--><font size="5">Fed macht sich zum Sklaven der Märkte </font>
US-Notenbanker müssen mit verbalen Interventionen die Märkte in Schach halten - Einbruch bedroht Konjunkturaufschwung
von Holger Zschäpitz
Berlin - Die amerikanische Notenbank Fed spielt mit den Börsen immer wieder Katz und Maus. Je nach Verfassung der Finanzmärkte füttert sie die Investorengemeinde gezielt mit Informationen, um die Kurse in die gewünschte Richtung zu bewegen. Zu Wochenmitte warf sich Fed-Gouverneur Ben Bernanke dem anhaltenden Minicrash am Rentenmarkt entgegen. Schließlich rauschte der Kurs der zehnjährigen US-Staatsanleihen allein innerhalb der letzten vier Wochen um zwölf Prozent in die Tiefe. Bewusst holte Bernanke das Deflationsgespenst wieder aus der Kiste. Die US-Notenbank sei zu einer neuerlichen Lockerung der Geldpolitik bereit, um einem nachhaltigen Preisverfall frühzeitig entgegenzuwirken, ließ er öffentlichkeitswirksam verkünden. Gegebenenfalls werde man die Leitzinsen von derzeit einem auch auf null Prozent senken und auch Anleihen zurückkaufen."Bernanke versucht am Bondsmarkt zu retten, was zu retten ist. Doch seine Liebesgrüße kommen zu spät", sagt David Rosenberg, Chefökonom von Merrill Lynch.
Anleger ignorierten die Rede weit gehend. Die Notierungen rutschten am Donnerstag weiter ab, spiegelbildlich zogen die Renditen an. Nur zu gut sind vielen Investoren noch die verbalen Interventionen von Fed-Chef Alan Greenspan von Anfang Mai im Bewusstsein. Damals redete der Magier der Märkte mit Deflationsäußerungen die Kurse bei den Anleihen nach oben. Nur einen Monat später war davon nicht mehr die Rede. Auch von möglichen Anleihekäufen durch die Notenbank wollte Greenspan plötzlich nichts mehr wissen und löste damit den Minicrash aus. Viele Strategen sehen in der Bernanke-Rede den bewussten Versuch, den von Greenspan begangenen Flurschaden wieder gutzumachen.
Denn ein weiterer Kursverfall und damit Renditeanstieg am Bondsmarkt könnte den US-Wirtschaftsaufschwung ausbremsen, noch bevor er richtig Fahrt aufgenommen hat. Gefahren lauern vor allem am Hypothekenmarkt. Höhere Zinsen könnten den Immobilienboom stoppen, der in den letzten drei Jahren die US-Verbraucher bei Laune gehalten hat. So sorgten stetig sinkende Zinsen dafür, dass die amerikanischen Haushalte ihre Häuserkredite zu immer günstigeren Konditionen umschuldeten und die dadurch frei werdenden Mittel in den Konsum stecken konnten.
Nach Berechnungen von Goldman Sachs hatten die Konsumenten durch diese Refinanzierung allein in den vergangenen zwölf Monaten 300 Mrd. Dollar mehr im Portemonnaie."Im schlimmsten Fall stoppt dieser Mechanismus abrupt", schreibt denn auch Goldman-Chefökonom Bill Dudley."Das ist ein massives Risiko."
Die Fed wird damit zum Sklaven der Märkte. Doch dies hat sie sich zum Großteil selbst zuzuschreiben. Nach den zahlreichen verbalen Interventionen kann sie nicht mehr zurück."Der Kurs der US-Notenbanker ist äußerst gefährlich und könnte direkt in einen Riesen-Crash münden", sagt Hugh Hendry, Fondsmanager bei Odey Asset Management. Der Dollar-Verfall nach der Bernanke-Rede zeuge vom Vertrauensverlust gegenüber der Fed."Der Schwanz wedelt längst mit dem Hund. Die Märkte bestimmen die reale Wirtschaft und nicht umgekehrt. Und die Fed hat diese Entwicklung mit herbeigeführt."
<font size="4">Der Zick-Zack-Kurs ist gefährlich
Die Kommunikation als wichtige Waffe droht abzustumpfen</font>
von Anja Struve
Ã-ffentliche Auftritte der US-Währungshüter haben in den vergangenen Wochen immer wieder für Turbulenzen an den Finanzmärkten gesorgt. Nicht so diesmal: Sowohl an den Aktien- als auch an den Rentenbörsen reagierten die Investoren wenig unbeeindruckt auf die Rede des Fed-Gouverneurs Ben Bernanke. Dies hat einen einfachen Grund: Bernankes Rede war nicht überraschend, sondern passt zu der Art und Weise, wie die Federal Reserve seit einigen Monaten mit der Ã-ffentlichkeit kommuniziert. Seit November 2002 treten Bernanke und Fed-Präsident Alan Greenspan mit verteilten Rollen auf. Während Greenspan in seinen Reden immer wieder versucht, Konjunkturoptimismus zu verbreiten, schürt sein Kollege, der als Anhänger einer Geldpolitik der niedrigen Zinsen gilt, Deflationsängste.
Eine Zeit lang hat dies gut funktioniert. An den Aktienmärkten ließ die Hoffnung auf Konjunkturerholung die Kurse steigen, während die Anleiherenditen in Erwartung weiter fallender Zinsen immer neue Tiefs markierten. Auf diese Weise hoffte die Fed, einen vorzeitigen Anstieg der für die Refinanzierung privater Haushalte maßgeblichen langfristigen Zinsen am Rentenmarkt so lange zu verhindern, bis die Wirtschaft wieder Tritt fasst. Konjunkturoptimismus und steigende Aktienkurse sollten gleichzeitig die Investitionsbereitschaft und Finanzierungsmöglichkeiten der Unternehmen stärken.
Doch diese Gratwanderung wird immer riskanter. So steht zu befürchten, dass die Währungshüter ihren schwierigen Zick-Zack-Kurs nicht lange genug durchhalten können, um die Finanzmärkte bis zum nächsten Konjunkturaufschwung bei Laune zu halten. Ein drastischer Einbruch am Rentenmarkt, dem früher stets auch ein Kursverfall bei den Aktien folgte, könnte die beginnende wirtschaftliche Erholung im Keim ersticken.
Vor allem nährt die Fed durch ihre Strategie Ungleichgewichte in der US-Wirtschaft. Während die Defizite in Leistungsbilanz und Haushaltsbudget steigen, ist die Sparquote der Amerikaner extrem niedrig. Gleichzeitig sind die Schulden privater Haushalte und Unternehmen auf Rekordhöhen. Da erhöht jede weitere Zinssenkung der Fed zwar den Anreiz, die Schulden zu refinanzieren, nicht aber unbedingt, sie zu senken. So lange sich an diesen Ungleichgewichten nichts ändert, steht der erhoffte Aufschwung daher trotz aller Bemühungen auf tönernen Füßen.
Zu Recht verwies Bernanke in seiner Rede deshalb auch darauf, dass in dieser schwierigen Situation die Kommunikation eines der wichtigsten Instrumente einer Notenbank ist. Durch ihren Schlingerkurs aber läuft die Notenbank Gefahr, ausgerechnet diese Waffe abzustumpfen. Damit aber schwächt die Fed nicht nur ihre eigene Glaubwürdigkeit, sondern auch das Vertrauen in den Dollar.
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