dottore
23.10.2002, 13:30 |
Älteste Schrift und das Abgaben- und HerrschaftsproblemThread gesperrt |
-->Archäologie/Nahost/KORR/
Ägypter oder Sumerer: Wer schenkte der Menschheit die Schrift?
Von Anne-Beatrice Clas-mann, dpa=
Kairo (dpa) - Jahrzehnte lang galt es als gesicherte Erkenntnis, dass es die Su-merer waren, die einst in Mesopotamien die Schrift erfanden. Diese These will der Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) in Kairo, Günter Drey-er, im kommenden Januar bei einem Colloquium in Ber-lin zum Einsturz bringen. Dabei wird Dreyer, der"sei-ne" Schriftzeichen in einem prädynastischen Königsgrab im ägyptischen Abydos ent-deckt hat, mit Margarete van Ess, einer von ihm sehr ge-schätzten Kollegin aus dem eigenen Haus, wissenschaft-lich die Klingen kreuzen.
Van Ess gräbt seit Jahren im irakischen Uruk, wo einst die berühmten Tontafeln mit den Schriftzeichen der Su-merer entdeckt worden wa-ren. Sie glaubt, dass eine genauere Untersuchung der Schicht, aus der die Tafeln stammen, belegen könnte, dass"ihre" Schriftzeichen älter sind als die Dreyers.
Das sind die berühmten Piktogramme ex Sammlung Erlenmeyer, heute in Berlin (Prof. Nissen usw.).
Doch Dreyer, der in dem auf 3 200 Jahre v. Chr. da-tierten Grab U-j in Abydos eine große Anzahl beschrif-teter Täfelchen aus Rinder-knochen und Elfenbein ge-funden hat, lässt dieses Ar-gument nicht gelten.
"Ich bin nämlich der Meinung, dass die ältesten Zeichen aus Mesopotamien noch keine Schrift im eigentlichen Sinne darstellten, da sie Gegens-tände und nicht Laute aus-drückten", sagt er.
So ist es: Die SOLL/IST-Rechnungen der"Aufseher". Die"Gegenstände" waren die Abgabengüter.
Anders sei dies bei den ägyptischen Täfelchen, die laut Dreyer so etwas wie"Warenbegleit-scheine" für Abgaben an den König waren.
Hoppala...
So zeigt eine Tafel einen Elefanten und Bergspitzen, was nach der aus späteren Jahrhunderten bekannten Hieroglyphen-schrift den Lauten"Ab" für Elefant und"Dschu" für Ber-ge entspricht und"Abydos" bedeuten könnte. Dass die alten Ägypter sparsam wa-ren, kann man an anderen Täfelchen erkennen, auf de-nen Zeichen durchgestrichen wurden, weil man die Rück-seite für eine neu Beschrif-tung nutzen wollte.
"Eine vollständig benutzba-re Schrift hat man erst dann, wenn man damit alle Wörter der gesprochenen Sprache ausdrücken kann", meint Dreyer. Bei den ersten Zei-chen aus Uruk handelt es sich seiner Ansicht nach da-gegen eher um Symbole."Das ist so ähnlich wie ein Zeichen, das am Flughafen zeigt, wo es zur Rolltreppe geht", erklärt er. Im alten Ä-gypten dauerte der Weg von den den ersten Schriftzei-chen bis zum ersten voll-ständigen Satz nach bisheri-gen Erkenntnissen fast 400 Jahre.
Wo bleibt die private Wirtschaft?
Dafür ist der erste belegte Satz in ägyptischen Hiero-glyphen aber auch nicht nur eine profane Mitteilung, son-dern gleich ein kunstvoll for-mulierter Herrschaftsan-spruch. Er findet sich auf ei-ner Siegelabrollung aus dem Grab des Peribsen in Aby-dos (späte 2. Dynastie, rund 2750 v. Chr.) und lautet:"Der Goldene (Gott) hat die bei-den Länder (d.h. Ober- und Unterägypten) seinem Sohn, dem König von Ober- und Unterägypten, Peribsen, an-vertraut."
Doch Dreyer hofft, dass die Ägyptologen vielleicht bald schon einen Satz rekon-struieren können, der noch älter ist. Denn irgendwo in den Kellern des Ägyptischen Museums in Kairo muss noch ein unerforschter Papy-rus aus der 1. Dynastie (3000 bis 2850 v. Chr.) lie-gen. Als man die von außen schwarz verfärbte Rolle, die im Grab eines hohen Be-amten in Sakkara entdeckt worden war, vor 50 Jahren ins Museum brachte, hieß es, der Papyrus sei unbe-schrieben."Ob das wirklich stimmt, weiß aber niemand, da er nie entrollt wurde", er-klärt Dreyer. Er will die ägyp-tischen Behörden nun um eine Erlaubnis bitten, die Rolle zu untersuchen. dpa abc xx 231119 Okt 02
Hoffentlich war's kein"Beamter", sondern endlich der lang gesuchte Konzernchef...
Gruß!
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Uwe
23.10.2002, 13:57
@ dottore
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Re: Älteste Schrift und das Abgaben- und Herrschaftsproblem |
-->>Archäologie/Nahost/KORR/
>Ägypter oder Sumerer: Wer schenkte der Menschheit die Schrift?
>Von Anne-Beatrice Clas-mann, dpa=
>Kairo (dpa) - Jahrzehnte lang galt es als gesicherte Erkenntnis, dass es die Su-merer waren, die einst in Mesopotamien die Schrift erfanden. Diese These will der Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) in Kairo, Günter Drey-er, im kommenden Januar bei einem Colloquium in Ber-lin zum Einsturz bringen. Dabei wird Dreyer, der"sei-ne" Schriftzeichen in einem prädynastischen Königsgrab im ägyptischen Abydos ent-deckt hat, mit Margarete van Ess, einer von ihm sehr ge-schätzten Kollegin aus dem eigenen Haus, wissenschaft-lich die Klingen kreuzen.
>Van Ess gräbt seit Jahren im irakischen Uruk, wo einst die berühmten Tontafeln mit den Schriftzeichen der Su-merer entdeckt worden wa-ren. Sie glaubt, dass eine genauere Untersuchung der Schicht, aus der die Tafeln stammen, belegen könnte, dass"ihre" Schriftzeichen älter sind als die Dreyers.
>Das sind die berühmten Piktogramme ex Sammlung Erlenmeyer, heute in Berlin (Prof. Nissen usw.).
>Doch Dreyer, der in dem auf 3 200 Jahre v. Chr. da-tierten Grab U-j in Abydos eine große Anzahl beschrif-teter Täfelchen aus Rinder-knochen und Elfenbein ge-funden hat, lässt dieses Ar-gument nicht gelten.
>"Ich bin nämlich der Meinung, dass die ältesten Zeichen aus Mesopotamien noch keine Schrift im eigentlichen Sinne darstellten, da sie Gegens-tände und nicht Laute aus-drückten", sagt er.
>So ist es: Die SOLL/IST-Rechnungen der"Aufseher". Die"Gegenstände" waren die Abgabengüter.
>Anders sei dies bei den ägyptischen Täfelchen, die laut Dreyer so etwas wie"Warenbegleit-scheine" für Abgaben an den König waren.
>Hoppala...
>So zeigt eine Tafel einen Elefanten und Bergspitzen, was nach der aus späteren Jahrhunderten bekannten Hieroglyphen-schrift den Lauten"Ab" für Elefant und"Dschu" für Ber-ge entspricht und"Abydos" bedeuten könnte. Dass die alten Ägypter sparsam wa-ren, kann man an anderen Täfelchen erkennen, auf de-nen Zeichen durchgestrichen wurden, weil man die Rück-seite für eine neu Beschrif-tung nutzen wollte.
>"Eine vollständig benutzba-re Schrift hat man erst dann, wenn man damit alle Wörter der gesprochenen Sprache ausdrücken kann", meint Dreyer. Bei den ersten Zei-chen aus Uruk handelt es sich seiner Ansicht nach da-gegen eher um Symbole."Das ist so ähnlich wie ein Zeichen, das am Flughafen zeigt, wo es zur Rolltreppe geht", erklärt er. Im alten Ä-gypten dauerte der Weg von den den ersten Schriftzei-chen bis zum ersten voll-ständigen Satz nach bisheri-gen Erkenntnissen fast 400 Jahre.
>Wo bleibt die private Wirtschaft?
>Dafür ist der erste belegte Satz in ägyptischen Hiero-glyphen aber auch nicht nur eine profane Mitteilung, son-dern gleich ein kunstvoll for-mulierter Herrschaftsan-spruch. Er findet sich auf ei-ner Siegelabrollung aus dem Grab des Peribsen in Aby-dos (späte 2. Dynastie, rund 2750 v. Chr.) und lautet:"Der Goldene (Gott) hat die bei-den Länder (d.h. Ober- und Unterägypten) seinem Sohn, dem König von Ober- und Unterägypten, Peribsen, an-vertraut."
>Doch Dreyer hofft, dass die Ägyptologen vielleicht bald schon einen Satz rekon-struieren können, der noch älter ist. Denn irgendwo in den Kellern des Ägyptischen Museums in Kairo muss noch ein unerforschter Papy-rus aus der 1. Dynastie (3000 bis 2850 v. Chr.) lie-gen. Als man die von außen schwarz verfärbte Rolle, die im Grab eines hohen Be-amten in Sakkara entdeckt worden war, vor 50 Jahren ins Museum brachte, hieß es, der Papyrus sei unbe-schrieben."Ob das wirklich stimmt, weiß aber niemand, da er nie entrollt wurde", er-klärt Dreyer. Er will die ägyp-tischen Behörden nun um eine Erlaubnis bitten, die Rolle zu untersuchen. dpa abc xx 231119 Okt 02
>Hoffentlich war's kein"Beamter", sondern endlich der lang gesuchte Konzernchef...
>Gruß!
>
[img][/img] Mit Klick auf's Bild zu www.antikeaegypten.de
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JeFra
24.10.2002, 03:03
@ dottore
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Re: Älteste Schrift und das Abgaben- und Herrschaftsproblem |
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Kairo (dpa) - Jahrzehnte lang galt es als gesicherte Erkenntnis, dass es die Sumerer waren, die einst in Mesopotamien die Schrift erfanden. Diese These will der Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) in Kairo, Günter Dreyer, im kommenden Januar bei einem Colloquium in Berlin zum Einsturz bringen.
Schwierige Frage, da die Entwicklungen wohl bis auf wenige Jahrhunderte synchron verlaufen sind und daher Datierungen mit der noetigen Genauigkeit sehr schwierig sind. Irgendwie identifizieren sich die Archaeologen in dieser Frage mit den Voelkern, die sie erforschen: Die Aegyptologen glauben, dass Ramses II die Schlacht bei Kadesch gewonnen hat, waehrend die Hethitologen glauben, dass Muwatalli der Sieger war. Eine ziemlich interessante Quelle (unter anderem mit einem 'Woerterbuch' Sumerisch-Englisch und eigenwilligen, aber interessanten Thesen zur Entstehung der sumerischen Sprache) sagt zu diesem Thema Folgendes:
The Sumerians were the first to write spoken language.
The report that writing in Egypt is older than in Sumer is based on archaeologists in Egypt who use calibrated Carbon-14 dating, whereas Sumerologists are a conservative lot who keep quoting the conventional 3100 B.C. date for the invention of writing, when it should be 3400 B.C. according to calibrated C-14 dates.
The last major overview dealing with Mesopotamia as a whole that I know of which collected the various calibrated C-14 dates was that by Mellaart in Antiquity 53 (1979), with important comments in Antiquity 54 (1980) - these comments acknowledged that the extremely high Mesopotamian chronology that resulted should be reduced by an average 100 years due to calibrated dates for wood/timber being too high by that average. The end result was still to support a high chronology rather than a middle chronology, especially for the transition between Uruk IV and Uruk III (AKA Jemdet Nasr). This transition appears to have occurred around 3300 BC using calibrated dates with the 100 year reduction.
You will also find pictures and discussion of a repertoire of symbols in Marija Gimbutas' publications on 'Old Europe', predating Sumerian. But the Vinca culture 'writing' appears more to have been tribal or family heraldic emblems like tatoos, found engraved on pots, with no indication that it represented the words of spoken language. For so-called writing before the Sumerians, check out works by Alexander Marshack on calendar type markings (Stone Age Europe) and Marija Gimbutas on the Vinca culture writing (Neolithic Europe). Despite such precursors though, it is clear that Sumerian writing was the first in which there was a correspondence between the words of the spoken language and the written symbols.
Mein Eindruck ist eher der, dass das Problem auf der Seite der Aegyptologen liegt (siehe deren ziemlich unglaubwuerdige Position in der Kadesch-Frage). Allerdings habe ich mich mit Aegypten nicht sonderlich intensiv befasst, mit Sumer aber schon. Deshalb neige ich vielleicht dazu, die entsprechenden Vorurteile der Sumerologen zu teilen.
MfG
JeFra
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