- Versuch einer [nicht Elliott-] Marktprognose für 2002 - Galiani, 24.01.2002, 23:46
- Re: Versuch einer [nicht Elliott-] Marktprognose für 2002 - JüKü, 25.01.2002, 00:00
- Re: Versuch einer [nicht Elliott-] Marktprognose für 2002 - André, 25.01.2002, 00:32
- Re: Versuch einer [nicht Elliott-] Marktprognose für 2002 - Euklid, 25.01.2002, 00:40
- Re: Höchst instruktiv! Und Überlegungen dazu: - dottore, 25.01.2002, 13:19
Versuch einer [nicht Elliott-] Marktprognose für 2002
Hallo
Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht irgendwo lesen können, daß"bald", daß"spätestens im 2. Quartal dieses Jahres", die Börsen wieder steigen werden. Es sei daher höchste Zeit, wieder einzusteigen.
Natürlich sind Prognosen immer schwierig;"besonders über die Zukunft", wie Mark Twain gemeint hat. Dennoch halte ich dieses"Es-geht-gleich-wieder-aufwärts"-Szenario für puren Unsinn; und zwar nicht nur wegen der gloom and doom Ideen, die hier im Forum herumgeistern. Ich bin überzeugt davon, daß wir in diesem Jahr ganz etwas anderes sehen werden als steigende Aktienkurse; nämlich Blut, Tränen und eine weltweite Börsenkatastrophe mit einer langen Kette von Ereignissen, von denen Enron (die größte Pleite der Weltgeschichte mit einer Schadenssumme von 66 Milliarden Dollar) und Argentinien, der größte Staatsbankrott in der Geschichte der Menschheit (155 Milliarden Dollar) nur Vorboten waren. In diesem Jahr hat es schon Kmart erwischt und mehr als 1’000 große börsennotierte Unternehmen in den Vereinigten Staaten, darunter Firmen wie JDS Uniphase, Ford oder Xerox, sind um keinen Deut besser dran. Und was weitere Kandidaten für einen Staatsbankrott betrifft, so hat Brasilien zweimal soviel Schulden wie Argentinien und Venezuela ist in derselben Lage, in der sich Argentinien Ende letzten Jahres befand. Eine Reihe weiterer Länder müssen als gefährdet angesehen werden: Vor allem Japan mit einer Verschuldung in Höhe des 2,4-fachen Sozialproduktes. Von den 7500 Milliarden Dollar Schulden Japans schuldet der Staat knapp drei Fünftel, d.i. das 1,3-fache des Sozialproduktes, und ein Fünftel, - 1’500 Milliarden Dollar, - die Banken, die damit praktisch pleite sind. Aber auch Indonesien, Thailand, Hong Kong (das seine Währung ebenfalls an den Dollar gebunden hat) und Singapur sind im Jahr 2002 durchaus für Überraschungen gut.
Wie kam es dazu und was macht die Lage so gefährlich? Auf einen einfachen Punkt gebracht, sind es zwei Komponenten, die das so explosive Gemisch ergeben: Die Verschuldung und als deren Folge die Deflation. Beschränken wir die Analyse auf die Vereinigten Staaten: Wie führt Verschuldung zu Deflation?
1) Der Konsument, der durch seinen Konsum fast zwei Drittel des Sozialprodukts trägt:
Im 4. Quartal des vergangenen Jahres beliefen sich die Schulden der US-amerikanischen Haushalte auf durchschnittlich 17% des Vermögens, ein absoluter Rekord in der Zeit seit dem 2. Weltkrieg. Ein großer Teil davon wurde durch Refinanzierung von Hypotheken auf Eigenheime aufgebracht und floß zusammen mit Einsparungen durch fallende Erdölpreise und dem Erlös aus dem Steuerrabattprogramm in den Konsum. Das kann aber - schon wegen der Zinsenlast - nicht ewig so weitergehen. Irgendwann müssen die Verbraucher bremsen und der Konsum muß daher zurückgehen.
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - in diesem Jahr! Denn im ersten Quartal dieses Jahres wird es außerdem einen drastischen Rückgang der Einkommen geben. Das hängt mit der Rezession zusammen. In Rezessionen gehen die Firmengewinne unweigerlich zurück und damit sinken auch alle Bonusse und die sonst üblichen Sonderzahlungen. Außerdem gibt es in den USA - aus demselben Grund - ein wachsendes Heer von Arbeitslosen. Noch niemals zuvor war die Wirtschaft in den Vereinigten Staaten im ersten Quartal mit sinkenden Einkommen konfrontiert.
Die Schlußfolgerung daraus ist, - wie bereits erwähnt, - daß im Jahr 2002 der Konsum zurückgehen und die Wirtschaft damit eine ihrer Hauptstützen verlieren wird; ihre letzte und einzige Stütze übrigens, wie wir gleich sehen werden.
2) Die Unternehmen:
Als Folge des rückläufigen Konsums und der damit sinkenden Umsätze wird ein verschärfter Preiswettbewerb entstehen. Hier sehen wir bereits eine Ursache der Deflation: die Preise dürften zu sinken beginnen! Obwohl die gegenwärtigen statistischen Daten das Gegenteil anzuzeigen scheinen. Tatsächlich aber sind diese Entwicklungen, wie wir gleich sehen werden, schon sehr deutlich sichtbar.
Gleichzeitig sind auch die Unternehmen hochverschuldet. Ein Diagramm, das die Neue Zürcher Zeitung vor wenigen Tagen abdruckte, zeigt, daß die Zinszahlungen im Verhältnis zu den Unternehmensgewinnen in den USA trotz der Zinssenkungen wegen der rezessionsbedingt sinkenden Umsätze seit Anfang 2001 von 36,3% auf 44% anstiegen. Der hohe Schuldendienst nagt natürlich am Cash-flow und an den Gewinnen. Das führt zu weiteren Einsparungen, Lohnkürzungen, Personalentlassungen und somit - geamthaft - zu einem weiter nachlassenden Konsum mit weiterer Tendenz zu fallenden Preisen, also zu Deflation:
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Es ist unklar, ob, wann und wie stark die Investitionen nach den Leitzinssenkungen der Notenbank anziehen werden. Neben den Kapitalkosten spielt beim Investitionsentscheid der Unternehmen aber natürlich auch die Einschätzung der künftigen Gewinne eine bedeutende Rolle. Gerade da aber sieht es wegen der hohen Verschuldung der Konsumenten, wie wir gesehen haben, düster aus. Solange die Unternehmen aber nicht investieren, entfalten sie auch keine Nachfrage nach Arbeitskräften und solange an dieser Front nichts geschieht, kann sich der Konsum nicht erholen und die Unternehmensgewinne werden auf niedrigem Niveau stagnieren. Ein Zustand, der sich viele Monate, ja Jahre hinziehen kann.
Solange sich die Gewinne aber nicht erholen, werden auch die Aktienmärkte nicht haussieren. Dies ist der Grund für meine pessimistische Sicht der Dinge in diesem Jahr.
Häufig lesen wir, daß es nach dem Tief vom letzten September eigentlich nur noch aufwärts gehen kann. Wenn wir aber einen Blick auf die folgende Tabelle werfen, so sehen wir sofort, wie irreführend das Argument ist:
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Am Ende der 13 Abwärtsbewegungen des S&P Industrial Index in den letzten 50 Jahren waren die Aktien in den Vereinigten Staaten (nach den gängigsten Kriterien beurteilt) noch nie so hoch bewertet wie zur Zeit.
Da es auf der Spitze eines Berges nicht weiter hinauf gehen kann, liegt es nahe anzunehmen, daß wir heuer eine heftige Abwärtsbewegung aller Indizes sehen werden; es sei denn, wir nähmen an, die Unternehmen stünden vor einer wahrhaften"Explosion" ihrer Gewinne. Darauf aber deuten die Umstände nicht hin!
Gruß
G.
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