Zardoz
07.04.2002, 01:42 |
Unternehmenspleiten und Schuldzuweisungen. (mL)Thread gesperrt |
Nach einer abendfüllenden Diskussion mit Ungläubigen kam mir der Artikel, dessen Link ich beigefügt habe, gerade recht.
Unterstellt, Staatseingriffe können Pleiten hinauszögern aber letztlich nicht verhindern, wäre doch für einen späteren Zeitpunkt ein starker Anstieg von Pleiten zu befürchten. Und genau das scheint im Moment der Fall zu sein. Oder wie sonst ist ein erwarteter Pleitenanstieg von 25% in diesem Jahr zu erklären?
Ach ja, da wäre noch die dem Kapitalismus innewohnende Neigung zur spekulativen Überhitzung... aber kann man daran glauben, wenn auch das FDP-Brüderle die Banken auffordert, noch mehr Feuer zu geben?
Nein, ich denke der wohlmeinende Staat meinte wohl Geld für alle sei gleichbedeutend mit Geld für alles. Aber die Realität lässt sich nun mal nicht politisch beeinflussen. Ein Wolkenkuckuksheim war immer unbezahlbar und wird es auch immer bleiben. Aber politisch natürlich jederzeit machbar...
Nice night,
Zardoz
<ul> ~ Pleitewelle - Die Mitschuld der Banken</ul>
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Taktiker
07.04.2002, 03:18
@ Zardoz
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Unternehmenspleiten und korrekte Schuldzuweisungen |
Hallo Zardoz,
will jetzt ins Bett, darum nur kurz:
>... Staatseingriffe...
es gibt keine"Staatseingriffe", da jeder einzelne Gesetzesparagraph für sich ein"Staatseingriff" ist. Es gibt einen gesetzlichen Rahmen und den gibt es seit Menschengedenken, nur jeweils durch verschiedene Institutionen festgelegt, ob Kirche, feudalem Sonnenkönig, lokalem Fürst, nationalem Staat oder internationales Recht bzw. Handelsabkommen.
Insofern gibt es den gesetzlosen, ungeregelten ökonomischen Raum ohnehin nicht und damit erübrigt sich auch jedes Geschrei nach dem"puren" bzw. völlig deregulierten ökonomischen Raum. Dies sollte mal klargestellt sein. Und weiter: Eine dermaßen große Deregulierung bzw. Entfesselung der marktwirtschaftlichen Kräfte wie aktuell dürfte es nur selten in der Menschheitsgeschichte gegeben haben. Man darf vermuten, dass Krisen genau dann entstehen, wenn die Deregulierung überhand nimmt.
> Aber die Realität lässt sich nun mal nicht politisch beeinflussen.
Was ist das denn für eine Feststellung?
Die Realität wurde immer und gerade politisch beeinflußt! Wäre die reine Ã-konomie das einzige Gesetz, würden wir alle in Ställen gehalten und gezüchtet werden. Dass wir uns diesem Zustand annähern, liegt am beschriebenen Vorrücken der rein ökonomischen Prämissen. Für den Kapitalisten zählen nur Input und Output, geregelt über den Kurs, den Preis. Da sind wir dann von menschlichen Legebatterien nicht mehr weit entfernt....und ich sehe das Leuchten in Deinen Augen angesichts einer so verheißungsvollen Zukunft der vollendeten Effizienz an Ausbeutung menschlicher Schaffenskraft.
> Ein Wolkenkuckuksheim war immer unbezahlbar und wird es auch immer bleiben.
Nana, für den echten Kapitalisten ist doch nichts unbezahlbar! Ist doch alles nur eine Frage des richtigen Preises und des technisch-wissenschaftlichen Fortschritts, nicht wahr?!
> Aber politisch natürlich jederzeit machbar...
Visionen sind was Grundpolitisches. Damit kann ein Radikalökonom natürlich nichts anfangen.
Gute Nacht.
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Euklid
07.04.2002, 08:51
@ Zardoz
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Re: Unternehmenspleiten und Schuldzuweisungen. (mL) |
>Nach einer abendfüllenden Diskussion mit Ungläubigen kam mir der Artikel, dessen Link ich beigefügt habe, gerade recht.
>Unterstellt, Staatseingriffe können Pleiten hinauszögern aber letztlich nicht verhindern, wäre doch für einen späteren Zeitpunkt ein starker Anstieg von Pleiten zu befürchten. Und genau das scheint im Moment der Fall zu sein. Oder wie sonst ist ein erwarteter Pleitenanstieg von 25% in diesem Jahr zu erklären?
>Ach ja, da wäre noch die dem Kapitalismus innewohnende Neigung zur spekulativen Überhitzung... aber kann man daran glauben, wenn auch das FDP-Brüderle die Banken auffordert, noch mehr Feuer zu geben?
>Nein, ich denke der wohlmeinende Staat meinte wohl Geld für alle sei gleichbedeutend mit Geld für alles. Aber die Realität lässt sich nun mal nicht politisch beeinflussen. Ein Wolkenkuckuksheim war immer unbezahlbar und wird es auch immer bleiben. Aber politisch natürlich jederzeit machbar...
>Nice night,
>Zardoz
Ja Zardoz und zu meinem Erstaunen mußte ich feststellen daß ein Manager wie Calmund meint bei den Gehältern der Profi-Fußballspieler wären noch immer Wachstumsraten von 400% bis 2008 drin.
In welcher Welt leben diese Jungs überhaupt?
Gruß EUKLID
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Jochen
07.04.2002, 09:43
@ Taktiker
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Re: Unternehmenspleiten und korrekte Schuldzuweisungen |
>Insofern gibt es den gesetzlosen, ungeregelten ökonomischen Raum ohnehin nicht und damit erübrigt sich auch jedes Geschrei nach dem"puren" bzw. völlig deregulierten ökonomischen Raum. Dies sollte mal klargestellt sein. Und weiter: Eine dermaßen große Deregulierung bzw. Entfesselung der marktwirtschaftlichen Kräfte wie aktuell dürfte es nur selten in der Menschheitsgeschichte gegeben haben. Man darf vermuten, dass Krisen genau dann entstehen, wenn die Deregulierung überhand nimmt.
Eine Behauptung, die man nicht wird belegen können. Z.B. war das Dt. Kaiserreich im 19. Jh. weit deregulierter als heute. Einkommensteuer war den Leuten damals unbekannt, das BGB kam erst gegen Ende des 19. Jh., die Arbeitsschutzgesetzgebung ist mit der heutigen nicht zu vergleichen, von Umwelt-, Steuer- usw. Gesetzen ganz zu schweigen.
Vergleicht man dann z.B. Deutschland in den 50er mit heute, so waren die 50er im Vergleich geradezu paradiesisch für Unternehmer.
Daß wir heute in den dereguliertesten aller Zeiten leben, kann man nur als Märchen bezeichnen.
Gruß
Jochen
>> Aber die Realität lässt sich nun mal nicht politisch beeinflussen.
>Was ist das denn für eine Feststellung?
>Die Realität wurde immer und gerade politisch beeinflußt! Wäre die reine Ã-konomie das einzige Gesetz, würden wir alle in Ställen gehalten und gezüchtet werden. Dass wir uns diesem Zustand annähern, liegt am beschriebenen Vorrücken der rein ökonomischen Prämissen. Für den Kapitalisten zählen nur Input und Output, geregelt über den Kurs, den Preis. Da sind wir dann von menschlichen Legebatterien nicht mehr weit entfernt....und ich sehe das Leuchten in Deinen Augen angesichts einer so verheißungsvollen Zukunft der vollendeten Effizienz an Ausbeutung menschlicher Schaffenskraft.
>> Ein Wolkenkuckuksheim war immer unbezahlbar und wird es auch immer bleiben.
>Nana, für den echten Kapitalisten ist doch nichts unbezahlbar! Ist doch alles nur eine Frage des richtigen Preises und des technisch-wissenschaftlichen Fortschritts, nicht wahr?!
>> Aber politisch natürlich jederzeit machbar...
>Visionen sind was Grundpolitisches. Damit kann ein Radikalökonom natürlich nichts anfangen.
>Gute Nacht.
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rodex
07.04.2002, 12:24
@ Taktiker
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Re: Unternehmenspleiten und korrekte Schuldzuweisungen |
>Und weiter: Eine dermaßen große Deregulierung bzw. Entfesselung der marktwirtschaftlichen Kräfte wie aktuell dürfte es nur selten in der Menschheitsgeschichte gegeben haben. Man darf vermuten, dass Krisen genau dann entstehen, wenn die Deregulierung überhand nimmt.
Sehr richtig. Und genau daran krankt das System ja im Moment. Die Abschaffung der festen Wechselkurse nach Breton Woods ist nichts weiter als eine Deregulierung. Wer nach einem Goldstandard ruft, der ruft im Prinzip nach staatlicher Intervention, und einer Eindaemmung der freien marktwirtschaftlichen Kraefte.
However. Deregulierung ist immer Deregulierung nach US-amerikanischem Vorbild.
Auch Globalisierung ist Deregulierung. Boese Zungen behaupten, die USA haben seit Anfang der 90er die Globalisierung nur deshalb forciert, weil sie damit die wirtschaftlich zu stark gewordenen Asiaten niederringen konnten. Noch boesere Zungen behaupten deshalb, was man heute Globalisierung nennt, hiess frueher schlicht Imperialismus. Die frueheren Kolonialbeamten arbeiten heute fuer den IWF.
Ich glaube es tut uns deshalb ganz gut, etwas Abstand zum Begriffssystem der etablierten Wirtschaftswissenschaften zu gewinnen. Diese sind naemlich weitgehend rein ideologisch gepraegt, und selbstreferentiell. Vergleichbar mit dem Studium des Marxismus-Leninismus in der DDR. Wir sollten uns also mal ganz unabhaengig von diesem ideologischen Ballast fragen, ob Deregulierung wirklich per se gut ist, wem sie nuetzt, und ob Globalisierung nicht ausserhalb der streng oekonomischen Betrachtungsweise vielleicht doch ein imperialistisches Instrument eines einzelnen Staates ist, das allenfalls kurz- bis mittelfristig sich positiv auch fuer mit diesem Staat eng verbuendete Staaten auswirkt.
Rodex
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