- Wird Europa wirklich an der Seite Washingtons stehen? - Sascha, 14.02.2002, 09:32
Wird Europa wirklich an der Seite Washingtons stehen?
Gastkommentar: Beim Krieg gegen den Terror nehmen die transatlantischen Spannungen zu
<font size=5>Wird Europa wirklich an der Seite Washingtons stehen?</font>
Von DEREK CHOLLET
Derek Chollet war während der Clinton- Administration im US-Außenministerium tätig und ist heute Robert Bosch Fellow an der"American Academy" in Berlin.
<font color="#FF0000">In der jüngsten"State of the Union"-Rede des amerikanischen Präsidenten George Bush war die Botschaft an seine Landsleute mehr als klar. Sie war eindeutig: Der Krieg gegen den Terrorismus hat gerade erst begonnen, und die Vereinigten Staaten sind entschlossen, ihn bis zu einem erfolgreichen Ende auszufechten</font>. George Bush rief seine Landsleute dabei auf, alle möglichen Anstrengungen zu unternehmen, um gegen die Feinde des Westens anzugehen.
Stützen kann er sich bei seiner Politik auf die Zahlen, die ihm Meinungsforschungsinstitute liefern: Die Zustimmungswerte, die Bush als Präsident der Vereinigten Staaten zurzeit erhält, <font color="#FF0000">sind die höchsten Werte, die ein amerikanischer Präsident in den letzten 50 Jahren je für sich verbuchen konnte</font>.
<font color="#FF0000">Aber werden auch Amerikas europäische Alliierte dem Kurs der Vereinigten Staaten folgen? Und, noch mehr: Sind sie auch innerlich bereit dazu?</font>
Bis jetzt, so muss die Antwort wohl oder übel lauten: nein. In Berlin hat die Regierung von Kanzler Schröder zurzeit alle Hände voll damit zu tun, die"Peace keeping"-Mission der Bundeswehr in Afghanistan zu managen. Sie denkt nicht im entferntesten daran, mit den Vereinigten Staaten zusammen über weitere Schritte in der Terrorbekämpfung auch überhaupt nur nachzudenken.
Ein enger Kanzlervertrauter erklärte mir nur einen Tag nach der Rede George Bushs unmissverständlich: <font color="#FF0000">Die meisten Europäer sind zurzeit weder emotional noch politisch darauf vorbereitet, den Krieg gegen den Terror weiterzuführen</font>.
<font color="#FF0000">Desgleichen sind alle Regierungschefs in Europa derzeit wenig erfreut über die"Achse des Bösen", die George Bush im Iran, Irak und Nordkorea ausgemacht hat</font>. Sicherlich, beim Stichwort Irak stimmt jeder sofort mit Bush überein, dass Saddam Hussein eine Bedrohung darstellt. Aber im gleichen Atemzug wollen die Europäer in der Regel auch sofort wissen, <font color="#FF0000">was Washington denn Genaues plant, um den irakischen Diktator ohne große kriegerische Auseinandersetzungen zu beseitigen</font>.
Größer wird im Anschluss daran die Verwunderung bei den meisten Europäern darüber, <font color="#FF0000">was denn George Bush dazu bewogen hat, den Iran und darüber hinaus auch Nordkorea bei der Terrorbekämpfung gleich mit ins Auge zu fassen</font>. <font color="#FF0000">Mit beiden Ländern versucht Europa halbwegs normale diplomatische Beziehungen herzustellen. Mit dem Iran ist dies den Europäern ja auch weitgehend gelungen</font>.
Um es klar zu sagen: Viele politische Beobachter in Washington - besonders auf Seiten der Demokraten im Kongress und frühere Mitglieder der Clinton-Regierung - teilen etliche der Bedenken, die die Europäer nun äußern.
<font color="#FF0000">Es gibt jedoch auf der anderen Seite keinerlei Anzeichen dafür, dass all diese Gegenstimmen in irgendeiner Weise dem Weg, den George Bush einschlagen will, entgegenstehen werden</font>. Es ist deshalb wichtig für die Europäer zu verstehen, dass, selbst wenn einige von Bushs Widersachern in Washington mit der Taktik des Präsidenten nicht übereinstimmen mögen, es am Ende ein weites Einverständnis darüber gibt, dass die von Bush beschworene"Achse des Bösen" so auch wirklich existiert <font color="#FF0000">und dass der Status quo gegenüber solchen Staaten nicht weiter hingenommen werden kann</font>.
Um es noch klarer zu sagen: Zum ersten Mal nach dem Ende des Kalten Kriegs stehen die Menschen in den Vereinigten Staaten geeint hinter ihrem Präsidenten und einem einzigen außenpolitischen Ziel.
<font color="#FF0000">Die Frage ist deshalb, ob es hierüber auch einen vergleichbaren internationalen Konsens geben kann</font>. George Bush will die Lasten, wenn möglich, auf viele Schultern verteilen und <font color="#FF0000">mit der möglichst größten Koalition sein Ziel erreichen</font>. In der schon erwähnten"State of the Union"-Rede <font color="#FF0000">nahm er deshalb die Worte"Verbündete" und"Koalition" mindestens zehnmal in den Mund</font>.
Dabei betonte er immer wieder - zuletzt auch bei seinem Zusammentreffen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder -, wie wichtig ihm die Einheit des Westens gerade auch in dieser Frage sei.
Aber eine solche Koalition des Westens muss auf ein gemeinsames Ziel hin ausgerichtet sein und nicht andersherum: Die Vereinigten Staaten werden nicht das Ziel - den Kampf gegen den Terror - verändern, um dann anschließend eine Allianz zusammenzustellen. Ein Bündnis muss sich eine gemeinsame Richtung setzen. Nicht vice versa.
Das bedeutet wiederum in aller Klarheit: Es ist wenig wahrscheinlich, dass sich die Vereinigten Staaten mehr als nötig um die Bedenken ihrer zögerlichen Verbündeten in Europa sorgen werden. <font color="#FF0000">Sie werden am Ende einfach handeln. Im Zweifelsfall auch ohne sie</font>.
Das wird im Weiteren auch bedeuten, dass die Vereinigten Staaten sich im Zweifelsfall weniger der Hilfe und Unterstützung solcher internationaler Institutionen wie der Nato oder der Vereinten Nationen bedienen werden, da dies eine vorherige Absprache oder gar einen Konsens erforderlich machen würde. Washingtons Kriegsplaner wollen ihre Optionen so lange und so weit wie möglich offen halten. Sie werden deshalb alles daransetzen, neue Koalitionen mit Verbündeten zu schmieden, die ihnen im Einzelfall auch bereit sind zu folgen.
<font color="#FF0000">Diese Strategie wird sicherlich viele in Europa überaus nervös machen. Aber es ist schon eine genauere Nachfrage Amerikas wert, ob einzelne europäische Länder entweder unfähig (auf Grund ihrer militärischen Möglichkeiten) oder unwillens sind, die Last der Terrorismusbekämpfung auch gemeinsam zu tragen</font>. Ist es wirklich so furchtbar für Europa, wenn - wie in Afghanistan geschehen - die Vereinigten Staaten nur mit einer kleinen Gruppe von Verbündeten agieren oder am Ende sogar ganz alleine?
Aus amerikanischer Sicht lautet die Antwort darauf schlicht und einfach: nein. Amerika befindet sich in einem Krieg. Natürlich will Präsident Bush mit so vielen engen Verbündeten, Partnern und Alliierten zusammenarbeiten, wie es eben geht. <font color="#FF0000">Aber wenn sich nur wenige dazu bereit finden, sei’s drum</font>.
Auf der anderen Seite soll die Entschlossenheit, mit der Amerika bereit ist, diesen Kampf gegen den Terror aufzunehmen, nicht gleich bedeutend damit sein, dass Europas Staatschefs keinerlei Einfluss auf die Formulierung von Washingtons Strategie nehmen könnten. Ganz im Gegenteil! Sie sollten alle Kraft darauf verwenden, Amerika davon zu überzeugen, zuerst und in jedem einzelnen Fall alle diplomatischen Lösungen auszuloten, bevor militärische Anstrengungen unternommen werden.
Sie sollten ferner immer wieder darauf drängen, dass sich die Vereinigten Staaten auch an"Peace keeping"-Missionen beteiligen. Und sie sollten nicht zuletzt darauf insistieren, dass die Vereinigten Staaten mehr als bisher unternehmen, um gegen die Wurzeln des Terrorismus in den Köpfen der Menschen anzugehen.
Am Ende aber sollte auch Europa eines klar und deutlich erkennen: Dies ist ein Kampf gegen einen gemeinsamen Feind, zu dem jeder beitragen sollte, was immer er beitragen kann. Amerika und die Amerikaner sind bereit, in diesem Kampf voranzugehen. Hoffen wir, dass die Europäer ihnen dabei auch folgen werden.
Quelle: HANDELSBLATT, Donnerstag, 14. Februar 2002, 06:01 Uhr
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