MI
26.09.2006, 21:22 |
"Deutschland gehört immer noch zu den reichsten Ländern der Welt"Thread gesperrt |
-->Hallo,
diesen Satz lese ich immer wieder gerne. Damit läßt sich ja wirklich alles begründen und jede Initiative im Keim ersticken (Wir erinnern uns an die gute Kinderstube:"Die Kinder in Afrika..."). Vor allem eine Frage tut sich mir auf: Wer ist Deutschland? Dieses ach so reiche Deutschland? Kann mir das mal jemand sagen oder zeigen? Die verdächtige Personengruppen etwas einkreisen? Sind es
- die 4-5 Millionen Arbeitslosen und ALGII-Empfänger?
- der Rest der Dunkelziffer der Arbeitslosen?
- die Kinder, von denen jedes siebte (oder war es nicht mittlerweile jedes fünfte?) unter der Armutsgrenze lebt?
- die vielen, kleinen Angestellten im öffentlichen Dienst?
- die vielen kleinen Arbeiter in den Unternehmen?
- die Alleinerziehenden?
- die kinderreichen Familien?
- die Rentnerin, die sich mit Putzem die Rente aufbessert?
- der Rentner, der sich mit Taxifahren die Rente aufbessert?
- die Studenten, die genug Geld für Studiengebühren haben?
- die Schüler, immer auf dem letzten Stand der Technik?
Oder sind es vielleicht
- die verschuldeten Immobilien"besitzer"?
- die Leasingkäufer von Autos, Kühlschränken, Urlaubsreisen etc.?
- die auf-Pump-Spekulanten?
- die Weihnachts- und Urlaubsgeldverzichter?
- der LIDL- und ALDI-Kundenstamm?
Und wo macht sich der Reichtum der Deutschen bemerkbar? Sind es
- die Straßen, auf denen die Autos wachsweich dahingleiten?
- die Schulen und Universitäten: nur das beste für unsere Kinder?
- die Vereine, die Kleingartensiedlungen, die luxeriösen Volkshochschulen?
- die Busse und Bahnen? Eines der modernsten Verkehrssysteme der Welt?
- die beruhigenden finanziellen Rücklagen des Staates, der Kommunen und Gemeinden?
- die großzügige Steuerpolitik?
- der Rechtsschutz für den kleinen Bürger?
- die großzügigen Zulagen der Arbeitgeber?
Ich weiß nicht, wo sind sie, die reichen Deutschen? Wo ist dieses"reiche Deutschland? Es ist nicht so, daß ich nie reiche Deutsche sehen würde. Und wenn sie reich sind, dann richtig. Ansonsten sehe ich nicht viele reiche Deutsche. Liegt sicher auch an der Bundeshauptstadt. Aber in anderen Städten ist es auch nicht viel besser bzw. nur lokal besser.
Aber vielleicht zählen arme Menschen gar nicht zu Deutschland? Sind die vielleicht gar nicht Deutschland? Kann ja sein. Dann ist Deutschland natürlich"ein reiches Land", reich an Armut.
MI
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Baldur der Ketzer
26.09.2006, 21:50
@ MI
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Re: vollste Zustimmung - Danke, MI! Deutschland ist sogar Papst |
-->Hallo, MI,
tja, gelle, die Statistik......demnach ist ein Kranker, statistisch gesehen, vermutlich gar nicht krank, ein ausweglos Verschuldeter hat doch durchschnittliche Ersparnisse, eine kinderlose Frau hat 1,x Kinder, und auch der türkische Gemüsehändler oder der jüdische Herr Friedmann ist Papst!
Herrlich, das......
Die Vergleiche mit Elendsregionen habe ich schon immer als deplatziert und unhaltbar empfunden, aber sie kommen immer dann, wenn es keine stichhaltigen Argumente in einer Diskussion gibt, oder jemand was haben will....
Beste Grüße vom Baldur
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BillyGoatGruff
26.09.2006, 21:59
@ MI
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Es gibt auch noch deutsche Wertarbeit |
-->Hi M1,
dies vielleicht nicht unbedingt von Mercedes oder BMW, aber z.B. von Dornier Webmaschinen, welche langsam Sulzer-Rüti (Schweiz) verdrängen...
Habe soeben die Weberei im Toggenburg (Schweiz) besuchen können, welche die Hi-Tech-Gewebe für Rennboote wie die 'Alinghi' oder Heissluft-Ballone herstellt.
Dort werden die Sulzer-Rüti durch 3x schnellere und ebenso zuverlässige Dornier ersetzt. Den Betonboden erschütternd laufen diese Webmaschinen Tag und Nacht im Dauerbetrieb. Die erste schaffte es 18 Monate ohne Defekt, dann Teil auswechseln innert 2 Stunden und weiter... Den Kämmen der Sulzer-Rüti kann man mit den Augen noch folgen, bei Dornier nur noch Mattscheibe.
Die Welt-schnellste Webmaschine sei ein japanischen Fabrikat mit 1800 Schüssen pro Minute (Dornier 900), aber bei der zerbreche das Getriebe in kurzer Zeit...
Gruss,
BGG
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niko
26.09.2006, 22:47
@ MI
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Re:"Reichtum" |
-->Hallo Michael,
ich kann das, was du sagen wolltest, nachvollziehen. Im Bezug auf das angesprochene Thema, sehe ich das auch so. In Deutschland sind zumindest die Grundbedürfnisse gesichert. Und keiner soll in Deutschland verhungern (unabhängig davon, ob er ein Job hat oder nicht), was auf die meisten Länder dieser Erde nicht zutrifft. Ich betrachte es als eine beachtliche Leistung für Deutschland, politisch, sozial und menschlich gesehen.
Außerdem, was ist schon"Reichtum". Alles ist relativ... Und hängt von persönlichen Werten ab.
Reicher ist, wer wenig braucht; am reichsten ist, wer viel gibt, was auch immer (und wenn es „nur“ Dankbarkeit, Freude und Liebe sei).
Und das weißt du ganz genau. Und hin und wieder daran erinnert zu werden, schadet auch nicht... ;)
In diesem Sinne, alles wird gut. Ich bin fest davon überzeugt.
Lieben Gruß, Nikolai
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oekognom
27.09.2006, 02:11
@ MI
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Re:"Deutschland gehört immer noch zu den reichsten Ländern der Welt" |
-->Ich halte ein Land, in dem die fast alle"Armen"
Farbfernseher,
Waschmaschinen,
Mobiltelefone,
Krankenversicherungen,
und viele auch Autos, Stereoanlagen, Videorekorder, DVD-Spieler und PCs besitzen,
die in Wohnungen hausen,
die mehr Zimmer als Bewohner haben,
zentralbeheizt und gegen Kälte isoliert sind,
mit fließend Warmwasser,
eigenem Badezimmer
und selbstverständlich elektrischem Strom,
die genug Geld haben,
sich soviel Essen zu kaufen, daß manche vor Fett kaum noch laufen können,
zu rauchen, bis das Bein abfällt,
zu saufen, bis die Leber streikt,
ein Land, in dem die Läden stehts gut gefüllt sind und man selten vor leeren Regalen steht,
in dem man die Zahl der Arbeitslosen"skandalös" findet, obwohl diese doch an fast allen Wohltaten teilhaben können,
in dem gleichzeitig niemand nach der Zahl der Cholera- oder Hungertoten fragt, einfach weil erstere gar nicht vorkommen und letztere so selten sind wie vom Blitz erschlagene,
und von dessen Wohlstand Millionen Menschen in Afrika, Asien und Osteuropa sehnsüchtig träumen,
für eines der reichsten Länder der Welt.
>- die 4-5 Millionen Arbeitslosen und ALGII-Empfänger?
haben meist mehr als ein polnischer Facharbeiter
>- der Rest der Dunkelziffer der Arbeitslosen?
sind meist Hausfrauen, die nur arbeiten würden, wenns dafür genug Scheinchen gibt
>- die Kinder, von denen jedes siebte (oder war es nicht mittlerweile jedes fünfte?) unter der Armutsgrenze lebt?
die Sozialschwachen schnackseln halt gerne, weil das Sozialamt die Alimente vorschießt und eine Alleinerziehende ohne Schulabschluß und mit drei Kindern vom Arbeitsamt nicht mehr belästigt wird
>- die vielen, kleinen Angestellten im öffentlichen Dienst?
>- die vielen kleinen Arbeiter in den Unternehmen?
Deutschland, Land der Zwerge. Die meisten Subalternen aus öff. Verwaltung und Industrie, die ich kenne, fahren ein Auto mit Klimaanlage und fliegen einmal jährlich in den Süden. Zumindest scheint noch nicht das ganz große Elend ausgebrochen zu sein.
>- die Alleinerziehenden?
Haben sich meist nur deshalb getrennt, weil ihr Partner sie gelangweilt hat
>- die kinderreichen Familien?
haben sich meist bewußt gegen Verhütungsmittel entschieden
>- die Rentnerin, die sich mit Putzem die Rente aufbessert?
>- der Rentner, der sich mit Taxifahren die Rente aufbessert?
sie"bessern auf". Um sich die kleinen Dinge zu leisten, die das Leben angenehm machen. Ich kenne aber keinen, der sich das Geld für die Medikamentenzuzahlung erarbeiten muß
>- die Studenten, die genug Geld für Studiengebühren haben?
300€ Semestergebühren waren auch davor normal. Und für die ganz armen Schlucker gibt es immer noch Bafög.
>- die verschuldeten Immobilien"besitzer"?
die Nachkriegsbauten in den Vertriebenensiedlungen, wo alle Straßen nach der alten Heimat heißen (Breslauer Ring, Stettiner Weg,...), dürften fast alle abbezahlt und zum Teil auch schon wieder vererbt sein. Und die Neubaugebiete mit ihren Kleinstparzellen und Verkehrberuhigungsmaßnahmen schauen auch nicht aus wie New Orleans letzten Sommer. Kann ja sein, daß die zum Großteil der Kreissparkasse gehören, aber hat man in den goldenen 70ern mit mehr Eigenkapital gebaut? Oder tut man dies heute in anderen reichen Ländern - außer vielleicht in Dubai?
>- die Leasingkäufer von Autos, Kühlschränken, Urlaubsreisen etc.?
Um kreditwürdig zu sein, muß man meist über ein gewisses Einkommen verfügen.
>- der LIDL- und ALDI-Kundenstamm?
Im hiesigen REAL wurden schon mehrfach Spieler des nächstgelegenen Fußball-Bundesligisten gesichtet. Ist das ein Zeichen für das Elend der Fußballer oder eher dafür, daß der Deutsche an und für sich gerne beim günstigen Discounter einkauft?
>Und wo macht sich der Reichtum der Deutschen bemerkbar? Sind es
>- die Straßen, auf denen die Autos wachsweich dahingleiten?
>- die Schulen und Universitäten: nur das beste für unsere Kinder?
>- die Vereine, die Kleingartensiedlungen, die luxeriösen Volkshochschulen?
>- die Busse und Bahnen? Eines der modernsten Verkehrssysteme der Welt?
>- die beruhigenden finanziellen Rücklagen des Staates, der Kommunen und Gemeinden?
>- die großzügige Steuerpolitik?
>- der Rechtsschutz für den kleinen Bürger?
>- die großzügigen Zulagen der Arbeitgeber?
Nein, nein. Der Reichtum manifestiert sich in Menschen, die sich beklagen, ohne bereit zu sein, selbst etwas zu verändern.
HartzIVlern, die den ganzen Tag Talkshows gucken.
Rentnern, die sich über ausbleibende Rentenerhöhungen beklagen, obwohl schon vor fast fünfzig Jahren klar war, daß das System irgendwann kippt.
Wählern, die sogar Politiker, von denen sie jahrelang betrogen wurden, direkt in ihrem Wahlkreis wählen:
Als Adenauer 57 seinen Rentenzauber entfachte, kassierte er dafür eine absolute Mehrheit.
Als Erhard"Maßhalten" predigte, wurde er dafür von der CDU abserviert. Hat sich der Wähler dafür gerächt und die Union bei der nächsten Wahl auf 10% geschickt? Nein!
"Willi" spendierte für alle ne Lokalrunde (Bafäg, Wohngeld, tralala...) und erntete dafür Applaus von"Intellektuellen" und gewöhnlichem Stimmvieh.
Kohl ließ Blüm die Rente sichern, und obwohl das damals schon niemand ernst nahm, ist doch niemand eingeschritten.
Dieses Land hat leider die Politiker, die es verdient. Und Bewohner, die es für so reich halten, daß sie sogar glauben, sich dies leisten zu können.
Gabriel kassiert Schmiergeld von halbstaatlichen Konzernen, ehemalige Minister (Müller)und Staatssekretäre (Tacke) wechseln zu Stromkonzernen mit Territorialmonopol, Schröder kassiert für seine Pipelineentscheidung. Münte gibt offen zu, im Wahlkampf zu lügen. Und zwische 16 und 18 %-Mehrwertsteuer liegt 19. Wie reagieren die Wähler? Sie bleiben zuhause, statt ihre einzige Chance zu nutzen, etwas zu ändern. Warum haben die"Sonstigen" in Berlin nur 13% geholt? Ist das Fernsehprogramm am Sonntag so interessant, daß fast die Hälte der Wahlberechtigten nicht an der Urne erscheint? Unter Kaufleuten heißt Schweigen Zustimmung; und offenbar ist ein großer Teil der Bevölkerung mit den Zuständen nicht so unzufrieden, daß man etwas ändern müßte.
>Aber vielleicht zählen arme Menschen gar nicht zu Deutschland? Sind die vielleicht gar nicht Deutschland? Kann ja sein. Dann ist Deutschland natürlich"ein reiches Land", reich an Armut.
Bald ist es vielleicht arm an Reichtum. Warum? Zu wenig Arbeit. Arbeit ist nicht etwas, was man hat, sondern was man tut. Nur leider will das hier kaum jemand begreifen.
Möglicherweise haben die"armen" Deutschen in zwanzig Jahren nicht mehr
Farbfernseher,
Waschmaschinen,
Mobiltelefone,
Krankenversicherungen,
...
Und möglicherweise haben dann nicht einmal mehr die"reichen" Deutschen alle diese schönen Dinge. Aber"schuld" daran werden sie selbst sein.
Um als Armer reich zu werden, braucht es Fleiß, Können oder Glück.
Um als Reicher wieder arm zu werden - wirklich arm, nicht"HartzIV-arm" - braucht es Faulheit und Unfähigkeit. Davon ist leider einiges Vorhanden.
oekognom
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Inge
27.09.2006, 08:28
@ MI
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Re:"Deutschland gehört immer noch zu den reichsten Ländern der Welt" |
-->>Hallo,
>diesen Satz lese ich immer wieder gerne. Damit läßt sich ja wirklich alles begründen und jede Initiative im Keim ersticken (Wir erinnern uns an die gute Kinderstube:"Die Kinder in Afrika..."). Vor allem eine Frage tut sich mir auf: Wer ist Deutschland? Dieses ach so reiche Deutschland? Kann mir das mal jemand sagen oder zeigen? Die verdächtige Personengruppen etwas einkreisen?
Ich finde die auch nicht.
Das mein ich jetzt buchstäblich:
ich finde arme Rentnerinnen, die Selbstmord begehen, der nie entdeckt wird.
Sie konnten die Miete nicht mehr zahlen - und wollten nicht zum Sozialamt -
um ihren Kindern nicht zur Last zu fallen.
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MI
27.09.2006, 09:26
@ oekognom
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Re: Fleiß |
-->Hallo,
eine gute Gegendarstellung. Der Spruch über das"reiche Deutschland" hängt mir trotzdem zum Halse heraus, und deswegen mußte ich da was loswerden.
Ich möchte zeitbedingt auf wenigstens diese eine Sache eingehen: ich bin selber ein Anhänger der"Fleißtheorie", will sagen: wer was will, soll was tun, und dann findet er/sie auch das Glück. Allerdings: das muß kein finanzielles Glück sein, an diesen Automatismus glaube ich nicht mehr.
In der Arbeit an sich, wenn es denn die richtige ist, läßt sich alles Glück und aller Reichtum finden, den es für Geld ansonsten nicht zu kaufen gibt (Niko weist ja zurecht darauf hin, daß"Reichtum" nicht gleich"Reichtum" ist). Aber mal rein von der Geldseite betrachtet, zeigt sich, daß Fleiß in gewisser Weise auch was für"Dumme" ist, wenn es zu blindem Fleiß wird. Und wie rar sind denn die Arbeitsplätze, in denen ein Mensch wirklich Glück und Erfüllung erfahren kann? Geht es nicht doch nur um"Proft, Profit, Profit"? Wie soll einer da Glück erfahren?
Zum Thema Fleiß und Einkommen:
Wir leben in einem großen Monopoly-Spiel, von Harald Wozniewski
Die Zeiten, in denen die Allgemeinheit mit ihrer Hände Arbeit noch nennenswert Geld verdienen konnten, neigen sich dem Ende."Richtiges Geld" wird - in Deutschland (nach dem"Neuanfang" nach dem Zweiten Weltkrieg) wie in anderen Ländern - schon seit Jahrzehnten nicht mehr mit Arbeit, sondern mit Kapital"gemacht". Wie unbedeutend Einkommen aus Arbeit (rot) im Vergleich zu Einkommen aus Kapital (blau) sind und wie ungleich die Einkommen und damit das Kapital verteilt sind, zeigt folgendes Diagramm:
Es ist wie in dem berühmten Spiel Monopoly: Die Einkünfte, die die Spieler erzielen, sind Einkünfte nicht aus Arbeit, sondern aus Kapital ("Miete!"). Zu Beginn des Spiels hat jeder noch die gleiche Chance, gewinnbringendes Kapital zu erwerben. Jeder versucht natürlich die besten Stücke (Parkstraße, Schloßallee usw.) zu ergattern. Sind die einmal vergeben, geht es für den Einen ans Kassieren und für die Anderen ans Zahlen. Wer viel Kapital angesammelt hat, gewinnt ständig Geld dazu, mit dem er immer mehr Kapital anhäufen kann und wird. Die anderen Spieler verlieren nach und nach ihr Kapital, das der Reiche aufgekauft. Die weitere Folge ist, dass den anderen Spielern auch das Geld aus geht.
hier alles: http://www.dr-wo.de/schriften/monopoly/monopoly.htm
(auch wenn Dr. W. den Debitismus offenbar nicht integriert hat, ist es doch eine zutreffende Analyse der Situation)
-
Mir ist klar, daß das massiv angewachsene Ungleichgewicht zwischen dem Einkommen aus Arbeit (also eigenem Fleiß) und dem Einkommen aus Kapitalvermögen (das ist - letztlich - der Fleiß anderer) in gewisser Weise auch abgedroschen ist. Man hat sich daran gewöhnt.
Es nutzt nur aber nichts, sich damit abzufinden, und Fleiß allein wird daran auch nichts ändern. Das Ungleichgewicht wird immer weiter zunehmen, und der größte Fleiß der Welt kann das nicht aufhalten. Man kann dagegen nicht anarbeiten.
Das ist dennoch für mich kein Grund, nicht fleißig zu sein. Ich bin froh, daß ich die Gelegenheit habe, fleißig sein zu können, das verschafft mir ein gutes Lebensgefühl. Vielleicht ist das der wahre Reichtum. Andererseits hätte ich auch nichts dagegen, wenn sich Fleiß und gute Arbeit auch in einer finanziellen Perspektive ausdrücken würde (jetzt aber bitte nicht die Tellerwäschergeschichte).
Ich bin zwar in deinem Sinne"reich", weil ich all das"habe" (fließendes Warmwasser, Haushaltsgeräte usw.). Andererseits habe ich das Gefühl, daß sich da etwas zuschnürt, weil es von Jahr zu Jahr enger wird.
Grüße,
MI
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oekognom
27.09.2006, 17:59
@ MI
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Die fetten Jahre sind vorbei... Schulden & Chinesen |
-->...
Und wie rar sind denn die Arbeitsplätze, in denen ein Mensch wirklich Glück und Erfüllung erfahren kann? Geht es nicht doch nur um"Proft, Profit, Profit"? Wie soll einer da Glück erfahren?
Ein Arbeitsvertrag besagt, daß jemand seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt und jemand anderes ihm im Gegenzug Geld zahlt. Da man in diesem Forum für"Tausch" die Ohren langgezogen bekommt, wollen wir von einem gegenteiligen Schuldverhältnis sprechen:
Arbeiter schuldet Arbeitgeber Arbeitskraft/-zeit
AG schuldet Arbeiter Geld
Wie der Arbeiter das Geld und der AG die Arbeitskraft dann wieder in"Glück und Erfüllung" umwandeln, haben beide selbst zu verantworten. Sind schließlich beides erwachsene Menschen. Oder hat man schon von Wirtschaftskapitänen gehört, die ihren Beschäftigten vorjammerten, diesen ginge es nur immer um"Lohn, Lohn, Lohn", und überhaupt sollten sie mehr Rücksicht auf"Glück und Erfüllung" der Aktionäre nehmen, die ihr sauer Erspartes in Unternehmensanteile investiert hätten, um damit in ein paar Jahren ihre karge Rente aufzubessern?
>Wir leben in einem großen Monopoly-Spiel, von Harald Wozniewski
>Die Zeiten, in denen die Allgemeinheit mit ihrer Hände Arbeit noch nennenswert Geld verdienen konnten, neigen sich dem Ende."Richtiges Geld" wird - in Deutschland (nach dem"Neuanfang" nach dem Zweiten Weltkrieg) wie in anderen Ländern - schon seit Jahrzehnten nicht mehr mit Arbeit, sondern mit Kapital"gemacht".
Die"Kapitalisten" können sich heutzutage aussuchen, welchen der vielen Milliarden Bewerbern sie ihr Kapital in Form von Maschinen, Fabrikhallen, LKWs usw. zur Verfügung stellen. Die Zeiten, in denen sie sich von den heimischen Gewerkschaften erpressen lassen konnten, sind vorbei. Naturgemäß kommen damit die Löhne bei den verwöhnten Arbeitern in den alten Industrieländern unter druck; besonders bei denen, deren Arbeitsqualität nicht größer ist als die der vielen ungelernten Arbeiter in China oder Indien. Schrauben reindrehen ist nun mal keine Wissenschaft, und bei zunehmendem Welthandel läßt sich nicht mehr rechtfertigen, warum dies in Europa 15mal so teuer sein muß. Die Kunden haben sich zumindest entschieden, daß ihnen die europäischen Arbeiter nicht soviel mehr Wert sind, wie sie teurer sind. Das Ergebnis sind der Tot der Textil- und Elektroindustrie in Westeuropa, Werksschließungen bei Continental oder auch ein Porsche, der zum Großteil in der Slowakei entsteht.
Gewinner sind dagegen die vielen Menschen in Asien, die jetzt Arbeiter, Facharbeiter, Vorarbeiter, Meister, Schichtleiter oder Lohnbuchhalter in irgendeiner Sonderwirtschaftzone werden können, statt mißmutig hinter einem Wasserbüffel durchs Reisfeld zu waten.
>Es ist wie in dem berühmten Spiel Monopoly: Die Einkünfte, die die Spieler erzielen, sind Einkünfte nicht aus Arbeit, sondern aus Kapital ("Miete!"). Zu Beginn des Spiels hat jeder noch die gleiche Chance, gewinnbringendes Kapital zu erwerben. Jeder versucht natürlich die besten Stücke (Parkstraße, Schloßallee usw.) zu ergattern. Sind die einmal vergeben, geht es für den Einen ans Kassieren und für die Anderen ans Zahlen. Wer viel Kapital angesammelt hat, gewinnt ständig Geld dazu, mit dem er immer mehr Kapital anhäufen kann und wird. Die anderen Spieler verlieren nach und nach ihr Kapital, das der Reiche aufgekauft. Die weitere Folge ist, dass den anderen Spielern auch das Geld aus geht.
Als Rockefeller Standard Oil aufbaute, waren die"Parkstraßen" der Eisenbahn und Stahlindustrie bereits vergeben. Und als Bill Gates mit Microsoft aufstieg, waren die Filetstücke der US-Industrie wie GM, Ford und General Electric auch schon in der Hand anderer Spieler. Die Weltwirtschaft ist nun einmal kein fest abgestecktes Spielbrett, sondern verändert sich ständig.
>Mir ist klar, daß das massiv angewachsene Ungleichgewicht zwischen dem Einkommen aus Arbeit (also eigenem Fleiß) und dem Einkommen aus Kapitalvermögen (das ist - letztlich - der Fleiß anderer) in gewisser Weise auch abgedroschen ist. Man hat sich daran gewöhnt.
>Es nutzt nur aber nichts, sich damit abzufinden, und Fleiß allein wird daran auch nichts ändern. Das Ungleichgewicht wird immer weiter zunehmen, und der größte Fleiß der Welt kann das nicht aufhalten. Man kann dagegen nicht anarbeiten.
Doch. Man kann selbst Kapitalist werden. Oder wie ist sonst der Aufstieg Japans, Singapurs, Taiwans oder jetzt von Teilen Chinas sonst zu erklären?
>Das ist dennoch für mich kein Grund, nicht fleißig zu sein. Ich bin froh, daß ich die Gelegenheit habe, fleißig sein zu können, das verschafft mir ein gutes Lebensgefühl. Vielleicht ist das der wahre Reichtum. Andererseits hätte ich auch nichts dagegen, wenn sich Fleiß und gute Arbeit auch in einer finanziellen Perspektive ausdrücken würde (jetzt aber bitte nicht die Tellerwäschergeschichte).
>Ich bin zwar in deinem Sinne"reich", weil ich all das"habe" (fließendes Warmwasser, Haushaltsgeräte usw.). Andererseits habe ich das Gefühl, daß sich da etwas zuschnürt, weil es von Jahr zu Jahr enger wird.
Auf meinem Nachttisch liegt gerade der neue Steingart,"Weltkrieg um Wohlstand", der hier von einigen anderen Postern auch schon angesprochen wurde und in Auszügen auch bei Spiegel-Online steht. Ich finde, daß dieses Buch - trotz kleinerer Schwächen - die Situation recht treffend beschreibt.
Früher konnten die westlichen Arbeiter fleißig Kapitalerträge schmarotzen, weil es zu ihnen keine Alternative gab. Entsprechend hoch waren Löhne und Sozialleistungen. Heute gibt es die junge, hungrige Konkurrenz aus Asien. Die auch bereit sind, für einen Bruchteil der westliche Löhne zu arbeiten, weil dies für sie immer noch eine Verbesserung darstellt. Und den Kapitalisten bleibt kaum eine Wahl, weil die Kunden gegenüber einem europäischem 55cm-Fernseher (in 35-Stunden-Woche gefertigt, mit gesetzlich geregelter Zahl der Duschen und Toileten, Mutterschaftsurlaub und strengen Umweltauflagen etc.) das gleichteure chinesische 80cm-Modell (ohne soziale Zusatzstoffe) bevorzugen.
Die fetten Jahre sind vorbei, jetzt kommen die Konkurrenz aus Fernost und die Schulden aus der Vergangenheit. Beides zusammen wird für die Europäer bedrohlich. Zumindest für diejenigen, die nicht mit Bildung von Human- und Realkapital vorgesorgt haben.
oekognom
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MI
27.09.2006, 19:00
@ oekognom
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Re: Antwort |
-->>..."Glück und Erfüllung" der Aktionäre nehmen, die ihr sauer Erspartes
Gilt das auch für"sauer Ererbtes"? Wird ja auch immer mehr...
>Die"Kapitalisten" können sich heutzutage aussuchen, welchen der vielen Milliarden Bewerbern sie ihr Kapital in Form von Maschinen, Fabrikhallen, LKWs usw. zur Verfügung stellen.
Klingt sehr monopolistisch, wo doch angeblich der Wettbewerb so wichtig ist.
>Die Zeiten, in denen sie sich von den heimischen Gewerkschaften erpressen lassen konnten, sind vorbei.
Dem Binnenmarkt hatten gesunde Gewerkschaften jedenfalls nicht geschadet.
>Naturgemäß kommen damit die Löhne bei den verwöhnten Arbeitern in den alten Industrieländern unter druck;
"Verwöhnte Arbeiter"? Ach so ja, die sollen endlich mal wieder 16h am Tag schuften und dann in ihren Löchern verschwinden.
>besonders bei denen, deren Arbeitsqualität nicht größer ist als die der vielen ungelernten Arbeiter in China oder Indien.
Kann ich nicht beurteilen."Made in China" ist für jedenfalls bislang noch nicht zu einem Qualitätsmerkmal geworden.
>Schrauben reindrehen ist nun mal keine Wissenschaft
Aber Plastikspielzeug herstellen ist eine, klar. Und abkupfern natürlich auch.
> und bei zunehmendem Welthandel läßt sich nicht mehr rechtfertigen, warum dies in Europa 15mal so teuer sein muß.
Warum muß dann jemand 10, 15, 20, 1000 mal mehr Geld in der Stunde verdienen, als ein anderer, obwohl beide für dieses"teure" Produkt stehen?
>Die Kunden haben sich zumindest entschieden, daß ihnen die europäischen Arbeiter nicht soviel mehr Wert sind, wie sie teurer sind.
Warum muß das nur die Arbeiter treffen? Die Vorstandsetage ist auch nicht gerade billig.
>Als Rockefeller Standard Oil aufbaute, waren die"Parkstraßen" der Eisenbahn und Stahlindustrie bereits vergeben. Und als Bill Gates mit Microsoft aufstieg, waren die Filetstücke der US-Industrie wie GM, Ford und General Electric auch schon in der Hand anderer Spieler. Die Weltwirtschaft ist nun einmal kein fest abgestecktes Spielbrett, sondern verändert sich ständig.
Ja, darauf habe ich nur geartet. Der alte Taschenspielertrick mit Rockefeller, Gates und dem Tellerwäscher. Gähn. Die"Weltwirtschaft" ist überhaupt keine. Es ist ein mieses, abgekartetes Spiel von ein paar wenigen Monopolisten, die die Regeln immer wieder neu zu ihren Gunsten bestimmen.
>Doch. Man kann selbst Kapitalist werden.
Das probieren viele. Und stehen schnell mit einem uneinlösbaren Schuldenberg da. Und das ist ja sowieso ganz einfach: Arbeiter geht zur Bank. Die gibt ihm 10€, davon kauft er Aktien, schon ist er ein Kapitalist.
>Oder wie ist sonst der Aufstieg Japans, Singapurs, Taiwans oder jetzt von Teilen Chinas sonst zu erklären?
Das ist richtig. Hat alles seine Zeit: aus reich wird arm, aus arm wird reich, das tröstet mich manchmal.
>Auf meinem Nachttisch liegt gerade der neue Steingart,"Weltkrieg um Wohlstand", der hier von einigen anderen Postern auch schon angesprochen wurde und in Auszügen auch bei Spiegel-Online steht. Ich finde, daß dieses Buch - trotz kleinerer Schwächen - die Situation recht treffend beschreibt.
Werde ich mir mal vorknöpfen.
>Früher konnten die westlichen Arbeiter fleißig Kapitalerträge schmarotzen
Ach ja stimmt, der Arbeiter war ja auch an der gigantischen Börsenhausse beteiligt, und überhaupt an allen Ausschüttungen, und hat dafür kaum was getan, alles Zecken und Parasiten.
>Heute gibt es die junge, hungrige Konkurrenz aus Asien. Die auch bereit sind, für einen Bruchteil der westliche Löhne zu arbeiten, weil dies für sie immer noch eine Verbesserung darstellt.
Hat ja auch nur einen Bruchteil der Lebenskosten.
>Und den Kapitalisten bleibt kaum eine Wahl, weil die Kunden gegenüber einem europäischem 55cm-Fernseher (in 35-Stunden-Woche gefertigt, mit gesetzlich geregelter Zahl der Duschen und Toileten, Mutterschaftsurlaub und strengen Umweltauflagen etc.) das gleichteure chinesische 80cm-Modell (ohne soziale Zusatzstoffe) bevorzugen.
Das stimmt.
>Die fetten Jahre sind vorbei
Ja, nur nicht für alle, ein paar wenige sind offenbar"gleicher".
MI
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oekognom
27.09.2006, 20:36
@ MI
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Pöhse Kapitalisten |
-->So, bevor ich gleich weg muß, hier noch ein paar Antworten, wo inhaltlich irgendwas zu sagen wäre.
>>Die"Kapitalisten" können sich heutzutage aussuchen, welchen der vielen Milliarden Bewerbern sie ihr Kapital in Form von Maschinen, Fabrikhallen, LKWs usw. zur Verfügung stellen.
>Klingt sehr monopolistisch, wo doch angeblich der Wettbewerb so wichtig ist.
Nö. Die Arbeiter können auch ruhig ein paar Kapitalisten vergraulen. Nur sollten sie nicht alle verscheuchen...
>>Die Zeiten, in denen sie sich von den heimischen Gewerkschaften erpressen lassen konnten, sind vorbei.
>Dem Binnenmarkt hatten gesunde Gewerkschaften jedenfalls nicht geschadet.
Da hatten die Gewerkschaften ja auch noch fast ein Monopol auf qualifizierte Arbeit. Kein Tarifvertrag, keine Arbeiter. Heute können die Gewerkschaften in guten Zeiten immer noch ein paar Prozente rausholen - mit dem Ergebnis, daß in der nächsten Konjunkturdelle umso mehr auf der Straße landen. Entweder durch Entlassungen oder durch Insolvenz.
>> und bei zunehmendem Welthandel läßt sich nicht mehr rechtfertigen, warum dies in Europa 15mal so teuer sein muß.
>Warum muß dann jemand 10, 15, 20, 1000 mal mehr Geld in der Stunde verdienen, als ein anderer, obwohl beide für dieses"teure" Produkt stehen?
??? Könntest Du nochmal näher erläutern, was Du damit meinst?
>>Die Kunden haben sich zumindest entschieden, daß ihnen die europäischen Arbeiter nicht soviel mehr Wert sind, wie sie teurer sind.
>Warum muß das nur die Arbeiter treffen? Die Vorstandsetage ist auch nicht gerade billig.
Kein schlechter Vorschlag. Kauf Dir eine Aktie und äußere ihn bei der nächsten Hauptversammlung.
Und überhaupt muß es niemanden treffen. Es kann auch Herrn Ackermann und Konsorten erwischen. Nur hält momentan offensichtlich ein Großteil der Deutsche-Bank-Aktionäre einen teuren Schweizer für preiswerter als einen billigen Chinesen. Noch!
>>Früher konnten die westlichen Arbeiter fleißig Kapitalerträge schmarotzen
>Ach ja stimmt, der Arbeiter war ja auch an der gigantischen Börsenhausse beteiligt, und überhaupt an allen Ausschüttungen, und hat dafür kaum was getan, alles Zecken und Parasiten.
Der durch fortschreitende Automatisierung (=Kapitaleinsatz) erzielte Produktivitätsanstieg diente früher oft als Basis für Lohnsteigerungen. Die Erträge aus zusätzlichem Kapitaleinsatz wurden somit zum Teil über höhere Löhne an die Arbeiter ausgeschüttet. D.h., die Arbeiter bekamen nicht deshalb mehr Geld, weil sie fleißiger wurden, sondern weil der Kapitalist sie an bessere Maschinen stellte. War doch sehr nett von den pöhsen Kapitalisten, gell? Oder hast Du eine andere Erklärung für Lohnerhöhungen?
Nur leider (für die hiesigen Arbeiter) läuft das Spiel heute nicht mehr so.
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MI
28.09.2006, 11:38
@ oekognom
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Re: Pöhse"Globalisierung" |
-->>Nö. Die Arbeiter können auch ruhig ein paar Kapitalisten vergraulen. Nur sollten sie nicht alle verscheuchen...
Stimmt. Ohne pöhse Kapitalisten geht es auch nicht.
>Da hatten die Gewerkschaften ja auch noch fast ein Monopol auf qualifizierte Arbeit. Kein Tarifvertrag, keine Arbeiter.
Ich finde das absolut korrekt. Mein Eindruck ist nämlich, wenn für einen vernünftigen Umgang mit Arbeitern keine Regeln aufgestellt werden, will sagen: wenn sich die unteren Einkommensgruppen nicht organisieren und wehren, dann wird an dieser Gruppe als allererstes gespart. btw: Wo wird eigentlich"oben" gespart? Da hat man immer nur das Gefühl, als wäre"the sky the limit". Wo sind da die Vorbilder? Müssen sich nicht wundern, wenn sie dann das Echo bekommen.
>Heute können die Gewerkschaften in guten Zeiten immer noch ein paar Prozente rausholen - mit dem Ergebnis, daß in der nächsten Konjunkturdelle umso mehr auf der Straße landen. Entweder durch Entlassungen oder durch Insolvenz.
Ich stimme zu, unter den ggb. Bedingungen. Man kann ein Unternehmen auch zu Tode gewerkschaften. Und das ist nicht Sinn der Sache. Ich bin aber trotzdem der Meinung, daß Unternehmen nicht unter überzogenen Tarifverträgen leiden, sondern an überzogenen Renditeerwartungen, überzogenen Vergütungserwartungen in den oberen Etagen und dem üblichen Kaufen-Verkaufen-Profit-damit-machen (s. Grohe, McKinsey...). Das verdirbt die Moral vollends.
>>Warum muß dann jemand 10, 15, 20, 1000 mal mehr Geld in der Stunde verdienen, als ein anderer, obwohl beide für dieses"teure" Produkt stehen?
>??? Könntest Du nochmal näher erläutern, was Du damit meinst?[/i]
Hier etwas Lesematerial dazu:
Die Stundenlöhne der 300 reichsten Deutschen
Die 300 reichsten Deutschen haben nach dieser Rechnung zusammen ein Netto-Jahreseinkommen von über 8 Mrd. Euro. Zum Vergleich: 1968, also noch zur Zeit des"Wirtschaftswunders" betrug die Geldmenge M1 in Deutschland etwas unter 48 Mrd. Euro (damals natürlich in DM). Daran kann man erahnen, wie stark von den Reichen Geld aus der breiten Volkswirtschaft gesogen wird. Denn ein Rückfluss findet nur spärlich statt. Niemand kann in einer Stunde so viel leisten, um auch nur den geringsten dieser Stundenlöhne zu"verdienen". Hier sind in Wahrheit Mechanismen wirksam, die mit eigener Leistung nichts zu tun haben und die zugleich zur Verarmung der breiten Bevölkerung führen
Alles: http://www.dr-wo.de/schriften/feudalismus/stundenlohn.htm
oder hier:
An die Unternehmer:
http://www.dr-wo.de/schriften/ee/andieunternehmer.htm
Oder auch
hier: http://www.kai-schott.de/blog/index.php?s=meudalismus
bzw. hier: http://www.kai-schott.de/wiki/Meudalist
Oder einfach mal nach"Moderner Feudalismus" googeln.
>>Warum muß das nur die Arbeiter treffen? Die Vorstandsetage ist auch nicht gerade billig.
>Kein schlechter Vorschlag. Kauf Dir eine Aktie und äußere ihn bei der nächsten Hauptversammlung.
Du meinst, das wäre ein guter Vorschlag und man würde darüber nachdenken?
>Und überhaupt muß es niemanden treffen. Es kann auch Herrn Ackermann und Konsorten erwischen. Nur hält momentan offensichtlich ein Großteil der Deutsche-Bank-Aktionäre einen teuren Schweizer für preiswerter als einen billigen Chinesen. Noch![/i]
Zu den Managergehältern ist diese Seite lesenswert:
http://www.kai-schott.de/blog/532
http://www.kai-schott.de/blog/608
Daraus:
"Fazit: Die gleichgeschalteten Massenmedien in Deutschland berichten gerne mal über die extrem hohen Vorstandsbezüge. Das ist für sich genommen schon schlimm genug. Sehr viel interessanter ist aber der Blick auf die Eigentümer der Konzerne. An Hand dieses kleinen Beitrags wird schon klar, dass es offenbar nur sehr wenige äußerst reiche Eigentümer gibt, die Meudalisten. Dieses Thema wird von den Massenmedien und der Politik (nahezu) vollkommen ignoriert. Kein Wunder, dass der moderne Dritte Stand immer mehr und mehr Mitglieder hat."
"Wer immer nur darauf achtet, wie hoch die Vorstandsvergütungen sind (oberes Schaubild), der verliert sehr schnell den Blick für das Wesentliche. Der Umstand, dass die Vorstandsvergütungen immer weiter ansteigen, ist durchaus zu tadeln. Aber Manager sind meistens auch nur leitende Angestellte. Was ist aber mit den Eigentümern der Konzerne? Die Konzern-Eigentümer können teilweise richtig viel Geld verdienen und extrem viel Vermögen anhäufen. Dagegen sind die Vorstandsvergütungen eine absolute Lachnummer. Man muss einfach nur die Größenordnung nachvollziehen."
>Der durch fortschreitende Automatisierung (=Kapitaleinsatz) erzielte Produktivitätsanstieg diente früher oft als Basis für Lohnsteigerungen. Die Erträge aus zusätzlichem Kapitaleinsatz wurden somit zum Teil über höhere Löhne an die Arbeiter ausgeschüttet. D.h., die Arbeiter bekamen nicht deshalb mehr Geld, weil sie fleißiger wurden, sondern weil der Kapitalist sie an bessere Maschinen stellte. War doch sehr nett von den pöhsen Kapitalisten, gell? Oder hast Du eine andere Erklärung für Lohnerhöhungen?
Die Modernisierung gehört zu den elementaren Aufgaben eines Kapitalisten, es ist sein ureigenes Interesse, kein Grund, deswegen auf die Knie zu fallen. Und daß der Arbeiter viel dazulernt, damit er auch immer kompliziertere Geräte bedienen kann, ist auch sehr nett von diesem Lohnschmarotzer.
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Okay, genug Polemik. Ich kenne beide Seiten (das des Firmeninhabers allerdings nur als Familienbetrieb, nicht persönlich, dies Erfahrung fehlt mir) und verstehe beide Seiten, in gewisser Weise haben alle Recht. Wäre ich Kapitalist (Unternehmer, Firmeninhaber, Arbeitgeber usw.), dann sähe ich praktisch nur Zwänge. Und ich würde immer dahin gehen, wo ich diesen Zwängen ausweichen kann und am zuverlässigsten Gewinne erzielen kann. Wie das geht, wen das betrifft, das wäre zweitrangig, denn es geht primär um die Existenz des Unternehmens.
Andererseits: wenn das genauso gemacht wird, entsteht ein rieisger volkswirtschaftlicher Schaden. Diese Mär, es würde wegen der Globalisierung alles so sein, das würde ich dann glauben, wenn sich das auch an einem Handelsdefizit bemerkbar machen würde. Deutschland hat aber konstant eine ausgeglichene bzw. noch öfter eine positive Handelsbilanz mit kräftigen Überschüssen.
Nur profitieren von diesen Überschüssen immer weniger Menschen und als Begründung wird der"harte Wettbewerb" und die"Globalisierung" herangeführt (als wäre das ein ganz neuartiges Phänomen). Ich finde das verlogen. Wenn Geld verdient wird, dann muß es auch gerecht verteilt werden. Stattdessen werden diese Schlagworte aber von einem kleinen Personenkreis benutzt, sich immer weiter zu bereichern und dafür entsprechende"Reformen" anzuleiern (s. a. Bertelsmann und Konsorten,"Macht ohne Mandat").
Das ist mein Eindruck. Und das wird solange weitergehen, wie sich die Arbeitenden, Geringverdienenden, die Verlierer der Reformen nicht auf internationaler Ebene zusammentun. Eine wirkliche Veränderung der Dinge (und möchten es die Unternehmen nicht eigentlich auch anders haben? Leiden nicht alle unter den Verhältnissen?) kann nur von ganz unten erfolgen oder gar nicht.
Aber das klingt alles schon wieder nach"Klassenkampf" und dieser ganze Krams. Und das klappt ja auch alles nicht ohne Kapital (s. russ. Revolution). Muss immer irgendwie alles finanziert werden. Alles.
Grüße,
MI
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oekognom
28.09.2006, 21:27
@ MI
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Die Macht des Faktischen |
-->Ich will hier mal ein bißchen aus dem Trott des Zitatezerpflückens ausbrechen.
Die Frage, ob die Herren Ackermann, Zetsche, Kleinfeld und Konsorten ihre Milliönchen tatsächlich wert sind, halte ich für furchtbar uninteressant. Denn darüber entschieden weder sie selbst noch ich, auch nicht Bischöfin Käßmann oder Ursula Engelen-Kefer. Und selbst der Bundestag kann unter der gegebenen verfassungsrechtlichen Lage wenig machen, so"skandalös" Oskar, Gregor, Katja Kipping und HC Ströbele das finden mögen.
Schöne Beispiele laufen da z. B. gerade vor unserer Nase ab (die BenQ-Sache dürfte auch interessant sein, aber da habe ich mich noch nicht eingelesen).
Bei VW laufen momentan Tarifverhandlungen:
Auf der einen Seite steht Hartmut Meine vom traditionell linken IG-Metall-Bezirk Niedersachen/Sachsen-Anhalt. Erstützt sich auf einen in Deutschland fast einmaligen Organisationsgrad von 97%(!) aller VW-Beschäftigten. Das heißt, wenn sein starker Arm es will, stehen alle Bänder still. Wirklich still. Eine stärkere Arbeitnehmermacht dürfte es in keinem anderen DAX30-Unternehmen geben.
Ihm gegenüber steht VW-Arbeitsdirektor Horst Neumann. Der hat selbst mal für die IG-Metall gearbeitet, verdankt dem seine Karriere und ist auch immer noch Mitglied. Außerdem ist er mit der bekennenden SPD-Linken Andrea Nahles, ex-Juso-Chefin, verbandelt. Wie der gesamte übrige VW-Vorstand auch hängt seine weitere Karriere vom Aufsichtsrat ab, in dem neben 50% Arbeitnehmervertreter auch der niedersächsiche Ministerpräsident und sein Vize sitzen, die, wenn sie MP und Vize-MP bleiben wollen, es sich nicht mit den VW-Arbeitern verscherzen sollten, die in Niedersachsen eine erhebliche Wählermacht haben. Die Macht der Arbeitgeber dürfte wohl höchstens bei den drei Bundespost-Nachfolgern ähnlich schwach sein.
Und trotzdem kassieren die Gewerkschafter eine Niederlage nach der anderen. Beim letzten mal wollten sie, wenn ich mich recht entsinne, 5% mehr Lohn. Die Arbeitgeber boten 0%. Heraus kam eine Nullrunde mit einer kleinen Einmalzahlung.
Diesmal möchten die Arbeitgeber die Arbeitszeit von 28,8 auf 35 Stunden erhöhen (und noch ein paar andere kleine Grausamkeiten), also den Stundenlohn erheblich absenken. Wetten, daß die IGM einknicken wird? Vielleicht gibt es wieder eine kleine Kompensation, aber den Status Quo wird man nicht halten können.
DAS ist die Macht des Faktischen. Die Globalisierung in seinem Lauf, hält weder Ochs noch Esel auf. Und schon gar nicht unsere Politiker.
Entweder stellt man sich dem neuen Wettbewerb - oder man steigt komplett aus. Raus aus der EU, raus aus der WTO, raus aus der Währungsunion; dann Zölle hoch und die Kapitalausfuhr beschränken.
Aber für eine solche radikale Umkehr fehlt den Politikern die Kraft. Zumal die Verwerfungen furchtbar wären, wenn die anderen"unsere" Autos aussperren würden, wie wir ihre billigen Fernseher und Textilien.
Achso, und einen weltweiten Zusammenschluß der Werktätigen und Geknechteten wird es nicht geben. Denn was hätten Chinesen und Slowaken davon, wenn das Kapital langsamer in ihre Länder fließt (und dort Fabriken aus dem Boden stampft) - außer der Tatsache, daß die Arbeiter der OECD-Länder dann noch etwas länger ihre höheren Löhne genießen könnten?
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