- Augstein spricht Klartext - riwe, 19.01.2002, 15:43
- Re: Augstein spricht Klartext - hu, 19.01.2002, 16:03
- hu, warum reagierst Du so allergisch gegenüber der Aufzählung von Fakten? (owT) - dira, 19.01.2002, 16:12
- Re: hu, warum reagierst Du so allergisch gegenüber der Aufzählung von Fakten? (owT) - hu, 19.01.2002, 16:47
- Was meinste denn nun? - Kasi, 19.01.2002, 20:38
- hu will nur zeigen, wie gescheit er ist; nur Orthographie beherrscht er nicht! (owT) - werner, 20.01.2002, 12:09
- Re: hu, warum reagierst Du so allergisch gegenüber der Aufzählung von Fakten? (owT) - hu, 19.01.2002, 16:47
- Re: Augstein spricht Klartext - Euklid, 19.01.2002, 18:43
- Bitte nicht schon wieder... - Zardoz, 19.01.2002, 19:10
- Re: Bitte nicht schon wieder... - Euklid, 19.01.2002, 19:58
- Re: Augstein spricht Klartext - apoll, 19.01.2002, 20:01
- Re: Augstein spricht Klartext - Euklid, 19.01.2002, 20:08
- @apoll: Augstein spricht Klartext - hu, 20.01.2002, 12:18
- Bitte nicht schon wieder... - Zardoz, 19.01.2002, 19:10
- hu, warum reagierst Du so allergisch gegenüber der Aufzählung von Fakten? (owT) - dira, 19.01.2002, 16:12
- Re: Augstein spricht Klartext - XERXES, 20.01.2002, 16:41
- Re: Augstein spricht Klartext - hu, 19.01.2002, 16:03
Augstein spricht Klartext
DER SPIEGEL 4/2002 - 21. Januar 2002
URL: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,178038,00.html
Rudolf Augstein
Ach Amerika!
In Europas Kanzleien reagieren Politiker und Juristen schon gar nicht mehr, wenn die Regierung der Vereinigten Staaten sich unmenschlich aufführt. Die meisten fressen ihren Groll still in sich hinein. Wer will in diesen Tagen der internationalen Einigkeit schon die einzige Weltmacht kritisieren. Und stehen die Amerikaner nicht wie ein Mann hinter ihrem Präsidenten, der doch offensichtlich alles kann (außer eine Brezel essen)?
Nach den Anschlägen am 11. September gehörten den Amerikanern die Sympathien der Welt - und Washington nutzte diesen Goodwill, appellierte bei der Zusammenstellung einer weltweiten Anti-Terror-Koalition auch an die hohen ethischen Ansprüche und Menschenrechtsgarantien einer freien Gesellschaft. Von einer Zivilisation, die es auch mit dem Einsatz militärischer Gewalt zu verteidigen gelte, war die Rede. Von der Überlegenheit des Rechtsstaats. Schnell beugte man sich in Berlin und anderswo zum Kniefall der"uneingeschränkten Solidarität": Der Gestus der moralischen Überlegenheit ist den Amerikanern gut bekommen. Vielleicht zu gut. Denn jetzt regiert offenbar nicht mehr das Prinzip Gerechtigkeit, sondern der Durst nach Rache.
Die amerikanische Regierung hat über hundert in Afghanistan gefangen genommene Taliban- und al-Qaida-Kämpfer von Kandahar nach Kuba verschleppt - ausgerechnet nach Guantanamo Bay, wo die US-Verfassung nicht gilt. Auf einen Militärstützpunkt, den die US-Regierung 1903 der karibischen Nation regelrecht abpresste (für den sie bis heute lächerliche 4085 Dollar jährliche"Pachtgebühr" bezahlt) und der als rechtliches Niemandsland gilt. Washington hat die Internierten schon als die"schlimmsten Elemente" vorverurteilt, als"Männer, die Leitungen durchbeißen würden, um ein Flugzeug abstürzen zu lassen", aber noch nicht einmal Klage erhoben oder einen Rechtsbeistand erlaubt. Die US-Regierung belegt die Inhaftierten mit dem Begriff"ungesetzliche Kämpfer", um ihnen den Status von Kriegsgefangenen (PoW) vorzuenthalten. Experten schütteln da nur die Köpfe. Das internationale Recht spricht gegen das amerikanische Vorgehen: Jeder, der bei Kampfhandlungen festgenommen wird, gilt als PoW und hat sofortigen und vollständigen Anspruch auf Schutz durch die Genfer Konvention (zumindest bis ein"kompetentes Tribunal" seinen endgültigen Status klärt).
Schon der Transport der Gefangenen lief unter menschenunwürdigen Umständen ab - und in klarer Verletzung des internationalen Rechts. Das Anketten und zwangsweise Betäuben - unrechtmäßig. Das Überstreifen von Gesichtskapuzen - im Widerspruch zur Anti-Folter-Konvention von 1984. Das erzwungene Rasieren von"religiösen" Bärten aus hygienischen Gründen - durch kein Recht abgedeckt und darüber hinaus eine ganz und gar überflüssige Demütigung, die jedes Vorurteil von Muslimen gegenüber kreuzzüglerischer"Siegerjustiz" bestärken wird. Und die zur Farce macht, was Washington seinen Gefangenen zugesteht: dass sie kein Schweinefleisch essen müssen, dass sie auf einem der beiden ihnen ausgehändigten Handtücher gen Mekka gerichtet beten dürfen. Die Unterbringung in Guantanamos"Camp X-Ray" spottet im Übrigen jeder Beschreibung. Die Internierten werden bei feuchtheißem Klima in offenen Käfigen gehalten, ein Meter achtzig mal zwei Meter vierzig. Bei einer ähnlichen Einpferchung von Schimpansen würde sich die Empörung der Tierschutzverbände überschlagen.
Sollen die Gefangenen, womöglich für unmenschlichen Terror verantwortlich, unter unmenschlichen Bedingungen mürbe gemacht und gebrochen werden? Es würde zu einer Diskussion passen, die zurzeit im amerikanischen Rechtsstaat in höchsten Kreisen und geradezu erschreckend emotionslos geführt wird: ob und wie man foltern darf, um von Verdächtigen Informationen zu erhalten. Bisher ist das in Demokratien nicht üblich. Oder soll durch solches Vorgehen in Washington nur davon abgelenkt werden, dass die eigentlichen Kriegsziele in Afghanistan ja noch lange nicht erreicht sind? Zwar wurden die Taliban, die Washington einst mit an die Macht gebracht hat, nun durch Washingtons Bomben von der Macht vertrieben, Kabul hat Chancen auf eine bessere Zukunft. Aber das war ja nur ein Nebenprodukt amerikanischer Absichten. Es ging Washington primär um den Terroristenchef Bin Laden,"tot oder lebendig". Nun sieht es fast so aus, als hätte man die Suche nach ihm eingestellt; tot wäre er Washington wohl recht, aber bevor sie ihn einem internationalen Gericht auslieferten, sähen sie ihn lieber irgendwo wohlbehalten im pakistanischen Untergrund.
Weil die alten Ziele noch nicht zu verwirklichen sind, werden außenpolitisch neue verfolgt. Schon stehen amerikanische Spezialtruppen im Süden der Philippinen. Ein Großangriff gegen den Irak ist wohl nur vorläufig zurückgestellt: Man will die muslimische Welt nicht ganz gegen sich aufbringen. Befrieden wird die sich erst dann lassen, wenn Washington seine doppelzüngige Nahost-Politik aufgibt und auch die Israelis zu schmerzlichen Konzessionen zwingt. Bushs grundsätzliche Befürwortung eines palästinensischen Staates wird da nicht genügen.
Peinlich für die Scharfmacher in der amerikanischen Regierung um Verteidigungsminister Rumsfeld: Gerade erst haben sie die Vereinten Nationen"wiederentdeckt", um sie für ihren weltweiten Anti-Terror-Feldzug zu instrumentalisieren, und jetzt werden sie ausgerechnet von der Uno abgestraft: Mary Robinson, Uno-Menschenrechtsbeauftragte, mahnte öffentlich die Einhaltung von Grundrechten für Taliban- und al-Qaida-Gefangene an. Die Empörung der Mehrheit der Amerikaner ist ihr gewiss. Dass immerhin nicht die gesamte Ã-ffentlichkeit in den USA gleichgeschaltet ist (wo im Fernsehsender CNN auf Anweisung des Chefs zivile afghanische Opfer nicht"in den Mittelpunkt rücken" sollen), beweisen Zeitungen wie die"New York Times", aber auch einige mutige Professoren. Der Jurist Michael Byers von der Duke University in North Carolina beispielsweise nannte die Behandlung der Guantanamo-Gefangenen schändlich: Die Menschenrechte seien dann am wichtigsten und müssten durchgesetzt werden,"wenn Regierungen besonders versucht sind, sie zu verletzen".
Soll heißen: Die Amerikaner können sich nur dann aufs hohe moralische Ross setzen, wenn sie sich an ihren eigenen Maßstäben messen lassen. Eine Demokratie ist immer nur so gut, wie sie sich gegenüber dem (mutmaßlich) schlimmsten Terroristen verhält.
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