- @Uwe (und damit auch: @dottore; @Taktiker) zu: «Kapitalismus - pur» - Galiani, 25.01.2002, 15:52
- @Galiani: zwei Richtigstellungen und ein wenig mehr zu meimem Schluss - Uwe, 26.01.2002, 19:18
- @Uwe: Tja, sooo gesehen, muß ich zugeben, daß Du in Vielem Recht haben dürftest - Galiani, 26.01.2002, 23:04
- @Galiani: zwei Richtigstellungen und ein wenig mehr zu meimem Schluss - Uwe, 26.01.2002, 19:18
@Uwe (und damit auch: @dottore; @Taktiker) zu: «Kapitalismus - pur»
Hallo Uwe
Freut mich, wieder einmal mit Dir diskutieren zu können.
In aller Freundschaft (aber doch gleich vorneweg!) - verwahre ich mich dagegen, wenn Du es als"Vertretertrick" von mir bezeichnest, daß ich einen funktionstüchtigen und (doch immerhin weitgehend) freien Markt hier und heute und ganz real existierend vorauszusetze. Ja, das tue ich; - und mit gutem Grund! Ich weiß nicht, was Du beruflich machst; Baldur hat mir erzählt, Du seiest Ingenieur. Wenn das so ist, dann hattest Du Dich ja schon - wie wir alle - auf solchen funktionstüchtigen und (weitgehend) freien Märkten zu bewähren: Nämlich auf dem"Arbeitsmarkt", wo Du Dich gegen Konkurrenz durchsetzen mußtest; oder in Verkaufsgesprächen, in denen Du Deine Leistungen gegen Wettbewerber verteidigt hast...
Wie kannst Du nur insinuieren, daß es einen"funktionstüchtigen","freien" Markt überhaupt nicht gebe...? Ich bestreite nicht, daß es häufig Versuche gibt, ihn auszuschalten. Dottore hat nicht ganz Unrecht: Von einer"völlig freien" Marktwirtschaft sind wir himmelweit entfernt. Aber:"funktionsfähig" sind viele Märkte heute dennoch; und auch einigermaßen"frei".
Natürlich basteln die Politiker dauernd daran herum und reden uns ein, sie wüßten besser als die Markt-Teilnehmer, was"gerecht" und"richtig" sei; (irgendwie müssen sie ja nachweisen, was sie für ihr Einkommen aus Steuergeldern tun... Ich habe hier bereits mehrfach dargelegt, warum eine Verbesserung des Gesamtnutzens für die Gesellschaft durch korrigierende Eingriffe in den Markt eine theoretische Unmöglichkeit darstellt!) Natürlich begrüße auch ich Dottores Vorschläge, Hemmnisse, die die"Freiheit" und"Funktionstüchtigkeit" der Märkte behindern, zu beseitigen; - auch ich halte das Wort"Arbeitserlaubnis" für ein marktwidriges, unsoziales Unding. (Korrigierende Eingriffe in den Markt sind eben immer unsinnig und manchmal unmenschlich!)
Dennoch: Deutschland produziert deshalb eine der höchsten per capita Sozialprodukt-Quoten der Welt, weil grosso modo halt doch noch auf vielen, auf den meisten Märkten Freiheit herrscht und viele Teilmärkte aus diesem Grunde auch durchaus"funktionstüchtig" geblieben sind! Wäre es anders, würde der Wohlstand in Deutschland rasch vergehen oder wäre gar nicht erst entstanden, - wie sich empirisch am Schicksal ausnahmslos aller Staatshandelsländer nachweisen läßt. Ich darf Dich in diesem Zusammenhang auch auf die bahnbrechenden Untersuchungen des World Economic Freedom Network als Beleg für diese Meinung hinweisen, die ich kurz in Fußnote 35 zum Zweiten Buch in meiner deutschen Ausgabe von Galiani's"Della moneta" (S. 215) erwähnt habe (Du hast, was mich ehrt, erwähnt, daß Du das Buch besitzst).
Die Meinung, die Du diesbezüglich vertrittst, daß es einen"funktionstüchtigen","freien" Markt heute überhaupt nicht gebe, deckt sich, wie mir scheint, nicht mit der wahrnehmbaren Realität, die uns umgibt!
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Ganz eine andere Frage ist es, ob - wie Du es ausdrückst -"... eine Demokratie als Staatsform die ideale Organisationsform ist, um die Ideen des «freien Marktes» [ <fgont size="2">den es ja bisher... nur als Ideengerüst gibt;</font> WIDERSPRUCH MEINERSEITS! Siehe oben!]... umzusetzen".
Ich habe hier im Forum bereits mehrfach auf Hayek's nobelpreisgekrönte Studie"Der Weg zur Knechtschaft" von 1944 aufmerksam gemacht, für die er 1974 den Nobelpreis erhielt. Darin führt Hayek den Nachweis, daß ein totalitäres politisches System notwendigerweise auch zur Eliminierung"freier Märkte" führen muß.
Der Gegensatz zu einem"totalitären politischen System" ist nicht unbedingt die Demokratie (ein aufgeklärtes"autoritäres" System, wie ich es beispielsweise in Oman kurz beobachten konnte, scheint der Demokratie diesbezüglich nicht nachzustehen). Tatsache ist jedoch, daß es m.W. keine Demokratie gibt, in der nicht auch die Märkte (im Prinzip)"frei" und"funktionstüchtig" wären.
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So komme ich denn zur letzten Frage (sind eigentlich 2 Fragen), die Du in Deinem Posting ganz am Anfang stellst:
>Wer soll das bezahlen? (Wer bezahlt, hat das Sagen?) Sind wir nicht dann bereits im gleichem System"gefangen", wie bisher?
>Oder hat man sich in diesem Zusammenhang eine alleinentscheidende Stelle, etwa die, die man in Verbindung mit «Gottesglauben und Tradition» in Verbindung bringen kann, vorzustellen?
Laß mich beim zweiten anfangen (weil ich glaube, daß darin schon ein Stückweit die Antwort auf Deine erste Frage enthalten ist): Der weise Ferdinando Galiani sagt (S. 118; hat er vorausgeahnt, was die"Möchtegern-Weltverbesserer" einschließlich Marx, der einen"neuen Menschen" erschaffen wollte, anrichten würden?): Man «...möge bloß nicht versuchen, die Dinge etwa gewaltsam verbessern zu wollen. Dies wäre ein aussichtsloses Unterfangen. Wenn in unserer heiligen Religion Menschen vollkommene Tugend erreichen, dann, weil sie Lehrern folgen, die von übernatürlichen und göttlichen Mächten geleitet werden. Wo ein Mensch uns ein Beispiel höchster Vollkommenheit gibt, ist dies ein Werk göttlicher Gnade und nicht der menschlichen Natur. Wer die entsprechenden Fähigkeiten in sich verspürt, möge uns zur Vollkommenheit anleiten, so gut er es vermag; aber Ideologen erreichen dies nicht. Die Stoiker machten die Menschen in genau dieser Absicht schrecklich hochmütig. Andere wollten sie zu Schweigsamkeit und Beschaulichkeit anhalten, machten sie hingegen zu maßlosen Schlemmern; wer Armut von ihnen verlangte, machte sie grausam; und Diogenes, der sie von Vorurteilen befreien wollte, war der erste einer abscheulichen, neuen Art von Zynikern.»
Eine Ansammlung von Menschen, die einen Staat bilden, kann gar nicht anders zusammengehalten werden, als durch eine Rechtsordnung, also durch Staatsgewalt. Wobei, wie Disraeli einst richtig bemerkt hat, die"Traditionen" bei der Aufrechterhaltung eines Gemeinschafts-Konsens' helfen!
Und damit sind wir beim anderen Teil der Frage:
Deiner Sicht,"Wer bezahlt, hat das Sagen!", begegnet man zwar sehr häufig im heutigen öffentlichen Leben, sie weist aber dennoch auf einen eklatanten Mißbrauch von Macht, auf feudale Gelüste von selbstgefälligen Amtsinhabern hin! Es gehört ja gerade zum Grundbestand einer ordo-liberalen Rechtsordnung, daß niemandem geboten werden darf, was er zu tun hat. Eine strenge,"gerechte" Rechtsordnung hat den Menschen lediglich zu verbieten, sich an geschützten Rechtsgütern zu vergehen; sei es zum Nachteil einzelner anderer Rechtssubjekte oder zum Nachteil der Gemeinschaft als Ganzes (statt der Spielhöllen in Fußgängerzonen kannst Du ohne weiteres andere Rechtsgüter einsetzen; das Beispiel war nur als Antwort auf einen Einwand von hu gedacht!). Der große Walter Eucken hat diese Zusammenhänge sehr klar und sehr überzeugend dargestellt; und es würde wohl zu weit führen, hier Eucken zusammenfassen zu wollen. Wichtig scheint mir nur Folgendes zu sein: Der totalitäre Staat (und seine modernen liberalen Abkömmlinge) gebieten den Menschen (in allerlei Vielregiererei-Varianten), was sie zu tun, was sie zu denken und was sie zu sagen haben; der ordo-liberale Staat dagegen kümmert sich um all das nicht. Er verbietet den Menschen nur, sich an geschützten Rechtsgütern zu vergehen; - an Leib und Leben sowie am Eigentum der Menschen (Hume), an den Freiheits- und Menschenrechten, am gesunden Wettbewerb auf"freien" Märkten, auf denen jeder die gleichen Chancen haben soll.... Und wie sich gezeigt hat (s.o. World Economic Freedom Network) produziert eine so geordnete Gemeinschaft überlegenen Wohlstand. Dadurch ist sie - erstmals in der Geschichte der Menschheit - in der Lage, auch jenen Menschen ein menschenwürdiges Dasein zu verschaffen, die sich nicht als Mitspieler am Markt betätigen können: Sie vermag die Befriedigung der Grundbedürfnisse der Armen, der Kranken, der Schwachen sicherzustellen, ein breites Bildungssystem für die Jugend zu finanzieren, ja selbst für jenen (heute immer breiter werdenden) Sektor zu sorgen, den wir unter dem Sammelnamen"Kulturbetrieb" zusammenfassen.
Dies, - zum x-ten Mal im Forum - mein (wiederum etwas länglich geratenes) persönliches Credo! (Hallo Taktiker: Was mich an Zardoz' Antworten verblüfft, ist deren hoher sachlicher Gehalt verbunden mit lakonischer Kürze. Du tust mir Unrecht, wenn Du meinst, mich würden nur Äußerungen interessieren, die meine Meinung bestätigen. Stimmt nicht! Ich diskutiere mit Dir, mit Uwe und sogar mit Wal Buchenberg, der ja nun ganz sicher nicht meine Ansichten teilt. Ich finde man kann über unterschiedliche Weltbilder auch ohne aggressiv und persönlich zu werden reden. Wer anders denkt als ich, ist weder mein Feind, noch mein Gegner, noch ein Dummkopf. Er denkt nur anders als ich, hat vielleicht das eine oder das andere intellektuelle Argument übersehen; oder - Schauder! Schauder! - ich.)
Dir, Uwe, sende ich die besten Wünsche und herzliche Grüße
G.
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