dottore
05.01.2002, 17:39 |
Wenn sich Festverszinsliche höher rentieren als Aktien... Thread gesperrt |
Hi,
zu denn Kennzeichen einer freien, funktionierenden Wirtschaft gehört die Tatsache, dass die Aktienrendite grundsätzlich über der Rendite festverzinslicher Wertpapiere liegt.
Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Ein festverzinsliches Engagement ist seiner Natur nach defensiv und risikolos. Ein Kapitaleinsatz dagegen offensiv und risikobehaftet. Bei festverzinslichen Papieren haftet eine Sache (Pfandbrief: z.B. Grundstück), bei Aktien haftet das eingesetzte Kapital selbst, was automatisch dazu führt, dass jemand, der Kapital einsetzt (und den Totalverlust riskiert) einfallsreicher und vor allem dynamischer vorgehen wird und vorgehen muss (ausführlich Schumpeter et al.)
Außerdem muss er höhere Renditen erwirtschaften, da er sonst Probleme hat, überhaupt an Kapital zu kommen, das sich bei höherer (obendrein besicherter) Fest-Rendite in diesen Anlagen niederlässt und den Einsatz als Risiko-Kapital von vorneherein scheut.
Ein dynamisch wachsende und sub summa stabile Wirtschaft über einen langen Zeitraum hatten wir zuletzt unter dem Goldstandard, wie diese Tabelle zeigt (Spalten weiter rechts):
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Mit WKI kam der entscheidende Bruch. Seitdem haben sich die Festverszinslichen mit wenigen Ausnahmejahren (1932 12,4 zu 7,0; 1938: 5,0 zu 4,5, 1939: 4,9 zu 4,5) höher rentiert als Aktien. In der Zeit der Bundesrepublik war es durchgehend der Fall, wobei sich dogar doppelt so hohe Festverzinslichen-Renditen gegenüber Aktien-Renditen ergaben.
Dies hat zum einen mit dem Steuerrecht zu tun, denn Schulden können steuerlich mit Gewinn verrechnet werden, Dividenden natürlich nicht, da sie selbst Gewinn sind. Diese Praxis wurde von den Unternehmen umso mehr genutzt als die Steuersätze in exorbitante Höhen gefahren wurden und sich"Schuldenmachen" also"lohnte".
Zum anderen hat es mit den exponenziell gestiegenen Staatsschulden zu tun, die nicht nur zu Zinspapieren aller Art in Konkurrenz traten sondern natürlich auch zu Aktien, die schließlich nicht mehr zu bieten hatten als Kurssteigerungen, eine Phase, die sich allerdings im wesentlichen verabschiedet haben dürfte.
So haben wir uns als Resultat der Umkehr der Renditen (jetzt Anleihen, vor allem Staatsanleihen, über Aktien) die sattsam bekannte "Unterkapitalisierung" der gesamten Volkswirtschaft eingehandelt. Der Anteil des Eigenkapitals (risikotragend, haftend) in den Bilanzen hat sich mehr und mehr verringert, was im Klartext bedeutet:
Den Unternehmen fehlt der alles entscheidende Puffer, um Krisenzeiten durchzusetehen. Kapital kann vermindert werden (Herabsetzung), Dividenenden kann man ohne weiteres ausfallen lassen, Anleihen oder Kredite überhaupt aber müssen termingemäss bedient werden, was zwangsläufig zu Problemen führen wird.
Eine größere Krise wird uns also dort treffen, wo es wirklich weh tut: Beim Bezahlen fälliger Kredite. Ausfallende Zahlungen, von denen hier täglich noch und noch berichtet wird und wurde, könnten sich wegen des allgemeinen Kredit-auf-Kredit-Systems ("Pyramide") in unliebsamen Kettenreaktionen entladen.
Selbst wenn es zunächst noch gelingen sollte, Zahlungsausfälle im großen Stil über"stille Reserven" oder auch Kapitalschnitte abzufedern - bei längerer Stagnation werden wir eine sich weltweit ausbreitende Kreditkrise durchleben müssen.
Tut mir leid.
d.
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JüKü
05.01.2002, 17:50
@ dottore
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Re: Wenn sich Festverszinsliche höher rentieren.. / Nachtrag |
Mit folgendm Satz:
>Dies hat zum einen mit dem Steuerrecht zu tun, denn Schulden können steuerlich mit Gewinn verrechnet werden...
meinen Sie sicher:"... denn Schuldzinsen können mit Gewinnen..."
Und zu den historischen Aktien- und Bondrenditen fand ich kürzlich diesen Chart:
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André
05.01.2002, 19:51
@ JüKü
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Re: Gewinnrendite - Dividendenredite - Rendite festverzinslicher WP |
>Und zu den historischen Aktien- und Bondrenditen fand ich kürzlich diesen Chart:
>[img][/img]
Es gab längere Anlagezeiträume (vor WK I) in denen sogar die Dividendenrendite über der Rendite festverzinslicher Anleihen liegen mußte, um Anleger zu Investitionen in Aktien zu animieren.
Der Grundsatz:"Es muß eine Risikoprämie gezahlt werden."
Dann in der langen Periode vor 1958 Umorientierung von Dividendenrendite
zur Aktienrendite oder genauer: Gewinnrendite, die neben dem ausgeschütteten den anteilig thesaurierten Gewinn beinhaltet. D.h. das Kurs/Gewinn-verhältnis für Aktien mußte (bezogen auf das vergangene wie laufende Jahr und möglichst auch auf das nächste Jahr)niedriger liegen als KZV (=KGV) für Renten.
(Das KGV ist stets der Kehrwert der Gewinn- bzw. Renten-Rendite)
Man unterschied Kapitalanlagen (die dieses Kriterium erfüllten) von Spekulationen oder Projekten, die dieses Kriterium nicht erfüllten.
Letztere wurden stets als hoch risikobehaftet und oftmals auch als verwerflich angesehen.
Da das Pendel der Geschichte stets hin und her schwingt, sollte niemand überrascht sein, wenn die o.g. Kurve whd. der kommenden Jahre wieder mehr Realitätsnähe gewinnen wird.
Typisch für die gesamtwirtschaftlich zerstörerische ökonomische Wirkung hoher Schulden (Staatsschulden) war der jahrzehntelange Umstand, dass z.B. Siemens als"Bank mit angeschlossenem Elektroladen" bezeichnet werden konnte, d.h. reale Investitionen hätten weniger gebracht als die im Portfolio gehaltenen Staatstitel. Das Ergebnis war: keine oder sehr wenig wachstumsfördernde Investitionen in der gesamten Wirtschaft.
MfG
A.
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dottore
05.01.2002, 20:28
@ JüKü
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Re: Ja, sorry und weitere Deutung: |
>meinen Sie sicher:"... denn Schuldzinsen können mit Gewinnen..."
Ja, JüKü, genau das,
sorry. Den Schuldzinsenabzug bei unseren privaten ESt.-Erklärungen hat schon Meister Helmut Schmidt zunichte gemacht (aus fiskalischen Gründen). Er hat dem deutschen Volk damit einen großen Dienst getan. So tief wie die Amerikaner u.a. werden wir vermutlich nicht fallen können.
Die Grafik
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zeigt auch schön, ab wann es mit der staatlichen Wohlfahrtsschuldenmacherei in den USA dahin gegangen ist: Ab den Post-Eisenhower-Demokraten. Finanzierung des Vietnamkriegs usw.
Danach kam der schwere Fall der Bonds (= Renditeanstieg, den Fed-Chef Volcker abbrechen musste, um die USA nicht vorzeitig in Konkurs zu treiben. US-Sechsprozenter (15 Jahre Laufzeit) notierten 1981 schließlich bei 46 %!!!
Dann erschien der"Magier" Greenspan und nahm die Staatspapiere ad libitum ins Fed-Portefeuille. Der Kurs der 15jährigen 6-Prozenter verdoppelte sich. So einfach kann"Notenbankpolitik" sein.
Resultat war just jene disinflationäre Pervers-Hausse, die wir erleben durften.
Davon, dass die Aktiengesellschaften"Renditen" erwirtschaftet hatten oder erwirtschaften, kann keinerlei Rede sein. Es wurde auf"Zukunft" getradet wie noch nie. Es war eine klassische Bubble, mit die schönste, die wir jemals in der Weltgeschichte bestaunen durften.
Dazu passte die Schlagzeile der FAZ sehr fein, die da jüngst sinngemäß lautete:
"US-Aktien auf höchster Bewertung aller Zeiten."
Von einem"appreciation potential" der Aktien (siehe Grafik) können nur Leute reden, die wirklich keine Ahnung haben, die vielmehr immer davon ausgehen, dass es irgendwelche Anlagen gibt, die"zurück geblieben" sind und die jetzt jeder dringend anfassen müsse, weil sie demnächst"steigen" (appreciate).
Aktien-Renditen von inzwischen ca. 1 (ein) Prozent bedeuten aber durchaus nicht, dass die Gewinne demnächst"aufholen", sie müssten sich, by the way, querbeet mindestens versechsfachen, sondern, dass die Aktien über kurz oder lang in einem
Mega-Crash der Sahne-Klasse
in die Tiefe sausen.
Dies ist zwar"fundamenatl" argumentiert, haut aber trotzdem hin; denn auch Elliott verbietet nicht das Erkennen von"Fundamentals", bevor sie als Erklärung der Waves im Tagesgeschäft herangezogen werden.
So bin ich denn pessimistischer denn je. Einen"Kapitalismus", dem keine Kapitalrendite innewohnt, kannste vergessen...
Schöne Post-Geburtstagstage wünschend (denn das"hinterher" ist allemal am Schönsten, es bestätigt so angenehm)
d.
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