- Dr. Bernd Niquet: Die völlig neue doppelte Buchführung - yatri, 08.02.2002, 10:34
Dr. Bernd Niquet: Die völlig neue doppelte Buchführung
Dr. Bernd Niquet
Die völlig neue doppelte Buchführung - oder: Die Guten ins Kröpfchen, die Schlechten ins Töpfchen.
"Mich stört, dass nicht ein Mensch aufsteht und sagt: Das ist doch alles Quatsch!" Das sagte der ehemalige Chefvolkswirt der Dresdner Bank, Dr. Kurt Richebächer, bereits im November letzten Jahres anlässlich eines Vortrages in Berlin über die vermeintliche Wirtschaftswunder in den USA in Verbindung mit der vermeintlichen Super-Rentabilität der US-Unternehmen. Heute hingegen, nur wenige Monate später, werden die ersten zögerlichen Stimmen laut. Natürlich sagt zwar noch niemand"Das ist doch alles Quatsch!", doch zumindest werden die ersten Zweifel geäußert, ob denn das so alles seine Richtigkeit hat.
Bei genauem Hinsehen merkt man jedoch, dass wir es in ganz großen Stile mit einer neuen Variante der doppelten Buchführung zu tun haben. Doppelte Buchführung nicht etwa, weil man einmal im Soll und einmal im Haben bucht, sondern doppelte Buchführung, weil man einmal mit den einen und ein anderes Mal mit den anderen Zahlen bucht.
Beispiel (1) - Mikroökonomie: Die Unternehmen geben in der Regel Zahlen nach dem Konzept EBIT (Ergebnis vor Zinsen), EBITDA (Ergebnis vor Zinsen und Abschreibungen) oder gar nur Proforma-Gewinne bekannt, in denen letztlich alle wesentlichen Kostenfaktoren ausgeblendet sind. Kein Wunder daher, dass die Propagandazahlen der Unternehmen glänzend aussehen, die in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung gemessenen Ergebnisse hingegen bereits im Boom gezeigt haben, dass wir es mit der schlechtesten Gewinnentwicklung aller Zeiten in einem Boom zu tun hatten.
Beispiel (2) - Makroökonomie: Im Rahmen der nominalen Erfassung der US-Statistik in der amtlichen Sozialprodukts- und Einkommensstatistik haben die Ausgaben der US-Unternehmen für Computer im Zeitraum von 1997 bis 2000 34 Mrd. Dollar betragen, was für eine Volkswirtschaft der Größe der USA eine beinahe vernachlässigbare Größe ist. In der Realrechnung, also der Transformation der Nominalzahlen durch einen"hedonistischen" Preisdeflator, der die"wirklichen" Verhältnisse auszudrücken gedenkt, werden aus diesen tatsächlichen 34 Mrd. Dollar 214 Mrd. Dollar. Von fünf Dollar Computerinvestitionen haben also vier Dollar nur auf dem Papier stattgefunden.
Beispiel (3) - ebenfalls Makroökonomie: Bis zu diesem Jahr konnten wir in den Zeitungen stets vom Wunder der Rückführung des US-amerikanischen Haushaltsdefizits lesen. Nach den Propagandazahlen der US-Adminstration hat der US-Haushalt im Jahr 2000 einen Überschuss in Höhe von 281 Mrd. Dollar erzielt, im Jahr 1999 waren es 124 Mrd. Dollar, 1998 noch 69 Mrd. Dollar und 1997 immerhin schon 39 Mrd. Dollar. Schaut man hingegen in die von der (autonomen) Federal Reserve Bank herausgegebene"Flow of Funds"-Statistik, dann findet man plötzlich keine Überschüsse mehr, sondern nur noch enorme"Credit Markte Borrowings": 1997 ein Defizit von 236 Mrd. Dollar, 1998 ein Defizit von 418 Mrd. Dollar, 1999 ein Defizit von 520 Mrd. Dollar und 2000 ein Defizit von 137 Mrd. Dollar. Die Schattenhaushalte lassen grüßen.
Zahlen und Zahlen sind also zweierlei: Und wir können gespannt darauf sein, welche Antwort die Aktionäre in diesem Jahr noch alles geben werden, wenn wieder einmal die gute alte Frage gestellt wird: Welche Zahlen wolln mer denn?
Bernd Niquet, Februar 2002
Kreative Buchführung auf die Spitze getrieben: Lesen Sie dazu Bernd Niquets neuen Roman"Der Zauberberg des Geldes", FinanzBuch Verlag, München 2002, mit einem Vorwort von Joachim Bessing, 208 Seiten, Euro 17, ISBN 3-932114-69-8, jetzt überall im Buchhandel.
07.02.2002
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