Eine Anwort auf ein Schreiben des Posters"Thaiguru" aus den WO Goldboard
Sehr geehrter Herr
Herr Meyer hat mir Ihr Schreiben zur Beantworung weitergeleitet, was ich hiermit gerne tue.
Darf ich etwas ausholen? Es gibt seit langem immer wieder Stimmen, die dem Gold goldene Zeiten prophezeien. Ich mag mich zum Beispiel gut daran erinnern, wie in der zweiten Hälfte der 80er Jahre - ich war damals Wirtschaftsredaktor bei der Weltwoche - die Gold-Fundis das Gelbe Metall über jeden Klee lobten. Ihre Prognosen haben sich aber nicht bewahrheitet.
Leider ist die Schweizerische Nationalbank viel zu lange auf ihrem Gold sitzengeblieben. Hätte sie früher verkauft und den Erlös in andere Anlageformen investiert, wäre sie - und damit wir - heute um Dutzende Milliarden Franken reicher. Die Verschleuderung des Volksvermögens hat bereits stattgefunden, aber nicht, weil man Gold zu früh verkauft hätte, sondern zu spät.
Sie sehen, ich bin kein Gold-Fanatiker. Vor zwei Wochen schrieb ich in meiner Geldkolumne (sie ist für Anleger gedacht) folgendes:
Mit den Gold-Fanatikern ist es wie mit der Grippe. Sie sind unausrottbar, und von Zeit zu Zeit suchen sie uns heim. Gegenwärtig sind sie wieder auf dem Vormarsch. Denn das gelbe Metall ist seit dem Herbst letzten Jahres um mehr als 20 Prozent gestiegen. Die Gold-Fonds konnten noch stärker zulegen. Sie investieren nicht in das physische Metall, sondern in Firmen, die sich mit der Produktion, dem Handel und der Verarbeitung von Gold befassen. Und deren Aktien schossen förmlich in die Höhe. Höchste Zeit also, sich vom Goldrausch anstecken zu lassen? Wenn man langfristig denkt und wenn die letzten 80 Jahre eine gute Referenz für die Zukunft sind, dann gibts nur eines: Finger weg vom Gold! Kaufte jemand 1926 eine Unze oder ein Kilogramm Gold und liess es liegen, so nahm natürlich der Wert in Franken und Rappen seither zu. Aber die Wertsteigerung hielt nicht einmal mit der Teuerung Schritt. Man kann heute mit der gleichen Menge Gold weniger andere Güter kaufen als damals. Gold ist kein Inflationsschutz gewesen, wie man weitherum glaubte. Von einer realen Rendite ganz zu schweigen. Das ist die langfristige Erfahrung. Kurz- und mittelfristig kann das Gold sehr wohl massiv an Wert gewinnen. Kommt dazu: Sein Preis entwickelt sich sehr unabhängig. Im Jargon der Statistiker heisst das: Die Korrelation zwischen Gold und zum Beispiel Aktien ist gering.Fallen die Aktienbörsen, macht Gold die Bewegung nicht mit. Vielleicht steigt sein Preis sogar. Wer Gold-Fonds ins Depot legt, glättet damit die Wertschwankungen seines Vermögens. Wie viel Prozent eines Portefeuilles sollen sie aber ausmachen? Ich würde sagen: fünf Prozent. Es sei denn, jemand leidet am Alptraum, dass nächstens der Himmel runterfällt. Dann kann er ja auf 10 oder 15 Prozent gehen.
Soweit meine Geld-Kolumne.
Niemand weiss, wie es mit dem Gold-Preis weitergeht. Ich schliesse nicht aus, dass er weiter steigt. Vielleicht wird er aber wieder fallen. Auch die Nationalbank kann die Preisentwicklung nicht voraussehen. Weil Gold in der Vergangenheit ein katastrophales Geschäft für sie war, hat man mit einem breiten Konsens beschlossen, einen Teil der Vorräte zu verkaufen. Andere Zentralbanken entschlossen sich schon viel früher zu diesem Schritt. Die Zentralbanken koordinieren die Gold-Verkäufe unter einander, um den Preis nicht zu stark zu drücken. Innerhalb des abgesprochenen Fahrplans ist die Schweizerischen Nationalbank frei, die Verkäufe zu terminieren. Sie kann sie und will sie aber jetzt nicht auf ewig sistieren.
Sie zitieren den Goldexperten John Hathaway. Es wäre mir aber ein Leichtes, andere Goldexperten zu zitieren, die gegensätzlicher Meinung sind. Bekommen sie und nicht Hathaway Recht, sollte die Nationalbank eigentlich auch noch die restlichen Goldbestände verkaufen. Eher heute als morgen.
Übrigens: Sowohl andere Zentralbanken wie auch Banken «vermieten» Gold. Ein fauler Hund ist da nicht begraben.
In der Hoffnung, Ihnen mit diesen Ausführungen gedient zu haben, verbleibe ich mit freundlichen Grüssen
Silvio Bertolami
Leiter Wirtschaftsredaktion
SonntagsBlick
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