- Henry Blodget - dottore vor 18 Monaten (!) dazu bei boerse.de: - Tobias, 13.04.2002, 22:10
Henry Blodget - dottore vor 18 Monaten (!) dazu bei boerse.de:
Paul C. Martin
Es hüte sich, wer Aktien zum Kauf empfiehlt! (30.08.2000)
Henry Blodget gilt als führender Internet-Analyst der Welt. Sein Brot verdient er beim Brokerhaus Merrill Lynch. Das Brot ist irgendwie recht knusprig, denn unter einer Million Dollar im Jahr geht ein Mann wie Blodget nicht nach Hause. In diesem Jahr wirds vermutlich weniger sein. Denn kaum je lag ein Analyst so schief wie er.
Im"Wall Street Journal", dem Zentralorgan der kapitalistischen Internationale, wurde der arme Henry jüngst zerrissen. Das Blatt listete seine Internet-Empfehlungen auf, vor allem jene, die der große Experte gerade mit einem"downgrade" versehen hatte. Dabei stellte sich heraus, dass Henrys"downgrades" reichlich spät gekommen waren. Die Liste der zerbombten Werte reichte von eBay mit minus 60,2 % bis eToys mit -95,1 % (gerechnet jeweils vom Hi der letzten 52 Wochen). Unter den anderen"downgrade"-Werten fanden sich geknickte Blüten wie barnesandnoble.com, Buy.com, DoubleClick, Pets.com, Quokka Sports und Webvan.
Das WSJ fragt denn auch nicht ohne Häme:"Oh Henry! Isn’t it a bit late to be making changes?" Natürlich kam die Einsicht von Henry Blodget nicht nur ein bisschen spät, sondern eindeutig viel zu spät. Dies wirft natürlich gleich die Frage auf: Was soll nun ein Anleger tun, der mit seinen Internet-Aktien die lange Reise in den Orkus mitmachen musste? Ein Zyniker, an der Börse auch gern als"Contrarian" bezeichnet, wird wohl antworten: Kaufen, denn die meisten Werte sind nun schon so tief, dass sie kaum noch weiter fallen können!
Einer, der nicht so viel Humor und Nervenkraft besitzt, wird vielleicht überlegen, ob er Merrill Lynch nicht verklagen kann, denn Werte, die permanent auf der Buy- bzw. gar der Strong-Buy-Liste standen, sollten häufiger überprüft werden und nicht erst, nachdem sie fast schon erloschen sind. Aber dies muss der Anleger mit seinem Broker selber ausmachen.
Etwas anderes zum Thema"Wer muss eigentlich für was gerade stehen?" wird derzeit heftig diskutiert, nämlich ein Artikel einiger ausgewiesener Wissenschaftler, der jüngst im hochrenommierten"Journal of Finance" erschienen ist und der sich mit der Frage beschäftigt, ob die Random Walk-Hypothese, nach der sich künftige Aktienkurse niemals aus vergangenen berechnen lassen (auch unter derm Rubrum"efficient-market-theory" bekannt), noch uneingeschränkt gültig ist.
Die Wissenschaftler, darunter Cracks des MIT und der Yale School of Management kommen zu dem Ergebnis, dass sich aktuelle Aktienkurse tatsächlich aus vorangegangenen"erahnen", wenn nicht gar"berechnen" lassen. Dabei wurden lange Kursreihen auf, jedem"Techniker" bestens bekannte, Chartbilder hin untersucht (Kopf-Schulter-Formationen, Broadening Tops and Bottoms, Triangles, Double Tops und Bottoms).
Dies ist zweifellos ein Meilenstein in der Aktienkurs-Analyse, denn mit diesen Ergebnissen wird sehr fraglich, ob es denn für Analysten ausreicht, einfache, nur auf"Fundamentals" basierende Kauf- oder Verkaufsempfehlungen abzugeben. Sollte sich nach weiteren Untersuchungen heraus stellen, dass auch die aktuelle Chartsituation bei den Einstufungen bzw. Empfehlungen zu berücksichtigen sind, müsste die gesamte Analysten-Branche komplett umdenken.
Es würde nicht mehr reichen, mit Unternehmensdaten allein daher zu kommen, sondern es müsste dann immer auch dazu gesagt werden, dass die Aktie fundamental zwar gut aussieht, aber in einem so schrecklichen Chartbild steckt, dass sie nicht zum Kauf empfohlen werden kann.
Das Prozessrisiko ist nämlich immens. Und dass unzufriedene Anleger über kurz oder lang den Rechtsweg beschreiten werden, ist abzusehen. Aus dem"Caveat emptor" (es hüte sich der Käufer) würde ein"Caveat venditor" (es hüte sich der Verkäufer), zumindest ein"Caveat Recomendator": Es hüte sich, wer eine Aktienempfehlung abgibt...
Nächstes Mal: Blow-off und Crash.
Dr. Paul C. Martin
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