Milliardäre in Deutschland J - M
Jahr-Familie 1,3 Mrd. Euro (1996)
Die alteingesessene Hamburger Verleger-Familie besitzt 25 % des Gruner & Jahr Verlages (Der Rest gehört Bertelsmann). Aktiv sind John Jahr (63) und seine drei Geschwister Michael Alexander und Angelika Jahr-Stilken. Im Verlag erscheinen u.a. Stern, Brigitte, Frau im Spiegel, Eltern, Geo, Capital und TV-Today. Umsatz 1996/97: 4,73 Mrd. DM, Betriebsergebnis: 660 Mio. DM, Überschuss 1995: 242 Mio. DM.
Aus der Familie Jahr sitzt Angelika Jahr im G+J-Vorstand. Sie ist Herausgeberin und Chefredakteurin von G+J-Titeln wie"Schöner Wohnen","Essen + Trinken","Marie Claire" und"Living at home". Ihr Vater hatte die Verlegerdynastie 1924 mit der Zeitschrift"Sportchronik" begründet. Nach dem Zweiten Weltkrieg folgten Magazine wie"Constanze", die in der"Brigitte" aufging,"Capital" und"Schöner Wohnen." Diese Titel sind noch heute Aushängeschilder von G+J.
Der Name Jahr blieb erhalten, als sich 1965 drei Unternehmen in Hamburg zusammenschlossen: der Henri-Nannen-Verlag von Gerd Bucerius, der Constanze-Verlag von Jahr senior und die Druckerei von Richard Gruner. Zur Jahr-Gruppe gehören heute Unternehmensbeteiligungen und Immobilien. FTP, 14.6.2001.
An Gruner + Jahr ist Bertelsmann mit 74,9 Prozent beteiligt, die Jahr Holding mit 25,1 Prozent. Der europaweit führende Hamburger Zeitschriftenverlag gibt mehr als 100 Magazine und Zeitungen in 13 Ländern heraus und verzeichnete im Geschäftsjahr 1999/2000 (30. Juni) bei Umsätzen von rund 5,7 Mrd. DM einen Jahresüberschuss vor Zinsen und Steuern (Ebit) von 753 Mio. DM. Gruner + Jahr ist zu 50 Prozent Eigner der Financial Times Deutschland....
"Der Vorstand von Gruner + Jahr führt die Geschäfte eigenständig und ausschließlich im Interesse der Gesellschaft. Er unterliegt nicht Weisungen der Gesellschafter", heißt es in der Mitteilung. Auch Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff sagte in einem unternehmensinternen Interview die Rolle von Kundrun:"Bertelsmann steht hundertprozentig hinter seinen Entscheidungen und hinter seiner Unternehmenspolitik."
Im Zusammenhang mit Plänen von Bertelsmann über einen Börsengang in den nächsten drei Jahren hatte das Nachrichtenmagazin"Der Spiegel" die Meinung von Investmentbanken wiedergegeben, die sich an teils komplizierten Eigentumsverhältnissen in Ablegern des Konzerns und Vetorechten von Minderheitsgesellschaftern störten. Daraufhin hatte die Jahr-Familie bereits öffentlich klargestellt, sich nicht von ihren Anteilen trennen zu wollen."Es gibt weder Überlegungen noch Gespräche, die darauf abzielten, Anteile der Familie Jahr zu übernehmen", erklärte Middelhoff."Unsere Begierde, dafür viel Geld in die Hand zu nehmen, ist ohnehin gering."
In den vergangenen Wochen war wiederholt spekuliert worden, Bertelsmann wolle das Zeitungs-Engagement von Gruner+Jahr mit der deutschen WAZ-Gruppe oder mit der britischen Pearson Group gegen Anteile an der gemeinsam gehaltenen RTL Group tauschen. Gruner+Jahr hatte diese Spekulationen zurückgewiesen und sich zu dem gemeinsamen Engagement bei der"Financial Times Deutschland" mit Pearson und den Regionalzeitungen wie der"Berliner Zeitung" bekannt.... FTP, 14.6.2001.
Kipp, Karl-Heinz und Familie 2,4 Mrd. Euro (1996)
Kipp gründete den Verbrauchermarkt Massa, verkaufte aber Mitte der 80er Jahre für über 1 Mrd. an Metro. Die Massa-Immobilien gehören dem Clan noch und bringen bis ins Jahr 2015 mehr als 100 Millionen Mark garantierte Pachteinnahmen. Karl-Heinz Kipp lebt steuersparend in der Schweiz und investiert dort in Luxushotels (z.B. Grandhotel Tschuggen in Arosa). Er teilt sich den Immobilienbesitz, zu dem auch vier Wolkenkratzer mit über 100 000 qm Bürofläche in New York gehören, mit seiner Tochter Ursula L. Bechtolsheimer und zahlte seinen Sohn Ernst-Ludwig aus, der mit seiner Familie als Aussteiger und Erfinder in Florida lebt.
Kirch, Leo und Familie 2,4 Mrd. Euro (1996)
Kontrolliert mehrere Privatsender, neue digitale Kanäle und besitzt die Rechte an unzähligen Spielfilmen und Fernsehserien. Geschäftsbeziehungen zu Metro-Besitzer Otto Beisheim. Sein Sohn Thomas Kirch managt den Sender Pro 7. Der »Medien-Mogul« (70) besitzt 40,4 % am Axel Springer Verlag, ist Mitglied im Aufsichtsrat und hat damit Einfluss auf zahlreiche Tageszeitungen, Zeitschriften, Fernseh- und Hörfunksender sowie Buchverlage. Zusammen mit Bertelsmann und der WAZ-Gruppe beherrscht er den Pay-TV-Sender Premiere.
Der Münchner Medienmogul Leo Kirch, erreichte mit 12 Mrd. USD immerhin noch Rang 20. FTP, 22.4.2001.
„Kirch hat Schulden von mindestens 7, vielleicht sogar 12 Mrd. DM. Die Rückzahlung eines Kredits in Höhe von 900 Mio. DM an die Dresdner Bank steht bevor. Sie schritten nicht einmal mit einem Dementi ein, als in den Schlagzeilen das Kirch-Imperium, zu dem neben der größten Spielfilmbibliothek der Welt mittlerweile auch die TV-Sender Sat 1 und Pro Sieben, die Pay-TV-Plattform Premiere, die Mehrheit an der Formel 1 und 40 Prozent an Europas größtem Zeitungsverlag Springer gehören, vom mächtigsten Fernsehkonzern Deutschlands zum Übernahmekandidaten degradiert wurde.“ Branchenbeobachter weisen darauf hin, dass Kirch schon oft in der finanziellen Bredouille war. Seit er 1956 als frisch promovierter Mathematiker in Rom die deutschen Rechte für"La Strada" gekauft und mit dem Fellini-Film den Grundstein für sein Imperium geschaffen hatte, habe Kirch"doch immer kurz vor dem Bankrott gestanden," meint ein langjähriger Kenner.... In der Tat sind die undurchsichtigen Transaktionen der am liebsten im Dunkeln agierenden Kirch-Gruppe, die Michael Radke in seinem Buch"Außer Kontrolle - Die Medienmacht des Leo Kirch" detailgenau niederschrieb, legendär. Als Kirch Ende der 80er Jahre vor der Zahlungsunfähigkeit stand und Banker der DG Bank, seiner damals größten Hausbank, deshalb kurz vor dem Herzinfarkt standen, war es beispielsweise der Handelsmogul Otto Beisheim (Metro-Konzern), der ihm in letzter Minute mit einer steuerrechtlich gefinkelten Transaktion aus der Patsche half.“ FTP, 13.12.2001.
Kirch braucht im Moment sein gesamtes Geld, um akuteren Verbindlichkeiten nachzukommen. Dazu gehören ein Mitte Januar fällig werdender Kredit über 900 Mio. DM bei der Dresdner Bank, eine Anfang 2002 fällig werdende Rückkaufverpflichtung des rund acht-prozentigen Anteils des Zeitungsverlages Springer bei der Kirch-Tochter Pro Sieben Sat 1 über 1,5 Mrd. DM sowie eine Zahlungsverpflichtung beim Fußballverband Fifa über rund 700 Mio. DM. Hinzu kommt das Damoklesschwert eines möglichen Ausstiegs von Rupert Murdoch bei Kirchs Bezahlfernsehen Premiere. FTP 20.12.2001.
Knauf-Familie 1,1 Mrd. Euro (1996)
Baldwin und sein Vetter Nikolaus Knauf leiten die Gebr. Knauf Westdeutsche Gipswerke im bayerischen Iphofen, Europas größter Hersteller von Kalk, Gips und anderen Baumaterialien.
Leibbrand-Familie 1 Mrd. Euro (1996)
Die Einzelhandelskette Leibbrand wurde Ende der 80er Jahre vom Rewe-Konzern übernommen. Das Vermögen von Willi Leibbrand ging nach seinem Tod auf seine Frau Heidrun und seine Geschwister Albert und Lore über. Die Willi Leibbrand KG hält 100 % der Offenbacher Lederfabrik Goldpfeil.
Mann, Hugo und Familie 1,5 Mrd. Euro (1996)
Besitzer von Mann Mobilia und Wertkauf. Hugo und Johanna Mann sind Geschäftsführer der Mann GmbH, Karlsruhe.
Merck-Familie und H.-J. Langmann 4,8 Mrd. Euro (1996)
Die Darmstädter Familie Merck hält über die Gesellschaft E. Merck 74 % der Merck KGaA, die in den Bereichen Pharmazie, Arzneimittel, Reagenzien, Laborgeräte und Chemikalien tätig ist und zahlreiche in- und ausländische Beteiligungen hat. Der Vorsitzende der Geschäftsleitung Hans-Joachim Langmann (72) ist mit einer Merck-Erbin verheiratet. Die 50 Gesellschafter der E. Merck gehören zum engeren Familienkreis. Sie wählen einen elfköpfigen Familienrat. Dieser bestimmt den neunköpfigen Gesellschafterrat, dem auch externe Personen angehören. Familien- und Gesellschafterrat treffen die strategischen Vorgaben für die Geschäftsleitung. Umsatz 1995: 6,2 Mrd. DM, Gewinn: 368,5 Mio. DM, Beschäftigte: 27762.
Der Vorstandsvorsitzende Bernhard Scheuble sagte am Donnerstag:"Dieses Unternehmen wird auf mittlere Sicht ein Familienunternehmen bleiben." Er prognostizierte auch das beste Jahresergebnis in der 333-jährigen Firmengeschichte. Merck ist zu 74 Prozent in Familienbesitz, der Rest ist seit 1995 an der Börse notiert.
Die Nummer drei unter den deutschen Pharmakonzernen gilt manchem Branchenexperten als zu leicht für die in der Branche benötigte kritische Masse. Vor allem die Schlagkraft auf dem US-Markt bleibe damit zu gering. Doch dort erzielt Merck immerhin schon 44 Prozent seiner Umsätze.
Zudem beugt sich der Konzern nicht dem Branchentrend, Pharma- und Chemiesparten zu trennen."Es wird ein Mischunternehmen mit Pharmaschwerpunkt bleiben", so Scheuble. Merck erzielt knapp 80 Prozent des operativen Gewinns mit Medikamenten. Der Schwerpunkt liegt bei Präparaten zur Behandlung der Zuckerkrankheit und von Krebs. Darunter befindet sich der Verkaufsschlager Glucophage, ein Diabetes-Mittel, das im dritten Quartal mit 831 Mio. Euro etwas weniger als die Hälfte des Konzernumsatzes erzielte. Noch tragen die Sparten Labor- und Spezialchemie mehr als die Hälfte zum Konzernumsatz bei."Dieses Unternehmen wird künftig einen klaren Pharmaschwerpunkt haben", sagte Scheuble."Priorität hat das Geschäft in den USA." Dort werde es zu weiteren Allianzen mit Pharma- und Biotech-Unternehmen bei Krebsmedikamenten kommen."Wenn es nötig ist, schließe ich auch eine Kapitalerhöhung nicht aus, um flexibel zu sein", sagte Scheuble....
Im abgelaufenen Quartal setzte das Unternehmen die Serie guter Ergebnisse in diesem Jahr fort. Der operative Gewinn ist um 51,6 Prozent auf 292,8 Mio. Euro gestiegen. Der Umsatz legte um 14 Prozent auf 1,9 Mrd. Euro zu."Nachdem wir das dritte Rekordquartal in Folge hinter uns haben, erwarte ich auch im Gesamtjahr zweistellige Wachstumsraten", sagte Scheuble bei der Präsentation der Ergebnisse in London. Analysten erwarten nun im Einklang mit den konzerneigenen Schätzungen einen Jahresumsatz zwischen 7 und 7,5 Mrd. Euro. Allerdings wird die Sparte Spezialchemie, die stark auf das Geschäft mit Flüssigkristallen baut, im vierten Quartal erneut leicht sinkende Geschäftsergebnisse bringen. Hier sank die Geschäftsmarge dramatisch von 22 auf 8 Prozent. Hierin macht sich der Abschwung im Hightech-Sektor bemerkbar, den Merck beliefert.
Die Umsätze für den Verkaufsschlager Glucophage sind im Quartal noch einmal um 42 Prozent geklettert. Da der Patentschutz für das Medikament bereits abgelaufen ist, aber noch keine Nachahmerprodukte auf dem Markt sind, konnte die operative Marge in der Pharmasparte auf 26 Prozent ausgedehnt werden."Wir erwarten die ersten Nachahmer in einigen Monaten", sagte Vorstandsmitglied Matthew Emmens. Die Merck-Aktie stieg leicht auf 44,99 Euro. FTP, 26.10.2001.
Merckle, Adolf und Familie 2,7 Mrd. Euro (1996)
Besitzer von Phoenix Pharmaziehandel, der ein Drittel des deutschen Marktes kontrolliert, und von Ratiopharm, dem Hersteller von preisgünstigen Pharmazieartikeln. Adolf Merckle (63) und seine Frau Ruth aus Blaubeuren bei Ulm halten 11 % von Heidelberger Zement und einige Industriebeteiligungen. Die Familie betreibt zusammen mit dem Haus Hohenzollern-Sigmaringen die Fürstliche Hohenzollersche Werke Lauchertal GmbH & Co, KG in Sigmaringen, die zahlreiche mittlere Betriebe der Metallindustrie betreibt. Merckles Sohn Ludwig rückte 1997 in die Geschäftsführung nach.
Mohn, Reinhard und Familie 2 Mrd. Euro (1996)
Reinhard Mohn (75) hält 2,6 % und die Familie 17,9 % am zweitgrößten Medienkonzern der Welt, der Bertelsmann AG, Gütersloh. 68,8 % liegen bei der gemeinnützigen Bertelsmann-Stiftung. Mohn ist deren Vorsitzender und Ehrenvorsitzender der AG. Der Konzern ist in allen Segmenten des internationalen Medienmarktes tätig: Bücher (Bertelsmann Club und Verlage), CD- und Tonträgerfirmen (RCA, Ariola u.a.), Privatfernsehen (RTL, Premiere, RTL 2, Vox u.a.). Zeitschriften (Gruner & Jahr). Bertelsmann betreibt auch eine der größten Druckereien, die Mohndruck in Gütersloh. Umsatz 1995: 20,5 Mrd. DM, Gewinn: 817 Mio. DM, Beschäftigte: 57397 weltweit und 33116 in Deutschland.
Bertelsmann ist einer der fünf größten Medienkonzerne der Welt, der zweitgrößte in Europa, hinter Vivendi Universal aus Frankreich. Die Geschäftsfelder reichen vom weltgrößten Buchverlag Random House über Europas größten Fernsehsender RTL bis zur Bertelsmann Music Group, die eine der fünf Großen im Musikgeschäft ist. Auch an der Financial Times Deutschland ist Bertelsmann über die Verlagstochter Gruner+Jahr zu 50 Prozent beteiligt, die restlichen 50 Prozent hält die britische Pearson-Gruppe.
Doch bei aller Größe des Konzerns sind sich Middelhoffs Kritiker und Fürsprecher einig: Derzeit ist Bertelsmann nicht fit für den Gang an die Börse.
Ein Manager des Konzerns, der schon Erfahrungen bei einem börsennotierten Unternehmen gemacht hat, vergleicht Bertelsmann mit der britischen BBC: Voll von Leuten, die ein Weltunternehmen führen wollen, ohne jemals aus ihrem Land herausgekommen zu sein.
Eine andere Bertelsmann-Führungskraft berichtet, das Unternehmen werde von einem Konflikt zwischen der deutschen und der amerikanischen Fraktion gespalten:"Da sind all die Leute drüben in Gütersloh, die aus ihrem Fenster auf Felder und Schafe schauen und glauben, sie verstünden die Denkweise an der Wall Street", sagt ein Mitarbeiter von Bertelsmann in seinem Büro am New Yorker Times Square....
Bertelsmann dürfte im Geschäftsjahr bis Ende Juni knapp über 41 Mrd. DM Umsatz verbuchen. Das würde den Umsatz des gesamten vergangenen Geschäftsjahres ( 32,5 Mrd. DM) um 25 Prozent übertreffen.
Mit solchen Umsätzen passt Bertelsmann gut in die Gruppe der fünf größten Medienkonzerne der Welt - seine Sechs-Prozent-Rendite im operativen Geschäft aber nicht.
"Die Spanne liegt deutlich unter dem Branchendurchschnitt", sagt ein Analyst:"Einerseits könnte man sagen, der Konzern ist nicht gut geführt worden - oder aber er hat enormes Steigerungspotenzial."
Hinzu kommt, dass die Bertelsmann-Bilanz schwer zu deuten ist: Middelhoff strukturiert den Konzern in drei große Bereiche um: Inhalte, Dienstleistung und Direktkundengeschäft. Die Zahlen der Konzerntöchter des vergangenen Jahres sind deshalb nicht direkt vergleichbar mit den diesjährigen. Noch schwieriger wird der Vorjahresvergleich dadurch, dass beschlossen wurde, das Geschäftsjahr künftig mit dem Kalenderjahr zusammenzulegen."Die Zahlen von Bertelsmann bewirken immer mildernde Umstände", sagt ein Londoner Analyst dazu....
Ein näherer Blick auf die Konzerntöchter liefert aber noch immer ein sehr durchwachsenes Bild. Die Bertelsmann Music Group (BMG) wird in diesem Jahr wahrscheinlich Verlust machen, zum ersten Mal in ihrer Geschichte. Sie ist schon verschlankt worden aufs reine Geschäft mit Tonträgern. Nach Middelhoffs Worten hat das reine Musikgeschäft, ohne die CD-Produktion und den Betrieb von Musikklubs, im Durchschnitt in den vergangenen 15 Jahren immer nur zwei Prozent Umsatzrendite gebracht. Das operative Geschäft ist profitabel, sagt Middelhoff. Aber wegen der Umbaukosten und Ausgaben fürs Internetgeschäft in Höhe von 250 Mio. bis 300 Mio. DM, wird die BMG wohl Verlust verbuchen. Für nächstes Jahr erwartet Middelhoff eine Umsatzrendite von fünf Prozent, 2003 sollen es acht Prozent sein.
Die Konkurrenz im Musikgeschäft, die mit viel Mühe ihre Margen verbessert haben, sind skeptisch, ob es BMG gelingt, die Profitabilität in solchen Riesenschritten zu steigern. Musikmanager in New York, wo BMG seinen Hauptsitz hat bezweifelt auch, ob Rolf Schmidt-Holtz, der keine Erfahrung im Musikgeschäft hat, als BMG-Chef geeignet ist.
"Ich habe mich vor kurzem mit dem Betriebsrat von BMG getroffen. Die waren begeistert von Rolf", hält Middelhoff dagegen:"Sie sagen, jetzt hätten sie zum ersten Mal einen, der wirklich im Musikgeschäft steckt und sich dahinter klemmt, dass es läuft."...
Auch das Buchgeschäft von Bertelsmann ist nur zum Teil erfolgreich: Der Verlag Random House habe seine Leistung merklich verbessert, sagt Middelhoff. Die Gewinnspanne lag im vergangenen Jahr bei etwa sieben Prozent, in diesem Jahr soll sie etwa elf Prozent erreichen bei einem angenommenen Umsatz von 2,5 Mrd. USD, aus dem sich ein Gewinn von rund 300 Mio. USD ergäbe.
Problematisch sind dagegen die Buchclubs, die einst die Goldesel des Unternehmens waren. Hochgerechnet aus der Leistung der anderen Teile des Buchgeschäfts, haben die Clubs im vergangenen Jahr mehr als 195 Mio. DM Verlust gemacht. In diesem Jahr, sagt Middelhoff, lägen sie knapp in den schwarzen Zahlen.
Rechnet man jedoch einmalige Ausgaben mit ein, ergibt sich für die Club-Sparte noch immer ein Minus: Bertelsmann steckt 120 Mio. USD in neue Computerprogramme für die Buchclubs. Hinzu kommen Investitionen in das Internet und in neue Nischen-Buchclubs, etwa für Fliegenfischer oder schwarze Leser in den USA. Alles zusammen ergibt wohl Kosten von 390 Mio. DM, die die Buchclubs in der Verlustzone stecken lassen. Middelhoff ist optimistisch: Er glaubt, die Buchclubs könnten ihre Umsatzrendite genauso rasch steigern wie die BMG.
Die vom"Excellence-Programm" geforderten zehn Prozent Rendite werden jedoch schwer zu erreichen sein. Klaus Eierhoff leitet das Direktgeschäft von Bertelsmann, zu dem die Buchclubs gehören:"Wenn man aus einer Situation kommt wie wir bei den Buchclubs, nämlich rote Zahlen, dann kann man natürlich nicht zu viel erwarten. Wir haben vor in den nächsten zwei bis drei Jahren eine Umsatzrendite von sechs bis acht Prozent zu schaffen. Die zehn Prozent können wir nur langfristig erreichen."
Andere Geschäftsbereiche liegen bereits klar über diesem Schwellenwert. Gruner+Jahr könnte in diesem Jahr zwar etwas schwächer als im Vorjahr abschneiden, befindet sich aber komfortabel über zehn Prozent.
Auch der europaweite Sender RTL glänzt mit einer Umsatzrendite von 13,7 Prozent im vergangenen Jahr. Die soll weiter steigen, obgleich die Gewinne dieses Jahr leicht rückläufig sein könnten. Bertelsmann ist an RTL wesentlich beteiligt, Pearson hält eine Minderheitsbeteiligung....
An der Spitze von Bertelsmann besteht Konsens, dass sich der Weg an die Kapitalmärkte der Welt lohnt. Der Konzern bekomme dadurch die Mittel für Übernahmen und den inneren Antrieb, die Betriebsleistung zu verbessern.
Auch Londoner Analysten glauben an den Erfolg, vorausgesetzt Middelhoffs Excellence-Programm greife. Medienanalyst Nick Bertolotti von JP Morgan Chase meint:"Die Anleger würden Bertelsmann schon jetzt kaufen. Aber er [Middelhoff] muss die Gewinnspanne verbessern, um für Bertelsmann das Beste herauszuholen."...
Das muss Middelhoff nun nur noch seinem Konzern beibringen. Dort hat das Bertelsmann-Excellence-Programm, im Konzern-Jargon"Bex" genannt, Bedenken geweckt: So sehen viele die Unternehmenswerte in Gefahr. Der Konzern ist nach dem Krieg von Reinhard Mohn wieder aufgebaut worden. Mohn wird oft als der Gründer des modernen Bertelsmann-Konzerns bezeichnet. Er ersann den Konzern neu um einige Kerngrundsätze, die so genannten Bertelsmann-Essentials: eine Unternehmenskultur, die auf Partnerschaft mit dem Unternehmen beruht, zentrale Führung - aber dezentrale Organisation und einen Sinn für Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. FTP, 18.6.2001.
Die Bertelsmann-Stiftung teilte am Freitag in Gütersloh mit, der 80-Jährige werde am 1. Oktober den Vorsitz des Kuratoriums und des Präsidiums der Bertelsmann-Stiftung sowie den Vorsitz der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft (BVG) an den Konzernmanager Gunter Thielen abgeben. Mohn bleibt aber ordentliches Mitglied des Kuratoriums und des Präsidiums.
"Ich habe in der Bertelsmann-Stiftung noch viel vor. Die operative Leitung der Stiftung gehört aber jetzt in jüngere Hände. Ich möchte meine Kräfte schonen", begründete der 80-jährige Unternehmer den Schritt. Die von Mohn gegründete Bertelsmann-Stiftung ist die größte Unternehmensstiftung Deutschlands. Ihr gehört die Mehrheit an dem Gütersloher Medienriesen. Mit einem Etat von rund 125 Mio. DM (64,1 Mio. Euro) und über 270 Mitarbeitern soll sie als Reformwerkstatt für Staat und Gesellschaft dienen.
Es ist bereits das zweite Mal, dass der Patriarch die Leitung der Stiftung in andere Hände legt. Beim ersten Mal hatte Mohn den früheren Bertelsmann-Vorstandsvorsitzenden Mark Wössner die Leitung der Stiftung übergeben. Doch legte der im Oktober vergangenen Jahres sein Amt nieder und Mohn übernahm selbst noch einmal die Leitung der Stiftung. Mit Thielen, der noch bis zum 31. August 2002 Vorstandschef der Bertelsmann-Tochter Arvato ist, glaubt Mohn nun offenbar einen geeigneten Nachfolger gefunden zu haben."Die Kontinuität bei Bertelsmann ist bestmöglich geregelt. Es gibt keinen Grund, noch länger zu warten", meinte er jedenfalls. FTP, 24.8.2001.
Die Hauptversammlung wählte am Montag in Gütersloh Liz Mohn, Mitglied im Präsidium der Bertelsmann Stiftung und Gesellschafterin der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft mbH (BVG), sowie André Desmarais und Gilles Samyn in das Aufsichtsgremium des Medienkonzerns. Über Grunar + Jahr ist Bertelsmann an der FTD beteiligt.
Desmarais und Samyn vertreten den neuen Bertelsmann-Gesellschafter Groupe Bruxelles Lambert (GBL), der vor wenigen Monaten im Tausch für den 30-Prozent-Anteil an der RTL Group 25 Prozent stimmberechtigter und 0,1 Prozent stimmrechtsloser Bertelsmann-Aktien erworben hatte. Mit Liz Mohn ist ein weiteres Mitglied der Familie Mohn in eine Aufsichtsratsfunktion bei Bertelsmann berufen worden. Reinhard Mohn, Ur-Ur-Enkel des Unternehmensgründers Carl Bertelsmann, ist Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrates. FTP, 2.7.2001.
Text in Kursiv aus: Financial Times Deutschland, div. Ausgaben.
Text in Normalschrift aus: Beck, Dorothee/Meine, Hartmut: Wasserprediger und Weintrinker. Wie Reichtum vertuscht und Armut verdrängt wird. Göttingen 1997.
<center>
<HR>
</center> |