Popeye
08.09.2004, 09:36 |
‚TIT FOR TAT’, Sesshafte Sammler & Jäger, Vorräte und das Ende der ReziprozitätThread gesperrt |
-->Im Nachgang zu meinem Beitrag Großhirnrinde, Reziprozität und soziale Gruppengröße habe ich mich noch mal ein wenig umgeschaut was andere Fachbereiche zu dem Thema Reziprozität und Gruppengröße zu sagen haben. Literaturangaben am Ende dieses Beitrages.
Beginnen wir mit den Biologen, weil die immer schon ein Problem hatten den Darwinismus - speziell den ‚selbstsüchtigen’ Prozess der natürlichen Auslese - mit den ebenso offensichtlichen Beispielen altruistischen Verhaltens bei vielen Lebewesen in Einklang zu bringen. (Altruistisches Verhalten in diesem Zusammenhang ist keine moralische Kategorie wie etwa „Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst“, sondern eine utilitaristische Kategorie, die auf den „Nutzen“ der Betroffenen abstellt.)
Nachdem das Thema schon einige Jahrzehnte vorher immer wieder aufgegriffen wurde, kam 1971 mit einem Aufsatz von Robert Trivers richtig Bewegung in die Diskussion. ‚The Evolution of Reciprocal Altruism’ heißt der Aufsatz, der neben einigen biologischen Beispielen vor allem die Vorraussetzungen aufzählt, unter denen sich reziproker Altruismus in biologischen Arten entwickeln kann.
Trivers zählt u.a. hierzu
- eine lange Lebensdauer, (length of lifeftime), die gewährleistet, dass jedes Individuum die Möglichkeit hat viele altruistische Situationen zu erfahren
- geringe Verteilungsdichte der Individuen (dispersal rate), die ebenfalls die Gewähr dafür bietet, dass Individuen in ihrer Lebenszeit häufig mit den gleichen Nachbarn interagieren
- Grad der wechselseitigen Abhängigkeit (mutual dependence), z.B. bei der Warnung vor Gefahren, der Futterbeschaffung, der Pflege und Brutpflege etc.
- Als der Entwicklung von reziprokem Altruismus besonders schädlich stuft Trivers das Bestehen einer dominanten hierarchischen Struktur (dominant hierarchy) innerhalb einer Gruppe ein. Als Begründung nennt Trivers die Wahrscheinlichkeit, dass in solche Verhältnissen der dominante Teil der Gruppe nicht auf reziproken Altruismus angewiesen ist, weil die Dominanz gewährleistet, dass sie sich nimmt, was sie will. Trivers erwähnt aber, dass selbst beim Vorliegen dominanter Strukturen Hilfe bei Kämpfen (aid in combat von untergeordneten Individuen oder der gesamten Gruppe nicht ausgeschlossen ist - z.B. beim Angriff von Raubtieren.
Trivers führt dann das sog. Gefangenendilemma ein, um die individuellen Abwägungen bei der Entwicklungen von reziprokem Altruismus zu verdeutlichen. Dies ist hier im Forum schon oft erwähnt worden und kann in dem obigen Link nochmals nachvollzogen werden.
Trivers erinnert nun daran, dass das Gefangenendilemma bei einmaligem Spiel eine dominante Strategie(=Nash Gleichgewicht (*), hier nicht pareto-effizient) hat, die nicht zur Entwicklung von reziprokem Altruismus führen kann. Wie schon in der Aufzählung der Voraussetzungen (s. o.) angedeutet ist dafür der häufige Kontakt bzw. die häufige Chance reziproken Altruismus individuell zu erfahren erforderlich. Wieder wird auch in diesem Argument die Bedeutung der Gruppengröße deutlich.
Die Spieltheoretiker haben nun ausgeknobelt, dass es auch bei einer Vielzahl von Spielen, deren Anzahl allerdings von vorne herein feststeht beim gleichen Ergebnis bleibt. Die in diesem Fall dominante Strategie der beiden Spieler kann logisch nicht in reziproken Altruismus übergehen.
Erst wenn die Anzahl der Spiele - in unserem Thema also die Anzahl der Kontakte - unbestimmt bzw. nach oben offen ist, besteht die Chance, dass sich reziproker Altruismus entwickelt.
Dieses Thema haben nun <a href=http://www-personal.umich.edu/~axe/>Axelrod</a> und Hamilton 1981 in dem gemeinsamen Science-Aufsatz ‚The Evolution of Cooperation’ aufgegriffen und zu einer überraschenden Lösung geführt.
Axelrod und Hamilton waren an der Frage interessiert mit welcher Spielstrategie sich reziproker Altruismus entwickeln würde, wenn das Gefangendilemma wiederholt, ohne feststehende Anzahl der Durchgänge gespielt wurde. Zu diesem Zweck luden sie eine Reihe von Wissenschaftlern und Studenten ein, Computerprogramme zu schreiben, die in zwei Turnier im Wettbewerb gegeneinander gespielt und getestet werden.
Die Überraschung war sehr groß: Die simpelste Strategie erwies sich allen anderen überlegen. Vorgelegt wurde die Strategie von dem in Russland geborenen Biologen und Mathematiker ">http://www.gwu.edu/~asc/people/Rapoport/rapoport.html] Anatol Rapoport(damals aus Wien).
Das Programm bzw. die Strategie, die Rapoport vorschlug, erhielt den Namen TIT FOR TAT (Slang für ‚this for that’ oder übertragen ‚wie Du mir - so ich Dir’).
Wie sah die Spielstrategie aus? Beim ersten Spielzug wurde mit dem Gegenüber kooperiert. In allen weiteren Durchgängen wurde der letzte Zug des anderen Spielers schlicht kopiert.
Nach über 3 Millionen Spielzügen im zweiten Turnier (62 Programme aus 23 Ländern) stand erneut fest - TIT FOR TAT war die überlegene Strategie, die beide Spieler besser stellte (höchster pay-off) als jede andere Strategie.
In den Worten von Axelrod/Hamilton war diese Lösung robust, stabil und auch in einem Umfeld gültig, dass vornehmlich aus nicht kooperativen Strategien besteht - im Fall des Gefangenendilemmas z. B. das sog. Nash-Gleichgewicht mit permanenter Nicht-Kooperation (s.o).
Inzwischen ist die Literatur zu diesem Thema unüberschaubar geworden und das Thema wurde bezüglich vieler Einzelfälle, Erweiterungen und wirklichkeitsnäheren Regeln analysiert und beschrieben. Wer sich dafür interessiert kann als Einstieg die unten genannte Literatur verwenden.
Hier bleibt zunächst festzuhalten, dass die extrem simple Strategie von TIT FOR TAT eine experimentell belastbare Erklärung für das Entstehen von reziprokem Altruismus in überschaubaren Gruppen bietet. Mich persönlich fasziniert es, dass ein Modell mit so simplen Voraussetzungen und Regeln zumindest das soziale Zusammenleben der biologische Gattung homo seit vielen Millionen Jahren reguliert - bis vor ca. 10-12.000 Jahren.
Warum? Was waren die Gründe? Warum wurde das Prinzip des reziproken Altruismus in den Bereich der Familie/Freunden zurückgedrängt?
Die Literatur zu diesem Thema lässt sich kaum noch in Regalmetern messen, aber eine wirkliche Antwort auf die Frage ist jedoch noch nicht gefunden. Zu vielfältig sind die möglichen Einflüsse und Ursachen, zu komplex die möglichen Zusammenhänge. Darüber hinaus sind die Spuren von dem was vor 12.000 Jahren begann nicht mehr lesbar, bestenfalls vage interpretierbar und das je nach Weltsicht.
Auch @dottores Modell setzt ja erst zu einem Zeitpunkt ein als die Wandlung vom egalitären und reziproken Sozialgefüge zum hierarchischen Modell de facto abgeschlossen war. Die üblichen Verdächtigen, die für diesen sozialen Wandel ursächlich waren sind Klimaveränderungen nach dem Ende der Eiszeit, zunehmende Bevölkerungsdichte, Übergang zur landwirtschaftlichen Produktion und Sesshaftigkeit, Wettbewerb um fruchtbare Landstriche (auch im Gefolge des Anstiegs des Meeresspiegels) oder der Wettbewerb zwischen Hirten und Bauern u.v.a.m.
Alle diese potentiellen Einflussfaktoren erklären aber nicht wirklich die Entwicklung innerhalb der sozialen Einheiten hin zu einer hierarchischen Struktur. Da ist natürlich der Bereich von Religion und Magie der strukturelle Änderungen verursachen kann, aber letztlich läuft Religion alleine als Erklärungsmuster immer auf die Stalin’sche Frage zu: Wie viele Divisionen hat der Papst?
Im Jahr 1982 hat der französische Anthropologe Alain Testart einen Aufsatz unter dem Titel: ’ The significance of food storage among hunter-gatherers: Residence patterns, population densities, and social inequalities’ geschrieben, der weitläufig zitiert und diskutiert wurde.
Ums kurz zu machen: Testart sieht das Anlegen von Vorräten innerhalb Gruppen reziproker Altruisten als eine notwendige Bedingung für die Entstehung hierarchischer Dominanz.
Es könnte sein, dass hier tatsächlich eine mehr oder weniger zwangsläufige Ursache für das Entstehen gruppen-interner hierarchischer Strukturen liegt - besonders, wenn man sich den allmählichen Übergang von Sammlern und Jägern zu sesshaften Sammlern und Jägern zu sesshaften Bauern vor Augen führt. Wo immer wir Landwirtschaft finden, muss es logisch diesen Übergang gegeben haben.
Der Übergang war unvermeidbar und zwangsläufig und hat sich wahrscheinlich über viele hunderte oder sogar tausend Jahren hingezogen. In vielen Frühkulturen - Mesopotamien, Ägypten, Mykenae, Minoer, Maya, Inka finden wir, dass die Kontrolle über die Vorräte gleichbedeutend mit der Kontrolle über die Menschen ist. Letztlich könnte man heute auch die Funktion der Zentralbank so interpretieren.
Wie läuft nun Testarts Argumentation - warum sollte sich durch Vorratshaltung bei sesshaften Sammlern und Jägern das soziale System des reziproken Altruismus ändern?
In dem hier diskutierten Zusammenhang sind die folgenden Punkte vielleicht nachdenkenswert:
- Vorratshaltung erlaubt und erzwingt die Sesshaftigkeit. Aus dem Produktionszyklus Sammeln, Jagen und unmittelbarer Verzehr wird Sammeln und Jagen - Vorratshaltung - und allmählicher Verbrauch der Vorräte (delayed consumption). Erstmals rückt der Zeitfaktor über die Reichweite der Vorräte nachhaltig ins Zentrum des ‚Wirtschaftens’.
- Vorratshaltung erlaubt eine höherer Besiedlungsdichte. In Analogie zum Liebig’schen Minimalgesetz (Freiherr Justus von Liebig, Chemiker, 1803 bis 1873 ) wird das Bevölkerungswachstum durch den limitierenden Nahrungsfaktor in Zeiten schlechten Nahrungsangebotes bestimmt. Durch die gleichmäßige Versorgung aus Lagervorräten entfällt diese Limitierung oder wird zumindest deutlich gemildert.
- Die Vergrößerung der Gruppengröße allein vermindert schon die Kontakthäufigkeit zwischen den Gruppenmitgliedern und verringert so die Tendenz zu reziprokem Altruismus in der Gruppe.
- Hinzu kommt, dass die reziproke Kontinuität des Teilens während der Nahrungsmittelversorgung aus gemeinsamen oder individuellen Vorräten (meist während der Winter und Frühjahrsmonate) völlig entfällt. So entstehen möglicherweise hinsichtlich individueller Vorräte eigentumsähnliche Besitzansprüche wohingegen bei kollektiver Vorratshaltung eigentumsähnliche Ansprüche/Erwartungen Einzelner an die Gruppe bzw. die Vorräte entstehen können.
- Ausführlich und sehr vorsichtig nimmt Testart in dem Abschnitt ‚socioeconomic inequalities’ zu den potentiellen Auswirkungen der Vorratshaltung Stellung. Aus diesem Abschnitt zitiere ich den letzten Absatz: „Thus all the material, social, ideological, or political prerequisites for the emergence of social inequalities seem to be present in societies with a storing economy. This view does not imply any determinism by the technical and economic basis, since one has to ask why intensive storage is adopted in the first place, and I have briefly mentioned various factors pertaining to the ideology or the nature of the social relations which either slow down or speed up this process. Although I have stressed the importance of technique, it is the pursuit of wealth and the will to increase inequality and exploitation that determines the intensification of food production above basic needs. This determination, however, requires that food first be transformed into lasting goods by adequate preservation techniques. We have paid attention to the material basis inasmuch as it makes possible certain social developments. Only a concrete analysis of specific cases will tell us whether or not these developments actually occur in a given society. This analysis will call for the establishment of the degree of sedentarism and the importance of storage, the examination of the various structures, economic, political, or ideological, and the assessment of the various social forces for the specific society under study. Inequalities can develop only with the separation of privileged social classes from other strata that are disadvantaged, exploited, subjected, or reduced to slavery, the interests of the one being antagonistic to that of the other. It is upon the carrying out of these struggles that the level of social differentiation of a society at a specific point in its history depends.” (S.528)
Folgt man den grundsätzlichen Vermutungen von Testart, so wird deutlich, dass sich die soziale Entwicklung der Sammler und Jäger schon lange vor dem Beginn der eigentlichen Landwirtschaft von den Grundsätzen der Reziprozität und Egalität gelöst haben könnte, um vermehrt hierarchischen Organisationsformen Raum zu geben.
Gut gefüllte Vorrats-Silos in dieser Phase des Übergangs zur reinen Landwirtschaft mögen häufig Gegenstand von inneren und äußeren Konflikten gewesen sein. Vorräte wurden so - ganz oder teilweise - zu sozialem Reichtum, über den, nach dem Belieben weniger, zur Mehrung von Ansehen und Macht verfügt wurde.
Na ja, vielleicht war auch alles ganz anders. Niemand war dabei, die können uns viel erzählen…, aber wenn’s so oder so ähnlich war, dann kamen wir schon gut trainiert ins Paradies der Neolithischen Revolution und hatten unsere Abgabenkörbchen abholbereit….
Sorry, dass es so lang geworden ist - hätte ich mehr Zeit gehabt wär’s kürzer geworden.
(*) Nash-Gleichgewicht:
Eine gegebene Anzahl von Spielzügen (Alternativen) mit der Eigenschaft, dass kein Spieler von einer Änderung des Spielzuges profitieren kann, wenn der andere Spieler seinen Spielzug unverändert lässt, nennt man Nash-Gleichgewicht.
Zitierte Aufsätze:
Trivers, Robert L., 1971, The evolution of reciprocal altruism. Quarterly Review of Biology 46:35-57.
Axelrod, R. & Hamilton, W. D., 1981, The evolution of cooperation. Science 211:1390-6,
Testart, Allain, 1982, The Significance of Food Storage among Hunter Gatherers: Residence Patterns, Population Densities, and Social Inequalities. Current Anthropology 23: 523-537.
Außer Konkurrenz:
Testart, Alain, 2002, Aux origines de la monnaie
Weiterführende Literatur:
Axelrod, Robert, 2000, Die Evolution der Kooperation
Trivers, Robert L., 2002, Natural Selection and Social Theory: Selected Papers of Robert L. Trivers
Wuketits, Franz M., 1997, Soziobiologie
Als besonders eindrucksvolles empirisches Beispiel über die Transformation einer egalitären Gesellschaft empfehle ich den Aufsatz von Wiessner, Polly, Feb. 2002, The Vines of Complexity, Current Anthropology, 43: 233-269
Und das Internet ist wie immer voll mit guten, mäßigen und schlechten Beiträgen zu den angesprochenen Themen und Unterthemen.
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CRASH_GURU
08.09.2004, 11:03
@ Popeye
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Re: ‚TIT FOR TAT’, Sesshafte Sammler & Jäger, Vorräte und das Ende der Reziprozität |
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---Elli---
08.09.2004, 11:14
@ Popeye
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Re: ‚TIT FOR TAT' / Danke für diesen Meilenstein, kommt i.d. Sammlung (o.Text) |
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lish
08.09.2004, 15:36
@ Popeye
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TIT FOR RANDOM |
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>Hier bleibt zunächst festzuhalten, dass die extrem simple Strategie von TIT FOR TAT eine experimentell belastbare Erklärung für das Entstehen von reziprokem Altruismus in überschaubaren Gruppen bietet. Mich persönlich fasziniert es, dass ein Modell mit so simplen Voraussetzungen und Regeln zumindest das soziale Zusammenleben der biologische Gattung homo seit vielen Millionen Jahren reguliert - bis vor ca. 10-12.000 Jahren.
noch etwas zu Erfolg und Bedeutung von TIT FOR TAT:
1. Der Erfolg einer Strategie hängt von den Strategien der anderen Spieler ab.
->Bei Axelrods Computerturnier waren die meisten eingesendeten Programme 'nice'. 'Nice' nennt er eine Strategie/Programm wenn es grundsätzlich kooperiert, falls der andere Spieler auch kooperiert.
-> unter den Top-ten waren 8 Programme nice.
ABER: Wie wäre es ausgegangen, wenn die die wenigsten Programme 'nice' gewesen wäre? Axelrod stellt das selbst in Frage.
'What accounts for TIT FOR TAT's robuts success is its combination of being nice, regulatory, forgiving, and clear. Its retailiation discourages the other side from persisting whenever defection is tried. Its forgivingnes helps restore mutual cooperation. And its clarity makes it intelligible to the other player, thereby elicting long-term cooperation.'
2. Auch Axelrod war von TIT FOR TATs Erfolg verblüfft und suchte die Verbindung mit der Evolution. Er modifizierte das Turnier: Erfolgreiche Strategien vermehrten sich, andere 'starben' aus. Er zählte dann wie sich die Strategien über die Generationen hinweg vermehrten. Nach 1000 Generationen war absehbar, dass TIT FOR TAT auch in dieser Spielart Sieger ist. Die nächstplazierten waren TIT FOR TAT mit leichten Modifikationen. TIT FOR TATs Erfolg beruht hier darauf, dass es mit sich selber gut kooperiert.
Aber: in den einzelnen Spielen ist TIT FOR TAT niemals der Sieger, höchstens unentschieden! Ansonsten jeweils einen Punkt weniger als der Sieger.
3. Für Menschen mag TIT FOR TAT zwar als Prinzip erfolgreich sein, als Handlungsanweisung aber nicht geeignet. Wenn zwei Menschen TIT FOR TAT spielen und es ein Missverständnis gibt, also kooperation als ein nicht-kooperieren verstanden wird, ist es vorbei mit der Kooperation -> Eskalation. (So lange bis es ein weiteres Missverständnis gibt.) Die pay-off-Struktur ist subjektiv, je nach Präferenzen und Wahrnehmung - ein weiterer Grund für Missverständnisse und vorallem: die pay-offs des einzelnen Menschen verändern sich nach jeder Runde.
4. Der Mensch spielt TIT FOR TAT wo er nicht anders kann, also bei anderen Menschen. Bei anderen Strategien, welche nur 'nice' sind oder nicht unmittelbar zurückschlagen fährt er die dominante Strategie, bleibt solange im Nash-Gleichgewicht, bis sich nicht-Kooperation nicht mehr lohnt - alle Ressourcen verbraucht sind bzw. Spieler ausgestorben sind.
5. Der Mensch unterwirft sich dem Staat oder Anführer einer Gruppe um seine möglichen Verluste zu minimieren. Er verliert seine natürliche Freiheit und hat ein Minimum an Outcome (absehbare Zustände, Grundrechte, -freiheiten) garantiert - insofern Nash-Gleichgewicht mit asymmetrischen pay-off. Die Spieler wären hier die Allgemeinheit vertreten durch den Staat und der Einzelne. Würden alle von sich aus kooperieren, also die möglichen Gewinne maximieren, wäre der Gruppenoutcome grösser/Pareto-Optimum, die Rolle des Staates eine weniger bedeutendere. Aber der einzelne handelt im Interesse der Gruppe, wenn es zu seinem eigenem Nutzen ist, das sichert sein eigenes Überleben - also nehmen was man kann, geben was man muss.
6. Die Menschen haben Institutionen als neue Art von Spielern erschaffen haben, der Staat als würdiges Gegenüber um die Allgemeinheit vor den einzelnen zu schützen. Das hätte soweit auch fast geklappt (je nach politischen System), allerdings bekämpfen sich die Menschen heute, weil die Institutionen nicht miteinander kooperieren - vom Regen in die Traufe.
7. Die Kooperation unter den Menschen und deren Ausbreitung lässt sich meines Erachtens mit einem Strategie-Mix erklären: TIT FOR TAT bei klarer Informationslage und RANDOM bei unklarer Informationslage. RANDOM entspricht irrationalem Verhalten.
8. Vorratshaltung ist führt zwar zu Kooperation auf hohem Niveau bringt aber nicht-Kooperation auf hohem niveau mit sich, beispielsweise Stämme welche die Vorräte anderer Stämme plündern - freeriding unter den Gruppen. Die frühesten Zivilisationen waren meines Wissens dort, wo keine grosse Vorratshaltung notwendig war.
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Popeye
08.09.2004, 17:41
@ lish
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…nehmen was man kann, geben was man muss |
-->Hallo, @lish,
Danke!
Offensichtlich hast Du Dich mit Axelrod und Co. intensiver beschäftigt.
Deinen Punkt 3. versteh’ ich nicht. „Tit for Tat“ erinnert sich immer nur einen Zug rückwärts, mit dieser Handlungsanweisung müsste schnell wieder Frieden einkehren.
Grüße
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lish
08.09.2004, 20:18
@ Popeye
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...nach unten treten, nach oben lecken. |
-->
>Deinen Punkt 3. versteh’ ich nicht. „Tit for Tat“ erinnert sich immer nur einen Zug rückwärts, mit dieser Handlungsanweisung müsste schnell wieder Frieden einkehren.
Beispiel: A B k... Kooperation nk... nicht Kooperation
1.Runde k k
2. k(weil B in der 1.R k) k (weil A in der 1.R. k)
x. k k
nun mit Missverständnis:
3. k k (wirklich) / NK (von A wahrgenommen)
(B kooperiert, B's Handlung wird von A missinterpretiert)
4. nk(weil B i.R.3 nk) k (weil A i.R.3 k)
5. k nk
6. nk k
7. k nk
x. die beiden haben abwechselnd das beste bzw. schlechste persönliche Resultat, kooperieren mal und mal nicht, gerade weil sie sich nur an den letzten Zug des Gegeners erinnern. Geschieht ein weiteres Missverständniss 2mal k-> pareto / 2mal nk-> nash. Könnte TIT FOR TAT sich an mehr als den letzten Zug erinnern, könnte es nicht mehr so grosszügig verzeihen:)
Diese Situation ist zwar nicht optimal, aber schlussendlich immer noch besser als wenn beide nk. Ich denke dass sich aber ein ähnliches Resultat mit zufälligen Entscheigungen erreichen liesse.
klar?
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Popeye
08.09.2004, 20:35
@ lish
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Re:...nach unten treten, nach oben lecken. |
-->klar
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Ghandi
08.09.2004, 23:19
@ Popeye
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Re: ‚TIT FOR TAT’, Sesshafte Sammler & Jäger, Vorräte und das Ende der Reziprozität |
-->Ein Beitrag vom Feinsten. - Danke, Popeye.
Aus evolutions-biologischer Sicht ist natürlich auch die Frage interessant, ob
die Jäger & Sammler eine GENETISCHE Veranlagung zum Altruismus aufwiesen,
die sich im Laufe der Zeit wandelte - hin zur Ellenbogen-Gesellschaft der
sesshaften Ackerbauern, in der diejenigen Vorteile hatten (noch haben), die
egoistisch ihr Ackerland (ihr Hab & Gut) verteidigen konnten.
Die Gruppe der Jäger war bis dahin bei der Verfolgung großer & gefährlicher
Tiere mit der Strategie des GEMEINSAMEN Jagens & anschließenden Teilens der
Beute sicherlich wesentlich erfolgreicher gewesen als mit der Taktik des
Einzelkämpfertums.
Und noch der religiöse Aspekt:
Waren die großen, den Altruismus propagierenden Religionen deshalb so
erfolgreich, weil sie in der Zeit des Übergangs Balsam auf die wunden Seelen
der Sesshaften streuten, die längst vom neuen Motto:"The winner takes it all"
durchdrungen waren, sich aber im tiefsten Inneren ihres Herzens immer noch
sehnsüchtig an die gute, alte & friedliche Zeit zurückerinnerten, als man
in trauter Runde am Lagerfeuer saß & den gemeinsam erlegten Bären vertilgte?
MfG
G
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Popeye
09.09.2004, 09:06
@ Ghandi
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Re: ‚TIT FOR TAT’ - @Ghandi |
-->Hallo, @Ghandi,
Danke, für die freundlichen Worte, aber ich bin nur der Gärtner, der Blumen aus fremden Gärten bringt.
Zu dem Thema -
Aus evolutions-biologischer Sicht ist natürlich auch die Frage interessant, ob
die Jäger & Sammler eine GENETISCHE Veranlagung zum Altruismus aufwiesen,
die sich im Laufe der Zeit wandelte - hin zur Ellenbogen-Gesellschaft der
sesshaften Ackerbauern, in der diejenigen Vorteile hatten (noch haben), die
egoistisch ihr Ackerland (ihr Hab & Gut) verteidigen konnten.
kann ich nur Axelrod/Hamilton zitieren.
”A gene, in effect, looks beyond its mortal bearer to interests of the potentially immortal set of its replicas existing in other related individuals.” (S.1300) …..
Wir sollten also vielleicht der Versuchung widerstehen moralische Ziele in den von Axelrod/Hamilton skizzierten Zusammenhang hineinzuinterpretieren. Es geht offenbar nicht darum, ob Zusammenarbeit oder Nicht-Zusammenarbeit unter unseren ethisch/moralischen Vorstellungen „gut“ oder „schlecht“ ist. Es geht auch hier nur um das Spiel des Überlebens, weil
”Many of the benefits sought by living things are disproportionally available to cooperating groups.”(S. 1301)
@lish hat es gestern aus meiner Sicht treffend formuliert: „nehmen was man kann, geben was man muss.“
Zu dem zweiten Thema
Waren die großen, den Altruismus propagierenden Religionen deshalb so
erfolgreich, weil sie in der Zeit des Übergangs Balsam auf die wunden Seelen
der Sesshaften streuten, die längst vom neuen Motto:"The winner takes it all"
durchdrungen waren, sich aber im tiefsten Inneren ihres Herzens immer noch
sehnsüchtig an die gute, alte & friedliche Zeit zurückerinnerten, als man
in trauter Runde am Lagerfeuer saß & den gemeinsam erlegten Bären vertilgte?
So wie ich es sehe waren diese Erlösungsreligionen historisch als „Balsamspender“ viel zu spät. Im Prinzip war die Transformation - hin zu hierarchischen Strukturen - 5.000 spätestens 3.000 vor der Zeitenwende gelaufen. Nicht überall auf dem Globus, aber eben in den Zentren, die wir als erste Hochkulturen bezeichnen.
Ganz ausschließen will diesen etwas spekulativen Gedanken allerdings nicht, hab mich aber noch nicht darum gekümmert, also keine Meinung.
Grüße & Dank für die Anregung
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bernor
10.09.2004, 00:22
@ Popeye
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Re: ‚TIT FOR TAT’, Sesshafte Sammler & Jäger, Vorräte und das Ende der Reziprozität |
-->Hi Popeye,
Folgt man den grundsätzlichen Vermutungen von Testart, so wird deutlich, dass sich die soziale Entwicklung der Sammler und Jäger schon lange vor dem Beginn der eigentlichen Landwirtschaft von den Grundsätzen der Reziprozität und Egalität gelöst haben könnte, um vermehrt hierarchischen Organisationsformen Raum zu geben.
Gut gefüllte Vorrats-Silos in dieser Phase des Übergangs zur reinen Landwirtschaft mögen häufig Gegenstand von inneren und äußeren Konflikten gewesen sein. Vorräte wurden so - ganz oder teilweise - zu sozialem Reichtum, über den, nach dem Belieben weniger, zur Mehrung von Ansehen und Macht verfügt wurde.
die Vorratshaltung war ursprünglich vermutlich nur auf"Familienbasis" organisiert, (gerade bei umherziehenden Jägern und Sammlern bietet sich die Aufteilung des Vorrats auf mehrere"Schultern" an), d.h., der zunächst Verfügungsberechtigte war das Familienoberhaupt - erst im Notfall wurde, wohl durch den tonangebenden"Horden-/Sippenältesten", der Altruismus aktiviert, also die Bedürftigen auch aus anderen Familien versorgt.
Eine echte Machtstellung hat sich m.E. erst durch eine weitere Funktion von Gruppenoberhäuptern ergeben - den des"Friedens / sozialen Ausgleichs" innerhalb der Gruppe im Fall von Mord bzw. Totschlag:
In einem noch traditionell lebenden Beduinenstamm z.B. sann bzw. sinnt die Sippe des Opfers in einem solchen Fall auf"Vergeltung" - das muß allerdings, gerade bei Totschlag, nicht zwingend Blutrache heißen; es kommt hier vorrangig auf eine Entschädigung an: entweder geht ein Mitglied der Tätersippe als"Ersatzmann" in die des Opfers hinüber oder es soll eine Art Sühnegeld (z.B. Kamele) gezahlt werden.
Dumm nur, wenn die Tätersippe weder das eine noch das andere (akzeptabel / genügend) anbieten kann: dann ist der Scheich (= Stammesoberhaupt) in seiner Rolle als Ausgleicher gefragt - weil er im Regelfall über jenen"Vorrat /Überschuß" an Kamelen o.ä. verfügt, aus dem er die Opfersippe zunächst befriedigt und damit den Frieden innerhalb des Stammes bewahrt.
Da der Scheich damit nur in"Vorleistung" für die Tätersippe getreten ist, ist diese nun, bis zur eventuellen Begleichung des"Regreßanspruchs", dem Scheich verpflichtet - dieses Klientenverhältnis verschafft(e) dem Scheich somit Macht.
So etwa dürfte bereits vor der Seßhaftigkeit Macht entstanden sein - die Eroberung und unangefochtene Beherrschung von Kulturland (z.B. in Mesopotamien) durch"Wandervölker" ist ohne bereits bei ihnen vorgeformte Machtstrukturen (Chef mit ihm gehorchenden Gefolgsleuten) schlecht vorstellbar.
Gruß bernor
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Popeye
10.09.2004, 11:57
@ bernor
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Re: ‚TIT FOR TAT’, Sesshafte Sammler & Jäger, Vorräte und das Ende der Reziprozi |
-->Hallo, @bernor,
spekulieren lässt sich alles mögliche, aber zumindest in den mir bekannten Grabungsstellen dieser Übergangszeit lassen sich keine sozialen Strukturen erkennen, die auf hierarchische Dominanz hindeuten - solange sich Sesshaftigkeit nicht manifestiert.
Das kann natürlich nicht bedeuten, dass diese Gruppen keine soziale Struktur hatten, z. B. alte und erfahrene, oder starke und schnelle Jäger, die wegen ihrer Bedeutung für die Gruppe - oder auch wie Du beschreibst als „Friedensstifter“ besonderes Ansehen genossen etc. Aber daraus, so mein Kenntnisstand leiteten sich keine besonderen Privilegien hinsichtlich der Verteilung von Gütern innerhalb der Gruppe ab.
Nur als Beispiel:
Michael Bollig, Professor am Institut für Völkerkunde der Universität Köln:
„Bekannt ist bei den Buschleuten in Botswana etwa, dass die bei der Jagd folgendes machen: die Pfeile zwischen den Jägern werden gewechselt kurz vor der Jagd, und das geschossene Wild gehört demjenigen, dem der Pfeil gehört, also nicht dem Jäger, dem geschickten Jäger, also so wird das quasi randomisiert, das ist reiner Zufall, wessen Pfeil nun gerade abgeschossen wird. Und damit wird ganz subtil verhindert, dass sich ein erfolgreicher Jäger, und auch die Buschleute sagen, es gibt halt Talente, und es gibt Nieten bei dieser Sache, aber auf diese Art und Weise wird den Talenten denn die Möglichkeit genommen, da tatsächlich sich langfristig sich in Szene zu setzen und symbolisches Kapital aufzuhäufen. Sie verteilen dann nicht das Fleisch des Erjagten sondern derjenige, dessen Pfeil getroffen hat, verteilt das Fleisch, und als Verteilender ist er in einer gewissen Machtposition. Und das wird da immer schön rotiert.“
Vorratshaltung bei nicht sesshaften Sammlern und Jägern hatte bestenfalls den Umfang von Tages/Wochenvorräten mit dem Charakter von „Reiseproviant“. Zu beschwerlich das Zeug rumzuschleppen.
Daraus lässt sich nur unter sehr spekulativen Annahmen „soziales Kapital“ schlagen.
Aber wenn es dann mal zu dominanten Strukturen gekommen ist, dann halte ich Deine nachstehende Vorstellung
„Dumm nur, wenn die Tätersippe weder das eine noch das andere (akzeptabel / genügend) anbieten kann: dann ist der Scheich (= Stammesoberhaupt) in seiner Rolle als Ausgleicher gefragt - weil er im Regelfall über jenen"Vorrat /Überschuß" an Kamelen o.ä. verfügt, aus dem er die Opfersippe zunächst befriedigt und damit den Frieden innerhalb des Stammes bewahrt.“
vielleicht eines der Modelle dafür sein, wie Abhängigkeiten geschaffen werden.
Wenn wir Macht als Verteilungspripileg definieren, dann teile ich Deine nachstehende Überzeugung (noch) nicht:
So etwa dürfte bereits vor der Seßhaftigkeit Macht entstanden sein - die Eroberung und unangefochtene Beherrschung von Kulturland (z.B. in Mesopotamien) durch"Wandervölker" ist ohne bereits bei ihnen vorgeformte Machtstrukturen (Chef mit ihm gehorchenden Gefolgsleuten) schlecht vorstellbar.
Ich werde mal versuchen, die mir bekannten archäologischen Grabungsstellen von sesshaften Sammlern und Jägern in Mesopotamien in einem Link zusammenzustellen.
Grüße
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lish
10.09.2004, 13:22
@ Popeye
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Re: ‚TIT FOR TAT’, Sesshafte Sammler & Jäger, Vorräte und das Ende der Reziprozi |
-->
>„Bekannt ist bei den Buschleuten in Botswana etwa, dass die bei der Jagd folgendes machen: die Pfeile zwischen den Jägern werden gewechselt kurz vor der Jagd, und das geschossene Wild gehört demjenigen, dem der Pfeil gehört, also nicht dem Jäger, dem geschickten Jäger, also so wird das quasi randomisiert, das ist reiner Zufall, wessen Pfeil nun gerade abgeschossen wird. Und damit wird ganz subtil verhindert, dass sich ein erfolgreicher Jäger, und auch die Buschleute sagen, es gibt halt Talente, und es gibt Nieten bei dieser Sache, aber auf diese Art und Weise wird den Talenten denn die Möglichkeit genommen, da tatsächlich sich langfristig sich in Szene zu setzen und symbolisches Kapital aufzuhäufen. Sie verteilen dann nicht das Fleisch des Erjagten sondern derjenige, dessen Pfeil getroffen hat, verteilt das Fleisch, und als Verteilender ist er in einer gewissen Machtposition. Und das wird da immer schön rotiert.“
sehr interessant. Erinnert mich irgendwie an John Rawls, der meinte, dass Talente von der Natur zufällig vergeben würden und dass eine gerechte Gesellschaft diese zufällige Zuteilung ausgleichen müsse. Ihm zufolge ist Ungleichheit nur gerecht, wenn die Ungleichheit zum grundsätzlichen Wohl der Allgemeinheit beiträgt... Um eine gerechte Gesellschaft zu installieren müssten alle Mitglieder in einen Zustand, den er 'Schleier des Nichtwissens' nennt, sein. In diesem Zustand hat man keine Kenntnis über seine Talente, soziale Position oder Vorstellung von Gut und Böse. Das soll Unbefangenheit garantieren. Um seine möglichen Verluste zu minimieren, tritt der Nutzenmaximierer für eine gerechte Gesellschaft ein, weil das Risiko besteht, dass er die schlechteste Rolle zugeteilt bekommt. Ähnlich der Indianerweisheit, dass man in seinem Stück jede Rolle zu übernehmen bereit soll.
Die Bushleute verteilen die zufällige Zuteilung der Talente durch Zufall um, eleganter gehts glaub nicht mehr. Der Lohn eines Abschusses ist die Ehre oder Selbstbestätigung, die Zuteilung des existentiell Wichtigen wird randomisiert.
In diesem Sinne bin ich der Idee nicht abgeneigt, die politische Führung auszulosen. Das System müsste dann so abgesichert werden, dass auch ein Idiot an der Spitze nicht viel Schaden anrichten kann... und auslosen ist in jedem Fall repräsentiver, die Aufgabe des Staates wäre es ja den Willen des des Volkes zu vertreten und nicht dem Willen elitärer vernunftbegabter Weltverbesserer zu folgen.
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Popeye
10.09.2004, 13:56
@ lish
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Re: ‚TIT FOR TAT’, Sesshafte Sammler & Jäger, Vorräte und das Ende der Reziprozi |
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In diesem Sinne bin ich der Idee nicht abgeneigt, die politische Führung auszulosen. Das System müsste dann so abgesichert werden, dass auch ein Idiot an der Spitze nicht viel Schaden anrichten kann... und auslosen ist in jedem Fall repräsentiver, die Aufgabe des Staates wäre es ja den Willen des des Volkes zu vertreten und nicht dem Willen elitärer vernunftbegabter Weltverbesserer zu folgen.
Hallo, @lish,
Mit den Reformen des Kleisthenes (508/7 vor Chr.) wurden alle Bürger rechtlich gleichgestellt. Die 10 Phylen ( = regionale Leiter) der drei Regionen Attikas wurden durch Los bestimmt. Auch andere Ämter wurden später ausgelost.
Hat nicht schlecht funktioniert - Einstimmigkeit (z. B. bei Steuerangelegenheiten) wäre allerdings ein gewisses Sicherheitsventil, dass die Dinge nicht aus dem Ruder laufen…
Grüße
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lish
10.09.2004, 15:27
@ Popeye
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Lottokratie?! |
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>Mit den Reformen des Kleisthenes (508/7 vor Chr.) wurden alle Bürger rechtlich gleichgestellt. Die 10 Phylen ( = regionale Leiter) der drei Regionen Attikas wurden durch Los bestimmt. Auch andere Ämter wurden später ausgelost.
Kleisthenes? hört sich griechisch an. Bürger bedeutet bei den Griechen die edle, tugendhafte Oberschicht, die sich nicht mit den Problemen des Lebens herumzuschlagen braucht und in Ruhe Politik machen kann, vielleicht 5%. Trotzdem gut: das Gerangel in den oberen Etagen hätte ein Ende und das Prinzip liesse sich mit der Zeit, auf alle Einwohner ausweiten - top down. Die Allgemeinheit hätte ein Interesse, dass sie aus vernünftigen, entscheidungsfähigen Wesen besteht und nicht in erster Linie macht was man gesagt bekommt.
>Hat nicht schlecht funktioniert
Hatte sicher auch mit der Gruppengrösse zu tun: die Bürger in den Regionen kannten einander. Das Risiko von schlechter Herrschaft lässt sich besser abschätzen (maximin): man weiss wie blöd der grösste Idiot ist, oder wie gefährlich der grösste Feind, zudem besteht die Möglichkeit der gegenseitigen Einflussnahme eher als in einer anonymen Masse. Unter diesen Umständen scheint ein Losentscheid akzeptabel. Damals gab es eben auch die Möglichkeit die Gruppe zu verlassen und in eine andere einzutreten. Heute beschränkt sich die Auswahl der Gruppen auf ein paar hundert Staaten, die untereinander in Anarchie leben... Die Auswahl der Prinzipien, denen die Staaten folgen ist auch kleiner geworden.
Vermute, dass Losentscheide auf grosse Akzeptanz stossen würde. Einerseits die Einstellung, dass die Situation verfahren ist, andererseits die Einsicht, dass Politik mehr mit Verhandlung und Markt zu tun hat als mit Vernunft. Die Idee einer objektiven menschlichen Vernunft dürfte eigentlich noch als Gutenachtgeschichte taugen, deshalb könnte man es gleich schon der natürlichen Vernunft, also dem Zufall überlassen - das hiesse dann 'Randomkratie' oder 'Lottokratie'.
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Popeye
10.09.2004, 15:39
@ lish
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Re: Lottokratie?! |
-->Hi,
so etwa lief's: Lottokratie und andere Gutenachtgeschichten
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Popeye
10.09.2004, 15:44
@ Popeye
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Re: Lottokratie?! - korrigiert |
-->>Hi,
>so etwa lief's: Lottokratie und andere Gutenachtgeschichten
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lish
10.09.2004, 16:18
@ Popeye
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Re: Lottokratie?! - korrigiert |
-->nehme mal an das Ende dieser Gutenachtgeschichte ist, dass sie überfallen wurden, sich nicht angemessen verteidigten, weil unfähig schnelle Entscheidungen zu treffen.
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Popeye
10.09.2004, 16:31
@ lish
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Re: Lottokratie?! - korrigiert |
-->>nehme mal an das Ende dieser Gutenachtgeschichte ist, dass sie überfallen wurden, sich nicht angemessen verteidigten, weil unfähig schnelle Entscheidungen zu treffen.
Klar, Sparta hat dem schönen Spiel ein Ende gemacht - was zu beweisen war: Nicht-Kooperation = immer dominant
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lish
10.09.2004, 16:59
@ Popeye
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chicken u.a. |
-->: Nicht-Kooperation = immer dominant
nicht immer. Beim Gefangendendilemma schon. Ansonsten je nach pay off. Beim 'Chicken Game' oder 'Assurance Game' beispielsweise ist die dominante Strategie nicht nicht-Kooperation.
Chicken-Game, James Dean in der Hauptrolle: 2 rasen auf den Abgrund zu, wer zuerst aussteigt ist das Chicken. Steigt keiner aus, sind beide tot. Kooperieren ist in diesem Fall Aussteigen oder sich gar nicht erst darauf einlassen, bzw. dem anderen das Feld und die Prinzessin zu überlassen.
Das Assurance Game könnte man mit dem Wettrüsten vergleichen.
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nur so eine Idee für Anleger: einen fixen Teil der Anlagen zufällig auswählen, kaufen und verkaufen... vielleicht die Kinder oder den Hund fragen oder ein Programm schreiben.
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CRASH_GURU
11.09.2004, 10:36
@ Popeye
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Re: ‚TIT FOR TAT’, Sesshafte Sammler & Jäger, Vorräte und das Ende der Reziprozi |
-->
So etwa dürfte bereits vor der Seßhaftigkeit Macht entstanden sein - die Eroberung und unangefochtene Beherrschung von Kulturland (z.B. in Mesopotamien) durch"Wandervölker" ist ohne bereits bei ihnen vorgeformte Machtstrukturen (Chef mit ihm gehorchenden Gefolgsleuten) schlecht vorstellbar.
Hallo Popeye,
hab dieses Thema erst heute morgen angeschaut.
Wenn Du die Ursprünge von Hirarchien und Machtausübung suchst, solltest Du mE noch etwas weiter zurückgehen.
Wie Carl Sagan in seinem Buch Shadows of forgotten Ancestors versucht aufzuzeigen, finden wir sämtliche menschlichen Verhaltensmuster in einer Schimpansenherde wieder:
Machtausübung durch den physisch Stärkeren, Ausbeutung der schwächeren Gruppenmitglieder, Xenophobia, Überfall und Raub von/bei schwächeren Gruppen, Vergewaltigung von Weibern etc.
Mit anderen Worten es ist bereits alles in unseren Genen. Unser schwacher Geist wiederum scheint nicht in der Lage kann, die unsozialen Strukturen zu verhindern, bzw die Gene sind immer wieder stärker. Hat sich ja auch als erfolgreiches Konzept der Arterhaltung bewährt. Die Chimps haben allerdings keine WMDs...
Schönes Wochenende!
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beni
11.09.2004, 10:53
@ CRASH_GURU
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Gene und Schimpansen |
-->Hallo,
Wie Du sagst, muss es für Hierarchie, Ausbeutung usw. eine genetische Grundlage geben, sonst hätte sich das nicht so entwickeln können. Niemand würde sich"Oberaffen" wie Hitler, Clement, Schröder etc. unterordnen, wenn das nicht irgendwo in den Genen drin wäre. Es ist aber auch die Frage, ob das die EINZIGE Möglichkeit ist, wie unsere Biologische Anlagen ihre kulturelle Ausformung finden können.
Bei den Affen gibt es ja auch die den Schimpansen sehr verwandten Bonobos, die eine nicht-hierarchische Gesellschaft bilden, siehe das Buch"wilde Diplomaten".
Bei menschlichen Stammesgesellschaften finden wir sowohl friedliche, nicht-hierarchische als auch ausgesprochen kriegerische, aggressive, im inneren völlig psychopathische Stämme. Im Amazonas leben solche völlig gegensätzlichen Gesellschaften oft nur wenige Kilometer voneinander entfernt.
Die Frage ist doch die, warum das destruktive Modell in Form dieser Kapital und Christenscheisse heute die ganze Welt beherrscht und andere Modelle nicht dagegen anstinken konnten und können. Und natürlich, ob sie es nicht doch noch lernen könnten, wie auch immer.
m@G, Beni
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Stephan
11.09.2004, 11:40
@ CRASH_GURU
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Und wenn sich ein Oberaffe drückt? |
-->Der Wiener Evolutionstheoretiker Dr. Rupert Ridl formulierte unser Dilemma etwa so:
~ Die negative Korrelation zwischen Verantwortungsumfang und Verantwortungsempfinden. Wir sind darauf nicht adaptiert.
~ Die negative Korrelation zwischen Rang und Risiko.
Die Korrelation zwischen Rang und Risiko gibt es heute noch: Wenn beispielsweise eine Pavianhorde von einer Großkatze angegriffen wird, so müssen die Oberaffen, die Alphaaffen an die Front. Man schickt nicht die Kinder oder sie Schwachen vor. Das wäre gegen die Arterhaltung. Also die Oberaffen müssen an die Front. Wenn sich nun einer drückt, so spielt sich das vor aller Augen ab. Nach der Konfrontation hat dieser"Drückeberger" dann aber nichts mehr zu lachen: er bekommt nur das schlechteste Futter, er darf von allen Gebissen werden usw.
Diese Korrelation zwischen Rang und Risiko hat es früher auch beim Menschen gegeben, es hat sich aber heute in unserer anonymen Gesellschaft geändert, da die Hochgerannten nun ihren hohen Rang zur Reduktion ihres Risikos verwenden.
Minister (Verantwortliche) die schauderhafte Sachen zurücklassen verlassen ihr Amt mit einem goldenen Fallschirm...dann kommen die nächsten.
Dieses Verständnis zwischen Rang und Risiko, die sehr nützlich war, ist mit zunehmender Gruppengröße verloren gegangen.[img][/img]
Gruß
Stephan
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Popeye
11.09.2004, 12:38
@ CRASH_GURU
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Re: ‚TIT FOR TAT’, Sesshafte Sammler & Jäger, Vorräte und das Ende der Reziprozi |
-->>
>So etwa dürfte bereits vor der Seßhaftigkeit Macht entstanden sein - die Eroberung und unangefochtene Beherrschung von Kulturland (z.B. in Mesopotamien) durch"Wandervölker" ist ohne bereits bei ihnen vorgeformte Machtstrukturen (Chef mit ihm gehorchenden Gefolgsleuten) schlecht vorstellbar.
>Hallo Popeye,
>hab dieses Thema erst heute morgen angeschaut.
>Wenn Du die Ursprünge von Hirarchien und Machtausübung suchst, solltest Du mE noch etwas weiter zurückgehen.
>Wie Carl Sagan in seinem Buch Shadows of forgotten Ancestors versucht aufzuzeigen, finden wir sämtliche menschlichen Verhaltensmuster in einer Schimpansenherde wieder:
>Machtausübung durch den physisch Stärkeren, Ausbeutung der schwächeren Gruppenmitglieder, Xenophobia, Überfall und Raub von/bei schwächeren Gruppen, Vergewaltigung von Weibern etc.
>Mit anderen Worten es ist bereits alles in unseren Genen. Unser schwacher Geist wiederum scheint nicht in der Lage kann, die unsozialen Strukturen zu verhindern, bzw die Gene sind immer wieder stärker. Hat sich ja auch als erfolgreiches Konzept der Arterhaltung bewährt. Die Chimps haben allerdings keine WMDs...
>Schönes Wochenende!
>
Hallo, @CG,
grundsätzlich richtig, aber m. E. von Sagan, den und dessen Bücher ich sehr schätze, etwas zu kurz gesprungen.
Dass diese Anlagen in uns latent verankert sind ist ja nicht das Thema, sondern wie wir kalkulierend damit umgehen. Denn natürlich sind Egalität und Reziprozität ein kalkuliertes soziales Verhaltensmuster, d.h. es ist, um des Selbsterhaltes der Gruppe willen, von allen einsichtig (aber um die Alternative wissend) akzeptiert.
Und genau diese kalkulierende Element - Dominanz eben nicht als Verteilungsprinzip zu akzeptieren - fehlt den Schimpansen.
Grüße
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CRASH_GURU
11.09.2004, 14:13
@ beni
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Re: Gene und Schimpansen |
-->>Hallo,
>Wie Du sagst, muss es für Hierarchie, Ausbeutung usw. eine genetische Grundlage geben, sonst hätte sich das nicht so entwickeln können. Niemand würde sich"Oberaffen" wie Hitler, Clement, Schröder etc. unterordnen, wenn das nicht irgendwo in den Genen drin wäre. Es ist aber auch die Frage, ob das die EINZIGE Möglichkeit ist, wie unsere Biologische Anlagen ihre kulturelle Ausformung finden können.
>Bei den Affen gibt es ja auch die den Schimpansen sehr verwandten Bonobos, die eine nicht-hierarchische Gesellschaft bilden, siehe das Buch"wilde Diplomaten".
>Bei menschlichen Stammesgesellschaften finden wir sowohl friedliche, nicht-hierarchische als auch ausgesprochen kriegerische, aggressive, im inneren völlig psychopathische Stämme. Im Amazonas leben solche völlig gegensätzlichen Gesellschaften oft nur wenige Kilometer voneinander entfernt.
>Die Frage ist doch die, warum das destruktive Modell in Form dieser Kapital und Christenscheisse heute die ganze Welt beherrscht und andere Modelle nicht dagegen anstinken konnten und können. Und natürlich, ob sie es nicht doch noch lernen könnten, wie auch immer.
>m@G, Beni
Hallo Beni,
die Bonobos kennen beim Sexualleben keine Hirarchien, d.h. alle dürfen mit jeder. Wieweit das auf andere Bereiche zutrifft weiß ich nicht genau. Sex ist einer der wichtigsten Mittel bei Affen um Stress abzubauen, wie ich übrigens hier bei den Pavianen in meiner Nachbarschaft sehr gut beobachten kann.
Die Tabuisierung der Promiskuität wurde vielleicht aus anderen Gründen, aber sicher nicht zufällig von der katholischen Kirche und den Moslems ganz oben auf deren Liste gesetzt.
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CRASH_GURU
11.09.2004, 14:21
@ Stephan
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Re: Sind also kleinere Gruppen die Lösung wie die CH scheinbar zeigt? (o.Text) |
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beni
11.09.2004, 14:33
@ CRASH_GURU
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BINGO!!! |
-->Hallo CG
>... >
>Die Tabuisierung der Promiskuität wurde vielleicht aus anderen Gründen, aber sicher nicht zufällig von der katholischen Kirche und den Moslems ganz oben auf deren Liste gesetzt.
Super! Mal wieder eine kleine Erleuchtung! Promiskuität wirkt egalisierend, Monogamismus hierarchisierend! Hm... obs aber wirklich so einfach ist? Aber auf jeden Fall eine Sache der sich nachzugehen lohnt!
Danke und @G, Beni
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ottoasta
11.09.2004, 14:48
@ CRASH_GURU
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Aggressivität....... |
-->hallo,
zur Aggressivität habe ich seit einem Vortrag von Prof. Hesch eine Meinung.
Es geht meist von den Männchen aus, also ist der Testosteronspiegel dafür zum großen Teil verantwortlich. Des weiteren betrifft dies auch überwiegende Fleischesser. Es spielen in der Genetik viele Faktoren zusammen.
Es wurde von den monotheistischen Religionen (und auch von bestimmten politischen Richtungen) frühzeitig erkannt, dass eine freie Sexualität dem Machtstreben einiger zuwiderläuft. Wer da frei ist, wird sich nicht leicht unterordnen. Somit wurde ein Tabu aufgestellt und mit Sanktionen bedroht. Auch schon im Altertum zu sehen. Da wurde aber noch 'Luft' geschaffen z.B. durch den Dionysiuskult. Auch in der katholischen Kirche sieht man ja immer wieder die Macht der Sexualität durchscheinen. Rom soll ja um 1700 - 1800 mehr Kurtisanen beherbergt haben als Alteinwohner.
Die Unterdrückung der Sexualität in autoritären Regimen ist immer vorhanden. Diese verbünden sich gerne mit anderen, religiösen Unterdrückern. Ich erinnere an das Konkordat Hitler - Rom, geschlossen vom päpstlichen Nuntius, dem späteren Papst Pius 12.
Eine der ersten Maßnahmen der neuen Machthaber 1933 war die Verfolgung von Sexualaufklärern, Verteufelung der Psychoanlayse Freuds als undeutsch und als jüdische Wissenschaft.
Daß in den 'inneren Zirkeln' rumgebummst wurde, ja das ist wie bei den Katholen!
Gruss
Otto
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Stephan
11.09.2004, 16:18
@ CRASH_GURU
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Ja, laut Kohr liegt die"Lösung" mitten in Europa |
-->Wobei es"die" Lösung m.E. nicht gibt. Aber kleiner und vernetzter wäre sicherlich ein Weg für einen Neuanfang. Freilich müßten dazu die großen erstmal kollabieren...
Ich stell mal das Inhaltsverzeichnis hier rein, vielleicht entsteht ja doch bald eine lebhafte Diskussion.
Leopold Kohr: Die überentwickelten Nationen
Ewald Hiebl und Günther Witzany:
Kleiner, langsamer, näher! - zur Aktualität der Ideen Leopold Kohrs 11
Danksagung 25
Klassische Entwicklungsstadien einer Theorie
Vorwort 27
Geschichtsphilosophie der Größe - Eigentümliche Raserei - Vom Club of Rome nach Lissabon - Kleinheitstheorie als akzeptables akademisches Diskussionsthema - Zweifel an der Vernunft ihrer frühen Verfechter
Einleitung 33
Elephantiasis als Hauptproblem der Gegenwart - Ablehnung und Anerkennung - Kritik an humorvoller Darstellung ernster Sachen - Literarische anstelle empirischer Beweisführung: Vorbilder von Einstein bis Gossen und Menger
I. Kritische Größe 39
Größe als Ursache von Verkehrsunfällen - Geschwindigkeitseinfluß auf Größe - Kritische Größe als Ursache von Meuterei; von Gesinnungsbrutalisierung; von philosophischer Kollektivisierung; von wirtschaftlichen Störungen auch unter Kommunismus - Problemlösung durch Dezentralisierung -Kritische Größe als einzige Kriegsursache: Beispiele - Begriffserläuterungen: Soziale Größe, Kritische Größe, Optimale Größe, Größenauslegung der Geschichte; Einwände gegen Richtigkeit
II. Optimale soziale Größe 51
Der Lord und die Größe seines Schlosses - Größe bestimmt durch Zweck - Grenzen der geselligen Gemeinschaft; der Wirtschaftsgemeinschaft; der politischen Gesellschaft - Die optimale Kultur-Gesellschaft - Plato, Morus, Fourrier, Robert Owen über Optimale Größe - Streckfaktoren des Optimums - Teamgröße und Leistungskraft - Post-optimale Gesellschaften - ihr Verfallseffekt - Orwells 1984 - Schiffsanalogie des Aristoteles - Zusammenfassung
III. Staatengröße und Lebensstandard 65
Professoren als Hemdenwäscher - Höherer Lebensstandard der Vergangenheit - Wie Fortschritt aus Hausfrauen Mägde macht - Der Aspirinlebensstandard - Wachstum und Form - Exzessive Größe als Ursache des Niedergangs - Der Malthusianische Effekt sozialer Vergrößerung - Wolkenkratzer-Analogie - Gesundung durch Kleinermachen - Irreführende Lebensstandardstatistiken - Neue Güterkategorien - Neues Wohlfahrtsmeßinstrument: der Luxometer - Diagrammatische und statistische Darstellung des Punktes des absinkenden Lebensstandards
IV. Größe und Sozialismus 87
Geschmack als Bestimmungselement der Wirtschaftssysteme - Ideologie als Instrument der Geschmacksrationalisierung - Fußnptendefinition des"wahren" Sozialisten - Größe als Geschichtsbestimmungselement - Sozialisierungsfaktoren: exzessive Kleinheit, exzessive Größe, Demontage der Großmächte - Kapitalistische Gleichgewichtsstörungen des exzessiven Wachstums - Eingriffsnotwendigkeit des Staates - Zwangsweis-freiwillige Kollektivierung des Geistes - Taktlosigkeit der ehebrecherischen Gesellschaft
V. Größenkonjunktur 101
Hühnerkannibalismus - Heilung durch Blickfeld - beschränkende Kontaktlinsen - Kriminalisierung durch Gruppenwachstum - Der Heilige Augustinus über den Nachteil der Großmächte - Von Ernte- zu Größenzyklen - Größe, nicht Marxens innere Widersprüche, als Zerstörungsursache freiwirtschaftlicher Systeme - Kommunistische Größenzyklen - Die Malthusianischen Folgen des Überwachsens - Heilung der Größenkrankheit durch Teilung, Dezentralisierung, Regionalismus anstatt durch staatliche Kontrollen - Man kann die Uhr nicht zurückdrehen: Wirklich nicht?
VI. Budgetdiagnose 121
Budget als Auge und Maß aller Dinge - Steuerärger als Mutter der Freiheit - Konventionelle Staatsursprungstheorien - Geselligkeitstheorie: vom Erntefest zum Wirtshausstaat; Samuel Johnsons Lob des Wirtshauses; Englands königlicher Gasthausstaat; Entwicklung der Staatsfunktionen des Gastwirtes; individualistischer Zweck des Staates - Budget als Werkzeug und Spiegel politischen Wandels: das Beispiel Liechtensteins - Budget-Politik und kritische Größe - USA als das zweit-sozialistischste Land der Welt - Ende der Freiheit durch Wachstum - Ausgeglichenes Budget: Fluch oder Segen?
VII. Bevölkerungsmasse und Umlaufgeschwindigkeit 139
Quantitätstheorie des Geldes - Geschwindigkeitsfaktor als Bevölkerungsvergrößerer - Warum Notausgänge? Zahlenmäßige oder Geschwindigkeitsübervölkerung - Bevölkerungskontrolle durch Geschwindigkeitskontrolle -Technologische Entfernungen als Ursache des Schnellfahrens - Lösung durch Zusammenleben auf kleinerem Raum: der Wohlstand des Fußgängertums
VIII. Meta-Volkswirtschaft 149
Bekenntnisse eines Nationalökonomen - Sterilität der macro-wirtschaftstheoretischen Revolutionen - Grenzen der mathematischen Schule -Notwendigkeit der Rückkehr zu Grundbegriffen - Meta-Volkswirtschaftslehre - Wert des Lehrens durch Analogien: Beispiele - Die Meta-Methode bei Goethe, Leonardo da Vinci, Darwin, Carey, Confuzius
IX. Die Gehirnwäscher 161
Terrorbild der Gehirnwäscher - Trügerische Natur des Feindbildes - Der Gentleman-Kommunist - Der sympathisierende Gehirnwäscher - Glorie der russischen Verfassungsgarantien - Sanft-psychologische Vergewaltigung des Opfers - Wissenschaftlich-marxistisches Training der Gehirnwäscher - Das Kommunistische Manifest als klassisch-brillanter Lehrtext
X. Wolkenkratzer-Wirtschaft 175
Vorteile des Kleinstaates: Zutritt zu Weltmärkten - Wolkenkratzerkosten des Wachstums - Arbeitslosigkeitseffekt der Größe - Soziale Größe als Mutter des Bürokratentums und des Militarismus - Vorteile politischer Abtrennungen, des Verlustes von Weltreichen, von militärischen Niederlagen - Puerto Ricos Aufstieg - Das Deutsche Wirtschaftswunder - Glanz des alten Thebens - Rowntrees Armutsstatistiken - Bismarck über den Wirtschaftstriumph des Besiegten - Wahre Ursache des Erfolges der EWG -Gesetz der peripheralen Vernachlässigung - Butterberge und Weinkriege -Vernichtung durch Wachstum - Rehabilitierung durch Regionalismus
Ivan Illich: Leopold Kohr als Initiator der Sozialmorphologie 193
Franz Kreuzer über Leopold Kohr (1983) 199
Anmerkungen 201
Leopold Kohr: Lebenslauf 227
Grüße
Stephan
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Aiwass7
12.09.2004, 12:26
@ beni
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Die Einwohner der Insel Trobriand.... |
-->>Hallo CG
>>...
>>
>>Die Tabuisierung der Promiskuität wurde vielleicht aus anderen Gründen, aber sicher nicht zufällig von der katholischen Kirche und den Moslems ganz oben auf deren Liste gesetzt.
>Super! Mal wieder eine kleine Erleuchtung! Promiskuität wirkt egalisierend, Monogamismus hierarchisierend! Hm... obs aber wirklich so einfach ist? Aber auf jeden Fall eine Sache der sich nachzugehen lohnt!
>Danke und @G, Beni
Hallo Foris, hier mein Beitrag zur Promiskuität, und zwar bei Neuguinea.....
.."PROMISKUITÄT ist das Fachwort für das Verhalten, daß der GESCHLECHTSVERKEHR mit wechselnden Partnern ausgeübt wird. Bei uns sagt man heute eher FREIE LIEBE oder FREIER SEX.
Mit Hinweis auf manche Naturvölker (z.B. auf die angeblich glücklichen Einwohner von Trobriand, einer Inselgruppe nordöstlich von Neuguinea im Pazifik) wird in einer besonders ausgeprägten Jugendpromiskuitiät die Lösung der wichtigsten unserer menschlichen und damit dann auch unserer gesellschaftlichen Probleme gesehen. Nicht zuletzt soll deren Verhalten auch auf eine bei uns vergessene URMORAL hinweisen, die sich bei diesen Insulanern jedoch erhalten hat. Doch besonders diese These scheint nun wirklich sehr hypothetisch.
Da die Trobriander schon im Kindesalter und vor allem in ihrer Jugendzeit ausreichend sexuelle Erfahrungen mit verschiedenen Partnern sammeln können, wobei sie von den Erwachsenen angeblich jegliche Unterstützung erhalten, sind sie nicht nur in ihrer Jugend, sondern auch in ihrem ganzen weiteren Leben ausgesprochen ausgeglichen, auch gibt es keinerlei Gewalt-, Ausnutzungs- und Drogenprobleme (siehe AGGRESSION). Autoren, wie Jörg Tremmel ("Sweet Little Sixteen", Fischer Taschenbuch 11951, 1994) glauben, daß sich die Verhältnisse der Trobriander zu unserem Wohl auch auf uns übertragen lassen. Richtig ist dabei sicher, daß in unserem Sexualleben und in der Erziehung unserer Kinder in diesem Zusammenhang etwas nicht in Ordnung ist. Doch selbst wenn wir von der aktuellen Gefährdung durch GESCHLECHTSKRANKHEITEN einmal absehen, dürfte einem freien Ausleben der sexuellen Triebe unserer jungen Menschen einiges entgegenstehen:
In unseren anonymen Massengesellschaften würde schnell niemand mehr eine VERANTWORTLICHKEIT für seine Mitmenschen sehen, ein unkontrolliertes sexuelles Konsumverhalten ("jeder gegen jeden","sieh du zu, wie du damit fertig wirst") ist wahrscheinlich, wir haben ja heute schon damit unsere Erfahrungen.
Wir messen in unseren westlichen Gesellschaften trotz aller Unvollkommenheiten bei der Umsetzung in die Praxis der Beziehung von Mann und Frau eine ganz große Bedeutung bei. Unser Ideal von der ganz großen Liebe und der damit verbundenen Verschmelzung von zwei Menschen in der Einheit von Leib und Seele ist vermutlich nur in einer auch wirklich praktizierten MONOGAMIE zu erreichen, das heißt, daß jeder Mensch nur einen Geschlechtspartner hat.
Unsere VERANLAGUNG hat uns nun einmal mit dem Geschlechtsakt die Möglichkeit gegeben, daß dabei Kinder gezeugt werden können. Es kann nur als Vergewaltigung unserer Natur angesehen werden, wenn wir intime Beziehungen mit Menschen eingehen, bei denen diese Möglichkeit nicht nur zeitweise, sondern sogar grundsätzlich ausgeschlossen wird. Zur wirklichen leibseelischen Gesundheit des Menschen und damit auch zu seiner innerlichen Harmonie, gehört schon, daß er im Einklang mit seiner Natur lebt.
Abgesehen von diesen Kritikpunkten wird immer verschwiegen, daß es auf den genannten Inseln mit der angeblich so freien Einstellung der Menschen zum Sex der Kinder untereinander die höchste Sebstmordrate auf der ganzen Welt gibt. Es ist zwar nicht gesagt, daß das an dem freien Sexualverhalten der Einwohner im Kindesalter liegt, doch scheint das auch nicht viel zu helfen, daß die Menschen dort besser mit den Problemen fertig werden, die die Menschen andernorts in den Selbstmord treiben. Merkwürdig ist dort auch die strenge ETIKETTE, man hat den Eindruck, die Leute hätten etwas zu kompensieren, sobald sie älter werden. Weitere Einzelheiten zu dem Verhalten der Trobrianderkinder siehe unter AGGRESSION, DON JUAN und vor allem ANTHROPOLOGIE.
Auf alle Fälle steht jegliche Promiskuität im Widerspruch zu einer wirklichen leibseelischen Gesundheit des Menschen und damit auch zu seiner innerlichen Harmonie.
Denn Promiskuität bedeutet eben nicht, daß der Mensch damit in Einklang mit seiner Natur lebt. Und nichts anderes besagt auch das christliche Gebot von der Heiligkeit der EHE (siehe ZEHN GEBOTE). Nach christlicher Vorstellung ist bereits jeder Wechsel des Geschlechtspartners promiskuitiv, wenn wir einmal von demjenigen bei Verwitwung absehen. Daher muß auf jeden Fall auf andere Weise als durch Geschlechtsverkehr festgestellt werden, ob Partner zueinander passen. Im vorehelichen Verkehr (siehe EHE AUF PROBE und SEX VOR DER EHE) liegt von vornherein auch immer eine gewisse Offenheit zum Partnerwechsel (zum Probieren) vor. Eine bessere Vorbereitung auf die Sexualität in der Jugend ist gewiß das Erlebnis der Phase der ÄSTHETIK mit einer aktiven und bewußten ENTHALTSAMKEIT, werden dabei doch die Nachteile der Jugendpromiskuität vermieden, ohne dabei wieder in sexualfeindliche und damit verklemmte und verkrampfte Verhältnisse zurückzufallen. Siehe auch POLYGAMIE.
Nachtrag: In einer schwedischen Studie wird festgestellt, daß bei dem promiskuitiven Sexualverhalten einige wenige Partner besonders „aktiv“ sind - und daher vermutlich auch die Triebfedern des ganzen „Durcheinanders“ sind. Siehe DON JUAN.
Voila Aiwass7
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Citrus
12.09.2004, 12:55
@ Aiwass7
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Re: Argonauten des westlichen Pzifiks, Bronislaw Malinowski |
-->Im Mittelpunkt von Malinowskis auch literarisch faszinierender Schilderung steht das >>Kula<< der Ringtausch von teils nützlichen, vor allem aber magisch-rituell bedeutsamen Gütern, die in einem komplexem System von Gegenseitigkeits- und Freundlichkeitsökonokie zwischen den verschiedenen Inseln zirkulieren.
und ansonsten passiert das Wichtige wohl selten im Blickfeld der Aufmerksamkeit
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CRASH_GURU
12.09.2004, 13:47
@ Aiwass7
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Re: Die Einwohner der Insel Trobriand.... |
-->"...daß es auf den genannten Inseln mit der angeblich so freien Einstellung der Menschen zum Sex der Kinder untereinander die höchste Sebstmordrate auf der ganzen Welt gibt. Es ist zwar nicht gesagt, daß das an dem freien Sexualverhalten der Einwohner im Kindesalter liegt,..."
Richtig, es liegt vermutlich eher daran, daß sie es als Erwachsene ihre Sexualität unterdrücken müssen.
Die Kirche weiß schon warum:
Wenn Du sie dumm halten kannst, sagte der König zum Priester, kann ich dafür sorgen, daß sie arm bleiben...
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