- Die Verherrlichung des Guten im Anderen... - Ananda, 30.03.2002, 21:59
- Re: Die Verherrlichung des Guten im Anderen... - Hideyoshi, 31.03.2002, 08:17
- Re: Eine wirklich schöne Geschichte, aber... - silvereagle, 31.03.2002, 20:45
- Re: Eine wirklich schöne Geschichte, aber... - JÜKÜ, 31.03.2002, 20:59
- @silvereagle: Wahrscheinlich ist fast jeder zu Optimismus faehig, aber der - Josef, 31.03.2002, 22:16
- Re: geistige Mitte - silvereagle, 31.03.2002, 23:26
- und wie ist die Realität? - Eugippius, 01.04.2002, 16:59
Die Verherrlichung des Guten im Anderen...
...wie sie in der nachfolgenden Geschichte beschrieben wird, ist vielleicht einigen ein Anstoß, auch bei den wildesten Diskussionen, auch wenn das eigene liebgewordene Weltbild in Frage gestellt wird (der schwerste Tod ist der Tod einer Ideologie), sich dennoch an der unten beschriebenen Achtung voreinander zu orientieren... wenigstens ein bißchen. Gründen wir den Club der roten Nasen... rot, weil sich jeder an die eigene Nase faßt...
Herzliche Ostergrüße und eine gute Auferstehung des Forums!
Ananda
Diese Geschichte handelt von einem Kloster, das eine schwere Zeit durchlitt. Ein einst großer Orden wurde durch die antiklösterlichen Verfolgung im 17. und 18. Jahrhundert und den Beginn der Säkularisation im 19. Jahrhundert stark dezimiert, alle seine Bruderhäuser wurden zerstört. Zu guter letzt überlebten nur noch fünf Mönche in dem verfallenen Mutterhaus. Dies waren der Abt und vier Brüder, alle bereits weit i~ber 70 Jahre alt. Es handelte sich eindeutig um einen untergehenden Orden.
In den tiefen Wäldern rund um das Kloster stand eine kleine Hütte, die der Rabbi einer nahe gelegenen Stadt gelegentlich zur Einsiedelei nutzte. Während der vielen Jahren des Betens und Besinnens wurden die alten Mönche sensibel, so dass sie immer spürten, wenn der Rabbi in der Nähe war.
,,Der Rabbi ist in den Wäldern, der Rabbi ist wieder in den Wäldern", so flüsterten sie einander zu. Während der Abt sich den Kopf über das bevorstehende Ende seines Ordens zerbrach, kam es ihm in den Sinn, den Rabbi aufzusuchen und zu fragen, ob er ihm vielleicht einen Rat geben könnte, wie sein Kloster zu retten sei.
Der Rabbi hieß den Abt in seiner Hütte willkommen. Aber als ihm der Abt den Grund seines Besuches erläuterte, konnte der Rabbi ihm nur mitfühlend erklären:,,Ich weiß wie das ist. Die Menschen haben keinen Sinn mehr für das Geistige. Es ist dasselbe wie in meiner Stadt. Fast niemand mehr kommt in die Synagoge." Schließlich weinten der alte Abt und alte Rabbi miteinander. Dann lasen sie Teile der Thora und sprachen leise von bedeutungsvollen Dingen.
Als es für den Abt Zeit wurde aufzubrechen, umarmten sie sich.,,Es ist wunderbar, dass wir uns nach all diesen Jahren treffen konnten." sagte der Abt,,,aber das Ziel meines Besuches habe ich leider nicht erreicht. Gibt es nichts, das Sie mir sagen können. Keinen Ratschlag, der helfen könnte meinen sterbenden Orden zu retten?",,Nein, es tut mir leid" erwiderte der Rabbi,,,ich kann Ihnen keinen Rat geben. Das einzige, das ich Ihnen sagen kann ist, dass einer von Euch der Messias ist."
Als der Abt zum Kloster zurückkehrte, versammelten sich seine Mitbrüder um ihn und fragten:,,Was hat der Rabbi gesagt?",,Er konnte nicht helfen", antwortete der Abt.,,Wir haben bloß geweint und die Thora miteinander gelesen. Das einzige, das er gesagt hat als ich gerade aufbrechen wollte war etwas rätselhaft: einer von uns sei der Messias. Ich weiß nicht, wie er das gemeint hat."
In den folgenden Wochen und Monaten grübelten die alten Mönche darüber und fragten sich, ob es irgendein mögliches Anzeichen für die Worte des Rabbi gab. Der Messias einer von uns? Könnte er vielleicht einen von uns Mönchen hier im Kloster gemeint haben? Wenn das der Fall sein sollte, welchen von uns? War es unser Abt? Ja, wenn er jemanden meinte, dann sicher Vater Abt. Er ist seit über einer Generation unser Oberhaupt. Auf der anderen Seite könnte er Bruder Thomas gemeint haben. Bestimmt, Bruder Thomas ist ein heiliger Mann. Jedermann weiß, dass Thomas ein Mann des Lichts ist. Gewiß konnte er nicht Bruder Elred gemeint haben. Elred wird manchmal übellaunig. Aber er kommt immer gleich zur Sache und ist deshalb manchen ein Dorn im Auge. Wenn man zurückblickt war Elred praktisch immer in Ordnung, sehr in Ordnung sogar. Vielleicht hat der Rabbi Bruder Elred gemeint. Aber sicherlich nicht Bruder Phillip. Phillip ist so passiv, ein richtiger Niemand. Allerdings hat er die geheimnisvolle Gabe, immer da zu sein, wenn man ihn braucht. Auf wunderbare Weise erscheint er immer genau dann. Vielleicht ist Phillip der Messias? Selbstverständlich hat der Rabbi nicht mich gemeint. Er kann doch unmöglich mich gemeint haben. Ich bin doch nur ein ganz gewöhnlicher Mensch. Angenommen er tat es doch? Sollte ich der Messias sein? Oh Gott nicht ich. Ich kann doch nicht so bedeutend sein, oder doch?
Als sie es auf diese Art betrachteten, fingen die alten Mönche an, sich gegenseitig mit außergewöhnlichem Respekt zu behandeln, weil einer von ihnen der Messias sein konnte. Und weil jeder von ihnen der Messias sein konnte, behandelten sie sich mit noch mehr außergewöhnlichem Respekt.
Der Wald in dem das Kloster lag war so schön, daß manchmal noch Menschen kamen um das Kloster zu besuchen, auf seinem winzigen Rasen zu picknicken, auf seinen Pfaden zu wandern und sogar gelegentlich in die verfallene Kapelle zu gehen um zu meditieren. Als die Menschen dies taten spürten sie, sogar ohne sich dessen bewußt zu sein, die Aura des außergewöhnlichen Respektes, der jetzt begann die fünf alten Mönche zu umgeben und es schien eine Wärme von ihnen auszustrahlen und die Atmosphäre des Ortes zu durchdringen. Es war etwas sonderbar anziehendes, sogar magisches um ihn. Obwohl sie nicht wußten warum, kamen sie immer öfter zum Kloster zurück um zu picknicken, zu spielen und zu beten.
Sie begannen ihre Freunde mitzubringen um ihnen diesen besonderen Ort zu zeigen. Und ihre Freunde brachten wieder ihre Freunde mit. Dann geschah es, dass einige der jungen Männer die das Kloster besuchten, anfingen immer öfter mit den alten Mönchen zu reden. Nach einer Weile fragte einer ob er sich Ihnen anschließen könnte. Dann ein weiterer. Und noch einer. So wurde das Kloster, innerhalb einiger Jahre erneut ein blühender Orden, und dank dem Geschenk des Rabbis, ein lebendiges Zentrum des Lichts und der Spiritualität in der Welt.
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