- Strategen sehen AktienmÀrkte im Niemandsland - Philipp Steinhauer, 27.02.2002, 14:31
- Blink Blink - YIHI, 27.02.2002, 14:52
Strategen sehen AktienmÀrkte im Niemandsland
Strategen sehen AktienmÀrkte im Niemandsland
Der lange Weg ins Biotech-Zeitalter
MICHAEL MAISCH
Nach dem Platzen der Technologie-Blase kommen die Weltbörsen kaum vom Fleck.
Glaubt man den Prognosen einiger Aktienstrategen, dann wird die nÀchste
Hausse noch lange auf sich warten lassen. Der neue Megatrend der
Biotechnologie kĂŒndigt sich zwar bereits an, doch bis er sich durchsetzt,
könnte es noch Jahre dauern.
FRANKFURT/M. Was kommt nach dem Informationszeitalter? Wohin entwickelt sich
die Wirtschaft? Welcher langfristige Trend bestimmt in den nÀchsten
Jahrzehnten das Geschehen an der Börse? Der Komplex Biotechnik, Gesundheit,
Medizin und Umwelt, lautet die Antwort der meisten Experten auf diese Frage.
FĂŒr Euphorie ist es allerdings noch deutlich zu frĂŒh. Bis die neue Epoche
auch zu einer neuen Hausse an den Börsen fĂŒhrt, könnte noch viel Zeit ins
Land gehen.
Bei ihren Vorhersagen berufen sich die Fachleute auf die Theorie der langen
Konjunkturwellen, die sich ĂŒber 40 bis 60 Jahre erstrecken und von
bahnbrechenden neuen Basis-Technologien ausgelöst werden. Vater dieser Lehre
ist der russische Volkswirtschaftler Nikolei Dmitrijewitsch Kondratieff, der
in den 20er Jahren neben den kurzen und mittleren auch noch sehr lange
Wirtschaftszyklen identifizierte.
Ursache dieser âKondratieff-Wellenâ sind nicht Ă€uĂere Ereignisse wie Kriege,
Revolutionen oder andere gesellschaftliche UmwÀlzungen, die Wellen entstehen
aus der Dynamik der Ă-konomie selbst.
Seit 1800 haben die Wirtschaftsforscher vier abgeschlossene
Kondratieff-Wellen ausgemacht. Der erste Zyklus wurde von der Entwicklung
der Dampfmaschine getragen, der zweite war die groĂe Zeit des Stahls, der
dritte basierte auf der Elektrotechnik- sowie der Chemieindustrie und der
vierte auf der Petrochemie und dem Automobilbau.
âIm Moment stehen wir am Ende des fĂŒnften Zyklusses, der von der
Informationstechnik mit dem Mikroprozessor als Basisinnovation geprĂ€gt warâ,
meint Gerhard Grebe, Chef-Investmentstratege der Julius BĂ€r Kapitalanlage
AG. Ein kritisches Stadium, denn beim Ăbergang von einer Welle zur nĂ€chsten
komme es in der Regel zu Rezessionen. Genau an diesem Punkt befinde sich die
Weltwirtschaft gerade. âDer eine Zyklus ist erschöpft, der neue noch nicht
genug entwickeltâ, erlĂ€utert Gerbe.
GrundsĂ€tzlich teilt auch Thomas Deser, der fĂŒr Union Investment den Fonds
Uni-21.Jahrhundert managt, diese EinschÀtzung. Allerdings spricht Deser
lieber von Technologiezyklen als von Kondratieff-Wellen. Deser setzt darauf,
dass die nÀchste Schrittmachertechnologien nach Auslaufen der
Informationstechnik-Welle vor allem aus den Bereichen Biotechnologie,
Medizintechnik und alternative Energien kommen werden.
Grebe stimmt zu: âDas oberste Ziel im fĂŒnften Zyklus war die Steigerung der
ProduktivitÀt durch die Optimierung der Produktionsprozesse und der
Beziehung Mensch und Technikâ. Die negativen Folgen dieser Entwicklung seien
Stress und Krankheiten, die erhebliche Kosten verursachen. Die
Gesundheitskosten könnten nach Grebes SchÀtzung von heute zehn Prozent der
Wirtschaftsleistung auf 25 Prozent ansteigen.
âIm sechsten Zyklus wird es vor allem um die Reparatur der Fehlentwicklungen
des FĂŒnften gehenâ, lautet deshalb Grebes These. Im Mittelpunkt stĂŒnden
Probleme wie die BekÀmpfung bislang unheilbarer Krankheiten, die
Verbesserung der UmweltqualitÀt, saubere Luft, sauberes Wasser, intakte
Landschaften und fruchtbare Böden.
Wie lange die Anleger auf die ersten Impulse des neuen Zyklusses warten
mĂŒssen, lĂ€sst sich nach Desers Meinung kaum abschĂ€tzen. âVon heute auf
morgen geht das nichtâ, meint der Fondsmanager. An den AktienmĂ€rkten hĂ€lt er
auf Sicht von einem Jahr eine SeitwĂ€rtsbewegung fĂŒr wahrscheinlich. âAuf
Sicht von drei oder vier Jahren könnte sich dann aber wieder ein
AufwĂ€rtstrend durchsetzenâ.
Sein Kollege Grebe zeigt sich da weniger optimistisch. Mit der fĂŒnften
Kondratieff-Welle geht fĂŒr den Julius-BĂ€r-Strategen auch der lange
Aufschwung an den Börsen in Europa und den USA seit Anfang der 80er Jahre zu
Ende.
âDie achtziger und neunziger Jahre waren eine Ausnahmesituation, geprĂ€gt
durch deutlich sinkende Inflationsraten, einen höheren Anteil der
Unternehmensgewinne an der Wirtschaftsleistung, fallende Renditen und die
Ă-ffnung der MĂ€rkteâ, sagt Grebe. Alles Faktoren, die die AktienmĂ€rkte
gestĂŒtzt hĂ€tten. Dazu seien einmalige Ereignisse wie der Fall des eisernen
Vorhangs und die damit verbundene Friedensdividende gekommen.
âViele dieser Argumente gelten so aber nicht mehrâ, macht Grebe klar. So
seien zum Beispiel die Inflationsraten so niedrig, dass sie nicht mehr
signifikant weiter fallen könnten. Ăhnliches gelte fĂŒr die Renditen. Grebes
Schlussfolgerung fĂ€llt denn auch wenig ermutigend aus: Er fĂŒrchtet, dass die
Kursentwicklung an den Aktienbörsen in den kommenden Jahren eher dem
zyklischen Auf und ab der 70er Jahre als dem AufwÀrtstrend in den
Jahrzehnten danach Àhneln wird.
HANDELSBLATT, Montag, 25. Februar 2002, 19:56 Uhr
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