- Strukturkrise am Bau bedroht Unfallversicherung - Sascha, 14.02.2002, 09:13
Strukturkrise am Bau bedroht Unfallversicherung
Kein Ende des Job-Sterbens in der Branche in Sicht- EU-Osterweiterung erhöht Handlungsdruck auf den Gesetzgeber
<font size=5>Strukturkrise am Bau bedroht Unfallversicherung</font>
HANDELSBLATT, 14.2.2002
pt BERLIN. <font color="#FF0000">Die deutschen Bauwirtschaft bleibt auf Talfahrt. Nach Schätzungen des Münchner Ifo-Instituts werden die 2001 um 5,7 % gesunkenen Bauinvestitionen dieses Jahr erneut um 3,9 % zurückgehen</font>. <font color="#FF0000">Seit 1995 sank die Zahl der Beschäftigten im Bauhauptgewerbe von 1,5 Millionen auf rund 900 000, und ein Ende des Job-Sterbens ist nicht in Sicht</font>.
Während die Wirtschaftsforschungsinstitute von einem Gesundschrumpfen der nach der Wiedervereinigung überhitzten Baubranche reden, treiben die Bauverbände und die IG Bau ganz andere Sorgen um. Sie fürchten, dass die Strukturkrise die hundertjährige gesetzliche Unfallversicherung am Bau mit in den Abwärtsstrudel zieht.
Rund 1,5 Mrd. Euro geben die sieben Bau-Berufsgenossenschaften (BGen) im Jahr für die Folgen von Arbeits- und Wegeunfällen, von Berufskrankheiten, für Rehabilitation und die Überwachung der Baustellen aus. <font color="#FF0000">Finanziert werden sie von den Bauunternehmen, die per Gesetz dazu verpflichtet sind."Für die Unternehmen, vor allem in Ostdeutschland, werden die Kosten unbezahlbar,"</font> klagt der Hauptgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der Bauberufsgenossenschaften, Joachim Berger. Obwohl die Unfallzahlen rückläufig sind, steigen die vom Lohn zu zahlenden Beiträge. Grund: Mit jeder Pleite und jeder Entlassung schrumpft die Lohnsumme, also die Finanzierungsbasis. Verglichen mit 1995 beläuft sich der Rückgang auf satte 14 %. Zudem geraten die Lohnsummen immer weiter unter Druck, weil Ost-Baufirmen mit ihren niedrigeren Löhnen die Westbetriebe verdrängen.
Die bittere Konsequenz ist, dass allein 2002 den Mitgliedsfirmen der für die neuen Länder zuständigen BGen Beitragserhöhungen von 5 bis 7 % ins Haus stehen. <font color="#FF0000">Mit 8 bis 9 % des Bruttolohns zahlen viele Betriebe längst mehr an die Unfallversicherung als an die gesetzlichen Krankenkassen</font>.
Grund für die wachsende Schieflage ist nicht nur der Schrumpfungsprozess der Branche. <font color="#FF0000">Mindestens ebenso drückt die Verdrängung deutscher Baubeschäftigter durch billigere Auslandskonkurrenz auf die Lohnsummen - ausländische Subunternehmer zahlen in Deutschland keine Sozialabgaben</font>; gleichwohl müssen die BGen für sie die Kosten der Prävention tragen. Auch die <font color="#FF0000">Kosten durch Unfälle und Berufskrankheiten der 400 000 illegal Beschäftigten am Bau von 50 Mill. Euro jährlich müssen die Baubetriebe über ihren Beitrag finanzieren</font>.
Und mit der EU-Osterweiterung droht eine weitere Verschärfung der Lage. Vergeblich haben Baugewerkschaft und -wirtschaft versucht, eine zehnjährige Übergangsfrist bis zur völligen Freizügigkeit für die Arbeitnehmer der Beitrittsländer durchzusetzen. Nach dem in Brüssel erzielten Kompromiss darf Deutschland seine Bauwirtschaft aber nur maximal sechs Jahre von der Billigkonkurrenz aus dem Osten abschotten -"zu wenig", meinen IG Bau und der Hauptverband der Bauindustrie unisono.
Im Hauptverband aller BGen wird derzeit fieberhaft Selbsthilfe nachgedacht. Eigentlich gebe es nur eine Lösung, meint Berger:"Wir müssten einen von allen finanzierten Altlastenausgleich organisieren." Bislang sträuben sich aber die Unfallversicherer florierender Branchen dagegen, die Kosten für die Altfälle sterbender Branchen,wie etwa der Textilindustrie, zu übernehmen. Doch einen Modellfall gibt es bereits. <font color="#FF0000">In den 60er-Jahren hat der Gesetzgeber für die Bergbau BG einen Lastenausgleich eingeführt, der von allen BGen finanziert wird</font>.
Quelle: HANDELSBLATT, Donnerstag, 14. Februar 2002, 06:01 Uhr
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