- Wirtschaftliche Erkenntnisse an Bord - André, 17.02.2002, 20:07
- Re: Traumstück! Herzlichsten Dank und Gute-Nacht-Gruß! - dottore, 17.02.2002, 21:43
- Re: Wirtschaftliche Erkenntnisse an Bord - Ghandi, 17.02.2002, 21:58
- Schöne Zusammanfassung - Caspar, 18.02.2002, 00:32
- Re: Wirtschaftliche Erkenntnisse an Bord - dottore, 18.02.2002, 09:24
- Großartige Zusammenfassung! Bravo und Gruß! Gute N8 (owT) - Galiani, 18.02.2002, 01:43
- Re: Wirtschaftliche Erkenntnisse an Bord - riwe, 18.02.2002, 07:48
Re: Wirtschaftliche Erkenntnisse an Bord
> Vollkommen richtig. Und dennoch wird von dottore
>seltsamerweise leider noch nicht gesehen, dass Debitismus
>und die dynamischen Kräfte des Zinses eine untrennbare
>Einheit bilden.
Vielleicht darf ich, da angesprochen, auf das schöne Buch"Der Kapitalismus" hinweisen, das schon 1987 erschienen ist und ganz genau dieses darstellt.
Die darin enthaltene Debitismus-Theorie wurde in einer Dissertation der HSG St. Gallen auf Herz und Nieren geprüft und als"nicht widerlegbar" apostrophiert (Koreferenten übrigens die Proff. Fredmund Malik und Hans Binswanger). Eine Nicht-Widerlegung muss nichts heißen, aber nach dem Popper-Kriterium ist davon auszugehen, dass sie damit zunächst einmal zu gelten hat.
Kapitalismus (= grosso modo heutiges"westliches" Wirtschaftssystem) ist ein vom Schuldendruck, was immer Zinserstellungsdruck bedeutet, vorangetriebenes System. Ohne Eigentum keine Verschuldungsmöglichkeit, kein Zins, kein Zwang diesen Zins zu erwirtschaften, wobei"monetär" zunächst die jeweils vorhandene Nachfrage nicht ausreicht um die Faktorkosten plus den zu ihrer Finanzierung später aufzubringenden Zins wieder einzuspielen, woraus sich automatisch Zwang zu immer weiterer, zusätzlicher Verschuldung ergibt und ergo zu immer weiterer marktfähiger und vermarkteten Produktion, um diesen Zins wiederum realwirtschaftlich (!) darzustellen. Daher die im Kapitalismus - im Gegensatz zu allen anderen Wirtschafts-"Systemen" (damals gab's noch den real existierenden Sozialismus) zu beobachtende Warenfülle, die sich nur einstellt, wenn Waren angeboten werden, um mit deren Erlös dem Schuld- und Zisndruck zu entkommen.
Das System ist ziemlich belastbar, schmiert aber ab, sobald der Erfüllungsdruck wegfällt, was durch staatliche Interventionen aller Art immer wieder versucht wird (Subventionen bis"Konjunkturprogramme", finanziert durch nicht mit Erfüllungsdruck verbundene Kredite). Der Staat versucht also, den Druck"hinten" wegzuzaubern und übersieht dabei, dass er"vorne" entstanden ist. Je geringer der Druck, desto geringer der Zwang zur realwirtschaftlichen Leistung und vor allem ihrer Vermarktung (= Akzeptanz durch den Letzverbraucher), bei der sich der Schuldner die berühmtem"Schuldendeckungsmittel", genannt"Geld" (das wiederum nur auf Grundlage bereits existierender Schuldtitel in die Welt kommen kann) besorgen muss - oder eben untergeht.
Das System wird, sich selbst überlassen, von ganz allein vorangetrieben und führt zu dem, was wir Wirtschaftswachstum nennen. Dieses Wachstum kann man selbstverständlich kritisieren (Ressourcenproblem), aber da sich Ressourcenknappheiten über den Preis zu erkennen geben, ist auch dort ein gut funktionierender Regulator eingebaut. Werden Ressourcen knapper, also teurer, beginnt über kurz oder lang ein Switch zu anderen Ressourcen (alternative Energien als Beispiel). Letztlich ist die Ressourcennutzung immer eine Funktion der Bevölkerungsvermehrung und dass auf einem endlichen Raum wie der Erde nicht eine exponenziell wachsende Bevölkerung (Verzehnfachung in 150 Jahren!) darstellbar ist, versteht sich von selbst.
Zins-"Dynamik" und Debitismus (= Kapitalismus) sind ein und derselbe Schuh. Aus welchem Grund zinsbewehrte Kontrakte eingegangen werden ist egal. Die Auflösung muss letztlich immer über durch neue Leistungserbringung erfolgen, die ihrerseits wiederum vorfinanziert werden muss, so dass sich ein Kettenbriefsystem ergibt, sowohl auf der monetären als auch auf der güterwirtschaftlichen (!) Seite.
Das eine getrennt vom anderen zu betrachten, ist falsch, da sich beides zwangsläufig einander bedingt. Wer die Güterwelt beklagt oder deren Phänomene blendet das Monetäre aus (Schuld plus Zins). Und wer das Monetäre beklagt, blendet die güterwirtschaftliche Seite aus, u.a., dass Zinsdruck automatisch zu Mehrprodukt führt.
In dem Buch (465 S.) ist alles in extensis abgehandelt: Wirtschaften nicht aus Tausch, sondern aus Erfüllungsdruck heraus, die Kapitalismuskritik von Marx und Rosa Luxemburg, Keynes und Neo-Klassik, Geld & Gier, Schuldentstehungsgründe, Zinskritik (Mohammed, Moses, Lykurg), Überschuldungskrisen, Klassenkämpfe, der Blow-off an den Aktienmärkten, der J-Kurven-Effekt, Börsen-Crashs, Staatsbankrotte, die deflationäre Spirale, Gold und mögliche Goldaufwertung, siehe dazu auch den Auszug im Buch von R.Deutsch.
Aus dem Epilog:
"Die Vorstellung Tauschwirtschaft plus Dynamo = Kapitalismus ist falsch. Das Problem der Menschen ist nicht der Mangel, der durch Produktion ("dynamische Unternehmer") mit anschließendem Tausch (="freie Marktwirtschaft") irgendwie behoben wird.
Das Problem der Menschen ist überhaupt nicht der Mangel. Sondern die Tatsache, dass der Mangel durch Zeitablauf immer größer wird.
Die Aufgabe der Wirtschaft kann niemals darin liegen, den Mangel zu"beseitigen". Alle sind niemals satt. Alle Wünsche können nie erfüllt werden. Immer ist irgendwo jemand hungrig, friert, hat kein Zuhause.
Die Aufgabe der Wirtschaft kann immer nur sein, den Mangel für eine möglichst große Zahl von Menschen möglichst erträglich zu halten. Diese Aufgabe zu bewältigen, heißt Kapitalismus. Nur der Kapitalist kann das Zeit- und Schuld-Problem bewältigen. Nur er kann sich der Schuld stellen, weil er verschuldungsfähiges Kapital hat und weil er bereit ist, es unter Risiko einzusetzen. Die Bewältigung von Schuld und die Minimierung von Mangel: das ist es, was der freie Unternehmer leistet. Dieser Kapitalismus funktioniert am besten, wenn alle Produktion privat und jeder Markt vollständig frei ist."
Gruß
d.
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