- Aber die Abstimmung war 'Wuerdig'? - XERXES, 25.03.2002, 15:39
Aber die Abstimmung war 'Wuerdig'?
(Neu: Roth, MĂĽntefering, Beck, Koch, Oschatz)
Berlin, 25. Mär (Reuters) - Im Streit über das Bundesrats-Votum zum Zuwanderungsgesetz hat Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) das Verhalten der Union gegenüber Bundespräsident Johannes Rau scharf kritisiert.
"Es ist extrem unwürdig, wie versucht wird, auf den Bundespräsidenten, der eine unabhängige Entscheidung zu treffen hat und diese sicher auch treffen wird, Druck auszuüben", sagte der SPD-Vorsitzende am Montag in Berlin. Zuvor hatte die Union Rau mehrfach aufgefordert, das Zuwanderungsgesetz auf Grund des umstrittenen Votums von Brandenburg im Bundesrat nicht in Kraft zu setzen. Bundesratsdirektor Georg-Berndt Oschatz (CDU) machte deutlich, dass er die Entscheidung von Bundesratspräsident Klaus Wowereit (SPD) für falsch hält. Führende Unionspolitiker räumten unterdessen ein, dass die Empörung der Regierungschefs von CDU und CSU in der Sitzung der Länderkammer am Freitag nicht spontan war.
Aus Sicht der Union hätte Wowereit die Stimmen der Potsdamer Regierung als ungültig werten müssen, weil Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) und Landesinnenminister Jörg Schönbohm (CDU) gegensätzlich votiert hatten. CDU und CSU haben bereits angekündigt, vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen, sollte Rau das Gesetz in Kraft setzen. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering verteidigte Wowereit nach einer Präsidiumssitzung seiner Partei."Wir sind der Überzeugung, dass die Entscheidung des Bundesratspräsidenten legitim war." Bundesratsdirektor Oschatz sagte dagegen dem Radiosender"Hundert,6", seiner Auffassung nach hätte Wowereit die Stimmen Brandenburgs als ungültig werten müssen. Zuvor hatte Wowereit gesagt, er habe sich bei seiner Entscheidung von einem Vermerk des Bundesratsdirektors leiten lassen.
UNIONSPOLITIKER GEBEN ABSPRACHEN ZU
Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) und CSU-Generalsekretär Thomas Goppel sagten, den Regierungschefs von CDU und CSU sei bereits am Donnerstag klar gewesen, wie Brandenburg am Freitag abstimmen und wie Wowereit darauf reagieren werde."Wir haben am Donnerstag gewusst, morgen wird die SPD ein großes Theater inszenieren", sagte Goppel der ARD. Der Sprecher Müllers bestätigte, dass die Ministerpräsidenten ihre empörte Reaktion abgesprochen haben."Es war keine spontane Empörung, aber eine legitime", sagte der saarländische Regierungssprecher Udo Recktenwald Reuters.
Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) nahm dagegen für sich in Anspruch, spontan in Erregung geraten zu sein."Ich war empört und trotz aller vorherigen Spekulation doch überrascht." Koch hatte sich im Bundesrat einen hitzigen Wortwechsel mit Wowereit geliefert.
KOALITION WIRFT UNION"SCHMIERENTHEATER" VOR
SPD-Fraktionschef Peter Struck und der Grüne Rechtsexperte Volker Beck warfen der Union vor, ein"Schmierentheater" aufgeführt zu haben. Die Grünen-Chefin Claudia Roth sagte, die Union biete ein"lebendiges Beispiel für Doppelbödigkeit und Heuchelei". Die ehemalige Leiterin der Zuwanderungskommission der Bundesregierung, Rita Süssmuth (CDU), warnte im Deutschlandfunk davor, mit Inszenierungen die Glaubwürdigkeit der Politik zu beschädigen.
Nach dem Eklat im Bundesrat legte der frühere SPD-Chef Oskar Lafontaine dem Bundespräsidenten nahe, über das Zuwanderungsgesetz erst nach der Bundestagswahl in einem halben Jahr zu entscheiden. Ein Sprecherin Raus ließ offen, wie lange die Prüfung des Gesetzes dauern werde. In der Geschichte der Bundesrepublik ist es erst sechs Mal vorgekommen, dass ein Bundespräsident die Unterschrift unter ein Gesetz verweigert hat. Das letzte Mal hatte sich Richard von Weizsäcker 1991 geweigert, ein Gesetz zu unterzeichnen.
Neben Schröder kritisierte auch Müntefering die Mahnungen der Union an Rau, das Zuwanderungsgesetz nicht zu unterzeichnen. Der SPD-Generalsekretär nannte es eine"Ungeheuerlichkeit", wenn Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) behaupte, eine Unterschrift Raus unter das Gesetz käme einem Verfassungsbruch gleich. Wowereit kritisierte, die Union wolle die Neutralität des Staatsoberhauptes in Frage zu stellen."Das ist ein Trauerspiel."
pfi/kad
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