- Abbau der Staatsschulden, Campo! eine Frage - nereus, 22.01.2002, 11:55
- Re: Abbau der Staatsschulden? Einspruch! - Wal Buchenberg, 22.01.2002, 13:18
- Re: Abbau der Staatsschulden? Einspruch! - Euklid, 22.01.2002, 13:43
- Re: Abbau der Staatsschulden? Einspruch! - Willkommen bei den Reichen! ;-) - nereus, 22.01.2002, 14:51
- Re: Abbau der Staatsschulden, Campo! eine Frage - Campo, 22.01.2002, 21:24
- Re: Abbau der Staatsschulden, Campo! eine Frage - eine kurze Antwort - nereus, 22.01.2002, 22:28
- Re: Abbau der Staatsschulden, Campo! eine Frage - eine kurze Antwort - Campo, 22.01.2002, 23:46
- Re: Abbau der Staatsschulden, Campo! eine Frage - eine kurze Antwort - nereus, 22.01.2002, 22:28
- Re: Abbau der Staatsschulden? Einspruch! - Wal Buchenberg, 22.01.2002, 13:18
Re: Abbau der Staatsschulden, Campo! eine Frage
Hallo nereus,
>Sehr interessanter Diskurs kürzlich mit Liated, dottore und Dir.
>Wie Du in Deinem Posting an dottore erläutert hast würde es bei der geplanten Entschuldung des Staates an allen Ecken und Enden finanziell klemmen.
>Zum einen wegen des Verbratens der Steuereinnahmen für die Schuldentilgung und andererseits wegen der wegfallenden Kreditaufnahmen für die zu verteilenden Bonbons an Wähler und Lobbyisten.
Richtig! Es klemmt finanziell total, wenn Staatsschulden auf ganz normalem herkömmlichen Weg (Tilgung mit Zins) abgebaut werden sollen. Ein paar Eckdaten übern Daumen: (m.d.B. um Korrektur, falls einige Daten voll daneben liegen) Staatsverschuldung: um die 1,1 Billionen Euro, ca. Hälfte Bund, ca. Hälfte Länder und Gemeinden und dann gibt’s da noch so ein paar Sonderverschuldungsposten (irgendwie Reste aus der Deutschen Bundesbahn u.ä.). Gesamte Steuereinnahmen: ca. knapp 500 Mrd. Euro. Verschuldung pro Kopf: ca 14.000 Euro. Steuereinnahmen über MwSt: ca. 150 Mrd Euro; Einkommensteuer ca. 160 Mrd Euro. Zusätzliche Nettokreditaufnahme des Bundes allein: ca 20 Mrd. Euro. Angenommen, dass für Länder und Gemeinden dies ähnlich hoch ist, ergibt sich 40 Mrd. Euro, die beim Abbau der Verschuldung mit eingespart (bzw. zusätzlich erhoben) werden müßten = allein dafür 500 Euro pro Kopf und Jahr. Setzt man die Laufzeit des Abbaus auf 20 Jahre kommen nochmal 700 Euro hinzu, macht 1300 Euro pro Kopf und Jahr. Also entweder zusätzlich erheben oder Staatsausgaben einsparen (oder ein Mix): das wären insgesamt ca 104 Mrd. Euro oder ca 25 % der jährlichen Steuereinnahmen. Soweit die ungefähren Daten.
>Klartext: Gürtel enger schnallen bei jedem Staatsbürger.
Naja, je nachdem: Madame von Thurn und Taxis wird sich allein aus Diätgründen den Gürtel enger schnallen, auch wenn sie mit etlichen Millionen dabei sein sollte. Das A und O ist: Wie die Belastung verteilen innerhalb der Bevölkerung? Welche Laufzeit? welche Formen der Besteuerung eignen sich hierfür? Grundsätzliche Unterscheidungsmöglichkeit der Besteuerung ist: Progressiv, linear oder Kopfsteuer.
>Wenn nun ein integrer Staatsmann (leider fällt mir da momentan keiner ein) erschien und der Bevölkerung reinen Wein einschenken würde und erklären würde:
>"Liebe Bürger! Aufgrund der Dramatik der Staatsfinanzen müssen wir ein radikales Sparprogramm durchführen. Wir werden den Solidaritätszuschlag eliminieren und eine auf 10 Jahre begrenzte Sondersteuer einführen. Diese Steuer wird auf die Mehrwertsteuer aufgeschlagen und beträgt ca. 7 % des Nettowarenpreises. Somit werden alle Waren nicht mehr mit 16 % MW-Steuer beaufschlagt sondern ab sofort mit 23 %. Ausnahmen gelten nur für Artikel des Grundbedarfs wie Mehl, Zucker, Brot, Babynahrung usw..
>Diese Zusatzeinnahmen werden ausschließlich für die Schuldentilgung verwendet. Eine entsprechende Gesetzesvorlage ist vorbereitet und kann in den nächsten Tagen vom Parlament verabschiedet werden.
>Diese Finanzreform wird begleitet durch Subventionsabbau und Steuervereinfachung....
Ja, in der Art. Aber das wichtigste Kriterium ist eben die Frage, wer wird wie hoch mit welcher Besteuerungsform belastet? Einsparung der Staatsausgaben kann man m.E. vergessen - da kommen die Summen nicht zusammmen oder sie führen zu sozialen Verwerfungen, die sehr schlimme Folgen haben: entweder keine Wiederwahl der Partei, die dieses durchsetzt oder Ende der Demokratie! Also Sondersteuer: Dein Mwst-Vorschlag darf ich zahlenmäßig korrigieren: Laufzeit 20 Jahre und rauf auf ca 27 %. Dann ist die Summe beisammen. Dies wäre eine lineare Steuer mit einem Schuß Progression, weil Güter des Grundbedarfs nicht betroffen sind (was ja auch richtig ist). Mwst-Sondersteuer ist aber kaum das geeignete Mittel: Würgt die Konjunktur ab und außerdem ist das halbe Ruhrgebiet samstags zum Einkaufen in den Niederlanden unterwegs. (Andererseits: Dänemark hat eine sehr hohe Mwst - ich meine ca 25 % - trotzdem gibs zum Einkauf in Deutschland nur den kleinen Grenzverkehr).
>.. Für den Durchschnittsbürger ergibt sich somit ein monatlicher Fehlbetrag von ca. 75 Euro natürlich einkommens- und vermögensabhängig gestaffelt.
Durchschnittlich wären es dann ungefähr 100 Euro pro Monat.
>Wir werden kommenden Sonntag eine Sonderwahl durchführen und über die Maßnahmen bundesweit abstimmen lassen. Erreichen wir eine Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen treten alle begleitenden staatlichen Maßnahmen in Kraft. Vermögenstransfers über 3000 Euro können bis zur Entscheidungsfindung ab sofort nicht mehr getätigt werden.
Warum keine Vermögenstransfers? Das habe ich nicht verstanden.
Es wird keine Mehrheit geben. Kannste vergessen! Das Volk wird die Mwst. - Version als unsozial empfinden. Das einfache Volk soll den Gürtel extrem enger schnallen, damit die Zinserträge aus den Staatsschuldverschreibungen weiter fließen?
>Die Zahlen habe ich mir natürlich erstmal aus den Fingern gesaugt.
Aber nicht schlecht getroffen...
>Mir ist auch klar das Deutschland keine Insel ist und durch die internationale Einbindung noch zahlreiche Probleme zu klären wären.
>Trotzdem!
Die Probleme sehe ich nicht so stark. Laß mich aber gern eines besseren belehren. Vermutlich ist sie aber da: Den Grenzverkehr beim Einkauf bei Erhöhung der Mwst. habe ich erwähnt. Deutschland liegt ja hübsch zentral. Für die Möglichkeiten der Verlagerung des Wohnsitzes ins Ausland (Steuerflucht) fehlen mir die Kenntnisse. Aber das sind gesetzgeberische (aber auf EU-Ebene!) Probleme.
>Wärst Du als"Durchschnittsbürger" bereit ein Jahrzehnt diese Mehrausgaben zu leisten um kommenden Generationen ein faire Lebenshaltung zu ermöglichen?
>Würdest Du für oder gegen die Reform stimmen?
Kommt auf die Version an! Aber eins mal klargestellt: Einem halbherzigen Gemurkse a la Eichel - so einem Pseudoabbau von Staatsschulden, von dem von vorherein zu sehen ist, dass es die Katastrophe nur aufschiebt, würde ich nie zustimmen. Wozu sich zehn Jahre lang quälen, um etwas aufzuschieben, was nicht aufzuhalten ist.
Zur Info: Eichels Abbau der Staatsverschuldung ist: Die Nettokreditaufnahme bis 2006 auf 0 zu bringen. Nicht mal dass wird er schaffen!
Einem realistischen Konzept - sozial ausgewogen - mit Chancen auf Realisierung würde ich zustimmen. Das Mwst.-Konzept gehört nicht dazu. Ich gehe an die Sache jetzt mal ganz anders ran: Mit der Frage: Wo ist was zu holen? Und da sehen wir, dass die privaten rentierlichen, zinstragenden Anlagen (Geldvermögen, zinstragendes Sachkapital, Wertpapiere) das mehrfache der gesamten Staatsverschuldung betragen. Ich meine, es ist fast das fünffache (weiß es jemand besser?). Deutschland ist ein reiches Land! Im Durchschnitt! Nützt dem normalen arbeitenden Menschen aber nicht viel. Nur hier ist die Lösung zu finden: Die Staatsverschuldung wird nicht mehr verzinst! Aber die Nichtverzinsung darf natürlich nicht nur die zufälligen Eigner der Bundespapiere treffen, sondern müßte umverteilt werden auf alle, die zinsbringende Anlagen haben. Das ist die einzige Möglichkeit, die ich sehe. Wenn man bedenkt, dass die Realverzinsung der Bundespapiere ca 4 % beträgt (@alle: ist das zuviel?), dann wäre man mit dem Abbau bei Nichtverzinsung in 25 Jahren durch. Und jeder, der rentierliche Anlagen hat, müßte ca auf ein Fünftel der Zinseinahmen daraus verzichten. Ist doch machbar, oder? Den Rest kann man durchaus per Kopfsteuer eintreiben, wobei ich mal die Frage einfach so in den Raum werfen möchte: Wieso sollten Menschen, die wenig Euro-Einkommen haben, nicht mal auch ihre Steuerschulden in Naturalien (sprich Arbeitsleistung) bezahlen dürfen?
Ich weiß, oben gesagtes erscheint in dieser Kürze vielleicht unausgegoren. Es ist das Ergebnis meiner Gedanken, während einer längeren Zugfahrt kürzlich. (Übrigens angeregt durch dieses Forum - Großen Dank an JÜKÜ und alle Teilnehmer!) Im Detail habe ich etliches mehr dazu entwickelt - ist aber im Moment noch nicht ausgereift nur im Kopf. Quintessenz ist aber m.E.: Abbau der Staatsverschuldung ist sozialverträglich machbar: Laufzeit ca. 20 Jahre für den größten Teil des Abbaus - Dehnung der Schuldabtragung auf weitere 20 Jahre durch Einbeziehung der heutigen Rentner (vorzeitige Sicherstellung eines Teiles ihrer Erbmasse) und der heutigen Kinder und der noch nicht Geborenen über die Rentenkassen (damit die heutigen Steuerzahler, die die Staatsschulden abbauen, als Rentner wieder ihren Ausgleich bekommen). Kernelemente sind aber (ich wiederhole mich): Nichtverzinsung der Staatsschuld (aber gleichmäßig verteilt); Möglichkeit der Abtragung der Staatsschuld auch durch Arbeitsleistung (aber rentenwirksam anzurechnen).
>Und Campo, ich frage nicht ganz ohne Grund zuerst Dich. ;-)
WARUM?? Welcher Grund?
>mfG
>nereus
viele Grüße
Campo
PS: Ich bin ganz ohne Freigeld ausgekommen mit meinem Vorschlag. Dann wär ja alles viel, viel einfacher. Aber das ist ein anderes Thema. Naja - die Nichtverzinsung hat ja auch was davon...
<center>
<HR>
</center>

gesamter Thread: