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Gefährliche Geheimniskrämerei
Der Krieg in Afghanistan mag unübersichtlich sein - gerade deshalb ist die Herstellung politischer Transparenz erste Regierungspflicht
Von Rolf Paasch
Der Krieg ist nicht nur ein schmutziges, sondern auch ein kompliziertes Geschäft. Dies erfahren gerade die in Afghanistan eingesetzten Verbände der USA und ihrer Alliierten. Der Krieg lässt sich auch dann nicht berechnen, wenn er, wie in diesem Fall, mit hehren Zielen und der Unterstützung der Bevölkerung geführt wird. So ist es gut, im"Krieg gegen den Terror" so genannte Ausstiegsoptionen zu entwickeln. Doch in der Kabuler Wirklichkeit würde selbst eine sofortige Evakuierung der UN-Sicherheitstruppen zum Problem. Keiner weiß dies besser als das mit angemieteten Antonows eingeflogene deutsche Kontingent, das demnächst sogar die"taktische Führung" der multinationalen Brigade in Kabul übernehmen soll. Was immer dies im Einzelnen bedeuten mag.
Schon die Unklarheit in der Terminologie und die mangelnde Aufklärung an der Heimatfront deuten auf ein Strukturproblem des improvisierten Kriegs am Hindukusch. Statt von Anfang an eine integrierte Operation für die bewaffnete Konfrontation und das"nation building" zu schaffen, erzwangen der politische Unilateralismus der USA und die militärische Schwäche Europas eine realitätsferne Arbeitsteilung. Die einen wollten den Feldzug führen, die anderen sollten den Frieden sichern. Als würde sich dies in einem so zerrütteten Land sauber trennen lassen. Nicht die Aufgabe der militärischen und zivilen Befriedung, sondern die Fehl- und Vorurteile Washingtons bestimmen bis heute den wechselhaften Kriegsverlauf.
Am Anfang stand die Aversion der Bush-Regierung gegen jegliche Teilnahme am Aufbau politischer Institutionen und ziviler Strukturen. Erst mit gehöriger Verspätung erkannten die Strategen im Pentagon, dass sie Interims-Premier Hamid Karsai rasch bei der Aufstellung einer Armee helfen müssen. Mitte Februar hatte Washington dann begriffen, dass es mit der Jagd versprengter Taliban und Al-Qaeda-Gruppen nicht getan war. Scharmützel zwischen rivalisierenden Stämmen bedrohten die Stabilität der Regierung. Seitdem bombardieren die USA auf Anfrage Karsais auch renitente Stammesführer im Norden und Osten des Landes. Ende Februar schließlich riet der US-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Zalmay Khalilzad, seinem Präsidenten, auf eine Stärkung und Ausweitung der bisher auf Kabul beschränkten UN-Friedenstruppe hinzuarbeiten. Die Entsendung von Isaf-Kontingenten ins nördliche Masar-e-Scharif sei denkbar, hieß es daraufhin aus dem Weißen Haus. Die Einsicht, dass eine solche Erweiterung des Isaf-Mandats nicht ohne die Beteiligung von US-Truppen geht, wird Washington weitere Wochen des Nachdenkens kosten. All diese Lernschritte wären zu begrüßen, hätte an ihrem Anfang nicht eine so bornierte Prämisse von der prinzipiellen Nicht-Verwicklung der USA in eine ganzheitliche Friedenssicherung gestanden. Denn die ständige Revision einer weltfernen Position kostet nicht nur wertvolle Zeit, sondern auch Menschenleben; meist die von Afghanen.
Als ähnlich revisionsbedürftig erwies sich die Taktik der US-Kriegsführung. War die Jagd auf Osama bin Laden und Co. in den Höhlen von Tora Bora an der Unzuverlässigkeit der afghanischen Stellvertreter-Kräfte gescheitert, so setzen die USA jetzt bei ihrer größten Offensive gegen Al Qaeda erstmalig auf eigene Bodentruppen. Plötzlich fliegen die Apache-Helikopter, die im Kosovo-Krieg ängstlich am Boden blieben, gegen die feindlichen Stellungen. Diesmal sind Soldaten der 101. Airborne Division und sogar US-Gebirgsjäger im Einsatz; zusammen mit Elitetruppen aus Australien, Kanada, Dänemark, Frankreich, Norwegen und Soldaten des deutschen Kommandos Spezialkräfte.
Dieser Einsatz mag Afghanistan und der Welt mehr Sicherheit bringen. Gleichzeitig aber gefährdet die von Washington propagierte Erweiterung des"Anti-Terror-Kriegs" über Irak ins Unendliche sowie die mangelnde Transparenz bei der Einsatzführung seine Legitimation. Im US-Kongress beginnen die Demokraten kritische Fragen nach den nächsten Stadien der Anti-Terror-Kampagne zu stellen. In Berlin aber verhindert eine nachlässige und naive Informationspolitik die erneut notwendige Debatte über den Einsatz der Bundeswehr. Wenn die deutsche Ã-ffentlichkeit der US-Presse entnehmen muss, wo ihre eigenen Soldaten kämpfen, dann verdeutlicht dies nur das pubertäre Stadium rot-grüner Sicherheitspolitik. Wenn deutsche Truppen jetzt mit der"taktischen Führung" der multinationalen Brigade in Kabul auf Grund des westlichen Misstrauens gegen die Türkei faktisch eine Aufgabe übernehmen, zu der sich Scharpings Generäle gestern noch außer Stande sahen, dann ist dies ein gefährlicher Etikettenschwindel. Der Krieg in Afghanistan mag unübersichtlich sein. Gerade deswegen ist die Herstellung politischer Transparenz die erste Regierungspflicht. Stattdessen betreibt die"Achse der Guten" zwischen Washington und Berlin eine demokratisch fragwürdige Definition des Krieges und Geheimniskrämerei.
Quelle
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