- Nachruf auf einen unbequemen Vordenker (Robert Nozick) - Popeye, 13.04.2002, 08:13
- Nachruf auf einen Schreibtischtäter - Taktiker, 13.04.2002, 11:52
- Re: Nachruf auf einen Schreibtischtäter - Euklid, 13.04.2002, 12:11
- Re: Nachruf auf einen Schreibtischtäter - Popeye, 13.04.2002, 12:28
- Re: Nachruf auf einen Schreibtischtäter - Euklid, 13.04.2002, 12:54
- welch wahren Worte! (owT) - wheely, 13.04.2002, 14:45
- Re: Nachruf auf einen Schreibtischtäter - Zardoz, 13.04.2002, 14:54
- Re: Nachruf auf einen Schreibtischtäter - Euklid, 13.04.2002, 15:07
- Re: Nachruf auf einen Schreibtischtäter - Zardoz, 13.04.2002, 15:40
- Ich bitte Dich doch: - Turon, 14.04.2002, 08:29
- Re: Nachruf auf einen Schreibtischtäter - Zardoz, 13.04.2002, 15:40
- Re: Nachruf auf einen Schreibtischtäter - Euklid, 13.04.2002, 15:07
- Re: Nachruf auf einen Schreibtischtäter - Euklid, 13.04.2002, 12:54
- deine Pauschalierungen sind unerträglich - wheely, 13.04.2002, 14:58
- Re: Nachruf auf einen Schreibtischtäter - Turon, 14.04.2002, 08:42
- eine sehr gute Frage, wir harren einer Antwort!! (owT) - wheely, 14.04.2002, 13:55
- Re: eine sehr gute Frage, wir harren einer Antwort!! (owT) - Taktiker, 14.04.2002, 14:04
- na klar, wenn man keine Argumente hat spielt man den Beleidigten....lächerlich! - wheely, 14.04.2002, 15:10
- Re: na klar, wenn man keine Argumente hat spielt man den Beleidigten....lächerlich! - Taktiker, 15.04.2002, 00:06
- Re: na klar, wenn man keine Argumente hat spielt man den Beleidigten....lächerlich! - Cujo, 15.04.2002, 00:25
- das Herrchen und sein Wadenbeisser -- einfach köstlich ihr zwei *g* (owT) - wheely, 15.04.2002, 13:43
- Re: das Herrchen und sein Wadenbeisser -- einfach köstlich ihr zwei *g* (owT) - Cujo, 15.04.2002, 13:53
- Re: das Herrchen und sein Wadenbeisser -- einfach köstlich ihr zwei *g* (owT) - XERXES, 15.04.2002, 14:01
- komm, laß gut sein jetzt - wheely, 15.04.2002, 14:10
- Re: das Herrchen und sein Wadenbeisser -- einfach köstlich ihr zwei *g* (owT) - Cujo, 15.04.2002, 13:53
- das Herrchen und sein Wadenbeisser -- einfach köstlich ihr zwei *g* (owT) - wheely, 15.04.2002, 13:43
- eben - wheely, 15.04.2002, 14:19
- Re: na klar, wenn man keine Argumente hat spielt man den Beleidigten....lächerlich! - Cujo, 15.04.2002, 00:25
- Re: na klar, wenn man keine Argumente hat spielt man den Beleidigten....lächerlich! - Taktiker, 15.04.2002, 00:06
- na klar, wenn man keine Argumente hat spielt man den Beleidigten....lächerlich! - wheely, 14.04.2002, 15:10
- Re: eine sehr gute Frage, wir harren einer Antwort!! (owT) - Taktiker, 14.04.2002, 14:04
- eine sehr gute Frage, wir harren einer Antwort!! (owT) - wheely, 14.04.2002, 13:55
- Re: Nachruf auf einen unbequemen Vordenker (Robert Nozick) - Popeye, 13.04.2002, 15:49
- Nachruf auf einen Schreibtischtäter - Taktiker, 13.04.2002, 11:52
Nachruf auf einen unbequemen Vordenker (Robert Nozick)
DIE ZEIT
Literatur 09/2002
Nachruf auf einen Freigeist
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von Jörg Lau
Nahezu unbemerkt von der deutschen Ã-ffentlichkeit ist vor wenigen Wochen der amerikanische Philosoph Robert
Nozick verstorben. Wenn man seine Bedeutung für die angelsächsische politische Philosophie der letzten 30 Jahre
zugrunde legt, ist das einigermaßen erstaunlich. Im Range eines University-Professors in Harvard, wo Nozick seit
1969 lehrte, führte er nicht gerade eine Nischenexistenz. Für die amerikanische Debatte der siebziger Jahre war
Nozicks Kontroverse mit seinem Institutskollegen John Rawls ein polarisierendes Ereignis. Hier schieden sich die
Wege: Nozicks große Studie Anarchie, Staat und Utopie (1974, auf Deutsch im mvg-Verlag, 1976) war eine
Radikalkritik jenes Konzepts von Verteilungsgerechtigkeit, das Rawls ausgearbeitet hatte. Nozick griff die
Rawlssche Rechtfertigung von Umverteilung an - und mit ihr den gesellschaftlichen Konsens der westlichen
Nachkriegswelt. Man glaubte damals, in jenen glücklichen Tagen, eine egalitäre Gesellschaft, basierend auf
umverteilender Besteuerung, sei nicht nur moralisch gerechtfertigt, sondern auch ein Gebot ökonomischer und
politischer Rationalität, und stehe im Übrigen nicht im Widerspruch zu den Freiheitsrechten des Individuums.
Nozick hat das Seine dazu getan, diesen Glauben zu erschüttern. Er wurde zu einem der Vordenker des
Neoliberalismus. Seine"libertäre" Kritik des Wohlfahrtsstaates nahm die Reformen der Thatcher- und
Reagan-Jahre vorweg. Nozick war aber nicht, wie ihm gerne unterstellt wurde, ein schlichter Ideologe des
Raubtierkapitalismus, sondern ein höchst anregender Renegat, wie ja übrigens so viele unter Amerikas
einflussreichen Neoliberalen und Neokonservativen. Fast alle haben sie als linientreue Trotzkisten begonnen,
bevor sie entdeckten, dass die"permanente Revolution" das Geheimnis des kapitalistischen Erfolgs ist. Nozick
unterminierte mit seiner Verteidigung der Ungleichheit als Ergebnis marktwirtschaftlicher Transaktionen, die er als
freiwillige Handlungen"zwischen mündigen Erwachsenen" beschrieb, die Grundlage der egalitären linken
Sozialkritik. Er hat mit der ihm eigenen analytischen Schärfe in Erinnerung gerufen, dass das Ideal der Gleichheit
einer anspruchsvollen Rechtfertigung bedarf. Seine Wertschätzung der Eigentumsrechte des Individuums
(self-ownership), die ihm viele Freunde auf der politischen Rechten einbrachte, führte ihn zu Folgerungen, die
ebendiesen Freunden die Haare zu Berge stehen ließ. Nozick sah in der Enteignung der Ureinwohner Nordamerikas
ein Urverbrechen - einen eigentlich"unamerikanischen" Akt. Außerdem engagierte er sich, auch dies im Sinne von
self-ownership, für die Rechte der Homosexuellen.
Robert Nozick, der Linken wie Rechten ein Ärgernis war, schonte sich selber nicht: Gegen die Rechthaberei,
Berufskrankheit aller Moralphilosophen, war er bemerkenswert immun. In den neunziger Jahren, als seine einst
ketzerischen Angriffe auf das Ideal der Gleichheit zur sozialdemokratischen Regierungspolitik unter den Fahnen
von"New Labour","Third Way" und (wenn auch rheinisch-kapitalistisch abgemildert)"Neuer Mitte" geworden
waren, begann Nozick seine Lehre zu revidieren. Er habe in seinem"ernstlich unangemessenen" Furor für den
Minimalstaat unterschätzt, wie wichtig es sei, dass die Politik verschiedenen Idealen und Bedürfnissen
Anerkennung zolle und sie zum Ausdruck bringe - und die Solidarität gehöre unbedingt dazu. Demokratische
Institutionen, in denen er vormals nur Mittel zur Kontrolle übermäßiger Staatsaktivität gesehen hatte, erschienen
ihm nun von Wert: Sie"selbst drücken in einer pointierten Weise unsere gleiche menschliche Würde, unsere
Autonomie und unsere Kräfte der Selbstregierung aus". Diese Wende des einstigen Vertreters der reinen libertären
Lehre ließ nun manche Anhänger von Verrat sprechen - dabei hatte er sich doch gerade durch die
Rücksichtslosigkeit seiner Selbstkritik als einer der wahrhaft freien Geister erwiesen.
Dieser freie Geist erwies sich übrigens auch an anderen Themen: Nozick ist, soweit ich sehe, der einzige Philosoph
der Gegenwart, der ohne Scheu, Kitsch oder die Verklemmungen der politischen Korrektheit von der Sexualität zu
schreiben wusste. Damit ist hier nicht Sexualität als Foucaultsches"Dispositiv" oder als"Gender"-Problem
gemeint, über das heute allenthalben so gerne wie unanschaulich schwadroniert wird. Nozick schreibt Vom
richtigen, guten und glücklichen Leben (Hanser Verlag, 1991), und ihm geht es um die Bedeutung dessen, was die
Leute tatsächlich im Bett und auf der Couch miteinander tun, kurz gesagt"das, was wir (ohne jede
Verunglimpfung),Ficken' nennen könnten" (Nozick). Sein Lob der Sexualität hat einen rokokohaften Hauch von
Heiterkeit, eine liebenswürdige, freie Anmut:"Ob sie es im sonstigen Leben tun oder nicht, beim Sex handeln
Menschen häufig und unbewusst so an anderen, wie sie möchten, dass andere an ihnen handeln. Wie schön, dass
Freiheit, Offenheit, Kreativität, Kühnheit und Intelligenz - Züge, die in der größeren Welt nicht immer so umfassend
belohnt werden - so überaus süße private Früchte tragen." Darauf möchte man mit Voltaires Candide antworten:
"Cela est bien dit, mais il faut cultiver notre jardin."
Quelle: Die Zeit
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