gut begriffen und angewendet. zum glück hatte er nicht genug zeit, um das kollektive* unbewusste, also auch das wertesystem, nachhaltig neu zu definieren:)
gruss
p.s.
* zur sicherheit: kollektiv hat nichts mit sozialismus zu tun. ich bin zu jung für antikommunistische reflexe:)
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Josef
27.11.2001, 16:01
@ Cujo
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@Cujo: Gehlen interessiert mich. Haettest du evtl. einen Link dazu? Danke. |
>>Hallo Cuio
>>Also, ich verstehe nicht recht:"... die Nazi-Keule zu schwingen"???! Bist Du Nazi? Oder werde da ich von Dir beschuldigt, einer zu sein...
>
>du mußt schon richtig lesen.....ich wurde beschuldigt die nk zu schwingen....
>>Leider sagen mir die von Dir als"Autoritäten" ins Feld geführten"... thies, christian,... junius 2000 etc." überhaupt nichts! (Ebensowenig wie das"... etc.", übrigens!)"Junius2000" klingt irgendwie nach"Kommunistischem Manifest" oder so ähnlich; vielleicht noch mit etwas mehr Gewürz! Baader-Meinhof...?? Mao...??
>wenn du den junius-verlag nicht kennst dürfte dir suhrkamp wohl auch unbekannt sein....
>>Aber ich kenn' diese Autoren, wie gesagt, nicht! Was natürlich nur heißt, daß wir ganz offenbar nicht dieselbsen Bücher lesen.
>soll ich dir jetzt allenernstens hier im forum die gehlen-debatte mit literaturhinweisen aufbereiten (wenns sein muß gerne)...versuchs mal bei vittorio hösle, adorno....von mir aus bei den französischen postmodernen....bei habermas ("die neue unübersichtlichkeit") findest ebenfalls interessantes material....selbst luhmann ("gesellschaft der gesellschaft") geht drauf ein.... > Nicht mehr und nicht weniger!
>>"Nebulös" bleibt Deine Wortmeldung für mich damit aber allemal. Ich sehe mich deshalb außerstande, darauf sachlich zu antworten.
>>Gruß
>>G.
>das glaube ich dir ungesehen....
>gruß
>cujo
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Galiani
27.11.2001, 16:31
@ PuppetMaster
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Re: Moral, Geld, Religion: - Über den sozialen Wert von Institutionen |
Hallo PuppetMaster
>«...die formulierung"Es ist ein von Linken, von so genannten Humanisten und sonstigen Weltverbesserern" ist nicht gerade günstig, für einen sachliche auseinadersetzung...»
Gegessen!... Um Deine Ausdrucksweise zu benutzen! Darauf habe ich zu wenig geachtet! An anderer Stelle habe ich das wie folgt umschrieben:"Die Gegner unserer Gesellschaftsordnung, denen die Freiheit vielfach kein Anliegen ist..."
Es wäre besser gewesen, es dabei zu belassen! Obwohl die Aggressivität erstaunlich ist (und erst noch auf ihre Wurzeln hin untersucht werden müßte), mit der die Gegner unserer Gesellschaftsordnung, denen die Freiheit vielfach kein Anliegen ist, darauf reagieren, wenn man sie mit solchen Worten beschreibt.
>«...kann ich zwischen einem liberalen revolutionär 1848 und einem kommunistischen revolutionär 1917 keinen unterschied erkennen. beide stellten die herrschenden srukturen (institutionen) fundamental in frage....»
Es stimmt, daß in beiden von Dir genannten Fällen die Revolutionäre ...die herrschenden srukturen in frage ... stellten. Aber das jeweils angestrebte Endziel dieser beiden Revolutionen war doch ein ganz anderes:
1848 kämpften die Revolutionäre, um für sich Freiheit zu erreichen. Wobei die"Freiheit" eines jener"Menschenrechte" ist, das - eben durch Überlieferung - tief im Bewußtsein jedes Menschen verankert ist und - insbesondere dann - gefordert wird, wenn die Menschen spüren, daß ihnen die Freiheit genommen wird. Es ist ein Irrtum zu glauben, daß es den Revolutionären von 1848 darum ging, bürgerliche Institutionen in Frage zu stellen; an diesen hatten sie nicht das geringste auszusetzen.
1917 dagegen wollten die Revolutionäre an die Stelle eines"autoritären" Staates ein totalitäres Regime setzen und eben jede Freiheit unterdrücken sowie alle bürgerlichen Institutionen umwerfen. Die Durchsetzung dieser Ziele forderte in weiterer Folge ja auch 20 - und manche sagen sogar: 40 - Millionen Tote!
«... sowie eine aufzählung heutiger institutionen, die du als"gerecht" empfindest... »
Wenn ich sagte"gerechte Institutionen", so nicht in dem Sinne, daß einige Institutionen"gerecht" wären und andere eben"ungerecht". Ich meinte das vielmehr final: Institutionen, um eine gerechte Welt zu schaffen! Die Institution des"Eigentums" etwa oder die"Familie" u.a. Auch"Geld" ist beispielsweise eine Institution, wobei jedoch durch die Entwicklung dessen, was R.Deutsch"legales Falschgeld" nennt, nicht nur an der"Gerechtigkeit" dieser Institution, sondern in logischer Folge auch an der Institution des"Eigentums" laufend gekratzt wird. Aus anthropologischer Perspektive (N.B.: Die Menschen brauchen"gerechte" Institutionen!) bin ich geneigt, jenen Auguren im Forum zuzustimmen, die meinen, eine solche Entwicklung müsse früher oder später zu einer Katastrophe - oder doch zumindest zu einer Krise - führen.
Grüße in die Schweiz
G.
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Galiani
27.11.2001, 16:35
@ Cujo
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Ah, ja! Lauter Gesellschaftskritiker, denen die Freiheit kein Anliegen ist. Gruß (owT) |
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mguder
27.11.2001, 16:49
@ nereus
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Re: Moral, Geld, Religion: - Über den sozialen Wert.. - Riwe! |
Hallo nereus
>Du schreibst in Bezug auf mguder: Deine Ausdrucksweise entspricht den Inhalten Deiner geradezu hingerotzen Aussagen. Wie wäre es mal mit wenigstens einem Versuch, eine gegenteilige Meinung gepflegt darzulegen?
>Ich weiß zwar nicht ob ich"hinrotzen" geschrieben hätte, aber gedacht habe ich das auch.
Man sieht, ich habe einen empfindlichen Punkt getroffen.
>Galiani hat ein sehr vernünftigen Beitrag geschrieben und meiner Meinung nach keinesfalls das kritische Hinterfragen zur Disposition gestellt, wie vielleicht manche Kritiker vermuten.
Genau das tut er. Er schreibt allgemein von irgendwelchen Werten und Institutionen, hat aber etwas ganz bestimmtes dabei im Hinterkopf. Er hält sich an allgemeine Formulierungen, um weniger Angriffsfläche zu bieten.
>Aber wenn ich etwas hinterfrage und ändern will, muß ich erst mal wissen ob ich es wirklich besser machen kann und ob die Kritik fundamental berechtigt ist.
Muss ich nicht. Alles muss auf seine Existenzberechtigung hin ständig hinterfragt werden. Es gibt nichts Menschengemachtes, was nicht zu kritisieren wäre.Alles enthält eine Mischung aus Vernunft und Wahnsinn.
>Leider wird zu oft schnell geschossen und gerade die Justiz ist ein schönes Beispiel dafür wie man erst durch intensive Beschäftigung mit einem Problem zu einem fairen Urteil gelangen kann.
Vorsicht ist gerade bei der Justiz angebracht. In der Praxis herrschen die Juristen.
>So einfach wie die Dinge erscheinen sind sie eben meist doch nicht und ein reicher Erfahrungsschatz ist zumindest eine Hilfe oder ein Wegweiser für eigene Entscheidungen.
Natürlich. Eigene Erfahrungen, nicht fremde.
>Darauf wollte Galliani wohl hinaus und so haben Du und ich ihn offensichtlich auch verstanden.
Er behauptet, jeder solle sich nach den Ratschlägen von anderen richten, eine Vorgehensweise, die ich aus eigener Erfahrung heraus ablehne.
>Damit wollte er sicher kein Dogma für altgestaubte Ansichten errichten.
Doch genau das will er, jedenfalls habe ich ihn so verstanden.
Gruß
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mguder
27.11.2001, 17:03
@ JÜKÜ
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Re: Moral, Geld, Religion: - Über den sozialen Wert von Institutionen |
>>Endlich sind wir am Ende der Sonntagspredigt. Sie riecht modrig nach Mittelalter. Aber vermutlich liegst Du damit voll im Trend, leider.
>Schlechten Tag heute gehabt?
>Lies mal den letzten Absatz des Artikels, den DU kürzlich hier rein gesellt hast: hier das Posting
>Und hier der Absatz:
>Während die Bedeutung solcherlei Experimente in der Hirnforschung noch heftig debattiert wird, bilden sie für Philosophen und Kognitionswissenschafter wie Daniel Dennett die Basis, um vom klassischen Bild eines zentralen Selbstes, in welchem sich sämtliche bewusste Wahrnehmung bündelt, abzukommen. Diesem Bild hält er seine - ebenfalls heftig debattierte - Theorie der"multiplen Entwürfe" entgegen. Diese Theorie besagt, dass unsere bewussten Hirnzustände letztlich nur kulturell entstandene und untereinander konkurrierende Interpretationsprozesse der dem Gehirn verfügbaren Informationen sind. Was letztlich bedeutet, dass es überhaupt kein erlebendes Ich gibt, das einer Illusion erliegen und durch diese getäuscht werden könnte.
>
Hallo JüKü
Wo ist das Problem? Galiani behauptet, es wäre bereits allgemein bekannt, was gut und was schlecht ist. Natürlich meint er damit implizit, daß er genau wisse, was gut und was schlecht sei. Er behauptet also, 1., daß es ewige absolute Wahrheiten gibt, 2. Daß er und bestimmte Leute und Institutionen im Besitze einiger dieser Wahrheiten seien und 3. Daß sich alle anderen Menschen gefälligst danach zu richten hätten.
Ich lehne diese Aussagen vehement ab. Wer die Möglichkeit eines Fortschritts bestreitet, ist eindeutig ein Vertreter des Mittelalters.
Wo ist da der Widerspruch zu meinem Posting über die Wahrnehmung?
Gruß
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nereus
27.11.2001, 18:06
@ mguder
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Re: Moral.. Über den sozialen Wert.. - Riwe! - mguder! |
Hallo mguder!
Ich schrieb: Galiani hat ein sehr vernünftigen Beitrag geschrieben und meiner Meinung nach keinesfalls das kritische Hinterfragen zur Disposition gestellt, wie vielleicht manche Kritiker vermuten.
Du antwortest: Genau das tut er. Er schreibt allgemein von irgendwelchen Werten und Institutionen, hat aber etwas ganz bestimmtes dabei im Hinterkopf. Er hält sich an allgemeine Formulierungen, um weniger Angriffsfläche zu bieten.
Was Galiani im Hinterkopf hat, kann ich nicht beurteilen. Im Prinzip haben wir ja alle etwas im Hinterkopf wenn wir hier schreiben, oder nicht?
Die kleine Angriffsfläche vermutest Du - kann sein, kann nicht sein.
Alles muss auf seine Existenzberechtigung hin ständig hinterfragt werden. Es gibt nichts Menschengemachtes, was nicht zu kritisieren wäre. Alles enthält eine Mischung aus Vernunft und Wahnsinn.
Das dürfte die halbe Wahrheit sein.
Natürlich soll man hinterfragen. Aber es besteht ganz eindeutig die Gefahr vor lauter Fragerei nicht mehr zu Potte zu kommen. Man kann die Dinge auch zu Tode fragen und dies wird heute sehr oft gemacht. Alles verkommt zur Quasselbude und es wird eben nicht mehr gehandelt wo es nötig wäre.
Allen recht machen kann man es sowieso nie.
Vorsicht ist gerade bei der Justiz angebracht. In der Praxis herrschen die Juristen.
In der Praxis sind Menschen tätig und die machen Fehler. Politische Prozesse würde ich in dieser Betrachtungsweise generell außen vor lassen.
Aber wie schnell scheint ein Kriminalfall klar zu sein, bis sich später herausstellt es war eben nicht so klar. Das ist z.B. ein Grund für mich gegen die Todestrafe zu sein, mit dem Risiko wirkliche Mörder nicht zu töten (obwohl sie es vielleicht verdient hätten) sondern nur einzubuchten. Wobei dann wiederum sicherzustellen wäre, daß sie auch wirklich dort bleiben und nicht von irgendwelchen Therapeuten gesund gebetet werden.
Wenn sich nach 15 Jahren herausstellt er war es doch nicht, ist zumindest ein dramatisches Fehlurteil verhindert worden.
Eigene Erfahrungen, nicht fremde.
Auch fremde Erfahrungen können hilfreich sein. Man kann doch schon aufgrund begrenzter Raum- und Zeitbedingungen nicht jede Erfahrung selbst machen.
Wenn mir jemand sagt: In Afrika gibt es gefährliche Krankheiten und wenn Du dort hinreist, lasse Dich vor impfen. Dann wüßte ich nicht warum ich auf diesen Rat nicht hören sollte. Sicherlich kann es auch umsonst sein, aber das Risiko wäre mir letzlich wohl etwas zu hoch.
Er behauptet, jeder solle sich nach den Ratschlägen von anderen richten, eine Vorgehensweise, die ich aus eigener Erfahrung heraus ablehne.
Nein, so absolut hat er das nicht geschrieben. Er wies aber sicherlich daraufhin, daß die Erfahrung der Alten eben nicht immer nur Schrott sind und damit kann ich mich anfreunden.
Was soll's?
Jeder liest eben das aus einem Posting was er lesen will.
So lange nur verbal gestritten wird ist doch alles noch im grünen Bereich.
mfG
nereus
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PuppetMaster
27.11.2001, 18:14
@ Galiani
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Re: Moral, Geld, Religion: - Über den sozialen Wert von Institutionen |
hallo galiani
> >«...die formulierung"Es ist ein von Linken, von so genannten Humanisten und sonstigen Weltverbesserern" ist nicht gerade günstig, für einen sachliche auseinadersetzung...»
>Gegessen!... Um Deine Ausdrucksweise zu benutzen! Darauf habe ich zu wenig geachtet! An anderer Stelle habe ich das wie folgt umschrieben:"Die Gegner unserer Gesellschaftsordnung, denen die Freiheit vielfach kein Anliegen ist..."
>Es wäre besser gewesen, es dabei zu belassen! Obwohl die Aggressivität erstaunlich ist (und erst noch auf ihre Wurzeln hin untersucht werden müßte), mit der die Gegner unserer Gesellschaftsordnung, denen die Freiheit vielfach kein Anliegen ist, darauf reagieren, wenn man sie mit solchen Worten beschreibt.
soweit würde ich gar nicht untersuchen. es könnte einfach sein, dass es sich um ein missverständnis sprich kommunikationsproblem handelt. ich gehe jedenfalls davon aus, dass"linke","humanisten" und"weltverbesserer" ehrenhafte menschen sind, die (in ihrem weltbild) das gute fördern/schaffen wollen und ihr bestes tun. wenn da nun jemand diese (evtl. vermeintlich) guten absichten invers, also als böse darstellt, ist es nur verständlich, gibt es negative emotionen. dich würde es wohl auch ziemlich ärgern, wenn man dich als kryptomonarchisten bezeichnen würde, da man dich wohl schlicht verkannt hätte.
scheinbar sind für dich"linke" vor allem"Gegner unserer Gesellschaftsordnung", was ich für eine zutiefst undemokratische darstellung hielte. zu der linken gehören für mich z.b. auch die gewerkschaften, welche ich als legitime gesellschaftliche kraft verstehe.
freiheit hat zweifellos ihre grenzen. es ist meines wissens bestandteil der liberalen lehre, dass die eigene freiheit dort aufhört wo die unfreiheit des anderen beginnt. in der praxis sind dies schwierige abgrenzungsprozesse (privat bis global), für die es bis heute kein patentrezept gibt. die"linken und"weltverbesserer" stehen vielleicht in der graduellen grenze des konfliktfeldes"meine freiheit-deine unfreiheit" oder"persönliche freiheit-gesellschaftliche pflicht" einfach nicht an der selben stelle wie du. daraus zu schlussfolgern freiheit wäre ihnen kein anliegen, finde ich falsch.
> >«...kann ich zwischen einem liberalen revolutionär 1848 und einem kommunistischen revolutionär 1917 keinen unterschied erkennen. beide stellten die herrschenden strukturen (institutionen) fundamental in frage....»
>Es stimmt, daß in beiden von Dir genannten Fällen die Revolutionäre ...die herrschenden strukturen in frage ... stellten. Aber das jeweils angestrebte Endziel dieser beiden Revolutionen war doch ein ganz anderes:
ja? endziel klingt verfänglich...:)
>1848 kämpften die Revolutionäre, um für sich Freiheit zu erreichen. Wobei die"Freiheit" eines jener"Menschenrechte" ist, das - eben durch Überlieferung - tief im Bewußtsein jedes Menschen verankert ist und - insbesondere dann - gefordert wird, wenn die Menschen spüren, daß ihnen die Freiheit genommen wird. Es ist ein Irrtum zu glauben, daß es den Revolutionären von 1848 darum ging, bürgerliche Institutionen in Frage zu stellen; an diesen hatten sie nicht das geringste auszusetzen.
deine darstellung ist etwas inkomplett. was war dann die unfreiheit dieser"bürger" (die vor der frz. revolution, schon wieder eine, keine waren)? wenn ich mich nicht irre, hiessen die streitereien damals sezessionskriege. und der schweiz ging es darum, dass sich die protestantischen kantone zu einem bundesstaat weltlichen musters formieren wollte, während die katholischen kantone vehement dagegen waren (nur gott alleine soll über mein land herrschen...). welches ist also die MEGA institution, gegen deren bestimmungsmacht sich die liberalen revolutionäre auflehnten und sie anschliessend, pardon, kastrierten?
darum finde ich es auch schade, hast du die wesentlichen fragen meines postings unter den tisch fallen lassen (katholischer gottesstaat, scharia).
soviel zu den guten alten institutionen, die ja immerhin jahrhunderte funktioniert haben.
menschenrechte. ich zweifle daran, dass die menschenrechte eine universelle gültigkeit besitzen. das zu glauben ist kulturimperialismus. menschenrechte = rechte des individuums. viele kulturen haben für das individuum vor allem pflichten parat und keine rechte. dies gilt auch für sehr alte kulturen, wie z.b. in china.
>1917 dagegen wollten die Revolutionäre an die Stelle eines"autoritären" Staates ein totalitäres Regime setzen und eben jede Freiheit unterdrücken sowie alle bürgerlichen Institutionen umwerfen. Die Durchsetzung dieser Ziele forderte in weiterer Folge ja auch 20 - und manche sagen sogar: 40 - Millionen Tote!
wenn ich die kommunistische ideologie richtig verstanden habe, war die absicht weder möglichst viele tote zu schaffen, noch jede freiheit zu unterdrücken. nein, es war doch auch eine emanzipationsbewegung! dass der schuss hinten raus ging, wissen wir nun zur genüge.
der merkantlismus, zu dem sich der liberalismus in der praxis mutiert hat, schafft auf eigene weise auch ihre toten, stichwort afrika. wie du selber ahnst, ist das system des kapitalismus genauso marode wie es das sowjetreich am ende war. darum finde ich es nicht angebracht einen"triumph des marktliberalen systems" zu feiern.
übrigens: meiner meinung nach hat uns die siegreiche rote armee von der faschistischen diktatur gerettet. 20 mio tote im 2. WK für die freiheit westeuropas. dies nur so als gedankenanstoss:)
>«... sowie eine aufzählung heutiger institutionen, die du als"gerecht" empfindest... »
>Wenn ich sagte"gerechte Institutionen", so nicht in dem Sinne, daß einige Institutionen"gerecht" wären und andere eben"ungerecht". Ich meinte das vielmehr final: Institutionen, um eine gerechte Welt zu schaffen! Die Institution des"Eigentums" etwa oder die"Familie" u.a. Auch"Geld" ist beispielsweise eine Institution, wobei jedoch durch die Entwicklung dessen, was R.Deutsch"legales Falschgeld" nennt, nicht nur an der"Gerechtigkeit" dieser Institution, sondern in logischer Folge auch an der Institution des"Eigentums" laufend gekratzt wird. Aus anthropologischer Perspektive (N.B.: Die Menschen brauchen"gerechte" Institutionen!) bin ich geneigt, jenen Auguren im Forum zuzustimmen, die meinen, eine solche Entwicklung müsse früher oder später zu einer Katastrophe - oder doch zumindest zu einer Krise - führen.
"Institutionen, um eine gerechte Welt zu schaffen!": ist das nicht weltverbesserungstümmelei, welche du als antagonisten der freiheit demaskiert hast? sorry, aber der hinweis auf diesen widerspruch musste sein.
gruss
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Cujo
27.11.2001, 18:21
@ Galiani
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Re: Ah, ja! Lauter Gesellschaftskritiker, denen die Freiheit kein Anliegen ist. Gruß (owT) |
klar, luhmann, hösle...die französischen postmodernen...alles gesellschaftskritiker....d
du hast nicht die geringste ahnung...
keiner spricht schlauer als er ist....
gruß ins dunkle (geklaut)
cujo
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Cujo
27.11.2001, 19:25
@ Josef
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Re: @Cujo: Gehlen interessiert mich. Haettest du evtl. einen Link dazu? Danke. |
>>>Hallo Cuio
>>>Also, ich verstehe nicht recht:"... die Nazi-Keule zu schwingen"???! Bist Du Nazi? Oder werde da ich von Dir beschuldigt, einer zu sein...
>>
>>du mußt schon richtig lesen.....ich wurde beschuldigt die nk zu schwingen....
>>>Leider sagen mir die von Dir als"Autoritäten" ins Feld geführten"... thies, christian,... junius 2000 etc." überhaupt nichts! (Ebensowenig wie das"... etc.", übrigens!)"Junius2000" klingt irgendwie nach"Kommunistischem Manifest" oder so ähnlich; vielleicht noch mit etwas mehr Gewürz! Baader-Meinhof...?? Mao...??
>>wenn du den junius-verlag nicht kennst dürfte dir suhrkamp wohl auch unbekannt sein....
>>>Aber ich kenn' diese Autoren, wie gesagt, nicht! Was natürlich nur heißt, daß wir ganz offenbar nicht dieselbsen Bücher lesen.
>>soll ich dir jetzt allenernstens hier im forum die gehlen-debatte mit literaturhinweisen aufbereiten (wenns sein muß gerne)...versuchs mal bei vittorio hösle, adorno....von mir aus bei den französischen postmodernen....bei habermas ("die neue unübersichtlichkeit") findest ebenfalls interessantes material....selbst luhmann ("gesellschaft der gesellschaft") geht drauf ein....
>> Nicht mehr und nicht weniger!
>>>"Nebulös" bleibt Deine Wortmeldung für mich damit aber allemal. Ich sehe mich deshalb außerstande, darauf sachlich zu antworten.
>>>Gruß
>>>G.
>>das glaube ich dir ungesehen....
>>gruß
>>cujo
hi josef,
ich bin erst morgen wieder zuhause....ich kann dir dann die entsprechende literatur bzw. die kapitel nennen...aus dem stegreif kann ich dir nur die einführung zu gehlen empfehlen: thies, christian, gehlen, kapitel 2: institutionenlehre, kap.3: gehlen und der nationalsozialismus....
des weiteren lepenies, wolf, melancholie und gesellschaft (letztes kap. gehlens anthropologie)...gehlen, arnold, die seele im technischen zeitalter....
gehlen ist DER vertreter der deutschen konservativen anthropologie...adorno und gehlen führten in den 60er jahren die"institutionen-debatte"....
ansonsten...versuch mal in der suchmaschine: arnold gehlen, institutionen, mensch....
gruß
cujo
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Galiani
27.11.2001, 19:34
@ mguder
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@mguder: Ich hab zu Deinen Ausführungen noch ein paar Fragen |
Hallo
Ich habe Deine Ausführungen zu meinem Posting mit großem Interesse gelesen:
Du meinst also, nur ich fände mich im Universum der Wirtschaft oder gar der Welt als Ganzes kognitiv nicht ausreichend zurecht. Dir gelinge das mühelos!"Die Zukunft" allerdings sei nicht [einmal für Dich]"vorhersehbar." Aber Dein"so what?" macht wohl deutlich, selbst das sei kein wirkliches Problem für Dich....
Na dann! Ich gratuliere zu allen 5 Nobelpreisen, die Dir sicherlich bald aufgrund dieser Allwissenheit verliehen werden. Das Problem wird nur sein, Dich von dieser Verleihung zu verständigen, da Du doch infolge Deines sagenhaften Vermögens, das Du zweifellos durch so besondere Fähigkeiten angehäuft hast, zwischen Deinen Seereisen auf Deiner 200-Meter-Yacht, Deinem Haus in Palm Beach und Deiner Villa an der Côte d'azur nicht sehr leicht irgendwo anzutreffen sein wirst.
Betrübt hat mich ein wenig, daß Du von Immanuel Kant nichts hältst. Denn das bedeutet, daß ich durch die Lektüre der Bücher dieses Trottels in meinem Leben einiges an Zeit vergeudet habe. Danke aber jedenfalls, daß Du mich darauf aufmerksam machst.
Daß Du in Anbetracht Deines allumfassenden Wissens fragst: "Wo ist die Notwendigkeit... Aussagen zu machen?", hat mich freilich zunächst ein bißchen ratlos gemacht. Dann aber habe ich mir überlegt, daß Du ja bereits im Besitze von (mindestens) 5 Nobelpreisen wärest, wenn Du schon über irgendwas aus Deinem übergroßen Erkenntnisfundus Aussagen gemacht hättest! So aber steht die weltbewegende Überraschung, daß Du Dein Wissen kundtust, noch bevor! - Sehr clever von Dir, dieses Spiel mit dem Nobelpreiskommitee:"Ich weiß alles, aber ich sag's Euch nicht!"
Obwohl...! - Ein bißchen zu zweifeln an dem, was Du sagst, habe ich dann doch angefangen. Nämlich, nachdem ich von Dir gelesen habe, daß Du Dich bei Entscheidungen über die Frage, was Du tun sollst, ausschließlich auf Deinen"Instinkt" verläßt,"der [Dir] angeboren" sei. Bist Du sicher? Welche Instinkte hast Du eigentlich noch, um damit Entscheidungen zu treffen, nachdem Dir, wie Du schreibst, die"Instinkte" doch"ausgetrieben" worden sind,"um [Dich] anschliessend leichter manipulieren zu können". Außerdem frage ich mich natürlich, wo sich Deine Instinkte befinden: Ich habe ich immer gedacht, Entscheidungen darüber, was man tun soll, würden am oberen Ende der Wirbelsäule getroffen, während die von Dir offenbar so geschätzten"Instinkte" eher an deren unterem Ende angesiedelt seien. (Da kann ich mir im übrigen ja gratulieren, wenn Dir - wie es einige Zeilen weiter unten in Deinem Posting heißt -"...Dein Instinkt ratet,... Leuten wie mir nicht zu trauen." Guuuuuut! Ich kann Dir versichern, ich wäre eine Enttäuschung für Dich!
Du siehst: Fragen über Fragen, zu denen ich Dich um Aufklärung bitte.
Interessant auch Deine Meinung zu den großen Gesellschaftsexperimenten der letzten 250 Jahre. Du sagst, diese seien notwendig,"weil [sich] die Menschheit weiterentwickeln muß". Mich würde dazu interessieren, wo Du denkst, daß sich die Menschheit besser weiterentwickeln konnte: auf der Guillotine, in den Gaskammern oder im Gulag. Wenn Du mir darauf antworten möchtest, dann bitte im verschlossenen Briefumschlag, weil die Äußerung solcher Ansichten im Internet politisch nicht korrekt wäre. Ein sich darauf beziehender Satz in Deinem Posting, nämlich: "...Ein bisschen Abwechslung schadet nichts.... läßt mich jedenfalls das Schlimmste befürchten.
Ein bißchen degoutant finde ich es, ehrlich gesagt, wenn Du mir dann unmittelbar anschließend an meine Bemerkung, daß eine Klistierspritze nicht als Werkzeug für den Zahnarzt tauge, wörtlich widersprichst: Das sei"[D]er Gipfel der Überheblichkeit!..." Hier gehen unsere Geschmäcker doch ziemlich stark auseinander, mguder. Und - da hast Du Recht! - noch soviel"Wissenschaft" wird mich nicht dazu bringen, diesbezüglich Deine Ansicht zu teilen.
Ob ich Nietzsche gelesen hab'? Aber doch! Er hat beispielsweise einmal - [ frei zitiert (Menschliches Allzumenschliches, ii, 306) ] - zugegeben, daß sich Menschen von Zeit zu Zeit durchaus einmal"verlieren" dürften; eine Erfahrung, die Du ja gerade zu machen scheinst! Allerdings müßten sie sich dann, sagt der Philosoph,"wieder finden". Ich nehme an, das 'Dich wiederfinden' steht Dir erst noch bevor.
Nietzsche erwähnt in diesem Zusammenhang allerdings ausdrücklich, auf dieses sich "wieder finden" dürften nur"Denker" hoffen.
G.
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mguder
27.11.2001, 20:45
@ Galiani
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Danke für die schönen Komplimente. Haben mich sehr gefreut. Besten Gruß:-) (owT) |
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Galiani
27.11.2001, 21:27
@ PuppetMaster
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@PuppetMaster Re: Moral, Geld, Religion: - Über den Wert von Institutionen |
Hallo PuppetMaster
Also gut: Nicht "Gesellschaftsgegner", sondern "Gesellschaftskritiker". Zufrieden?
> «..."persönliche freiheit-gesellschaftliche pflicht" einfach nicht an der selben stelle wie du. daraus zu schlussfolgern freiheit wäre ihnen kein anliegen, finde ich falsch.»
Deine idealistische Sichtweise des Problems ehrt Dich: Du bist ein guter Mensch. Ideologisch aber ist das, was man heute (noch immer) als progressiv bezeichnet, mit der Freiheit, so wie ich sie an anderer Stelle beschrieben habe, nämlich als"Freiheit des Menschen, sein Glück zu suchen, so wie er es versteht", also mit jenen Prinzipien der Freiheit, die als großartige kulturelle Leistung im alten Griechenland entwickelt wurden, absolut unvereinbar.
Das wird von Linken zwar immer bestritten, ist aber so. Die"progressive" Idee knüpft an den Gedanken der Gleichheit aller an. Wer aber"Gleichheit" will, muß verhindern, daß Ungleichheit be- oder neu entsteht. Und das geht nur mit mehr oder weniger Zwang, vornehmlich durch Beschneidung der Bewegungsfreiheit dessen, der sein Glück, so wie er es versteht, suchen will.
Darüber kann man unendlich lange diskutieren. Die Praxis aber spricht eine deutliche Sprache: Nimm Dir das Ranking etwa des Europäischen Forums oder des World Economic Freedom Networks zur Hand: Du wirst feststellen, daß Länder um so weniger frei sind, je stärker sozialistisch ihre Regierungen sind.
> «...hast du die wesentlichen fragen meines postings unter den tisch fallen lassen (katholischer gottesstaat, scharia).»
Jede Idee kann man so lange erweitern, bis sie nicht mehr paßt. Ich habe in meinem Posting das Wort"Religion" in dem Katalog der Institutionen nur widerstrebend aufgenommen (und eigentlich nur, weil R.Deutsch die"Religion" in seiner Aufzählung hatte). Grundsätzlich bin ich der Meinung, daß es nur ganz weniger Elemente bedarf, um eine reibungsfreie soziale Kooperation sicherzustellen: Die individuelle Freiheit, so wie sie im alten Griechenland definiert wurde, (rechtlicher Schutz des Individuums als Mitglied der Gemeinschaft; Sicherheit vor willkürlichem Arrest und willkürlicher Enteignung; das Recht auf freie Berufswahl; das Recht der Freizügigkeit); das Institut des Eigentums, das Institut der Familie, die Sicherheit von Verträgen, den Grundsatz, daß Eigentumsübertragungen nur im gegenseitigen Einverständnis möglich sind.
Wenn man diese Elemente allerdings durchdenkt, so hat das eine Vielzahl von Konsequenzen auf alle möglichen Gebiete, insbesondere z. B. auch für das Rechtswesen und das Geld.
> «...wenn ich die kommunistische ideologie richtig verstanden habe, war die absicht weder möglichst viele tote zu schaffen...»
Schon richtig! Aber als totalitäre Idee nahm der Bolschweismus Millionen von Toten bewußt in Kauf, um sein System gegen den Widerstand der Bevölkerung errichten zu können. Das ist neu und einzigartig in der Geschichte. Weder die Römer, noch die Griechen, noch irgend ein mittelalterlicher Herrscher hat jemals ganze Völker ausgerottet, bloß um ein bestimmtes (in ferner Zukunft Glück verheißendes) gesellschaftliches System aufrichten zu können.
> «...20 mio tote im 2. WK für die freiheit westeuropas...»
Ich sprach nicht von den Weltkriegstoten, sondern von den Massenmorden unter Trotzki, Lenin und Stalin.
> «...der merkantlismus, zu dem sich der liberalismus in der praxis mutiert hat...»
Das ist eine - auch historisch - ganz falsche Sicht der Dinge.
> «..."Institutionen, um eine gerechte Welt zu schaffen!": ist das nicht weltverbesserungstümmelei...»
Nein! Keineswegs, wenn Du die obige Liste der Institutionen betrachtest, von denen ich sagte, daß sie für eine reibungslose soziale Kooperation nötig sind/ausreichen!
Freiheit, Eigentum, Familie u.s.w. schaffen eine gerechte Welt! Nur - sorry! - Weltverbesserer und Zyniker können das bestreiten.
Gruß
G.
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Uwe
27.11.2001, 23:30
@ Galiani
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Re: @Galiani: Über Moral, Geld und Religion.... |
Hallo Galinia!
In Deiner Ergänzung zu Deinem Beitrag - besten Dank dafür -, ziterst und bewrtest Du:
[i]„Treatise of Human Nature" (Part ii, sect. vi) richtig festgestellt, daß
"... this wou'd produce an infinite confusion in human society, and... wou'd quickly bring disorder into the world, if [avidity and partiality and the human nature to conduct themselves... by particular judgments, wou'd not be] restrain'd by some general and inflexible principles".
(David Hume - The Philosophical Works, ed. by Green and Grose, vol 2, p. 298f; London 1896)[/i]
Ich vermag momentan nicht direkt zu erkennen, wie ich diesen Auszug, den ich als erweiterte und dennoch noch nicht allumfassende Textstelle so gefunden habe:
[i]»Were men, therefore, to take the liberty of acting with regard to the laws of society, as they do in every other affair, they wou’d conduct themselves, on most occasions, by particular judgments, and wou’d take into consideration the characters and circumstances of the persons, as well as the general nature of the question. But ‘tis easy to observe, that this wou’d produce an infinite confusion in human society, and that the avidity and partiality of men wou’d quickly bring disorder into the world, if not restrain’d by some general and inflexible principles.«[/i]
in das Thema einordnen kann.
Darüber hinaus war mir natürlich durchaus bewusst, dass Deine Aufzählung"Eltern, Lehrer…usw." nicht vollständig sein sollte und konnte, und es ist bestimmt auch aufgefallen, dass ich bei meiner Kritik an den von Dir vorgestellten"Reigen" bewusst die"Eltern", als Synonym für Familie, herausgehalten habe, nicht weil ich glaube, dass ihr eine höhere Kompetenz in Dingen"Überlieferung" zu geben ist, sondern weil auf dieser Ebene wohl sicher nicht rational Fassbares eine entscheidende Rolle spielt.
Danken möchte ich auch mguder und puppetmaster, die, wenn auch nicht in meinen direkten Worten, für mich wichtige"Kritikpassagen" aus Deinem Text herausgearbeitet haben, sodass mir eine erneute Erörterung hierzu erspart bleibt.
Im Laufe des Tages sind ist mir immer wieder der Gedanke durch den Kopf gegangen, welche der von Dir genannten Berufsstände wohl am ehesten geeignet ist, die Menschheitserfahrung weitergeben zu können und es ist gut, dass wir dabei von den Berufständen"Lehrer, Meister, Ärzte, Richter, usw." auf die Institutionen"Lehre, Handwerk,??mir fällt hier nichts ein??, Gerichtswesen, usw." wechseln können.
Es verfestigt sich bei mir der Schluss, dass eigentlich nur das Handwerk (einschließlich sonstiger Fertigungseinrichtungen) es ist, was über die Zeiten unverändert geeignet ist, Erfahrungen der Fertigung und eingeschränkt des Handels weiterzugeben, denn alles andere hat seine Zeit und seine temporäre"Obrigkeit" und dabei insbesondere das Gerichtswesen. Somit erscheint mir das Hervorheben dieser zeitlich bezogenen Regeln, wie das Würdigen des"Geßler-Hutes".
Die Bewahrung von Moral, Geld, Religion und die Überlieferung derer Wertemaßstäbe ist als umfassende Forderung in dieser Allgemeinheit aus meiner Sicht niemals aufstellbar (schon allein die Geschichte spricht dagegen), ohne in der dabei eingenommenen Starrheit zu zerbrechen, denn es ist ja gerade unser Stückwerk der Kenntnis, das uns alle zu Suchende und Fragende erheben könnte.
Gruß
Uwe
P.S.
Ein wenig treibt mich die Sorge, daß wir uns, trotz des Titels, doch vom Börsen-/Wirtschaftsthema entfernen, wenn weiter in die Tiefe dieser Gedanken eingestiegen wird.
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Uwe
27.11.2001, 23:45
@ PuppetMaster
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Re: Moral, Geld, Religion: - Über den sozialen Wert von Institutionen |
Hallo PuppetMaster!
Ob es auf Dauer gelingen wird, egal welche Zeit und welche Medien zur Verfügung stehen, kollektives Bewußtsein oder Empfinden zu"entwickeln", wage ich zu bezweifeln, solange der Konkurrenzgedanke der Menschheit nicht fremd ist und dadurch ein"Streiten" um den Anspruch der richtigen Sicht bestand hat (Umsturz, Revolution...).
Dennoch sehe ich durchaus, über die Zeiten, die von Dir aufgezeigten Gefahren, die in einer Einseitigkeit von Medien liegen könnte oder gar schon liegt (Ob TED-Umfragen da etwas an der Wirkung der monodirektionale Massenkommunikation ändern könnten? ;-)).
Gruß
Uwe
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Caspar
28.11.2001, 01:29
@ Cujo
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Re: Ah, ja! Lauter Gesellschaftskritiker / Sokal/Bricmont |
>klar, luhmann, hösle...die französischen postmodernen...alles gesellschaftskritiker....d
>du hast nicht die geringste ahnung...
>keiner spricht schlauer als er ist....
Zur französischen Postmoderne kann ich ein gutes Buch allen empfehlen, die Deleuze, Baudrillard, Irigaray und Konsorten nicht verstanden haben wie ich.
Alan Sokal, Jean Bricmont. Eleganter Unsinn. Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaften mißbrauchen; München: Beck, 1999 (ISBN 3406452744)
Die beiden amerikanischen Naturwissenschaftler zeigen darin wie diverse"Philosophen" physikalische Modelle sinnentstellend als Metaphern verwenden. Beliebt sind Heisenbergs Unschärferelation und die Relativitätstheorie. Der Tenor des Buches, das viel Aufsehen erregt hat, lautet: das hervorstechende Merkmal dieser Texte ist Ihre Unklarheit.
Gruss,
-caspar
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Cujo
28.11.2001, 08:22
@ Caspar
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Re: Ah, ja! Lauter Gesellschaftskritiker / Sokal/Bricmont |
>>klar, luhmann, hösle...die französischen postmodernen...alles gesellschaftskritiker....d
>>du hast nicht die geringste ahnung...
>>keiner spricht schlauer als er ist....
hi caspar,
>Zur französischen Postmoderne kann ich ein gutes Buch allen empfehlen, die Deleuze, Baudrillard, Irigaray und Konsorten nicht verstanden haben wie ich.
Konsorten? kann es sein, daß du a priori eine philosophische strömung ("postmoderne") versubjektivierst beziehungsweise verpersönlichst?
>Alan Sokal, Jean Bricmont. Eleganter Unsinn. Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaften mißbrauchen; München: Beck, 1999 (ISBN 3406452744)
>Die beiden amerikanischen Naturwissenschaftler zeigen darin wie diverse"Philosophen" physikalische Modelle sinnentstellend als Metaphern verwenden. Beliebt sind Heisenbergs Unschärferelation und die Relativitätstheorie. Der Tenor des Buches, das viel Aufsehen erregt hat, lautet: das hervorstechende Merkmal dieser Texte ist Ihre Unklarheit.
>Gruss,
>-caspar
ich habe das buch gelesen...es ist sicher interessant...leider etwas flach.....sokal/bricmont greifen"punktuelle ekstasen" aus dem kontext heraus, um entsprechend zu polemisieren....daher auch der erfolg des buches....die beiden linken"gesellschaftskritiker" b. und s. bemühen sich nicht, die postmodernen denker im zusammenhang zur festgestellten moderne zu begreifen.
gruß
cujo
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Galiani
28.11.2001, 12:30
@ Uwe
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Richtig! Einige Präzisierungen findest Du in meinem Posting an PuppetMaster (owT) |
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Caspar
28.11.2001, 14:44
@ Cujo
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Re: @Cujo |
Hi Cujo,
>>>klar, luhmann, hösle...die französischen postmodernen...alles gesellschaftskritiker....d
>>>du hast nicht die geringste ahnung...
>>>keiner spricht schlauer als er ist....
>>Zur französischen Postmoderne kann ich ein gutes Buch allen empfehlen, die Deleuze, Baudrillard, Irigaray und Konsorten nicht verstanden haben wie ich.
>Konsorten? kann es sein, daß du a priori
Nicht a priori, ich habe mir manche von den von Dir zitierten Autoren angeguckt.
eine philosophische strömung ("postmoderne") versubjektivierst beziehungsweise verpersönlichst?
Das verstehe ich nicht. Meinst Du einfach, ich sei beleidigt? Das nicht.
>>Alan Sokal, Jean Bricmont. Eleganter Unsinn. Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaften mißbrauchen; München: Beck, 1999 (ISBN 3406452744)
>>Die beiden amerikanischen Naturwissenschaftler zeigen darin wie diverse"Philosophen" physikalische Modelle sinnentstellend als Metaphern verwenden. Beliebt sind Heisenbergs Unschärferelation und die Relativitätstheorie. Der Tenor des Buches, das viel Aufsehen erregt hat, lautet: das hervorstechende Merkmal dieser Texte ist Ihre Unklarheit.
>>Gruss,
>>-caspar
>ich habe das buch gelesen...es ist sicher interessant...leider etwas flach.....
Flach = verständlich?
sokal/bricmont greifen"punktuelle ekstasen" aus dem kontext heraus, um entsprechend zu polemisieren....daher auch der erfolg des buches....die beiden linken"gesellschaftskritiker"
Es sind keine Gesellschaftskritiker, sondern Physiker und Kritiker unklarer Texte mit falschen naturwissenschaftlichen Referenzen.
>b. und s. bemühen sich nicht, die postmodernen denker im >zusammenhang zur festgestellten moderne zu begreifen.
Ich will mal versuchen etwas Emo rauszunehmen. Ich habe Dich kritisiert, weil Du Galiani kritisiert hast, indem Du bestimmte Namen von Autoren (deren Positionen Du scheinbar für Allgemeingut hältst) aufgezählt hast. Weiterhin hast Du nahegelegt, dass Galianis Position mit der eines Philosophen namens Gehlen übereinstimmt, der in einem nicht weiter erläuterten Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus steht.
Gehlen war NSDAP-Mitglied. Das stimmt. Aber von Gehlen hast nur Du gesprochen, G. hat sich nicht auf ihn berufen in seinem Anfangsposting.
Insgesamt halte ich es immer für problematisch und für polemisch, bei philosophischen Diskussionen den Nazi-Verdacht aufzuwerfen. Wenn Du die bisherigen Postings von Galiani verfolgt hast, dann wüsstest Du, dass G. sehr liberale Ansichten vertritt. Ausserdem kann man fast alles mit dem Nationalssozialismus in Zusammenhang bringen, weil die Nazi-Ideologie ein völliger Gemischtwarenladen der verrücktesten Ideen des frühen zwanzigsten Jh. war: Rassismus, Antikapitalismus, Sozialismus, Antisemitismus. Diese Elemete haben sich dann auch gerne mal wiedersprochen, und das wird dann auch als einer der Gründe verstanden, weshalb die SA innerhalb der"Bewegung" ausgeschaltet worden ist. Es gab die Kritik des"arbeistlosen Einkommens", also Zinskritik, die die Gesellianer deshalb auch immer um die Ohren bekommen, es gab später enge Verflechtung mit dem deutschen Grosskapital, usw. Weisst Du ja alles sicher selber. Nur: als Argument eignet sich sowas natürlich nihct, finde ich zumindest.
Zu den von Dir zitierten Autoren: meine Erfahrung mit philosophischen Texten (unterschätze die bitte nicht allzusehr) sagt mir, dass wenn ich sie nicht verstehe, dann verstehen andere sie garantiert nicht immer gleich. Soll heissen: schwerverständliche Texte scheitern mit ihrem Anspruch Wissen zu kommunizieren."Alles was sich sagen lässt, lässt sich klar sagen." (Wittgenstein) Mein Ansicht nach versuchen Sokal und Bricmont nur, die allgemeine Erfurcht vor Texten zu bekämpfen, die man nicht versteht. Das hilft dem Erkenntnisvorschritt ungemein. Verständliche Texte zu schreiben mach einfach mehr Arbeit, und es hilft einem, seine eigenen Denkfehler zu erkennen.
Ein Philosoph, der sich die Mühe macht verständlich zu schreiben ist Mario Bunge -- mich würde interessieren zu hören, was Du von dem denkst. Er ist auch Physiker, nebenbei. Seltsamerweise wird er völlig ignoriert, obwohl seine achtbändige"Treatise on Basic Philosophy" nahezu erschöpfend ist. (Nur Wirtschaft versteht er nicht gut, aber das liegt auch am schwachen theoretischen Bestand, siehe Tobias Acht Fragen.)
Also, abschliessend: mich würde Deine in Form von Argumenten vorgebrachte Kritik an"Institutionen" sehr interessieren, einfach um ein kompletteres Bild zu haben. Du hast aber bisher nur Namen, den Naziverdacht und Herablassung aufgeboten. Ich glaube Du kannst mehr!
Gruss,
-caspar
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Galiani
28.11.2001, 15:13
@ Uwe
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@Uwe: noch was |
Hallo Uwe
Ich hab vergessen, Dir noch ein Kompliment zu Deiner Gewissenhaftigkeit (cfr. mein Hume-Zitat) zu machen. Ich bin wirklich beeindruckt von Deiner Gründlichkeit.
Richtig! Ich war - anders als Du - zu faul, das ganze lange Zitat abzuschreiben. Du hast völlig recht, mich diesbezüglich zur Rede zu stellen! Pater peccavi...
Nun zu Deiner Frage:
>Ich vermag momentan nicht direkt zu erkennen, wie ich diesen Auszug... in das Thema einordnen kann.
Ich meine, diesen Zusammenhang in Hume's Schlüsselbegriff"the laws of society" zu sehen. An einer anderen Stelle (ib. p. 258), die meinen Standpunkt bezüglich der zwar vom Menschen geschaffenen, aber keineswegs seiner Disposition anheimgestellten ewigen und absoluten Werte noch näher kommt, nennt Hume diese Gesetze"the laws of nature" ("Though the rules of justice be artificial, they are not arbitrary. Nor is the expressio improper to call them laws of nature; if by natural we understand what is common to any species, or even if we confine it to mean what is inseparable from the species.")
Herzlichen Gruß
G.
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Cujo
28.11.2001, 16:39
@ Caspar
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Re: @Cujo |
>Hi Cujo,
>>>>klar, luhmann, hösle...die französischen postmodernen...alles gesellschaftskritiker....d
>>>>du hast nicht die geringste ahnung...
>>>>keiner spricht schlauer als er ist....
>>>Zur französischen Postmoderne kann ich ein gutes Buch allen empfehlen, die Deleuze, Baudrillard, Irigaray und Konsorten nicht verstanden haben wie ich.
>>Konsorten? kann es sein, daß du a priori
>
>Nicht a priori, ich habe mir manche von den von Dir zitierten Autoren angeguckt.
#
>
>eine philosophische strömung ("postmoderne") versubjektivierst beziehungsweise verpersönlichst?
>
>Das verstehe ich nicht. Meinst Du einfach, ich sei beleidigt? Das nicht.
# was ich damit sagen wollte ist, daß ich dich im verdacht habe (hatte?), daß mit"konsorten" a priori eine abneigung zelebriert wird ohne die o.e. autoren/theorien zu reflektieren beziehungsweise falsifizieren quasi eine"persönliche sache" draus gemacht wird. galiani hat dies mit seinen"antworten" demonstriert.
>
>>>Alan Sokal, Jean Bricmont. Eleganter Unsinn. Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaften mißbrauchen; München: Beck, 1999 (ISBN 3406452744)
>>>Die beiden amerikanischen Naturwissenschaftler zeigen darin wie diverse"Philosophen" physikalische Modelle sinnentstellend als Metaphern verwenden. Beliebt sind Heisenbergs Unschärferelation und die Relativitätstheorie. Der Tenor des Buches, das viel Aufsehen erregt hat, lautet: das hervorstechende Merkmal dieser Texte ist Ihre Unklarheit.
>>>Gruss,
>>>-caspar
>>ich habe das buch gelesen...es ist sicher interessant...leider etwas flach.....
>
>Flach = verständlich?
# mit"flach" bezeichne ich die reißerische art und weise der kommentierung der zwei autoren."eleganter unsinn" ist eine wahllose zusammenstellung von lesefrüchten postmoderner autoren, die wie o.e., aus dem zusammenhang gerissen werden und mit naturwissenschaftlichen standards bewertet werden.
ich denke bezüglich heidegger, steiner oder der kritischen theorie könnte man ein ähnliches"werk" herausgeben, welches die wortkapriolen und verquasungen als philosophische folklore denunzieren würde. dies wäre aber unredlich und polemisch.
ich will hier nicht als verfechter postmoderner philosophen auftreten, nur im gegensatz zu galiani, schließe ich in meinem denken nichts aus beziehungsweise unternehme nicht die anstrengung andere dinge auszublenden.
natürlich gibt es bei den zeitgenössischen französischen philosophen allerhand"wortgeklingel", dies berechtigt meines erachtens aber nicht die eindimensionale epistemonologie, der socal und bricmont da offenbar anhängen. die (philosophische) wissenschaft läßt sich nun einmal nicht nur in die engen schuhe der naturwissenschaftler schnüren. schon der naturwissenschaftliche aristoteles hatte probleme mit platon....*g*
s. und b. hecheln in ihrem buch die gesamte wissenschaftstheorie durch und überziehen jeden mit polemik, der es wagt das verhältnis zwischen der wirklichkeit und naturwissenschaft zu problematisieren.
>
>sokal/bricmont greifen"punktuelle ekstasen" aus dem kontext heraus, um entsprechend zu polemisieren....daher auch der erfolg des buches....die beiden linken"gesellschaftskritiker"
>
>Es sind keine Gesellschaftskritiker, sondern Physiker und Kritiker unklarer Texte mit falschen naturwissenschaftlichen Referenzen.
# sie werden zumindest bei slavoj zizek als"gesellschaftskritiker" vorgestellt....das gleiche habe ich in den amazon-rezensionen nachgelesen...allerdings weiß ich zuwenig von ihnen....zizek ist allerdings im umgang mit solchen bezeichnungen im allgemeinen vorsichtig...
>
>>b. und s. bemühen sich nicht, die postmodernen denker im >zusammenhang zur festgestellten moderne zu begreifen.
>
>Ich will mal versuchen etwas Emo rauszunehmen. Ich habe Dich kritisiert, weil Du Galiani kritisiert hast, indem Du bestimmte Namen von Autoren (deren Positionen Du scheinbar für Allgemeingut hältst) aufgezählt hast.
# galiani wollte explizit"autoritäten" (!) hören...ich habe ihm dann einige genannt, die in der öffentlichen debatte vorkommen (habermas, luhmann, hösle, franz. philosophen)....
...von ihm zu behaupten, daß es sich bei den gesellschaftsindifferenten autoren wie luhmann, hösle und postmoderne um"gesellschaftskritiker" handelt ist allerdings nicht frei von komik, zumal ihnen vorgeworfen wird das"ende der poltik" zu betreiben....
dies war nichts anderes als eine arrogante, unwissende attitude...
Weiterhin hast Du nahegelegt, dass Galianis Position mit der eines Philosophen namens Gehlen übereinstimmt, der in einem nicht weiter erläuterten Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus steht.
...wer mit dem habitus des"gelehrten" ein moralin-saures"instutionen-referat" hält, muß sich den verweis auf die institutionlehre gehlens gefallen lassen....
# gehlen ist die instution in"sachen institution"...man kann von ihm halten was man will, aber er hat wie kein anderer den begriff"i" in diesem jahrhundert geprägt und geschliffen.
>Gehlen war NSDAP-Mitglied. Das stimmt. Aber von Gehlen hast nur Du gesprochen, G. hat sich nicht auf ihn berufen in seinem Anfangsposting.
# von mir aus kann er massenmörder gewesen sein....mich interessieren nur die vitalen inhalte seiner soziologisch-philosophischen analysen....dazu gehören eben die institutionen...die art und weise wie gal. institution als glorifiziertes"über-ich" auslegt halte ich eben für problematisch....
...dabei habe ich mir erlaubt auf den zusammenhang von institution, gehlen und nationalsozialismus hinzuweisen...
>Insgesamt halte ich es immer für problematisch und für polemisch, bei philosophischen Diskussionen den Nazi-Verdacht aufzuwerfen.
....es war auch kein naziverdacht, sondern eine korrelation von institutionen und massenpsychologie....
Wenn Du die bisherigen Postings von Galiani verfolgt hast, dann wüsstest Du, dass G. sehr liberale Ansichten vertritt. Ausserdem kann man fast alles mit dem Nationalssozialismus in Zusammenhang bringen, weil die Nazi-Ideologie ein völliger Gemischtwarenladen der verrücktesten Ideen des frühen zwanzigsten Jh. war: Rassismus, Antikapitalismus, Sozialismus, Antisemitismus. Diese Elemete haben sich dann auch gerne mal wiedersprochen, und das wird dann auch als einer der Gründe verstanden, weshalb die SA innerhalb der"Bewegung" ausgeschaltet worden ist. Es gab die Kritik des"arbeistlosen Einkommens", also Zinskritik, die die Gesellianer deshalb auch immer um die Ohren bekommen, es gab später enge Verflechtung mit dem deutschen Grosskapital, usw. Weisst Du ja alles sicher selber. Nur: als Argument eignet sich sowas natürlich nihct, finde ich zumindest.
# es war auch kein argument, sondern ein hinweis....
>Zu den von Dir zitierten Autoren: meine Erfahrung mit philosophischen Texten (unterschätze die bitte nicht allzusehr) sagt mir, dass wenn ich sie nicht verstehe, dann verstehen andere sie garantiert nicht immer gleich. Soll heissen: schwerverständliche Texte scheitern mit ihrem Anspruch Wissen zu kommunizieren."Alles was sich sagen lässt, lässt sich klar sagen."
# sagte schon schopenhauer....sehe ich im grunde auch so....nur die fortschreitende komplexität von wirklichkeit und deren erschwerte konstruktion"erlaubt" es meines erachtens nicht mehr mit den alten instrumenten zu arbeiten, dabei meine ich nicht abstruse postmoderne möchtegern-philosophen wie kristeva (von baudrillard und foucault halte ich hingegen viel).
kulturelle phänomene wie postmoderne gewalt oder medienanthropologie benötigen neue zugehensweisen und entsprechende o.e. instrumente....
(Wittgenstein) Mein Ansicht nach versuchen Sokal und Bricmont nur, die allgemeine Erfurcht vor Texten zu bekämpfen, die man nicht versteht. Das hilft dem Erkenntnisvorschritt ungemein. Verständliche Texte zu schreiben mach einfach mehr Arbeit, und es hilft einem, seine eigenen Denkfehler zu erkennen.
>Ein Philosoph, der sich die Mühe macht verständlich zu schreiben ist Mario Bunge -- mich würde interessieren zu hören, was Du von dem denkst.
# danke für den hinweis, ich kenne seine philosophie nicht.....mir wurde nur das über seinen namen bestätigt, was du schilderst....
Er ist auch Physiker, nebenbei. Seltsamerweise wird er völlig ignoriert, obwohl seine achtbändige"Treatise on Basic Philosophy" nahezu erschöpfend ist. (Nur Wirtschaft versteht er nicht gut, aber das liegt auch am schwachen theoretischen Bestand, siehe Tobias Acht Fragen.)
>Also, abschliessend: mich würde Deine in Form von Argumenten vorgebrachte Kritik an"Institutionen" sehr interessieren, einfach um ein kompletteres Bild zu haben. Du hast aber bisher nur Namen, den Naziverdacht und Herablassung aufgeboten. Ich glaube Du kannst mehr!
>Gruss,
>-caspar
# meine kleine tochter ist gerade aufgewacht....ich werde eine gründliche aufbereitung der gehlenschen institutionlehre und die entsprechende perspektive kritischer reflexion nachliefern....versprochen...
gruß
cujo
ps. konnte text nicht korrekturlesen...
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Caspar
28.11.2001, 17:17
@ Cujo
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Re: @Cujo |
Hi Cujo,
Danke für die sachliche Antwort.
># meine kleine tochter ist gerade aufgewacht....ich werde eine gründliche aufbereitung der gehlenschen institutionlehre und die entsprechende perspektive kritischer reflexion nachliefern....versprochen...
Das kann nur bereichernd sein. Bin gespannt.
Gruss,
-caspar
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Uwe
28.11.2001, 18:55
@ Galiani
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Re: @Galiani: noch was |
<blockquoute>Galiani:Pater peccavi...[/i]
Gegen Wen oder gegen Was?
Eigentlich wollte ich mit dem Hinweis nur zum Ausdruck bringen, dass es bestimmt keine Diskussion darüber geben wird, das Regeln (wenn notwendig auch in Gesetzesform) im Umgang miteinander einzuhalten sind. Es stand ja auch nicht zur Diskussion, das Regeln von jedermann aus eigenem Ermessen in die Welt gesetzt und interpretiert werden könnten.
Doch m.E. ist es genauso schwierig Wahrheit wie Wert zu definieren, sodass es so etwas wie eine einzige Wahrheit wohl nicht geben wird, wie es auch einen gleichbleibenden Wert nicht geben kann, wenn sich Rahmenbedingen, die diesen Wert (nicht das Gut) geschaffen haben ändern.
Könnte man den Anspruch auf"Wahrheitsfindung" auf essential Wichtiges für die Menschheit bzw. für die Gesellschaft begrenzen, wird man sicher auf Bereiche stoßen, die dafür geeignet zu sein scheinen in Regeln gefasst werden zu können (wird dazu wirklich das Recht auf Eigentum an erster Stelle dazu gehören, wie es für die Ordnung, die wir kennen, erforderlich ist?). Doch genau diese werden, so habe ich das Empfinden wenn ich z.B. an Themen wie Geburt und Tod denke, durch Ideologien im weitesten Sinne besetzt und (aus)genutzt - von Begriffen wie Leben, Würde, Freiheit, Eigentum und Gemeinwesen möchte ich erst gar nicht beginnen zu reden -.
Gruß
Uwe
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