Hi!
Weil es so unglaublich ist, hier noch etwas Nachtlektüre, die Consumer Credit - die Verbraucherkredite für den November.
~ Die US-Verbraucher haben es geschafft die grösste monatliche Neuverschuldung seit Bestehen der Zeitreihe, 1943, hinzukriegen. Für den November stieg das Kreditvolumen von 1.632,8 auf 1.652,7 Mrd., das macht eine Neuverschuldung von +$19,9 Mrd., ann. sind das 14,6%. Die Konsensschätzungen hatten bei +$4,7 Mrd. gelegen. Zudem wurde der Oktoberwert von zuvor +$7,0 Mrd. auf nunmehr +$11,2 Mrd. nach oben revidiert (ann. 8,3%).
~ Die nicht-revolvierenden Kredite, grösstenteils Autokredite, verzeichneten dabei einen Anstieg von +$14,4 Mrd.; das macht eine annualisierte Wachstumsrate von 18,3% im November, im Oktober hatte diese bereits bei 19,0% gelegen.
~ Auch die revolvierenden Kredite nahmen im Monatsvergleich zu, um genau +$5,4 Mrd. (ann. +9,4%), während diese im Oktober noch rückläufig waren -$3,5 Mrd. oder annualisiert -6,1%.
Hier noch ein Chart mit der annualisierten Wachstumsrate und dem Quotienten Verschuldung/privates Einkommen:
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Gute Nacht wünscht
Cosa
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>Hi!
>Weil es so unglaublich ist, hier noch etwas Nachtlektüre, die Consumer Credit - die Verbraucherkredite für den November. > ~ Die US-Verbraucher haben es geschafft die grösste monatliche Neuverschuldung seit Bestehen der Zeitreihe, 1943, hinzukriegen. Für den November stieg das Kreditvolumen von 1.632,8 auf 1.652,7 Mrd., das macht eine Neuverschuldung von +$19,9 Mrd., ann. sind das 14,6%. Die Konsensschätzungen hatten bei +$4,7 Mrd. gelegen. Zudem wurde der Oktoberwert von zuvor +$7,0 Mrd. auf nunmehr +$11,2 Mrd. nach oben revidiert (ann. 8,3%). > ~ Die nicht-revolvierenden Kredite, grösstenteils Autokredite, verzeichneten dabei einen Anstieg von +$14,4 Mrd.; das macht eine annualisierte Wachstumsrate von 18,3% im November, im Oktober hatte diese bereits bei 19,0% gelegen. > ~ Auch die revolvierenden Kredite nahmen im Monatsvergleich zu, um genau +$5,4 Mrd. (ann. +9,4%), während diese im Oktober noch rückläufig waren -$3,5 Mrd. oder annualisiert -6,1%.
>Hier noch ein Chart mit der annualisierten Wachstumsrate und dem Quotienten Verschuldung/privates Einkommen:
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>Gute Nacht wünscht
>Cosa
Hi Cosa,
diese Zahlen sind sehr beeindruckend, vielen Dank!
Vor kurzem hatte die FT (UK) einen größeren Beitrag zur Lage in GB, sub:
"Consumer spending is driving the UK economy but at the risk of creating serious imbalances"
Mit der Folgerung:
"Consumer debt will persist over time in a way that might not have been the case in years past."
Die consumer credits outstanding as a % of disposable income sind demnach in UK von 1993 bis zu den letzten verfügbaren Zahlen von
knapp 11 auf 20,5 % gestiegen!
Ich nehme an, das dies in anderen großen Volkswirtschaften (F, I, BRD, J, dazu schon ein früheres Posting bzgl. der dortigen Konsumkredit-Firmen) nicht viel anders sein wird.
Die Steigerung des Konsumentenkredit ist also die derzeit treibende Kraft der Weltwirtschaft überhaupt, was zu grundsätzlichen Überlegungen führt:
1. Die Rolle der Unternehmer bzw. gar deren Verschuldung zum Zwecke etwa von Investitionen hat stark abgenommen. Die Investitionen sind nicht mehr die entscheidende Kraft bei wirtschaftlichen Aufs und Abs - wie früher.
2. Die Investitonen der Unternehmer konnten in den vergangenen Jahren vor allem"kostenlos", d.h. durch Ausgabe von Aktien (die nicht verzinst werden müssen wie Anleihen, Konsum- oder Staatskredite) finanziert werden. Dieses hat stark abgenommen, da die Unternemen sich IPO-Kapital nur noch schwer beschaffen können (oder wollen) - schwieriges"Börsenumfeld".
3. Sollten die Börsen nicht erneut haussieren, werden die Unternehmen ihre Probleme bei der Beschaffung von Mitteln für neue Investitionen (= Neuverschuldung dann) mit einer Rückführung von Investitionen beantworten. Kapital, das über IPOs oder Kapitalerhöhungen hereinkommt, kann ohne große Gewissensbisse verausgabt werden, bei Anleihefinanzierungen ist das etwas völlig anderes, siehe dazu auch Heinsohn/Steiger in UMBRUCH, S. 31 ff.
4. Es wird verstärkt Versuche in Richtung"Wandelanleihen" geben (siehe Infineon), bis sich dann die Märkte wieder"normalisiert" haben.
5. Aus dem bisher bekannten"Kapitalismus", in dem die Kapitalbildung in Unternehmen das Zentrum war, wird ein neuartiger Mix von sich gegenseitig hochschaukelnden Verschuldungen der Konsumenten und des Staates:
Wird der Konsument etwas schlechter gelaunt, wird der Staat ihm ein freundlicheres Umfeld suggerieren, z.B. durch Steuersenkungen oder"Vorziehen" von Steuersenkungen, notfalls werden auch staatliche"Förderprogramme" aufgelegt, über deren Finanzierung (Neuverschuldung) aber nicht mehr groß gesprochen wird.
6. So haben wir letztlich eine Art "Konsumentenkapitalismus". Der Verbaucher bildet mit Hilfe der Neuverschuldung freilich kein Kapital (er kauft keine Wirtschaftsgüter, die ihrerseits BIP erzeugen,"investiert" also nicht oder bestenfalls in sein eigenes Vergnügen - Haus, Yacht, Einrichtung, Klamotten usw.).
7. Der Konsument rechnet nicht"unternehmerisch" und erstellt über seine Lage keine Bilanzen. Er zieht einfach immer weiter Wechsel auf künftige Lohn- und Gehaltszahlungen, von denen er annimmt, dass sie - obendrein in steigender Sequenz - bei ihm eintreffen werden, da das ganze"System" ihn vor wirklichen Einbrüchen oder gar längeren Krisen bewahren wird.
8. Im Gegensatz zu Unternehmen gibt es für Konsumenten keinerlei Jahresabschlussprüfungen und auch keine Aufsichtsämter, die von sich aus auf drohende Gefahren, beim Konsumenten vor allem die der Illiquidität, hinweisen. Es gibt keinerlei Cash-Management, keine wirklichen Wirtschaftspläne, keine Soll-Ist-Betrachtungen usw.
9. Wie weit lässt sich ein solches Zerrbild eines"marktwirtschaftlichen" Systems treiben, aus dem für die meisten Marktteilnehmer keinerlei Verantwortlichkeiten mehr existieren, sondern nach klassischem "moral hazard" vorgegangen wird?
Natürlich ist Schluss, sobald die fälligen Zahlungen die gleichzeitig erscheinenden Einkünfte übersteigen. Dass er sich diesem Zustand nähert, merkt der Verbraucher kaum, es gibt da keine"Finanzvorstände", außer eventuell mauligen Ehefrauen, die das Ganze mit Argwohn betrachten. Die dann aber mit der Kreditkarte zum nächsten Shopping geswchickt werden.
Die account manager der Konsumenten sind Banken, deren Interesse nicht darauf zielt, den Verbraucher vor Konkurs zu bewahren (sie steigen halt wie sie steigen und immer werden"Sonderfaktoren" angeführt, wie"plötzliche, unerwartete Arbeitslosigkeit" usw.). Im Gegenteil: Jede Bank ist für jede weitere Kontenüberziehung dankbar, für jeden Ratenkredit und befeuert den Konsumenten noch, weiter"zuzugreifen". Notfalls hat man das Instrument der Lohnpfändung...
Schließlich leben wir nicht umsonst in einer"Sorglos-" oder"Spaßgesellschaft", in der doch wirklich nur das Heute zählt.
Außerdem würde es kein Top Dog in der Politik jemals wagen, Warnungen auszusprechen. An seiner Forderung"Maß halten!" ist schon Ludwig Erhard gescheitert. Die Reaktion der Bevökerung wäre auch heute eindeutig:"Was will der mir reinreden? Wieso kommt der dazu, mir das bißchen Lebensfreude zu vermiesen?" Und Ähnliches.
Wer eine kritische Stimme erhebt, wird als"Spielverderber" geoutet. Das Leben ist doch schön und die Ausfransungen an den Rändern (Ungerechte Verteilungen, Globalisierungsprobleme usw.) werden bestenfalls in arkanen Zirkeln diskutiert, siehe auch die leidenschaftlichen Beiträge hier im Forum.
Mervyn King, Vize der BoE, und einer der wenigen noch Besonnenen, sagte der FT:
"Because consumer demand has been so strong and for so long, there is a risk that at some point ist will fall away very sharply. If (consumer spending) were to slow very sharply... then that would mean quite a sharp downside risk."
Das"consumer sentiment" ist zur Schlüsselgröße schlechthin geworden. Ob es sich EW-technisch darstellen lässt, weiß ich nicht. Falls ja, vermute ich eine noch immer intakte große Drei, es könnte aber auch schon die finale Fünf gestartet sein.
Der 11. September schien zunächst ein solcher"some point" gewesen zu sein. Aber davon können wir uns zunächst verabschieden.
Dies umso mehr, wenn die"dauerhaften Aktiva", die der Konsument hat, besonders Aktien und vor allem Häuser (wurde ausführlich schon diskutiert, siehe die NBER-Studie), im"Wert" weiter oder wieder steigen.
So regnet ein Mix aus Balsam, Prozac und Johanniskraut über die Happy Few in den better-off-Staaten und mehr und mehr geht jeglicher Bezug zu ökonomischen Realitäten verloren."Marienhof" und"Semmeling" schauen auch viel besser aus als ein Kontenauszug (Schlimmes passiert, wenn überhaupt, dann immer irgendwo"anders").
Das Sentiment ist bisher auch nicht durch die Horrormeldungen von den Arbeitsmärkten gebrochen worden, was sich auch erklärt, da Arbeitslosigkeit zum Teil als"vorübergehend" (= V- oder U-Theorie der Rezession) angesehen wird, zum Teil als mit Hilfe von"Reformen" behebbar, die sicher eines Tages"angepackt" werden.
Und dann ist sowieso wieder alles gut. Und das für immer.
Don't worry, be happy!
Mir allerdings dreht's schier den Magen um.
Gruß
d.
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>Die Steigerung des Konsumentenkredit ist also die derzeit treibende Kraft der Weltwirtschaft überhaupt, was zu grundsätzlichen Überlegungen führt:
>1. Die Rolle der Unternehmer bzw. gar deren Verschuldung zum Zwecke etwa von Investitionen hat stark abgenommen. Die Investitionen sind nicht mehr die entscheidende Kraft bei wirtschaftlichen Aufs und Abs - wie früher.
>2. Die Investitonen der Unternehmer konnten in den vergangenen Jahren vor allem"kostenlos", d.h. durch Ausgabe von Aktien (die nicht verzinst werden müssen wie Anleihen, Konsum- oder Staatskredite) finanziert werden. Dieses hat stark abgenommen, da die Unternemen sich IPO-Kapital nur noch schwer beschaffen können (oder wollen) - schwieriges"Börsenumfeld".
>3. Sollten die Börsen nicht erneut haussieren, werden die Unternehmen ihre Probleme bei der Beschaffung von Mitteln für neue Investitionen (= Neuverschuldung dann) mit einer Rückführung von Investitionen beantworten. Kapital, das über IPOs oder Kapitalerhöhungen hereinkommt, kann ohne große Gewissensbisse verausgabt werden, bei Anleihefinanzierungen ist das etwas völlig anderes, siehe dazu auch Heinsohn/Steiger in UMBRUCH, S. 31 ff.
Hallo, dottore,
das gilt aber nur für die großen Konzerne, denn mittelständische Firmen können so was ja nicht, müssen sich selbst oder über Banken finanzieren, oder halt über Leasingbanken gehen.
Also gilt dies nur für den Anteil der Großkonzerne oder der Telecom-Unterdienstleister, die aber wiederum wenig selbst investieren.
Die ganzen Firmen"darunter", die doch die Wirtschaft mehr als andere"tragen" sind eher von Basel II betroffen.
Letztlich aber kommt es aufs gleiche raus - in diesem Unfeld fehlen die Anreize, gewerblich Investitionsrisiken einzugehen.
Nochwas fällt mir auf - durch den Generationswechsel und die Überalterung werden auch die Unternehmer tendenziell"älter" und bauen eher ihre Firmen ab, als sie weiter hochzufahren.
Wir werden uns auf eine anhaltende Wirtschaftsschrumpfung einstellen müssen.
Beste Grüße vom Baldur
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