- Milton Friedman: Zentralbanker haben die Lektion der großen Krisen gelernt - Philipp Steinhauer, 01.02.2002, 14:11
- Sitzt Greenspan im Nobelkomitee? - XERXES, 01.02.2002, 15:48
- Es gibt definitiv keinen Nobelpreis für Wirtschaft. (owT) - mguder, 01.02.2002, 16:49
- Re: Für"Wirtschaftswissenschaft": - dottore, 01.02.2002, 18:35
- Re: Für - mguder, 01.02.2002, 19:41
- Wirtschaftslehre ist eben keine Wissenschaft, sondern Wahrsagerei... ;-) (owT) - Zardoz, 02.02.2002, 01:31
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Milton Friedman: Zentralbanker haben die Lektion der großen Krisen gelernt
Gastkommentar: Nach dem Platzen der Spekulationsblase sind wir von der ganz großen Katastrophe verschont geblieben
Zentralbanker haben die Lektion der großen Krisen gelernt
Milton Friedman ist Träger des Wirtschaftsnobelpreises und leitendes Forschungsmitglied am Hoover-Institut.
Für einen Wirtschaftswissenschaftler weisen die neunziger Jahre eine verblüffende Ähnlichkeit mit zwei früheren Dekaden auf, nämlich mit den zwanziger Jahren in den USA und den achtziger Jahren in Japan. In allen drei Jahrzehnten führten technologische Veränderungen zu außerordentlichem Wirtschaftswachstum. Man sprach von einem „neuen Zeitalter“, und an den Börsen begann eine Hausse, der schließlich ein völliger Zusammenbruch der Märkte folgte. Dieses Phänomen gilt allgemein als das Platzen einer Spekulationsblase. Auf die zwanziger Jahre folgte in den USA die große Depression, auf die achtziger in Japan folgten Stagnation und immer wiederkehrende Rezessionsphasen. Was werden die Folgen der Entwicklung in den neunziger Jahren sein? Und welche Rolle spielt die Geldpolitik in diesem Zusammenhang?
Während der ersten zehn Jahre dieser Episoden entwickelte sich das Wachstum jeweils ähnlich. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg in den USA von 1919 bis 1929 durchschnittlich um 3,3 Prozent jährlich, in Japan von 1980 bis 1990 um 3,7 Prozent jährlich und in den USA von 1990 bis 2000 um 3,2 Prozent. Auf die beiden früheren Episoden folgten völlig unterschiedliche Entwicklungen - eine echte Katastrophe in den USA und Stagnation in Japan. Vom Höhepunkt im Jahre 1929 bis zur Talsohle 1933 fiel das BIP in den USA um mehr als ein Drittel, und selbst beim nächsten Konjunkturhoch 1937 wurde der Höchststand von 1929 nicht erreicht. In Japan fiel das BIP einige Quartale nur geringfügig unter den ursprünglichen Höchststand, stagnierte dann ungefähr zwei Jahre und kehrte auf einen langsamen, jedoch von hohen Schwankungen geprägten Wachstumspfad zurück.
In den USA stieg die Arbeitslosenquote am Tiefpunkt der Depression von 1933 auf 25 Prozent. Im restlichen Jahrzehnt, von 1934 bis 1939, lag die Arbeitslosigkeit bei durchschnittlich 18 Prozent. In Japan überstieg die offizielle Arbeitslosenrate nie den einstelligen Bereich. Diese Zahl verdeckt das tatsächliche Ausmaß der Situation, sowohl auf Grund unterschiedlicher Erfassungsmethoden als auch unterschiedlicher Kulturen im Bereich des Arbeitsmarkts. Trotzdem steht fest, dass eine mit den US-Zahlen vergleichbare Schätzung niemals auch nur annähernd eine Rate von 25 Prozent ergeben hätte.
Analog besteht eine verblüffende Ähnlichkeit zwischen den drei Hausse-Phasen auf den Aktienmärkten, die sogar bis in die Frühphase des derzeitigen Abschwungs reicht. In den sechs Jahren vor dem Höhepunkt auf den Aktienmärkten stiegen die Indizes in den USA von 1923 bis 1929 um 333 Prozent, in Japan von 1983 bis 1989 um 387 Prozent und in den USA von 1994 bis 2000 um 320 Prozent.
Der anschließende Rückgang war in Japan in den neunziger Jahren weitaus weniger stark als in den USA in den Dreißigern, mit 55 Prozent gegenüber 80 Prozent vom Höhepunkt bis zum ersten Tief. Der japanische Index stagnierte jedoch in den Neunzigern und ist in jüngster Zeit wieder stark gefallen, während der US-Index sich von seinem Tief 1933 wieder schnell erholte.
Die Geldmenge stieg in den drei Dekaden vor dem Höhepunkt an den Börsen ziemlich gleichmäßig. Allerdings war die Steigerungsrate in Japan wesentlich höher mit 9,1 Prozent jährlich von 1980 bis 1990, gegenüber 3,9 Prozent jährlich von 1919 bis 1929 und 4,1 Prozent jährlich von 1990 bis 2000 in den USA. Die höhere Rate in Japan könnte erklären, warum die Blase in Japan so viel stärker aufgebläht war als ihre Pendants in den USA.
In den folgenden Jahren wichen die Entwicklungen weit stärker voneinander ab. In den USA ging die Geldmenge von dem Konjunkturhochpunkt 1929 bis zum Tiefstand 1933 um mehr als ein Drittel zurück. Die japanische Geldmenge fiel im ersten Jahr nach dem konjunkturellen Höchststand um zwei zehntel Prozentpunkte und stieg dann jeweils um 2,5 Prozent in den nächsten beiden Jahren. In der jetzigen Episode ist die Geldmenge in den USA in den ersten fünf Quartalen nach dem konjunkturellen Höchststand bereits um über 11 Prozent gestiegen.
Diese Unterschiede beim Geldmengenwachstum sind ein Hauptgrund, warum die Kontraktion in den USA von 1929 bis 1933 so viel stärker ausfiel als das stagnierende Wirtschaftswachstum bzw. die leichte Kontraktion in Japan. Sie lassen auch darauf schließen, dass die gegenwärtige Reaktion in den USA wesentlich sanfter sein wird als in den beiden vorhergehenden Episoden.
Die Nachweise für einen allgemeinen Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Geldmenge und der Entwicklung der Konjunktur gehen jedoch weit über die drei Episoden hinaus. Jede große Depression war entweder von einem Einbruch der Geldbasis, das heißt von Schwierigkeiten des Bankensystems zusammen mit einem Rückgang der Geldmenge, begleitet, oder ein solcher Einbruch ging ihr voraus. Ebenso war jede große Inflation von einem starken Anstieg der Geldmenge begleitet, oder dieser ging ihr voraus. Zentralbanker und sonstige „Studenten des Geldes“ haben diese Lektion gelernt, was teilweise erklärt, warum sich die große Depression in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg trotz mehrmaliger Anzeichen nicht wiederholt hat. Die US-Notenbank Fed unter Alan Greenspan wendet diese Lektion zurzeit an. Aus diesem Grund besteht Anlass zur Hoffnung, dass die derzeitige Rezession sanft sein und sich bald wieder Expansion einstellen wird.
Was die Zukunft bringt, wird selbstverständlich von der Entwicklung der Geldpolitik abhängen. Obwohl die derzeitige Wachstumsrate der Geldmenge von über zehn Prozent nachhaltig und möglicherweise zur Abwehr einer wirtschaftlichen Kontraktion sowie als Reaktion auf die Ereignisse vom 11. September sogar wünschenswert ist, wird eine anhaltende Wachstumsrate in dieser Höhe mit Sicherheit das Gespenst der Inflation wieder aufleben lassen.
Allerdings hat die Fed beim Abschwung mit Weitsicht gehandelt, und ich bin zuversichtlich, dass sie auch beim Aufschwung wieder rechtzeitig Maßnahmen ergreifen wird, um derartige Folgen zu verhindern.
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© The Wall Street Journal
HANDELSBLATT, Freitag, 01. Februar 2002, 06:01 Uhr
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