- Berliner Bankgesellschaft: Pruefer wollen Buergschaft ueber 35 Milliarden EUR!! - rodex, 02.02.2002, 15:19
- Dt. Staatsbürgschaft für BB ist so als würde US-Regierung für ENRON bürgen! (owT) - Wal Buchenberg, 02.02.2002, 17:09
- Wunder, daß nicht schon Steine fliegen - Kasi, 02.02.2002, 17:20
- Re: Berliner Filzgesellschaft: Und immer noch gibts Käufer für BB-Zertifikate! - André, 02.02.2002, 17:57
- Leute, wir werden bald wieder auf den Straßen stehen. München ist nichts dagegen (owT) - Standing Bear, 02.02.2002, 18:15
Berliner Bankgesellschaft: Pruefer wollen Buergschaft ueber 35 Milliarden EUR!!
Berlin:"Das war Kollektiv-Wahnsinn"
Aus der Übernahme von Altrisiken im Immobilienbereich der
Bankgesellschaft kommen auf das Land Berlin neue Forderungen zu:
wenigstens fünf, wahrscheinlich aber acht Milliarden Euro. Sogar die
EU-Höchstgrenze für die Neuverschuldung in Deutschland könnte
überschritten werden.
Der Mann hatte noch gut reden. Wacker versicherte Berlins
Regierender Bürgermeister im Atrium eines Bankhauses am Brandenburger
Tor einem Kreis von Kulturfreunden, die Hauptstadt werde sich auch
weiterhin drei Opernhäuser leisten können. Als Klaus Wowereit aber am
vergangenen Montag zum nächsten Termin eilte, entfuhr ihm ein
Stoßseufzer:"Gott sei Dank ging's heute nur um kleine Zahlen."
Die dicken Brocken kommen aber noch, schon in dieser Woche. Wenn
Finanzsenator Thilo Sarrazin die Eckdaten des Haushalts 2002 und 2003
im Senat vorlegt, ist ein Posten dabei, der auf lange Sicht den
ohnehin nur noch geringen finanziellen Spielraum praktisch auf null
bringt.
Das Land muss in bisher ungeahntem Ausmaß zusätzlich für das
Immobilienfondsdesaster der Bankgesellschaft Berlin einstehen: Im
günstigsten Fall, so haben Wirtschaftsprüfer errechnet, sind das rund
fünf Milliarden Euro; ändert sich die Marktsituation nicht, werden es
rund acht Milliarden; und um die Bank wirklich von allen denkbaren
Risiken freizustellen, halten die Prüfer gar eine Bürgschaft oder
Garantie über realitätsferne 35 Milliarden Euro für notwendig.
Dabei glaubte der Senat im vergangenen Sommer, nachdem er fast 1,8
Milliarden Euro Kapital nachgeschossen hatte, das Gröbste hinter sich
zu haben. Im Dezember war dann eine pauschale Garantie der
Risikoübernahme erforderlich, um das Institut vor der Pleite zu
bewahren. Jetzt ist die milliardenschwere Ausfallbürgschaft
unumgänglich, die"Haushaltsverpflichtungen in den nächsten 25
Jahren" (Sarrazin) bringt.
Die Folgen für die Hauptstadt formuliert PDS-Haushaltsexperte Harald
Wolf vornehm so:"Die von der rot-roten Koalition beschlossenen
Einsparungen werden in erheblichem Maße durch die neuen Belastungen
aus dem Bankgeschäft wieder aufgefressen." Praktisch bedeutet es,
dass die Berliner, die schon angesichts der Einsparung der
Polizei-Reiterstaffel Wallfahrten in die Ställe organisieren, dem
Spardiktat wehrlos ausgesetzt sind. Von nun an wird es kein Tabu mehr
geben.
Die Lage ist so dramatisch, dass die stillschweigende Übereinkunft,
den Haushaltsnotstand Berlins erst nach der Bundestagswahl
höchstrichterlich vom Bundesverfassungsgericht feststellen zu lassen,
kaum noch eingehalten werden kann. Unter den Haushaltsexperten der
Koalition wird sogar diskutiert, ob es nicht sinnvoll sein könne, die
Hauptstadt wie einst New York einem Sparkommissar zu unterstellen.
Die Schieflage könnte selbst den Bund in Bedrängnis bringen. Die
Bundesrepublik, befürchtet Ex-Finanzsenator Peter Kurth (CDU),
"könnte als erstes Land in der Geschichte der Europäischen Union die
Maastricht-Kriterien verletzen". Die Warnung im so genannten"Blauen
Brief" aus Brüssel (siehe Seite 24) wäre in dem Moment von der
Realität überholt, in dem sich das Land nicht mehr in der Lage sieht,
die Risikoübernahme weiter zu garantieren  eine Situation, die nicht
mehr kategorisch ausgeschlossen wird. Dann könnte die Neuverschuldung
die Höchstgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts
übersteigen.
Die zu 81 Prozent landeseigene Bankgesellschaft hatte sich in der Ära
des Dauerregenten Eberhard Diepgen (CDU) aufgemacht, das
Immobilienfonds-Geschäft bundesweit zu dominieren. Angeführt von
Bankgesellschaft-Chef Wolfgang Rupf und inspiriert vom Bankkollegen
Klaus Landowsky, der als CDU-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus auch
für die politische Rückendeckung sorgte, engagierte sie sich
vornehmlich im Osten  und zog die Hauptstadt in den finanziellen
Ruin.
Während die Wirtschaftsprüfer sich in den letzten Wochen mühten, die
Belastungen für die Steuerzahler zu addieren, war einer der
Hauptverantwortlichen der Krise emsig unterwegs. Der Ex-Banker und
Ex-Politiker Landowsky, dessen blütenweiße Visitenkarte jetzt
"Rechtsanwalt" als Beruf angibt und der auf Fortzahlung voller Bezüge
pocht, war überall willkommen. Auferstanden aus Ruinen und den
Häppchen zugewandt, zeigte er sich beim Neujahrsempfang eines
Verlages (Buletten in Silbertrögen), beim"Gourmet-Frühstück" des
Radiosenders"Hundert,6" (Austern und Champagner), bei einer Premiere
in der"Bar jeder Vernunft" (Sushi), bei einem Geburtstagsdinner
(Salat von Hummerschwänzen) oder beim"BZ"-Kulturpreis (sechs
Hirschrücken, 1850 Austern).
Ähnlich sorglos hatte sich auch die Bank mit ihren Töchtern ins
Immobilienabenteuer gestürzt. Die laufende Prüfung der so genannten
Sorglos-Fonds zeigt, mit welch widersinnigen Konditionen die Banker
bundesweit 70 000 Anleger keilten, ihnen Steuervorteile verschafften
 und die milliardenschweren Risiken beim Land abluden. So wurde
den Investoren die Mieteinnahmen über 25 oder sogar 30 Jahre
garantiert  weil die Realmieten aber sanken, muss das Land schon
jetzt mit jährlich mindestens 100 Millionen Euro die Differenz
ausgleichen;
für etwa die Hälfte der Fonds sogar eine Staffelmiete mit jährlicher
Steigerung um drei Prozent garantiert  da die Inflationsrate
tatsächlich darunter liegt, vergrößert sich das Defizit bei den
Mieteinnahmen hier noch überproportional;
die Rücknahme der Fondsanteile zum vollen Preis garantiert  wegen
der sinkenden Gewerbemieten ist jedoch bislang eine Wertminderung von
knapp 30 Prozent festzustellen;
den Anlegern für Bau, Kauf oder Sanierung der für die Fonds
vorgesehenen Objekte ein Fixpreis genannt. Wird der in der
Herstellungsphase überschritten, hat die Bank die Mehrkosten zu
tragen.
Mietgarantien (rund 3 Milliarden Euro), Staffelmieten (1,5),
Rücknahmegarantie (3) und Fixpreis sowie weitere Garantien (0,5)
summieren sich zu jenem Defizit von acht Milliarden Euro, das die
Prüfer"konservativ gerechnet" für wahrscheinlich halten. Wolf sieht
damit"das Land an die Bank verpfändet".
Sarrazin mag keine Zahlen nennen, spricht lieber von einem
"Rückstellungsbedarf in sehr großem Ausmaß". Beim
Immobilienfonds-Altgeschäft habe es"an Urteilskraft und Kontrolle
gefehlt". Der Finanzsenator nennt die Sorglos-Fonds"eine Art
Bundesschatzbrief mit Steuervorteil", also eine Anlage mit doppelter
Gewinngarantie."Das war Kollektiv-Wahnsinn".
Oder womöglich noch mehr. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des
Verdachts der Untreue. Ihr erstes Fazit: Bei den Immobilien handele
es sich"zum großen Teil um Objekte", bei denen"von vornherein die
prospektierten ( und damit garantierten ÂRed.) Mieteinnahmen nicht am
Markt erwirtschaftet werden können". Die erfolgte Inanspruchnahme der
Mietgarantien lasse auf eine dauerhafte und durchgängig mangelhafte
Rentabilität schließen.
Funktioniert hatte alles nur, solange die Bankgesellschaft ihr
gigantisches Schneeballsystem in Gang halten konnte: Verluste
bestehender Fonds wurden durch den Abschluss neuer, noch größerer
Fonds kompensiert. Als der damalige Finanzsenator Kurth im März
vergangenen Jahres das Treiben beendete, stürzte das Berliner
Immobilienreich wie ein Kartenhaus zusammen  die Bank hatte aber
bereits"Vorrats-Objekte" im Wert von 3,5 Milliarden Euro erworben,
die in künftige Fonds gepackt werden sollten."Die Idioten haben
alles gekauft, was irgendwo rumstand", beschreibt ein Manager des
Instituts sarkastisch die Arbeitsweise.
Mögen die Banker auch den Überblick über die Deals verloren haben,
den eigenen Vorteil oder den der Polit-Prominenz hatten sie stets im
Auge. Für Anleger besonders lukrative Fonds wurden meist nur einem
kleinen Kreis angeboten. Während Stadtentwicklungssenator Peter
Strieder nur die Segnungen eines Sorglos-Fond kassierte, zeichneten
in den Vorzugsfonds etwa Barbara Genscher, Ehefrau des ehemaligen
Außenministers, eine halbe Million Euro, der designierte neue
Aufsichtsratschef Ernst-Otto Sandvoß 50 000 Euro, der
Ex-Schatzmeister der Berliner CDU, Dankward Buwitt, und auch andere
Bankvorstände, inklusive Landowsky.
Da ist es nur konsequent, dass das Land als Haupteigner und letztlich
Hauptgeschädigter der Bank inzwischen"mögliche Regressansprüche"
gegen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder prüft. In den
Aufsichtsgremien saßen stets auch führende Landespolitiker  von CDU
und SPD.
Doch die können die Bank nicht mehr retten. Zunächst muss
EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti prüfen, ob die direkte
Kapitalerhöhung im vergangenen Jahr und die künftige Risikoübernahme
den Brüsseler Normen entspricht. Sarrazin ist da optimistisch:"Wenn
ein Eigentümer sein Eigentum retten will, ist das keine klassische
Subvention."
Kommt Monti zu einem anderen Urteil, halten Koalitionspolitiker"das
Insolvenz-Szenario" für denkbar  die bisher größte Pleite in der
deutschen Bankengeschichte. Sarrazin hält diese Lösung angesichts der
Gewährsträgerhaftung des Landes"nur theoretisch für möglich". Dann
blieben womöglich nicht mal mehr"eine starke Regionalbank und die
Sparkasse" übrig.
Dennoch errechnen Wirtschaftsprüfer bereits, ob die Radikallösung
nicht die sinnvollste, weil billigste ist. Sollte Brüssel sein Veto
einlegen oder die Haushaltsbelastung ins Uferlose steigen, sagt ein
hoher Haushälter,"fahren wir die Bankgesellschaft gegen die Wand".
Angesichts des Desasters bleibt dem Finanzsenator nur, sich an das
Anforderungsprofil für seinen Job zu halten. Der Kassenwart der
Hauptstadt, pflegt SPD-Fraktionssprecher Peter Stadtmüller gern zu
scherzen, müsse"ein fröhlicher Fatalist sein". Also nennt Sarrazin
das folgenschwere Immobiliendebakel der landeseigenen Bank zwar"ganz
sicher eine Katastrophe". Doch die sei,"gemessen an den
Gesamtproblemen des Berliner Haushalts, nicht das dominierende
Thema".
WOLFGANG BAYER, STEFAN BERG, WOLFGANG REUTER
http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,180486,00.html
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