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http://www.welt.de/data/2003/02/05/39041.html
Russland und China werden sich auf die Seite der Amerikaner stellen I
Moskau und Peking hoffen auf erhebliche politische und finanzielle Gewinne, wenn sie im UN-Sicherheitsrat die Position der USA teilen
von Alexander Rahr
Berlin - Der Irak-Krieg hat Russlands Diplomatie vor mehrere Optionen gestellt. Wladimir Putin hat die Qual der Wahl zwischen der Solidarität mit den USA, einer traditionellen antiwestlichen Haltung und der europäischen Karte.
Eine Unterstützung der USA gibt Moskau die Möglichkeit, als Juniorpartner Washingtons in der ersten Liga der Weltpolitik weiter mitzuspielen und kommerziell am Krieg im Persischen Golf zu partizipieren. Als Gegenleistung könnte Washington Russland zum „neuen Europa“ hinzurechnen und den Ex-Rivalen aus dem Kalten Krieg noch stärker in die wirtschaftlichen und verteidigungspolitischen Strukturen des Westens integrieren.
Ein halbes Jahrhundert hatte die Sowjetunion mit ihrem Veto die Handlungsfähigkeit des UN-Sicherheitsrates blockiert. Noch vor dem Beginn des ersten Irak-Krieges hatte der Kreml mit Jewgeni Primakow, einem Bekannten Saddam Husseins, einen eigenen Vermittler nach Bagdad entsandt, was den Westen irritierte. Zuletzt war Russland beim Kosovo-Konflikt in Opposition zum Westen gegangen. Seitdem hat sich vieles verändert. Putin hat verstanden, dass er die Interessen seines Landes nicht mehr gegen die des Westens durchsetzen kann.
Die dritte Option für Putin wäre der waaghalsige Versuch, die Differenzen im transatlantischen Verhältnis für seine Zwecke zu nutzen. Jahrzehntelang hatten die Kreml-Strategen davon geträumt, einen Keil zwischen Amerika und Europa zu schlagen und könnten nun den Aufbau eines Dreiecks Moska-Berlin-Paris zur Stärkung des „alten Europas“ vorschlagen. Am nächsten Sonntag kommt Putin nach Berlin. Von dort will er nach Paris weiterreisen. Die „europäische Karte“ wird er nicht im Gepäck haben. Oder glaubt man ernsthaft, dass Putin den Amerikanern eine stärkere russische Kooperation im Rahmen der gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik mit Deutschen und Franzosen entgegenstellt? Für Berlin und Paris wäre es unvorstellbar, sich in eine antiamerikanische Achse mit Moskau zu begeben. Auch wenn nach außen hin der Eindruck erweckt wird, dass in Fragen einer zweiten UN-Resolution Russland die Positionen von Deutschland und Frankreich teilt, sucht Putin in der Irak-Frage den Schulterschluss zu den USA. In Moskau spürt man, dass im Zuge des globalen Krieges gegen den Terror Amerika Russland mehr geben kann als die EU, mit der Moskau im letzten Jahr erhebliche Probleme hatte.
Für die Solidarität mit Amerika winken Russland stolze Preise: Partizipation russischer Firmen am Wiederaufbau der irakischen Ã-lwirtschaft, eine weitere „Carte blanche“ für das russische Militär in Tschetschenien, die Fortsetzung der militärischen Zusammenarbeit in der internationalen Anti-Terror-Koalition. Manch einer in Moskau träumt davon, mit den USA zusammen die künftige Opec kontrollieren zu können.
Der Autor ist Russlandexperte der Gesellschaft für Auswärtige Politik.
Artikel erschienen am 5. Feb 2003
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