- Popeyes Nachtgedanken und das Falschgeld - R.Deutsch, 16.04.2002, 09:10
- Wo kann man denn etwas über Preisfrage von 1777 nachlesen? (owT) - erhardbd, 16.04.2002, 09:28
- Re: Wo kann man denn etwas über Preisfrage von 1777 nachlesen? (owT) - Popeye, 16.04.2002, 21:26
- Wo kann man denn etwas über Preisfrage von 1777 nachlesen? (owT) - erhardbd, 16.04.2002, 09:28
Popeyes Nachtgedanken und das Falschgeld
Habe gerade eine kleine Buchbesprechung geschrieben, die im nächsten Heft von Eigentümlich frei erscheint, welche auch eine Verbindung herstellt, von Kants Aufsatz"Was ist Aufklärung?" zu unserer Gelddiskussion. Den Wenigsten ist bekannt, dass die große Aufklärungsdebatte in Deutschland sich an der Falschgeldproduktion Friedrich des Großen entzündet hat. Ich hänge den Text mal hier an - vielleicht interessiert es ja einige.
Verpasste Chance
Klaus-Jürgen Grün hat ein hübsches philosophisches Büchlein geschrieben, schnurstracks am Leben vorbei, wie man das in der Philosophie häufig findet. Und dabei habe ich mich so auf das Buch gefreut. Der Mann, bei dem ich zum ersten Mal das Kant?sche Gedankengebäude einigermaßen verstanden habe, dank seiner klaren simplen Erklärungen, der Mann, der sich Protagoras zum Vorbild genommen hat mit den Worten:"Sein Unterricht zielte darauf ab, den einzelnen Athener für ein geschicktes Verwalten seines Eigentums tauglich zu machen", dieser Lehrer und Philosoph schreibt ein Buch über Geist und Geld. Da hat man sich doch etwas handfestes fürs Leben erwartet. Zumal der Autor selbst die Philosophen immer als Gralshüter des Geistes verspottet,?deren Antworten im Leben nichts bewegen, sondern nur Konstellationen im wissenschaftlichen System verändern.?
Und dann serviert er dieses? Nachdenken über das Nachdenken und was andere Nachdenker über das Nachdenken nachgedacht haben. Über das Thema Geld steht am Ende des Buches ein winziges Alibikapitel mit der schlichten Überschrift?Die Geist? Natur des Geldes?, in dem sich ausgesprochene Rätselsätze finden, wie etwa:?Knappes Geld verdoppelt die Knappheit der Güter?. Der Satz ist etwa so erleuchtend wie der Satz:?Knapper Geist verdoppelt die Knappheit der Erkenntnis?.
Kurz, das Thema Geld hat den Autor nicht interessiert und es bleibt die Frage, warum er es dann in den Titel geschrieben hat. Doch nicht etwa um Geldbesitzer zum Kauf zu verleiten? Wie dem auch sei, ich finde diesen Sachverhalt höchst bedauerlich und ich verhehle nicht, dass ich das Buch gegen Ende mit verhaltenem Zorn gelesen habe.
Wieso empfinden Philosophen keine Verpflichtung mehr, zu ganz praktischer Aufklärung, so wie das ein Protagoras offenbar empfunden hat. Immerhin ist die deutsche Aufklärung einmal aus einem ganz praktischen Anlass heraus entstanden, nämlich der Frage, ob der infame Geldbetrug Friedrich des Großen, mit dem er den Siebenjährigen Krieg finanzierte, moralisch zu rechtfertigen war. Die Preußische Akademie der Wissenschaften hatte im Jahre 1777 einen Preis über die Frage ausgeschrieben, ob es nützlich sei, das Volk zu betrügen. Die Preisfrage lautete:?Ist es dem gemeinen Haufen der Menschen nützlich, getäuscht zu werden, indem man ihn entweder zu neuen Irrtümern verleitet oder bei den gewohnten Irrtümern erhält?? Durch den Geldbetrug und diese Preisfrage wurde in Deutschland eine 20jährige philosophische Debatte ausgelöst, über die Frage, was Aufklärung sei, sowie über ihre Vorteile, Grenzen und Gefahren für Religion und Staat. Im Rahmen dieser Diskussion schrieb Kant 1784 seinen berühmten Beitrag mit dem Titel:?Was ist Aufklärung?, worin er die These vertrat, dass es die natürliche Bestimmung der Menschen sei, selbst zu denken. Aufklärung sei der natürliche Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.
Trauen sich Philosophen nicht mehr zu, über Geld zu denken? Haben sie Angst vor dem Thema, weil sie auf Geld angewiesen sind? Ist ihnen das Thema zu profan? Ist ihnen die Zivilcourage abhanden gekommen, die unter Friedrich dem Großen noch selbstverständlich war? Oder ist es gar wirklich nur Bequemlichkeit? Denken sie lieber in vertrauten Ringen, die sich über die Dinge ziehn?*
Da entfaltet sich vor ihren Augen der größte Geldbetrug, den die Welt je gesehen hat. Die Geldfälschungen Friedrich des Großen waren wahrlich Peanuts dagegen. Aber unsere Philosophen, also die Menschen, die überwiegend mit Steuermitteln der Bevölkerung von der Arbeit freigestellt werden, um die Wahrheit herauszufinden und mitzuteilen, sehen den Betrug nicht einmal.?Philosophie ist zu wichtig, um sie allein in den Händen von Philosophieprofessoren zu belassen?, schreibt der Autor im Nachwort zu seinem Buch? dem kann man nur zustimmen. Philosophie für den Alltag muss man selbst betreiben.
Vielleicht veranlasst diese herbe Kritik Grün ja dazu, ein zweites Buch zu schreiben, diesmal über Geld und Geist.
*nach dem Motto des schönen Rilke-Gedichtes:
Ich lebe mein Leben in konzentrischen Ringen
Die sich über die Dinge ziehn
Den letzten werd ich vielleicht nicht vollbringen
Doch versuchen will ich ihn
Ich kreise um Gott? den uralten Turm
Nun schon Jahrtausende lang
Und ich weiß nicht
Bin ich ein Falke, ein Sturm, oder ein wilder Gesang
Klaus-Jürgen Grün:?Geist und Geld?? Die zweite Natur des Menschen -
Mentis, Paderborn 2002, 242 S., kart.,? 24,80
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