- Experten sehen dauerhaft niedrigere Aktienrenditen - Philipp Steinhauer, 27.02.2002, 14:32
Experten sehen dauerhaft niedrigere Aktienrenditen
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Experten sehen dauerhaft niedrigere Aktienrenditen
Anleihen gewinnen an Attraktivität: Die Mischung machts
Montage: DWO
Von Thomas Exner und Holger Zschäpitz
Berlin - Das Jahr 2002 ist gerade einmal acht Wochen alt, aber viele Aktienanleger sind schon rundum bedient. Der Dax hat seit Anfang Januar über sieben Prozent verloren, und rasche Besserung ist nicht in Sicht. Skeptiker orakeln bereits, dass es am Aktienmarkt das dritte Minusjahr in Folge geben könnte - das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg.
"Keine Frage, der Aktienkult der neunziger Jahre ist passé", sagt Siegfried Cordes, Fondsmanager bei Credit Suisse Asset Management. Und schlimmer noch, selbst das kleine Einmaleins des Investierens scheint nicht mehr zu gelten. Bislang stand unumstößlich fest, dass Aktien langfristig mehr abwerfen als Anleihen. Im 20. Jahrhundert lag ihre Rendite bei über zehn Prozent und damit mehr als doppelt so hoch wie bei festverzinslichen Papieren. Doch nach zwei schlechten Börsenjahren mehren sich die Zweifel an dem scheinbar ehernen Investmentgesetz. Das Vertrauen der Bundesbürger in die Aktie gerät ins Bröckeln. Nach einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Psychnomics wollen nur elf Prozent bei der Altersvorsorge auf die Dividendenpapiere setzen. Damit werden Aktien vom wahrlich renditeschwachen Sparbuch, das eine drei Mal so große Zustimmung findet, regelrecht deklassiert.
Selbst bei den nüchternen Bankern schleichen sich offenbar Zweifel an den einzigartigen Qualitäten der Aktie ein."The bond is back" - die Anleihen kommen wieder - betitelten beispielsweise die globalen Strategen der Deutschen Bank jüngst eine Studie. Auch der zur Allianz-Gruppe gehörende US-Fondsverwalter Pimco setzt auf Bonds. Bis 2006, so die Prognose, sind mit Rentenpapieren jährlich sechs Prozent Rendite zu verdienen, bei Aktien sollen es nur vier bis fünf Prozent sein. In die gleiche Kerbe schlagen Wissenschaftler der London Business School, die für ABN Amro die langfristige Performance von Aktien und Anleihen in verschiedenen Ländern untersucht haben. Ihr Ergebnis: Die goldenen Zeiten an der Börse sind vorbei.
Die Basis für die beispiellose Hausse - kontinuierlich fallende Zinsen, steigende Unternehmensgewinne, hohe Dividendenrenditen und eine günstige Bewertung der Aktien - ist erodiert. Die Aufräumarbeiten nach dem Platzen der New-Economy-Blase sind noch nicht beendet, und am Horizont droht weiteres Ungemach. In zehn Jahren, so Experten, werden sich die negativen Folgen der Überalterung vieler Staaten am Aktienmarkt bemerkbar machen. Denn dann wird die in die Jahre gekommene Baby-Boomer-Generation beginnen, ihre Aktienpositionen aufzulösen.
"Zumindest auf Sicht von fünf bis zehn Jahren werden sich Aktionäre also mit deutlich geringeren Erträgen bescheiden müssen", meint Michael Clauss, Anlagestratege bei der Münchener Kapitalanlage AG, die Fonds für den Versicherungskonzern Continentale managt. Er hat daher die Bondsquote leicht aufgestockt. Und auch Matthieu Louanges, Rentenchefstratege bei der Allianz KAG, hat bei seinen Kunden massive Umschichtungen beobachtet:"Viele sind von Aktien in Unternehmensanleihen gewechselt." Einige Investoren wählen sogar die Radikallösung. So hat der Pensionsfonds der britischen Drogeriemarktkette Boots sämtliche Aktien aus dem Depot gekegelt und setzt nun auf ein Portfolio, das zu 100 Prozent aus festverzinslichen Papieren besteht.
"Das mit Aktien verbundene Risiko wird wieder stärker wahrgenommen", so Andreas Schneck von der Investmentberatungsgesellschaft Frank Russell. Dies ist verständlich, angesichts der Entwicklung in den vergangenen vier Jahren. Zwar konnte sich ein Anleger, der Anfang 1998 in Aktien investiert hat, zwischenzeitlich reich wähnen, doch inzwischen hat der Anleiheninvestor die Nase vorn, und dies ohne schlaflose Nächte.
Doch Experten warnen vor einem neuen Kult, dem Anleihekult. Trumpf bleibt eine breite Mischung aus Aktien und Renten, heißt es. Michael Wolgast, Chefvolkswirt beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft:"Die Studien müssen zwar sehr ernst genommen werden. Doch auch bei solchen Untersuchungen gibt es, wie an den Märkten, gewisse Zyklen."
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