Nachtigel
06.09.2004, 22:21 |
„Ich würde auch jäten“- Überraschend viele Ein-Euro-Job-NachfragenThread gesperrt |
-->„Ich würde auch jäten“
Überraschend viele künftige Arbeitslosengeld-II-Bezieher lassen Bereitschaft für einen zusätzlichen Ein-Euro-Job erkennen: Gespräche vor der Bautzener Caritas
Von Jörg Marschner
Hartmuth kommt soeben aus dem Bautzener Caritas-Büro auf dem Kirchplatz 2. Hier arbeitet eine der zahlreichen dezentralen Informationsstellen, die die Arbeitsagentur Bautzen zusammen mit sozialen Trägern eingerichtet hat. Rund hundert ABM-Kräfte wurden dafür zusätzlich eingestellt und qualifiziert. Wer nicht klarkommt beim Ausfüllen der 16-seitigen Anträge für das Arbeitslosengeld II, dem wird hier geholfen. Hartmuth beispielsweise wusste nicht, „wie ich das mit den Unterhaltszahlungen ausfüllen muss“. Jetzt ist sein Antrag komplett. Elf Frauen und Männer holen sich hier im Caritas-Büro an diesem ganz normalen Vormittag zwischen 9 und 12 Uhr Hilfe. Manche bleiben nur fünf Minuten, andere eine Stunde im Büro.
Hartmuth ist ein großer kräftiger Mann, ein richtiger Gleisbauer. Aber das ist schon Jahre her. Der 40-Jährige ist schon lange Kunde beim Arbeitsamt, mal eine ABM-Stelle, mal ein Kurzzeitjob, mehr war nie drin. Als er von Hartz IV hörte, wurde ihm richtig Angst. Denn das neue Arbeitslosengeld II, das der Bautzener nun ab Januar bekommt, schmälert sein Einkommen noch mal um über hundert Euro.
Inzwischen hat er mitbekommen, dass es verstärkt so genannte Ein-Euro-Jobs geben soll. Was andere verteufeln als schlimme Ausbeutung oder gar in die Nähe des NS-Arbeitsdienstes rücken, gibt Hartmuth eher ein wenig Hoffnung. „Das würde ich machen. Am liebsten in ’ner Schule als Unterstützung für den Hausmeister. Die schaffen das doch nicht, was da alles anfällt. Ich würde auch jäten und so.“ Hartmuth kann sich das auch deshalb vorstellen, weil er schon mal eine solche Hilfsstelle in der Schule hatte. Und wenn er dann statt 331 Euro vielleicht knapp 500 hätte, sähe das schon ganz anders aus für ihn und seine Lebensgefährtin.
Die Eheleute Frank, 46, und Christine, 44, sehen die Sache mit dem Ein-Euro-Job reserviert. Er ist Maurer, sie gelernte Verkäuferin. Beide hoffen stark auf eine Stelle im ersten Arbeitsmarkt. Frank hatte bis Mai einen Job als Maurer, bezieht aber wie seine Frau auch nur Arbeitslosenhilfe, weil er die zwölf Monate Arbeit, die Voraussetzung für das höhere Arbeitslosengeld sind, nicht voll bekommen hat. Frank und Christine kommen im Monat zusammen auf 1 000 Euro einschließlich der 165 Euro, die Christine beim abendlichen Regale-Einräumen in einem Bautzener Supermarkt verdient. „Hartz IV trifft uns hart. Wir büßen viel ein, selbst wenn wir berücksichtigen, dass wir dann was fürs Wohnen dazubekommen“, sagt Frank. Seine Frau findet die neuen Zuverdienstregeln skandalös. Von ihren 165 Euro Abendverdienst blieben ihr ab Januar nur noch 24 übrig. Der große Rest würde mit dem Alg II verrechnet. „Das ist doch kein Anreiz, wenn gleich so viel wieder abgezogen wird“, schimpft die Verkäuferin. Da sei ja dann selbst der Ein-Euro-Job attraktiver. Und auch Frank sagt plötzlich: „Würde ich auch machen, aber nur zur Not und als Übergang, wenn ich wirklich nichts finde.“ Vorstellungen, was sie machen könnten oder müssten, haben Christine und Frank nicht.
Detlef, 36, hat sich da schon mehr Gedanken gemacht: „Alte Leute, die sich das allein nicht mehr zutrauen, zum Einkaufen bringen oder den Einkauf ganz übernehmen, würde ich sofort machen. Da hätte ich kein Problem.“ Er könnte sich auch vorstellen, Schwerbehinderte regelmäßig mit dem Rollstuhl raus ins Grüne zu fahren oder in die Stadt. Er kenne welche, die kämen nie raus. Detlef verlor seinen Job in einer Glaserei von Taubenheim vor zwei Jahren, als die kleine Firma Pleite ging. Seine gegenwärtige Arbeitslosenhilfe liegt bei 446 Euro. Mit einem Ein-oder Zwei-Euro-Job würde er sich bei Hartz IV also keinesfalls verschlechtern, vielleicht sogar verbessern. Detlef hat auch schon mit dem Gedanken gespielt, die Heimat zu verlassen. „Aber so lange die Mutter an Stöcken geht, möchte schon einer in der Nähe bleiben“, sagt er.
Ramona, 39, hat sich einen Termin fürs Caritas-Büro geholt. Erst in gut zwei Wochen ist einer frei. „So eine soziale Beschäftigung, das wäre interessant“, sagt sie. Zu DDR-Zeiten hat die gelernte Täschnerin bei Intermod Bautzen gearbeitet. Ihr letzter Job war der Versand von Backwaren und liegt nun auch schon zwei Jahre zurück. „Viereinhalb Stunden in der Woche gehe ich putzen, das bessert die Arbeitslosenhilfe im Monat um 107 Euro auf.“ Müsste sie nicht die Mutter pflegen, hätte Ramona Sachsen längst verlassen. Zum Ein-Euro-Job im sozialen Bereich sagt sie noch: „Das ist besser als gar nichts und du bist wenigstens unter den Leuten, das ist mir auch wichtig.“
Selbst Marcel, 26, - Berufsabschluss im Hochbau, groß, schwarze Lederhose, reich gepierct - kann sich vorstellen, „was Soziales“ zu machen. In den vergangenen drei Jahren hatte er nur zehn Monate einen richtigen Job. Marcel, seit drei Monaten stolzer Vater eines Töchterchens, nimmt Hartz IV nicht so tragisch. „Ich büße mit dem künftigen Arbeitslosengeld II zwar weit über ein Drittel ein, dafür wird ja dann die Wohnung finanziert.“ Ein Ein-Euro-Job könnte der dreiköpfigen Familie als Übergang helfen. „Wenn die Kleine größer ist, wäre ich auch bereit, ’ne Arbeit im Westen oder im Ausland zu nehmen.“ So zeigen die Vormittagsgespräche neben der überraschend stark ausgeprägten Bereitschaft für Ein-Euro-Jobs auch die Tendenz, dass Hartz IV der Abwanderung aus Ostsachsen einen Schub geben wird.
Uwe Benkewitz hat zu den zusätzlichen Beschäftigungen für ein bis maximal zwei Euro die Stunde ein gespaltenes Verhältnis. Einerseits sieht der Geschäftsführer des Caritasverbandes Oberlausitz e. V. durchaus eine Chance, der weit verbreiteten Hartz-Angst die Spitze zu nehmen. „Das hat auch sonst Sinn. Eine solche Beschäftigung kann Langzeitarbeitslosen helfen, sich aufzurappeln, ihrem Tag wieder eine Struktur zu geben.“ Solche guten Erfahrungen habe die Caritas auch schon mit der eigenen Möbelkammer gemacht.
Andererseits sieht Benkewitz die Gefahr, „dass die Ein-Euro-Jobs den ersten Arbeitsmarkt beschädigen“.
weiter hier
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Gabriela
07.09.2004, 09:39
@ Nachtigel
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Deutschland regelt das wieder so, dass andere Jobs damit kaputt gemacht werden |
-->Ich hätte nichts gegen 1-Euro-Jobs, wen es Arbeit umfasst, die früher Menschen in Ehrenarbeit erledigt haben, z. B.einen Blinden Zeitung vorlesen (obwohl das teilweise auch bezahlte Jobs sind), mit der Dame aus dem Altenheim spazieren gehen, beim Essengeben unterstützen. Doch ich befürchte, jetzt müssen 1-Euro-Jobbler Vollpflege machen, oder werden in die Produktion gesteckt.
Meine Nachbarin, vor wenigen Wochen ihren Abschluß als Erzieherin gemacht, bestimmt 60 Bewerbungen verschickt, hat immer noch keine Arbeit gefunden. Da sie sich bei ver.di ehrenamtlich engagiert, weiß sie, für Neuanstellungen im Erzieherbereich wurde flächendeckend alle Tarifverträge (zumindestens in unserer Großstadt) geknackt, wollen nur noch befristete Arbeitsverträge von einem Monat vergeben. Warum nur?
Ich versteh nicht, warum die Leute hier in unserem Land nicht kapieren, dass Hartz IV und das ganze Darum Jeden trifft, außer er kann von Zinsen leben, oder ist ein älterer Beamter oder älterer, unkündbarer Angestellter
Gruss, Gabriela
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doppelknoten
07.09.2004, 10:22
@ Gabriela
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Re: Deutschland regelt das wieder so: es muss noch viel gruseliger kommen |
-->>Ich versteh nicht, warum die Leute hier in unserem Land nicht kapieren, dass Hartz IV und das ganze Darum Jeden trifft, außer er kann von Zinsen leben, oder ist ein älterer Beamter oder älterer, unkündbarer Angestellter
>Gruss, Gabriela
hi
ich verstehe nicht, dass lese ich aus deinem letzten satz, dass es"die menschen" immer noch nicht kapiert haben, dass es ja jeden treffen soll!
es geht um nichts anderes, als um das berühmte
<font size="4">d e n. g ü r t e l. e n g e r. s c h n a l l e n</font>
ist das so schwer zu verstehen, daß es nur darum geht?
die kassen sind leer!
es sind zuviele da, die hineinpacken!
es sind nicht mehr ausreichende doofe da, die die zum verteilen von wohltaten aufgestellten kassen füllen!
hast du, oder attac, oder die pds, oder die npd oder herr schreiner, oder herrr lafontaine, oder die gewerkschaften mal einem nackten mann oder einer nackten frau in die tasche gepackt?
alle haben zu lange über ihre verhältnisse gelebt. ausgeufertes vollkasko.
und immer noch mal und wieder zum besseren verstehen:
die kürzeste arbeitszeit, beim gleichzeitig meisten urlaub und dabei die höchsten löhne: die konkurrenz in der welt macht sich lustig über deutschland.
um nichts anderes geht es: schluss mit lustig
ich verstehe eigentlich sogar, warum man das nicht verstehen will. war ja auch alles sooo schön und bequem.
aber ich weiss auch, dass es noch schlimmer und gruseliger kommen muss, um die schieflage der waage wieder in die waagerechte zu bringen.
keric
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kingsolomon
07.09.2004, 11:03
@ doppelknoten
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wird nicht funktionieren |
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Sparen hört sich in der Theorie vielleicht gut an; ich bezweifle sehr
dass HartzIV oder V usw weiterhelfen wird.
Amiland hat ja sozusagen längst HartzV oder VI, dort wird schon
nach wenigen Monaten die Stütze abgedreht, und Arbeitslose müssen
schauen wie sie ohne staatliche Hilfe überleben.
Dennoch weist selbst die regierungsamtliche Statistik regelmässig eine
Quote von 9 bis 10% aus( die Schlagzeilen-Statistik kann man getrost vergessen,
weil rein propagandistischer Natur)
Und das bekannte Wirtschaftswunder beruht, abgesehen von ständig weiter entwickelten statistischen Tricks, im wesentlichen auf massiven Steuersenkungen
und der berüchtigten Bernanke'schen Druckerpresse.
Wenn die Amis ehrlich zu sich selbst wären, dann würden sie in ein Schuldenloch
von derzeit über $51 Billionen ('trillions') starren. Die steuern
genauso auf die Pleite zu wie die BRD.
Ich kann verstehen, wenn viele Menschen gegen HartzIV protestieren( mal die
"Drückeberger" ausser acht gelassen); erst recht, wenn zur gleichen Zeit
die jährlich €150 Mrd an Sozialhilfe(warum hat das Wort 'Subvention' noch nicht denselben negativen Beigeschmack wie 'Sozialhilfe'?) für Unternehmen unter den Tisch gekehrt werden.
Ich sehe auch keine Lösung, frage mich allerdings, wem oder was es nützen soll,
immer wieder in alte ideologische Kategorien(Links-Rechts, Gewerkschaften-Unternehmer usw.) zurückzufallen. Diese Einordungen stellen letzlich doch stets
den Versuch dar, seine eigenen Pfründe zu sichern.
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Zardoz
07.09.2004, 13:52
@ doppelknoten
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Re: Wer am lautesten schreit hat Recht? |
-->>ich verstehe nicht, dass lese ich aus deinem letzten satz, dass es"die menschen" immer noch nicht kapiert haben, dass es ja jeden treffen soll!
>es geht um nichts anderes, als um das berühmte
><font size="4">d e n. g ü r t e l. e n g e r. s c h n a l l e n</font>
>ist das so schwer zu verstehen, daß es nur darum geht?
Ginge es wirklich darum, müsste es alle einigermaßen gleichmässig treffen.
>die kassen sind leer!
Das waren sie eigentlich immer.
>es sind zuviele da, die hineinpacken!
>es sind nicht mehr ausreichende doofe da, die die zum verteilen von wohltaten aufgestellten kassen füllen!
Bei der Staatsquote würde ich sagen: Läuft doch gut.
>alle haben zu lange über ihre verhältnisse gelebt. ausgeufertes vollkasko.
Eigentlich hat hier nur einer über seine Verhältnisse gelebt: Der Staat.
Und auch nur einer jedes Risiko für die Seinen ausgeschlossen: Der Staat.
>und immer noch mal und wieder zum besseren verstehen:
>die kürzeste arbeitszeit, beim gleichzeitig meisten urlaub und dabei die höchsten löhne: die konkurrenz in der welt macht sich lustig über deutschland.
Und zum noch besseren Verständnis: Arbeitszeit und Lohnhöhe spielen eine völlig untergeordnete Rolle. Entscheidung ist das Ergebnis der Arbeitsleistung.
>um nichts anderes geht es: schluss mit lustig
Wohl Protestant?
>ich verstehe eigentlich sogar, warum man das nicht verstehen will. war ja auch alles sooo schön und bequem.
Oder wie es früher hieß: Was Spaß macht kann keine Arbeit sein.
>aber ich weiss auch, dass es noch schlimmer und gruseliger kommen muss, um die schieflage der waage wieder in die waagerechte zu bringen.
Die Waage auszutarieren ist doch viel einfacher: Beide Seiten gleich belasten.
Nice week,
Zardoz
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Student
07.09.2004, 14:52
@ Zardoz
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Re: Wer am lautesten schreit hat Recht? / Gürtel und Hosenträger |
-->>>ich verstehe nicht, dass lese ich aus deinem letzten satz, dass es"die menschen" immer noch nicht kapiert haben, dass es ja jeden treffen soll!
>>es geht um nichts anderes, als um das berühmte
>><font size="4">d e n. g ü r t e l. e n g e r. s c h n a l l e n</font>
>>ist das so schwer zu verstehen, daß es nur darum geht?
>Ginge es wirklich darum, müsste es alle einigermaßen gleichmässig treffen.
Du weißt doch, Zardoz, die, die am lautesten ein Engerschnallen der Gürtel
verlangen, tragen meistens Hosenträger.
Lb Gr
der Student
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Euklid
07.09.2004, 14:57
@ Student
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Re: Wer am lautesten schreit hat Recht? / Gürtel und Hosenträger |
-->Und an jeder Aufhängung mindestens mit 2 Knöpfen;-))
Gruß Euklid
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Zardoz
07.09.2004, 14:58
@ Student
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Re:... und einige früher Latzhosen... ;-) (o.Text) |
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LenzHannover
07.09.2004, 17:52
@ Gabriela
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Den Beamten in Niedersachsen wird das Weihnachtsgeld voll gestrichen! (o.Text) |
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