R.Deutsch
12.01.2002, 18:56 |
Realenzyklopädie 27 - Kommunismus, Ausbeutung, Marx etc. Thread gesperrt |
Weil sich niemand dran gewagt hat, will ich es einmal versuchen. Wenn ich mir allerdings die Vorschläge von Tobias ansehe, muss man sich um die Jugend und die Republik keine Sorgen machen und der folgende Quark lockt niemand mehr hinter dem Ofen vor.
Die Ansatzpunkte in der Marxschen Lehre:
Die Anthropologie:"Der Mensch ist das arbeitende, sich durch seine eigene Arbeit produzierende Wesen."
Sein Los: Entfremdung vom Produkt seiner Arbeit, damit von sich selbst und auch von seinen Mitmenschen.
Ursache der Entfremdung für Marx: Privateigentum der Kapitalisten an den Produktionsmittel
Die Geschichts- und Gesellschaftslehre:
Bewegendes Element in der Geschichte: Produktion und die in ihr wirksamen Klassen. Geschichte = Geschichte von Klassenkämpfern.
Wirtschaftslehre:
Durch das Privateigentum an den Produktionsmitteln: Möglichkeit der Ausbeutung: Kapitalist eignet sich den vom Arbeiter produzierten Mehrwert an (Profit!).
Marx hofft:
Auf Beseitigung der Entfremdung und der Ausbeutung durch Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln: auf Beseitigung der Klassenkämpfe durch Erreichen der klassenlosen Gesellschaft.
Was ist von diesen Hoffnungen bei den kommunistischen Experimenten verwirklicht worden?
Ist die Entfremdung verschwunden? N e i n!
Gründe: Arbeiter kann sich nach wie vor nicht in seiner Arbeit erkennen, was aber in der Arbeitsteilung seinen Grund hat und n i c h t im Privateigentum an den Produktionsmitteln.
Wie versucht man in der"sozialen Marktwirtschaft" diesem Übel abzuhelfen? (Einblick in den gesamten Produktionsverlauf, Mitbestimmung).
Wie sah die Realität im Kommunismus aus?: Verschärfung der Entfremdung. Produkt wird vom Staat (Planung) bestimmt; Mensch ist nur eine Nummer; wird hingeschoben, wo ihn der Staat braucht. Kaum freie Berufswahl.
War die Ausbeutung verschwunden?
Nach sozialistischer Meinung: ja! Denn die Ursache dafür war ja beseitigt.
De facto: bestand sie weiter. Normsystem - Werksleiter waren am Umsatz beteiligt, und daher genau so an der Leistung ihrer Untergebenen interessiert wie der Kapitalist.
Riesige Industrialisierung wurde mit dem Profit der Produktion durchgeführt - durch fortgesetzte Normerhöhungen wurde eine Steigerung des Profits erreicht. Ausbeutung der Landwirtschaftlichen Genossenschaften durch offene und verschleierte Abgabepflicht.
Waren die Klassengegensätze verschwunden? Nein
Es haben sich neue gesellschaftliche Gruppierungen gebildet. Wieder bevorrechtigte Schichten. Unterschied zwischen dem Direktor eines Werkes und einem Arbeiter war nirgends größer als dort.
Das praktische Experiment mit dieser Theorie ist klar gescheitert. Das theoretische Fundament taugt auch nicht für eine Neuauflage in abgewandelter Form (Dritter Weg).
Grundlage der Theorie ist die sog. Arbeitswertlehre, die besagt, dass der Wert aller Güter und Dienstleistungen von der darin enthaltenen Arbeit bestimmt wird. Diese Theorie ist eindeutig falsch. Weil aber Marx sein Gedankengebäude auf dieser Theorie aufgebaut hat (auch seine Geldtheorie), sind seine lichtvollen Ausführungen praktisch unbrauchbar.
Schönes Wochenende
R.Deutsch
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chiquito
13.01.2002, 10:40
@ R.Deutsch
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Re: Realenzyklopädie 27 - Kommunismus, Ausbeutung, Marx etc. |
>Grundlage der Theorie ist die sog. Arbeitswertlehre, die besagt, dass der Wert aller Güter und Dienstleistungen von der darin enthaltenen Arbeit bestimmt wird. Diese Theorie ist eindeutig falsch. Weil aber Marx sein Gedankengebäude auf dieser Theorie aufgebaut hat (auch seine Geldtheorie), sind seine lichtvollen Ausführungen praktisch unbrauchbar.
>Schönes Wochenende
>R.Deutsch
Hallo Reinhardt Deutsch!
Wie begründen Sie eigentlich Ihr Urteil über die Arbeitswert-Theorie:"Diese Theorie ist eindeutig falsch."?
Wenn man die Diskussionen - auch hier im Board - verfolgt, geht es doch immer wieder darum, dass es Dinge gibt, die sind"überbewertet", sie haben"keinen wirklichen Wert", sie haben"nur einen fiktiven Wert". Papiergeld zum Beispiel ist so etwas, was"keinen realen Wert" hat, im Gegensatz zu Gold oder Silber.
Was ist den eigentlich der Grund, dass man von"wirklichen Werten" sprechen kann? Was entscheidet darüber, dass ein Wert ein"wirklicher Wert" ist? Wie kommt es dass Gold, Silber oder Schweinebäuche einen"realen Wert" haben können?
Der Grund ist doch offensichtlich, dass man sie nicht (wie Papiergeld) aus"thin air", aus hohler Luft schaffen kann, sondern - und hier scheint mir Marx nach wie vor überzeugend zu sein - weil man wirkliche Arbeit in ihre Produktion stecken muß.
Natürlich - könnte man einwenden - steckt auch in einer Dollar-Note letzten Endes Arbeit drin, also Wert; aber - und das macht den Unterschied: Der Wert dieses Zettels ist minimal, gemessen an den 10 Dollar, die draufgedruckt sind; die Druckerei kann stattdessen auch 100 Dollar draufdrucken, ohne dass es mehr Arbeit macht. Im Gegensatz dazu entfällt auf die Produktion einer Unze Gold oder eines Schweinebauches eben nur ein Hundertstel der Arbeit, die der Produzent für 100 Unzen Gold oder 100 Schweinebäuche aufwenden muß.
Mit anderen Worten: Dass es im Unterschied zu"fiktiven" Werten auch"reale" Werte gibt, das wird in der alltäglichen Diskussion schon gesehen. Was aber letzten Endes einen"realen" Wert ausmachen soll, das bleibt im Dunkeln.
Marx gibt auf die Frage, was den"Wert" wirklich bestimmt, jedenfalls eine Antwort. Ob diese Antwort richtig oder falsch ist, darüber läßt sich natürlich diskutieren. Wenn man die Antwort von Marx aber für"eindeutig falsch" hält, dann muß man nicht einmal unbedingt eine bessere Antwort haben, aber eine Begründung würde ich mir schon wünschen.
Mit freundlichen Grüßen
chiquito
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chiquito
13.01.2002, 10:55
@ chiquito
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Re: Reinhard - natürlich ohne"t" am Ende! (owT). |
>>Grundlage der Theorie ist die sog. Arbeitswertlehre, die besagt, dass der Wert aller Güter und Dienstleistungen von der darin enthaltenen Arbeit bestimmt wird. Diese Theorie ist eindeutig falsch. Weil aber Marx sein Gedankengebäude auf dieser Theorie aufgebaut hat (auch seine Geldtheorie), sind seine lichtvollen Ausführungen praktisch unbrauchbar.
>>Schönes Wochenende
>>R.Deutsch
>Hallo Reinhardt Deutsch!
>Wie begründen Sie eigentlich Ihr Urteil über die Arbeitswert-Theorie:"Diese Theorie ist eindeutig falsch."?
>Wenn man die Diskussionen - auch hier im Board - verfolgt, geht es doch immer wieder darum, dass es Dinge gibt, die sind"überbewertet", sie haben"keinen wirklichen Wert", sie haben"nur einen fiktiven Wert". Papiergeld zum Beispiel ist so etwas, was"keinen realen Wert" hat, im Gegensatz zu Gold oder Silber.
>Was ist den eigentlich der Grund, dass man von"wirklichen Werten" sprechen kann? Was entscheidet darüber, dass ein Wert ein"wirklicher Wert" ist? Wie kommt es dass Gold, Silber oder Schweinebäuche einen"realen Wert" haben können?
>Der Grund ist doch offensichtlich, dass man sie nicht (wie Papiergeld) aus"thin air", aus hohler Luft schaffen kann, sondern - und hier scheint mir Marx nach wie vor überzeugend zu sein - weil man wirkliche Arbeit in ihre Produktion stecken muß.
>Natürlich - könnte man einwenden - steckt auch in einer Dollar-Note letzten Endes Arbeit drin, also Wert; aber - und das macht den Unterschied: Der Wert dieses Zettels ist minimal, gemessen an den 10 Dollar, die draufgedruckt sind; die Druckerei kann stattdessen auch 100 Dollar draufdrucken, ohne dass es mehr Arbeit macht. Im Gegensatz dazu entfällt auf die Produktion einer Unze Gold oder eines Schweinebauches eben nur ein Hundertstel der Arbeit, die der Produzent für 100 Unzen Gold oder 100 Schweinebäuche aufwenden muß.
>Mit anderen Worten: Dass es im Unterschied zu"fiktiven" Werten auch"reale" Werte gibt, das wird in der alltäglichen Diskussion schon gesehen. Was aber letzten Endes einen"realen" Wert ausmachen soll, das bleibt im Dunkeln.
>Marx gibt auf die Frage, was den"Wert" wirklich bestimmt, jedenfalls eine Antwort. Ob diese Antwort richtig oder falsch ist, darüber läßt sich natürlich diskutieren. Wenn man die Antwort von Marx aber für"eindeutig falsch" hält, dann muß man nicht einmal unbedingt eine bessere Antwort haben, aber eine Begründung würde ich mir schon wünschen.
>Mit freundlichen Grüßen
>chiquito
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Wal Buchenberg
13.01.2002, 11:05
@ R.Deutsch
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Re: Marx-Widerlegung die 100026. ;-) (owT) |
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Galiani
13.01.2002, 11:53
@ R.Deutsch
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@R.Reutsch: Ihre Realenzyklopädie 27 ist einsame Spitze! So ungefähr das beste, |
was ich je darüber gelesen habe; zudem in dieser prägnanten Kürze. Ich war skeptisch, ob es gelingen würde, eine so komplexe Gedankenmasse wie das marxistische Denkmodell in einigen wenigen Sentenzen zu charakterisieren. Genau das ist Ihnen gelungen.
Hut ab!
Grüße
G.
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R.Deutsch
13.01.2002, 12:15
@ chiquito
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Re: es gibt keine"realen Werte" |
Lieber Chiquito,
es gibt keine objektiven, oder realen Werte. Wert ist immer subjektiv. Ein und derselbe Gegenstand hat für jeden Menschen einen anderen Wert (nicht mit Preis verwechseln).
Du kannst soviel Arbeit in einen Gegenstand stecken, wie Du willst - wenn ihn niemand haben will, ist er nichts wert. Diesen Zusammenhang hat Marx nicht gesehen, und deshalb ist das ganze Gebäude schief geworden.
Gruß
RD
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Galiani
13.01.2002, 12:34
@ chiquito
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Hallo chiquito |
Hallo nochmal
Du fragst:
>Wie begründen Sie eigentlich Ihr Urteil über die Arbeitswert-Theorie:"Diese Theorie ist eindeutig falsch."?
Wenn die Arbeitswerttheorie stimmen würde, müßten die"arbeitsintensivsten" Produkte den höchsten Wert haben. Wie Du an tausend Beispielen im realen Leben aber selbst nachprüfen kannst, ist es nachgerade umgekehrt. Die Produkte, deren Herstellung am meisten Schweiß und Arbeit verursachen, sind nicht selten gerade solche Produkte, die am Markt nicht viel erlösen, also"einen relativ geringen Wert haben": Brot zum Beispiel; oder normale Lederschuhe (nicht vom Designer); Stahl u.s.w.
>...dass es Dinge gibt, die sind"überbewertet", sie haben"keinen wirklichen Wert", sie haben"nur einen fiktiven Wert". Papiergeld zum Beispiel ist so etwas, was"keinen realen Wert" hat, im Gegensatz zu Gold oder Silber.
>Was ist den eigentlich der Grund, dass man von"wirklichen Werten" sprechen kann? Was entscheidet darüber, dass ein Wert ein"wirklicher Wert" ist? Wie kommt es dass Gold, Silber oder Schweinebäuche einen"realen Wert" haben können?
Das Gebiet der"Wertlehre" - so verworren es seit zwei oder drei Generationen auch geworden sein mag - hat doch einige ewig gültige Grundsätze hervorgebracht: Der"Wert" wird durch zwei voneinander unabhängige Komponenten bestimmt: nämlich einmal durch die"Nützlichkeit" einer Sache (das hat mit unseren Bedürfnissen bzw. Motiven zu tun); häufig wird uns aber von interessierter Seite durch Propaganda ein"Nutzen" der Dinge suggeriert, der in Wirklichkeit gar nicht vorhanden ist. Das macht dann den Unterschied zu einem bloß"fiktiven" Wert aus! Die zweite Komponente, die den Wert bestimmt und die vom"Nutzen" der Sache völlig unabhängig ist, ist deren"Seltenheit" bzw. die Schwierigkeit, die es macht, der"nützlichen" Sache habhaft zu werden. (Hier spielt das Moment der Arbeitsleistung manchmal mit; keineswegs aber immer!)
Das berühmte Wertparadoxon zeigt das sehr deutlich auf: Wasser und Luft sind zwar unerhört nützlich, aber weil es sich nicht um"seltene" Dinge handelt, haben sie keinen eigentlichen Wert; hingegen wäre, wie Ferdinando Galiani sagt, ein Säckchen Sand von einem ganz bestimmten japanischen Strand etwas außerordentlich schwer zu Bekommendes,"Seltenes", aber, wenn das für niemanden von Nutzen ist, wäre es ebenfalls nichts Wert. (Es sei denn, irgend ein Quacksalber würde mit großer Medienunterstützung dafür Propaganda machen, daß gerade dieser Sand große Heilwirkung habe.)
>Der Grund ist doch offensichtlich, dass man sie nicht (wie Papiergeld) aus"thin air", aus hohler Luft schaffen kann, sondern - und hier scheint mir Marx nach wie vor überzeugend zu sein - weil man wirkliche Arbeit in ihre Produktion stecken muß.
Das ist eben ein Trugschluß! Das Genie, das für ein unlösbar erscheinendes Problem der Menschheit eine Lösung"aus dem Ärmel schüttelt", hat für die Menschheit vielleicht einen unermeßlichen Wert, ohne daß da viel Arbeit im Spiel ist. (Wobei ich Dir zugebe: Für wirkliche Leistungen ist Arbeit meistens eine unabdingbare Voraussetzung. Arbeit allein aber reicht nicht aus! Sie ist eine - meist - notwendige, aber keine ausreichende Bedingung des Wertes)
>Marx gibt auf die Frage, was den"Wert" wirklich bestimmt, jedenfalls eine Antwort. Ob diese Antwort richtig oder falsch ist, darüber läßt sich natürlich diskutieren. Wenn man die Antwort von Marx aber für"eindeutig falsch" hält, dann muß man nicht einmal unbedingt eine bessere Antwort haben, aber eine Begründung würde ich mir schon wünschen.
Ich hoffe, daß sich Deine weiteren Überlegungen und Fragen damit einigermaßen beantworten lassen.
Liebe Grüße und einen schönen Sonntag
G.
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chiquito
14.01.2002, 00:12
@ R.Deutsch
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Re: es gibt keine realen Werte |
>Lieber Chiquito,
>es gibt keine objektiven, oder realen Werte. Wert ist immer subjektiv. Ein und derselbe Gegenstand hat für jeden Menschen einen anderen Wert (nicht mit Preis verwechseln).
>Du kannst soviel Arbeit in einen Gegenstand stecken, wie Du willst - wenn ihn niemand haben will, ist er nichts wert. Diesen Zusammenhang hat Marx nicht gesehen, und deshalb ist das ganze Gebäude schief geworden.
>Gruß
>RD
Genau dieses Problem beginnt Marx schon ganz am Anfang des"Kapital" zu entwickeln, nämlich als den Widerspruch von Gebrauchswert und Tauschwert. - Es kommt mir langsam so vor, dass man hier über jemand diskutiert, dessen Bekanntschaft man gar nicht gemacht hat ;-)
Trotzdem: Grüße!
ch.
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