- Die Verherrlichung des Guten im Anderen... - Ananda, 30.03.2002, 21:59
- Re: Die Verherrlichung des Guten im Anderen... - Hideyoshi, 31.03.2002, 08:17
- Re: Eine wirklich schöne Geschichte, aber... - silvereagle, 31.03.2002, 20:45
- Re: Eine wirklich schöne Geschichte, aber... - JÜKÜ, 31.03.2002, 20:59
- @silvereagle: Wahrscheinlich ist fast jeder zu Optimismus faehig, aber der - Josef, 31.03.2002, 22:16
- Re: geistige Mitte - silvereagle, 31.03.2002, 23:26
- und wie ist die Realität? - Eugippius, 01.04.2002, 16:59
und wie ist die Realität?
> So wurde das Kloster, innerhalb einiger Jahre erneut ein blühender Orden, und dank dem Geschenk des Rabbis, ein lebendiges Zentrum des Lichts und der Spiritualität in der Welt.
Der Ostersonntag ist nun vorbei, und nachdem schon einige positive Würdigungen dieser Geschichte vorliegen (schließlich tut sie ja wirklich niemandem weh), möchte ich doch auf einige Punkte hinweisen.
Die Reaktion der Mönche auf die Mitteilung des Rabbi ist total unlogisch: im Gegensatz zum Judentum warten die christlichen Mönche nicht mehr auf einen Messias (für Sie war er ja schon da), und Ihre natürliche Reaktion wäre wohl, sich zu denken: Der Rabbi spinnt! Falls sie - in Übereinstimmung mit der Geschichte - nun ebenfalls den Messias erwarten wollten, hätten sie sich ziemlich von Ihrer Religion entfernt, auch nicht so toll für ein Kloster.
Übrigens gibt es im Web die gleiche Geschichte mit einem Hausvater anstatt des Rabbi und einem Kloster unspezifizierter Glaubensrichtung, die schlußendlich Buddha erwarten. Aber Messias ist in unseren Breiten sicher eindrucksvoller als Buddha, und ich will in diesem Punkt nicht weiter lästern, schließlich handelt es sich nur um ein Gleichnis.
Was in meinen Augen wirklich genauer betrachtet werden sollte ist der Schluß: Der Orden - nur noch aus fünf Mitgliedern bestehend - gewinnt durch das, sagen wir ruhig 'heiligmäßige', Leben seiner Mitglieder Nachwuchs und existiert weiter.
Nach meiner Meinung läuft es so nicht ab, aber Geschichten wie die obige dienen dazu, das allgemeine Bewustsein zu beruhigen. Welche Strategien bleiben also für einen Orden, dem die Mitglieder wegbleiben? Wie im Wirtschaftsleben:
1. Der Orden fusioniert mit einem anderen ähnlicher Aufgabenstellung.
2. Outsourcing. Der Orden stellt nur noch das leitende Personal und den Namen, die eigentliche Arbeit wird von anderen erledigt (Beispiele: Schulen, Brennereien).
3. Der Orden versucht auf irgendeine Weise zu Nachwuchs zu kommen. Wie in der Geschichte oben; Schön wärs.
Wenn man sich die Websites verschiedener Orden bezüglich ihres Nachwuchses ansieht ist alles in Ordnung. Man kann in den Orden eintreten, wenn man volljährig ist, und es gibt gehörige Probezeiten, jeder sollte wissen, worauf er sich einläßt.
Wenn z.B. Gymnasiasten im Rahmen einer Schulexkursion ein Kloster besuchen, kommen sie ins Gespräch mit jemandem, der sich nach dem Studium entschlossen hat... toll, nichts dagegen einzuwenden.
Während man sich noch vorstellen kann, daß Priesterorden auf diese Weise bestehen können (schließlich ist Priester ein bekannter Beruf, und warum sollten ihn manche Personen nicht ergreifen), ist nicht so ganz einsichtig, warum z.B. Lehrer, Krankenschwestern, Gärtner oder Kellermeister ins Kloster eintreten sollten, um dort ihren Beruf auszuüben.
Wie die Welt wirklich aussieht, erkennt man oft erst, wenn nach dem Tod des Ordensbruders im Nachruf ein längerer Lebenslauf veröffentlicht wird. Fast ohne Ausnahme kommen diese aus einer kinderreichen tiefreligiösen Familie - oder überraschenderweise aus dem Waisenhaus. Naturgemäß hinkt diese Information der Gegenwart um viele Jahrzehnte hinterher, aber ist es heute wesentlich anders?
Ich erzähle jetzt mal ein mir bekanntes Beispiel wie sich die Gewinnung von Ordensnachwuchs in den 50er und 60er Jahren dargestellt hat: Ein Ordensbruder mit dieser speziellen Aufgabe bereist abgelegene Landgemeinden, morgens geht er in die Frühmesse und beobachtet die Ministranten. Danach trifft er sich mit dem Pfarrer und bringt Details über die Lebensverhältnisse der Ministranten in Erfahrung. Wenn diese aus einer kinderreichen, nicht besonders reichen Familie stammen, überrascht der Berufswerber die Eltern noch am Vormittag - während die Kinder in der Schule sind, mit einem Angebot, dem die Eltern - und besonders Alleinerziehende - nicht leicht wiederstehen können: Gott habe ihnen nun ja schon einige gut geratene Kinder geschenkt, aber jetzt sei es an der Zeit, Gott auch etwas zurückzugeben: das sei eine ganz tolle Gelegenheit, nur Vorteile auf allen Seiten: das Kind (oder auch: die Kinder) erhielten eine gottgefällige Ausbildung (verbilligt, oder wenn es dem Orden ganz schlecht geht, umsonst). Die Eltern seien von der Last der Erziehung befreit und erhielten ganz sicher einmal einen Fürsprecher im Jenseits. Kurz und gut, wenn die Kinder mittags nach Hause kamen war oft schon alles abgemacht. Die Kinder (nur damit das klar ist: Alter damals ungefähr 10) besuchen ab nun eine Ordensschule mit Internat weitab von zuhause, ein sogenanntes Juvenat. Alles in Ordnung. Oder doch nicht? Nebenbei, diese Schulen sind ein El Dorado für Päderasten, versteht sich doch, die Bedingungen sind ideal: eine Menge von Kindern, keine Eltern und keine staatliche Aufsicht über das Heim.
Die Kinder erlebten nun eine zielgerichtete Ausbildung zum gottwohlgefälligen Leben - abgeschirmt sogar von obszöner Unterwäsche-Reklame im Kino und Fernsehen (obwohl das in den 60er Jahren nun wirklich nicht so arg war - aber vergesst nicht: durch eine Frau kam das Böse in die Welt). Zusätzlich Unterweisung mit diversen Heiligenlgenden: Grundtenor: der betreffende Heilige bleibt im Kloster und hat sich Gott geweiht, auch wenn alle anderen Geschwister gestorben sind und die alten Eltern händeringend vor dem Kloster das Kind bitten, wieder nach Hause zu kommen.
Sicherlich gibt es eine hohe Ausfallrate, bei weitem nicht alle Besucher des Juvenates enden im Scholastikat (der offiziellen Aufnahmestufe) und noch weniger im Noviziat, und auch nach Ablegung der Gelübde gibt es noch Ausfälle in Mengen: nun ja, die Frauen stecken einfach überall, und was Hänschen nicht gelernt hat kann in diesem Fall auch Hans noch lernen...
Natürlich gab es auch im Orden Leute, die die Fragwürdigkeit dieses Systems erkannten und das Juvenat einstellten. Ergebnis: einige Jahre lang Nachwuchs Null. Na ja, die normative Kraft des faktischen, da hat man dann eben wieder angefangen.
Vielleicht muß das so sein. Oder vielleicht ist heute alles besser. Aber ich kann es jedenfalls nicht unwidersprochen lassen wenn jemand ein Kloster als
'ein lebendiges Zentrum des Lichts und der Spiritualität in der Welt' bezeichnet.
<center>
<HR>
</center>

gesamter Thread: