Ausland
Klaus Fischer
Krank am Herzen
Automobilindustrie steht vor handfester Krise. US-Konzerne mit Milliardenverlusten
Einigermaßen ratlos soll der neue Chef des zweitgrößten Automobilkonzerns der Welt, William Ford junior, auf die aktuellen Geschäftszahlen des Unternehmens geschaut haben. Erst kürzlich an die Spitzenposition des Unternehmens gerückt, sollte der Abkömmling des Firmengründers Henry Ford, dessen Sippe immer noch das Sagen beim Autobauer hat, eigentlich für gute Nachrichten zuständig sein. Nun also der Einbruch. Zweieinhalb Milliarden Dollar Verluste sollen nach Informationen des manager magazin im operativen Geschäft 2001 aufgelaufen sein, und das ist selbst für eine der größten Kapitalgesellschaften der Welt ein Hammer.
Aber auch die Nummer eins der Welt steckt weiter in Problemen fest. General Motors hatte bereits 2001 mit einer Umstrukturierung des Konzerns begonnen, die nicht nur auf drastische Stellenstreichungen hinauslief, sondern auch die Philosophie des Autogiganten verändern sollte. Von Europa lernen, heißt siegen lernen, könnte man den Trend überschreiben, der GM aus der Krise und mehr Käufer wieder hinter die Lenkräder von Pontiac, Buick oder Cadillac bringen sollte. Aber gerade die Europa-Tochter von GM, Opel, meldet auch für das abgelaufene Jahr weitere Verluste. 680 Millionen Euro Miese soll die Rüsselsheimer Dependance von GM 2001 eingefahren haben, meldete am Freitag die Frankfurter Allgemeine. Nach reichlich einer halben Milliarde Verlust im Jahr 2000 ein weiterer dicker Brocken. Das 2001 aufgelegte Stellenabbauprogramm Opels mit dem schönen Namen »Olympia« dürfte eine Erweiterung erfahren und bei den Beschäftigten in Rüsselsheim, Antwerpen, Bochum und Eisenach die Alarmglocken läuten lassen.
Schuld an der Situation seien Managementfehler, falsche Modellpolitik der Amerikaner, Qualitätsnachteile gegenüber europäischen Autos, liest man häufig. Aber das Problem liegt mit Sicherheit anderswo. Die globalkapitalistische Überproduktionskrise hat nicht nur die Peripherie - Stichwort Staatsbankrotte in der Türkei oder Argentinien - erfaßt. Sie trifft jetzt auch das Herzstück des produzierenden Bereiches, den Autobau.
In der mit Abstand stärksten Wirtschaftsmacht USA hat die dort immer noch mit spitzem Bleistift errechnete Arbeitslosigkeit einen Fünfjahresrekord erreicht. Ebenso in Japan, und die Nummer drei, Deutschland, liegt da mit offiziell vier Millionen Menschen ohne Job gut im Trend. Mehr Arbeitslosigkeit, weniger Einkünfte, geringere Nachfrage. Wer also soll die nagelneuen, schicken Autos kaufen. Die Besserverdienenden? In der Tat hat die Branche im Luxusbereich kaum Probleme. Auch erzielt sie hier die höchsten Gewinnmargen. Aber die Massenproduktion ist gefährdet. Derzeit pendeln die Standardpreise für »Volks«-Autos um die 20000 Euro, einem Netto-Jahresdurchschnittseinkommen in Westeuropa. Da bringen unter dem Strich auch gigantische Rabattaktionen wie in den USA nicht viel. Wenn sich europäische Autoproduzenten wie VW oder Renault derzeit noch optimistisch geben, scheint das auch eher Pfeifen im Walde zu sein. Denn auch die von der Bundesregierung als Notprogramm ins Auge gefaßte Förderung der Billigjobs ist nicht angetan, den »Begünstigten« das nötige Kleingeld für ein Auto zu verschaffen.
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