Dr. Paul C. Martin
26.03.2000, 08:19 |
CRASH ALERT, London 1720Thread gesperrt |
Liebe Freunde der"new economy" und der darin ewig steigenden Kurse,
im Zusammenhang mit dem derzeitigen Geschehen an den Aktienmärkten ist immer wieder das Wort"Bubble" zu hören (bubble = dt."Blase"). Das Wort erschien zum ersten Mal im Zusammenhang mit der Mega-Spekulation, die 1720 in England aus- und zusammenbrach. Jürgen Küßner hat zwar dankenswerterweise dazu eine Kurskurve der South Sea Company in die Seite CRASH ALERT gestellt, aber von der Entwicklung der einzelnen Kurse ist wenig bekannt. Ich habe die einzelnen Werte in zwei Dokumenten gefunden (Quellenangabe unten), die ich dem"Bubble"- und BLOW-OFF-Interessierten nicht vorenthalten möchte.
Vielleicht kennt die Einzelheiten selbst ein sonst so kundiger und detailversessener Meister wie mein alter Freund Alan Greenspan (den ich schon in den 60er Jahren bei Ayn Rand getroffen habe und der immer wieder vor dem"Bubble" warnt) auch noch nicht.
Amüsant ist auch die Tatsache, dass sich bereits ein Broker unter den damaligen Bubble-Werten befand, ein Wertpapierhandelshaus namens Westley, das seinen Kurs in der damaligen Manie so rund verfünfzehnfachen konnte.
Der damalige Rekordhalter scheint wohl English Copper gewesen zu sein, bei dem es mehr als 100faches Geld gab - für die kurze Frist, in der der 1720er Bubble ablief (ca. zwei Jahre) auch schon beachtlich ist.
Viel Vergnügen beim Staunen!
Schöne Grüsse
Dr. Paul C. Martin
The South Sea Bubble
(Kurse in Pfund, wenn nicht anders angegeben)
Kurse: 1 Pfd. = 20 Schillinge (sh.), 1 sh. = 12 Pence
Name der Company Emittiert zu ATH
South Sea (allg.) 100 1050
Weitere Soth-Sea-Emissionen:
1. Subskription 120 750
2. 80 600
3. 100 440
4. 200 245
Bank 100 260
Royal African 23 200
East India 100 445
Million Bank 100 440
Orkney Islands 25 250
National Permits 500 Optionen 60.000
Royal Fishery 10 25
Whale Fishery 10 sh. 3 Pfd. 20 sh
Holy Island Salt 5 15
River Douglas 5 70
Liverpool Fresh Water 10 20
Puckles Machine 4 8
York Buildings 9 305
Lustring 5 1/8 pence 120
Bahama Islands 3 40
English Copper 1 105
Welsh Copper 4 1/8 95
Building Ships to
let to freight 1 15
Trade to Harborough 15 120
Fish Pool 160 (im Graumarkt) nicht
emittiert
Lending Money
on Bottomry 2 sh. 6 pence 3 Pfd.
Hamp & Flex 2 sh 6 pence 1 Pfd 20 sh
Improvement of Land 5 20
Grand Fishery 10 sh. 5 Pfd.
Temple Mills 10 250
General Insurance
from Fire 2 sh. 6 pence 8 Pfd.
Westleys Actions
for buying and selling
of stocks 7 Pfd. 10 sh. 100 Pfd.
Welby's Golden Mines 10 sh. 16 Pfd.
Long's Melioration of Oil 5 60
British Insurance 2 sh. 6 pence 3 Pfd.
Globe Permits No Money advanced,
sold at 50 Pfd.
Salt Petre 20 sh. 6 pence 1 Pfd. 10 sh
Rose Insurance 10 sh 4 Pfd.
Water Engine 4 50
Coal Trade from
Newcastle 4 sh. 1 Pfd. 1 sh.
Stockings 2 Pfd. 10 sh. 30 Ofd.
Irish Sail Cloth 5 sh. 1 Pfd.
Furnishing of Funerals 2 Pfd.10 sh. 15 Pfd.
Insursance of Lives 2 sh. 6 pence 1 Pfd.
Royal Assurance 5 sh (subscribed)
Call 5 Pfd. 250 Pfd.
London Assurance 5 sh (Subscibed)
Call 4 Pfd 15 sh. 175 Pfd.
Manuring of Land 2 sh. 6 pence
(subscribed) 1 Pfd 20 sh.
Rock Salt 1 Pfd. 5 sh.
(subscribed) 15 Pfd.
Exporting Timber
from Germany 10 sh. 1 Pfd.
Bleaching of Hair 5 sh. (subscr.) 1 Pfd 10 sh.
Insurance on Horses 2 sh. 6 pence 15 sh.
Sugar 5 sh. 1 Pfd.
Radish Oil 21 25
Pennsylvania Co. 5 Pfd. 5 sh. 40 Pfd.
Buying Seamans Tickets 2 sh. 6 pence 1 Pfd.
Pastboard Manufactory 2 sh. 6 pence 1 Pfd. 20 sh.
Drying Malt by the Air 2 sh. 6 pence 1 Pfd.
Quelle: The Bubblers or Englands Folley (2 Broadsheets), ca. 1723, und: An Historical and Chronological Deduction of the Origin of Commerce (...), Vol. II., London 1764, 292 f.
Startschuss für den Bubble war ein Gesetz vom 24. Juni 1718, das die freie Errichtung von Aktiengesellschaften erlaubte, die in der Folgezeit in Massen gegründet wurden, angefangen mit Versicherungsgesellschaften, wobei viele der Projekte schon von Zeitgenossen"nonsensical and absurd" genannt wurden.
1720 begann dann, was die Literatur"a frantic traffic" nennt, und weiter:
"...and whilst they (die Kurse) daily advanced in price, everyone was a Gainer, whereby the lower Class of People (heute: Kleinanleger) fell into Luxury and Prodigality, als well as their betters."
In einer Anzeige wurde sogar um Geld geworben"to a certain promising or profitable Design, which will hereafter promulgated". Das war eine klassische Blind-Pool-Emission, die doch stark an heutige Internet-Aktivitäten erinnert. Siehe dazu auch die Gedanken zum Internet von Andre, denen ich noch hinzufügen möchte, dass wir durch das Internet eine deflationäre Implosion des Gesamtsystems erleben werden.
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Andre
26.03.2000, 16:34
@ Dr. Paul C. Martin
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Re: CRASH ALERT, London 1720 |
Sehr geehrter Herr Martin,
die"South Sea Bubble" ist wirklich ein abendfüllendes Thema,weil recht komplex. Bemerkenswert finde ich die Verstrickung ganzer Gesellschaftsschichten einschließlich der englischen Regierung! Anleger tauschten UK gov. bonds in Aktien der South Sea Company. Der Gipfel: Die Company bot der Regierung an, die gesamte Staatsschuld zu übernehmen... und die willigte ein, eigentlich kaum zu glauben. Als Sicherheit für die Zinszahlungen standen einige Unternehmen der S.Sea Company zur Verfügung, z.B ein Walflossenhändler..
Am Ende waren 91% der börsennotierten Unternehmen verschwunden, d.h. sie wurde nicht mehr gelistet. Der darauffolgende bearmarket dauerte 64 Jahre (bis 1784), die UK Industrieproduktion wuchs in 2 Jahrzehnten nach dem Crash um < 0,5%.
Gruß Andre
(auch an den A.S. Verlag)
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Dr. Paul C. Martin
26.03.2000, 17:34
@ Andre
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Re: CRASH ALERT, London 1720 |
Verehrter Andre -
besten Dank für Ihre Hinweise. Alles absolut korrekt. Mit dem Tausch von Bonds (alias"Rentes") in Aktien arbeitete bekanntlich auch der Meister Law zeitgleich in Paris. Der Umtausch von Staatsschulden in das Kapital einer dann privilegierten Gesellschaft diente auch als Modell bei der ältesten Aktienbank (San Giorgio) in Genua (14. Jh.) und bei der Bank of England (Ende 17. Jh.).
Ich wollte nur die sensationellen Kursentwicklungen beim South-Sea-Blow-off vorstellen, weil die Quellen dafür recht schwer zu finden sind. Meine Bibliothek zum Thema"Company Trading to the South Seas" umfasst dutzende von Bänden. Ich kann auch sonst gern mit historischem Zeugs behilflich sein. Zur"South Sea" gibt es übrigens eine Karte von 1720, die zeigt, dass es im Grunde nicht um die - damals noch unbekannte - Südsee gegangen ist, sondern nur um den südlichsten Teil Südamerikas (Valdivia, Falkland-Inseln usw. - wie bei Law um Louisiana ("mit Bergen aus Smaragd..."). Es ist halt immer die gleiche Melodei: Absurde Gewinnerwartungen.
Nichts für ungut und noch einen schönen Sonntag.
PCM
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