- Videokrieg - marsch, 10.04.2002, 14:08
Videokrieg
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Frontal21, Sendung vom 9. April 2002
Die Welt schaut auf den Konflikt zwischen Israel und Palästina. Und sie schaut durch die Brille zahlreicher Journalisten, die versuchen, uns die Geschehnisse zu schildern. Doch dies ist nur noch eingeschränkt möglich. Beide Konfliktparteien versuchen, die freien Medien zu instrumentalisieren, sie für ihre propagandistischen Zwecke zu manipulieren. TV- und Radiostationen werden geschlossen, Korrespondenten massiv behindert, Besuche besetzter Gebiete verboten. Jörg Brase und Johannes Hano über Kriegstaktik, Propaganda und Pressefreiheit. - Beitrag bearbeitet für ZDFonline
Als Kollegen der BBC filmen, wie israelische Soldaten Warnschüsse auf Friedensdemonstranten in Bethlehem abfeuern, werden sie kurz darauf selbst ins Visier genommen.
Zutritt ins Kampfgebiet verboten
Orla Guerin, BBC-Korrespondentin Jerusalem:"Die Kugeln schlugen direkt vor uns ein, wir haben geschrieen er soll aufhören. Wir sind von der Presse, was er auch ganz deutlich sehen konnte. Er konnte auch sehen, dass wir keine schusssicheren Westen, kein gepanzertes Auto hatten, und dass wir unbewaffnet waren. (...) Ich denke nicht, dass er uns treffen wollte, das hätte er leicht tun können. Aber eine falsche Bewegung und wir wären schwer verletzt worden."
Die Armee entschuldigt sich zwar bei der BBC, aber die Botschaft ist klar: Zutritt ins Kampfgebiet für Journalisten verboten. In Israel tobt auch ein Krieg um die Bilder.
Auch israelische Kollegen scheitern am Kontrollpunkt vor Bethlehem. Nur per Telefon bekommen sie Informationen. Ob sie stimmen, wissen sie nicht.
Keine Ahnung, was ich hier (...) zu suchen habe
Tzvi Yehezkeli, israelischer Fernsehjournalist:"Man bekommt keine eigenen Informationen mehr. Die Tür ist zu, drinnen wird gekämpft. Ein paar Journalisten versuchen reinzukommen und Bilder zu machen, aber die schießen alle sofort. Das heißt, du kannst Dir nicht mehr immer und überall ein Bild von diesem Krieg machen."
Seitdem Channel Two im israelischen Fernsehen Mitte März gezeigt hat, wie die Armee ein palästinensisches Flüchtlingslager bei Ramallah durchsucht, ist es vorbei mit der freien Berichterstattung. Türen werden gesprengt, die Wohnungen zerstört, eine Frau stirbt. Vor allem aber spricht ein israelischer Soldat:"Ich weiß nicht, was wir hier eigentlich machen. Aufräumen oder so. Es soll ja so schmutzig hier sein. Keine Ahnung, was ich hier, so weit weg von zu Hause, zu suchen habe."
Ist die israelische Gesellschaft stark genug?
Ram Landes
Channel Two sendet das Interview obwohl es zensiert war, denn die Armee verbietet politische Statements von Soldaten. Daniel Seaman, Regierungssprecher Israel:"Sie haben vorher den Bedingungen zugestimmt, dann hat der Sender die Abmachung gebrochen und das Interview für politische Zwecke missbraucht. Das war für die Armee nicht akzeptabel."
Ram Landes, Redaktionsleiter Channel2, beurteilt die Situation anders:"Unsere Redaktion war der Meinung, dass die israelische Gesellschaft stark genug ist, um über den Sinn dieser Aktionen zu diskutieren. (...) Aber die Reaktion war, dass die Armee seitdem Fernsehkameras den Zutritt zu den besetzten Gebieten verwehrt - bis heute."
Stattdessen organisiert Israel perfekt die eigene Propaganda. Tägliche Pressekonferenz in Jerusalem. Offiziere schildern ihre Sicht der Kämpfe, erinnern an die Opfer der palästinensischen Selbstmordattentate und verweisen immer wieder auf das Selbstverteidigungsrecht Israels. Und draußen, zum Mitnehmen in allen Sprachen, vorbereitete Bilder von den Greueltaten der Palästinenser.
"...in jeder Einheit ein eigenes Kamerateam
Michael Vromen, Sprecher Israelische Armee:"Wir betrachten die Medien als zweite Front in diesem Konflikt, wie auch schon in früheren Auseinandersetzungen. Wir haben das erkannt und so ist unsere Pressearbeit über die Jahre immer perfekter geworden."
Von den Nachrichtenagenturen in Jerusalem aus gehen die Bilder dieses Krieges in alle Welt. Israelis und Palästinenser versuchen beide, hier ihre Botschaften unterzubringen. Hier entscheidet sich der Propagandakrieg, der mit allen Mitteln geführt wird.
Haitham Hamad, APTN Jerusalem:"Es sieht so aus als hätte die Armee in jeder Einheit ein eigenes Kamerateam. Und wir haben uns schon überlegt, ob wir die nicht engagieren können. Aber im Ernst - sie bieten uns Bilder an, wie neulich zum Beispiel - das Bild von US-Unterhändler Zini bei Arafat, das Bild hat die Armee gemacht. Und interessanterweise bitten sie uns in diesen Fällen nicht zu sagen, dass die Bilder von ihnen kommen. Aber ich glaube, wir haben gesagt, woher die Bilder kamen."
Andere Fernsehbilder soll es von dem Treffen nicht geben. Schreckschussgranaten gegen ausländische Journalisten, die in Ramallah selbst filmen wollen. Nur eine Aufnahme gab es bis dahin von Arafat. Herausgeschmuggelt von seinen eigenen Leuten. Eine Inszenierung als Märtyrer. Bei Kerzenlicht, ungebeugt, bereit, bis zur letzten Kugel zu kämpfen. Genau diese Botschaft wollen die Israelis verhindern
Doch auch die Palästinenser verstehen das Propagandageschäft. Und sie versuchen dabei noch viel brutaler, Bilder zu verhindern. Als im Oktober 2000 in Ramallah zwei israelische Soldaten gelyncht, auf die Straße geworfen und vom tobenden Mob zerrissen werden, sammeln die Palästinenser die Kassetten ein. Eine italienische Reporterin schafft es trotzdem, das Material zu senden. Sie erhält Todesdrohungen, muss nach Rom flüchten. Ein Freund erzählt von einem Vermittlungsgespräch mit Israelis und Palästinensern.
Kämpfer mit der Kamera
Jörg Bremer, FAZ-Korrespondent Jerusalem:"Beide haben ihr gesagt: Du hast hier keinen Boden mehr, wir können dich nicht schützen."
Frontal21:"Das heißt, sie muss damit rechnen, dass Sie umgebracht wird?"
Bremer:"Sie muss damit rechnen, dass Sie hier ihres Lebens nicht mehr sicher ist, oder dass ihre Kinder hier womöglich entführt worden wären."
Wir fahren mit anderen Journalisten auf Schleichwegen nach Bethlehem, ins Sperrgebiet. Hinter vorgehaltener Hand haben uns Palästinenser erzählt, dass auch palästinensische Journalisten bedroht werden, wenn sie nicht im Sinne ihrer Führung berichten. Ein Problem, denn die meisten Bilder aus den besetzten Gebieten werden von ihnen gemacht. Wir wollen einen von ihnen treffen. Hier in Bethlehem arbeitet Mohammad für Palästina TV. Er will von Drohungen nichts wissen. Er sei ein Kämpfer mit der Kamera, sagt er, der die israelischen Lügen entlarven wolle.
"Bilder, über die man nicht diskutieren kann"
Mohammad Ghanayam, Palästinensisches Fernsehen:"Ich arbeite und filme als Journalist. Aber es ist doch das Problem der Israelis, wenn sie Panzer einsetzen. Ich geh raus als Journalist und filme, wenn sie Panzer gegen Kinder und Zivilisten schicken."
Die Israelis nennen das reine Propaganda. Ein Vorwurf, der auch arabischen Fernsehsendern gemacht wird. Am Samstagabend muss der Korrespondent von Abu Dhabi TV das Land verlassen. Er wird von der Polizei abgeholt. Er hatte behauptet, Israel führe Massenhinrichtungen durch. Auch gegenüber Frontal21 erhob er diesen Vorwurf.
Jasim Al-Azzawi, Abu Dhabi TV:"Die palästinensischen Polizisten mussten sich hinknien und wurden dann in den Kopf geschossen. Das Blut ist auf Kniehöhe an die Wand gespritzt, nicht auf Augenhöhe. Diese Bilder gefielen den Israelis nicht. Aber es sind Bilder, über die man nicht diskutieren kann."
Fernsehbilder als Waffe
Daniel Seaman, Regierungssprecher Israel:"Die Bilder waren nicht das Problem. Es war der Kontext in den sie gestellt wurden. Eine glatte Lüge. Sie hetzen die Palästinenser auf, schüren die Angst, dass wir sie alle umbringen wollen. Und das wiederum ist eine Bedrohung für den Staat Israel."
Die Palästinenser seien im Kampf gefallen, behaupten die Israelis. Auch unser israelischer Kollege würde das gerne überprüfen. Was ist Wahrheit, was ist Lüge?
Tzvi Yehezkeli, israelischer Fernsehjournalist:"Wir wissen, die Panzer fahren rein, weil die Palästinenser die Soldaten beschießen und nicht nur mit Steinen bewerfen. Und die Israelis wollen uns weiß machen, sie führten dort einen sauberen Krieg."
Es ist ein Krieg auch um die Bilder. Er wird genauso hart geführt, wie die Kämpfe, die wir nicht sehen. Im Propagandakrieg um die Zustimmung der Weltöffentlichkeit werden die Fernsehbilder jeden Tag zur Waffe.
http://www.zdf.de/wissen/frontal21/61004/index.html
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