- FAZ zur Jahrestagung der trilateralen Kommission (Titelstory: Irak im Visier) - El Sheik, 10.04.2002, 11:29
FAZ zur Jahrestagung der trilateralen Kommission (Titelstory: Irak im Visier)
Hervorhebungen durch mich
El Sheik
Den Irak fest im Visier
Washingtons Botschaft für Europa: Saddam kommt nicht davon / Von Klaus-Dieter Frankenberger
WASHINGTON, 9. April. Als letzter der amerikanischen"Botschafter" war Vizepräsident Cheney an der Reihe, um Europäern, Asiaten und Nordamerikanern, die zur Jahrestagung der trilateralen Kommission nach Washington gekommen waren, die Botschaft der Regierung Bush zu überbringen: Was als Kampf gegen den Terrorismus begonnen hat, wird als Kampf gegen das Regime des Saddam Hussein seine Fortsetzung finden <font size="+1">- nicht morgen und nicht übermorgen, aber eher früher als später.</font><font size="+0">
[/b] Wer bis dahin Zweifel an der Entschlossenheit der Regierung hatte, daran, ob es ihr wirklich ernst sei, der mußte nach den Auftritten der Minister Powell und Rumsfeld sowie des Vizepräsidenten um diese Zweifel ärmer sein.
Den Auftakt hatte der Außenminister gemacht. Elegant im Auftreten und verbindlich-milde im Ton, steckte Powell das Ziel ab: ein Regierungswechsel in Bagdad. Dort herrsche ein teuflisches Regime - das war der"Achse des Bösen"-Metapher entlehnt -, ein Regime, das das eigene Volk unterdrücke und seine Nachbarn bedrohe. Noch gebe es keine militärischen Pläne, sagte Powell. Aber viel Phantasie bedurfte es nicht, um zum Schluß zu gelangen, daß es vielleicht den einen oder anderen Entwurf doch schon gebe, über den dann der Präsident entscheiden werde. Und dann werde er die Freunde und Partner einladen, Teil der Koalition zum Sturz Saddams zu werden. Zuversichtlich, nicht ironisch sagte Powell an die Adresse der skeptischen Europäer:"Mehr als einer wird sich dann unserer Position anschließen."
Verteidigungsminister Rumsfeld brachte die Diskussion schließlich auf den Punkt: Er führte sie zum Schnittpunkt von Terrorismus und Massenvernichtungswaffen in den Händen von Leuten vom Schlage Saddams. Er verbarg dabei nur mühsam eine gewisse Ungeduld mit denen, die die amerikanischen Absichten nicht für ausgereift hielten."Der Irak verfolgt ein aggressives Programm, um Massenvernichtungswaffen zu entwickeln und zu beschaffen." Es könne überhaupt keine"Konfusion" darüber geben, daß es das Beste für die Welt wäre, wenn Saddam von der Bildfläche verschwände. Leute wie er sollten weder den Irak beherrschen noch eine Gefahr für die Welt darstellen dürfen. Rumsfelds Ungeduld bekam einen Anstrich leichter Verärgerung, als ein Europäer"Beweise und einen Plan" verlangte, damit die öffentliche Meinung in Europa für eine Kampagne gegen den Irak einzustimmen sei. Rumsfeld, dem ein messerscharfer Verstand nachgesagt wird, fand die Forderung nach Beweisen unbillig, vermutlich auch töricht. Als nach dem Ende des zweiten Golfkriegs die irakischen Arsenale und Laboratorien unter die Lupe genommen worden seien, habe man herausgefunden, daß der Irak vor allem bei nuklearen Waffen schon viel weiter als gedacht gewesen sei. (Fortsetzung Seite 2.)
Da gebe es nicht viel Spielraum, und jeder Irrtum könnte tödlich sein, verriet Rumsfeld schon durch eine nicht unbedingt zur Gegenrede einladende Körpersprache.
Den letzten Part übernahm dann Cheney, dessen beinahe schüchterner, vollkommen unglamouröser Habitus zu signalisieren schien, hier gehe es nur um die Sache, und die sei ernst. Und es sei höchste Zeit."Früher oder später muß sich die Welt mit diesem Problem befassen." Denn, so konnte man schließen, sollte Bagdad wieder Inspekteure ins Land lassen, dann werden die das Übel eben nicht an der Wurzel packen können. Was Powell noch als Instrument der Entwaffnung anzuerkennen schien, war für Cheney offenbar der Anstrengung nicht wert. Ob Washington die europäischen Bedenken in die eigenen Überlegungen einbeziehe? Die Antwort war kein Ja, das vor Enthusiasmus oder vor Selbstverständlichkeit triefte, sondern die leicht säuerliche Hoffnung, daß die Europäer doch die Vorstellung eines nuklear bewaffneten Saddam Hussein ziemlich furchterregend finden mögen. Dann genüge es natürlich nicht, Amerika immer nur zu kritisieren. Also:"Was ist eigentlich euer Ansatz, um mit diesem Problem fertig zu werden?" Die Frage müssen die Europäer tatsächlich beantworten, weil sich einiges zusammenbraut, wie ihre eigenen Geheimdienste ihnen berichten. Cheney, das mußte er nicht aussprechen, um es seinem Publikum mitzuteilen, würde freilich nicht gerade mit Spannung auf diese Antwort warten.
Allerdings zeigte er sich aufgeschlossen gegenüber den Sorgen und Anliegen der Nachbarn des Irak, der Partner Amerikas in der Region. Die Furcht vor einem territorialen Zerfall im Falle eines Sturzes Saddams könne er verstehen. Washingtons Beifall würde es nicht finden, sollten die Kurden im Norden und die Schiiten im Süden versuchen, sich jeweils einen Teil des Landes herauszubrechen:"Wir wollen wirklich die territoriale Integrität des Irak erhalten", sagte Cheney und tat fast so, als sei man schon in einer"Post-Saddam-Phase".
Cheney, Rumsfelds und Powells Zuhörer hatten jedenfalls verstanden. Amerika ist entschlossen, den Irak nicht mehr von der Leine zu lassen und die Anti-Terror-Kampagne nicht in Afghanistan enden zu lassen. Wer dagegen einwendet, so groß werde die Gefahr, die vom Irak ausgehe, schon nicht sein, und im übrigen werde es noch Jahre dauern, bis seine nuklearen Kapazitäten eine hinreichend große Bedrohung darstellten, der wird auf die Biographie Saddams verwiesen, auf seine Aufrüstungsanstrengungen in den vergangenen zwanzig Jahren - und ansonsten in Washington nicht viel Gehör finden. Es bleibt abzuwarten, ob man mit der Warnung vor den Folgen in der arabischen Welt oder den Auswirkungen auf die Weltwirtschaft im Zuge höherer Ã-lpreise mehr erreicht. Daß Saddam die irakischen Ã-lexporte als - stumpfe - Waffe einzusetzen versucht, ansonsten aber Ã-l ins israelisch-palästinensische Feuer gießt, macht ihn in Washington ohnehin zu einer Spezies, auf deren Fortbestand kein Wert gelegt wird.
Teilnehmer konnten sich nicht erinnern, daß bei früheren Jahrestagungen der trilateralen Kommission das Gastgeberland mit einer so hochkarätigen Besetzung vertreten war. Das hatte einen Grund, und der lag in der Botschaft. Powell, Rumsfeld und Cheney waren die Überbringer dieser Botschaft. Mindestens auf die Europäer dürften noch unangenehme Entscheidungen zukommen, vielleicht auch hohe Rechnungen und ebenso große Einbußen. Auch die wären bei einer Entscheidung zu berücksichtigen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.04.2002, Nr. 83 / Seite 1
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