- Warenpreisinflation trifft US-Industrie - eferis, 21.08.2000, 18:13
- Preisanstiege ziemlich stark - Sascha, 21.08.2000, 20:07
- Re: USA - mal wieder sehr grundsätzlich, d.h. meine Wertung per heute - dottore, 21.08.2000, 20:15
Re: USA - mal wieder sehr grundsätzlich, d.h. meine Wertung per heute
>Obwohl die offiziellen US-Statistiken ein anderes Bild abgeben, leidet die amerikanische Wirtschaft gegenwärtig unter einer Warenpreisinflation, die weit über die Auswirkungen der Ã-lpreiserhöhung hinausgeht. Hinzu kommt bekanntlich die gigantische Wertpapier-Preisinflation an den US-Börsen. Nach Zahlen der US-Zeitschrift Purchasing Magazine, die auf Märkte für Grundstoffe und Halbfertigprodukte spezialisiert ist, sind die Preise auf diesem Industriemarkt in den letzten 12 Monaten um 10-50% gestiegen, teilweise sogar noch mehr.
>Hier einige Beispiele für den Preisanstieg von Mai 1999 bis Mai 2000:
>Heißgerolltes Stahlblech +20%, Kohlenstoffarmer Walzdraht +12% Rostfreier Stahl +16% Rohaluminium +17% Kupferdrahtbarren +27% Nickel +37% Papierbrei +67% Chlor +55% Schwefelsäure +37%
>Verschiedene Industrieverbände warnen vor dieser Inflationsentwicklung, so der Verband Unabhängiger Unternehmen NAIB und die Vereinigung für Betriebswirtschaft NABE. In einer neuen Umfrage meldeten 60% der NABE-Mitgliedsfirmen steigende Materialkosten, und 50% der Unternehmen wollen den Kostenanstieg weitergeben und noch in diesem Jahr die Preise erhöhen. Auf diesem Wege greift die Kosteninflation vom Grundstoffsektor auf den Bereich der Fertigprodukte und von dort auf die Gesamtwirtschaft über.
>Die NABE-Umfrage ergab auch die"größten Lohnerhöhungen seit 1989", vor allem wegen des Mangels an qualifizierten Arbeitskräften - der selbst wiederum ein Produkt des vorangegangenen"Downsizing" der Industriearbeiterschaft und des Zusammenbruchs des Bildungssektors in Amerika ist. Außerdem steigt der Druck für Lohnerhöhungen u.a. durch steigende Kosten im Gesundheitswesen und die beschleunigte Immobilieninflation.
>
>Quelle:http://www.eirna.com/cgi-local/alert.pl
Exzellentes Material!
Vielleicht jetzt dieses Szenario: AG möchte wg. Wahlbeeinflussung jetzt nicht mehr die Fed Fund Rate erhöhen. Obwohl er eigentlich für die Republikaner ist, denen ein Chill kur vor dem Urnengang zu Pass käme (und Clinton, der AG berufen hat - möglicherweise wg. des Chill-Faktors - im tiefsten Herzen auch nicht will, dass Gore sein Nachfolger wird; er verblaßte dann noch mehr in den Geschichtsbüchern).
--- Woraus sich eine 20 Prozent Chance auf höhere Zinsen ergibt.
AG kann das Ganze mit den Preisen aber nicht etwa nicht (!) sehen. Er könnte also nach der Sitzung oder beim nächsten Hearing sagen: Ja, dem lustigen Treiben schauen wir nur noch eine Zeitlang zu (post Wahltag), dann aber wird so gnadenlos reingehauern, dass alle quieken.
--- Chance: 30 Prozent.
Oder er macht nix und sagt auch nix, nicht mal andeutungsweise. Dann aber wird das Aufatmen nur ganz kurz andauern. Dann jedem wird vermutlich klar werden, dass eine in Sachen Kapazitätsauslastung und Kreditnahme-Möglichkeit (Möglichkeit!) aufs Extremste ausgereizte Ã-konomie nicht noch unendlich steigerungsfähig sein kann.
--- Mögliche 40 Prozent.
Und die letzten spendiere ich dem Straight-Szenario: Zinsen rauf, it's very simple, stupid.
--- die verbliebenen 10 Prozent.
Ich habe eben lange mit einem unserer Korrespondeten in NY telefoniert, um mir ein aktuelles Bild zu machen. Summa: Blue Sky everywhere, es werden Schulden gemacht als gäbe es kein Morgen, Preisempfinden (Mieten, Energie ausgenommen) absolutely fine, jeder umarmt jeden.
Leute, zu denen der Korrespondent - wie viele seiner Kollegen - auch gehört, die ganz deutlich spüren, dass das nie und nimmer so weitergehen kann, werden überhaupt nicht zur Kenntnis genommen, geschweige, dass mit ihnen diskutiert wird.
Vor der Wahl passiere so wie so nix (mein Einwand: What everybody knows is worthless machte den Korrespondenten allerdings stutzig), und jeder rechne mit einem nicht mehr so dramatischen, aber doch deutlichen Up-Move des Dows usw., zumal die Nasdaq-Korrektur"very healthy" gewesen sei, usw.
Die Lage ist
a) massenpsychologisch völlig einwandfrei als Kollektivhalluzination in prachtvollster Ausbildung zu erkennen. Das Land ist toll, die Wirtschaft ist toll, der nächste Präsident ist toll, und niemals kann mehr was passieren (obendrein ist der letzte Rest of Russian Pride soeben nördlich Murmansk versunken).
b) Fundamental: Die Surface-Zahlen (CPI usw.) sind ganz passabel, aber drunter grummelt es gewaltig, siehe das Material oben.
c) Zeitachse: Die Wahl ist ganz klar ein großer Einschnitt. Und zwar nicht, weil es eine Wahl ist, sondern weil die Leute anschließend merken, dass d a s alles war. Es geht ja nicht um die Wahl eines Veränderers, Retters, Heilands gar. Aber es wird so getan als ob.
Der große Philosoph und Neokantianer Hans Vaihinger hat über die Theorie des Als-Ob ein dickes Buch geschrieben. Am meisten haben mir darin die Passagen gefallen, wo er beschreibt, was passiert, n a c h d e m das Als-Ob als solches enttarnt wird. Jede Fiktion muss sich zum Schluss nämlich doch am praktischen Lebenswert messen lassen. Und erscheint der nicht (und wie s o l l t e er in den USA auch erscheinen!), kollabiert das Ganze.
d) EWA-mäßig: Seit längerem sehen wir - von Finessen, Subwellen-Zählungen usw. abgesehen - sehr wenig. Praktisch nirgendwo etwas, das den Namen"Impuls" oder gar"Filetstück" (schöner Begriff, JüKü übrigens) verdienen würde. Jeder belauert jeden und es ist Arbeit mit der Nagelschere angesagt. Ob angebracht, weiß ich nicht. Es ist Niemandsland oder was Ortega y Gasset einmal so unvergleichlich mit den Worten umschrieben hat:"Stellen Sie sich vor, jemand hat im Freien vollständig die Orientierung verloren..."
Soll nicht heißen, dass wir hier komplett im Nebel herumstochern, weiß Gott nicht. Aber es gibt den Atem der Geschichte und der ist nie intensiver zu spüren, wenn man ihn nicht spürt. Ist es das Auge des Hurrikans? Kann sein.
Ich bleibe daher bei meinem Eindruck: BIG KAHUNA STRAIGHT AHEAD.
Wer das auch mal von einem ganz anderen Blickwinkel her studieren möchte: Lese er eine Beschreibung der letzten Jahre der k.u.k.-Monarchie. J E D E R wusste, dass es zu Ende geht, aber keiner wollte darüber nachdenken.
Ich bleibe Optimist, zumindest, was die Kraft des Boards hier angeht, die Dinge klar zu sehen, richtig ein zu ordnen und rechtzeitig die erforderlichen Entscheidungen zu treffen.
Danke fürs Lesen.
d.
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